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Bundesregierung für Desinteressierte: BPK vom 03. Dezember 2021

Themen: Gespräche über ein Nuklearabkommen mit dem Iran, COVID-19-Pandemie, Amtsantritt einer neuen Bundesregierung, unerlaubte Einreisen aus Belarus

Themen/Naive Fragen zu:
0:00 Beginn
01:40 Atomgespräche Iran
02:50 Russland
04:12 Britische Truppenstationierung
04:43 STIKO
06:00 Europäische Impfpflicht
08:50 Einreiseverordnung
13:02 Omikron
15:25 Regierungswechsel
17:20 Sebastian Kurz / Österreich
18:07 Twitteraccount @RegSprecher
18:47 Seiberts Zukunft
19:08 Grenze Polen/Belarus

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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 03. Dezember 2021:

VORS. WOLF eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt STS SEIBERT sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

FRAGE DR. RINKE: Ich hätte eine Frage an das Auswärtige Amt, und zwar zu den Atomgesprächen mit dem Iran. Es gibt unterschiedliche Einschätzungen und öffentliche Äußerungen dazu, ob man nun auf einem guten Weg sei oder nicht. Die USA haben sich jetzt skeptisch gezeigt. Vielleicht können Sie uns eine Einschätzung der Bundesregierung liefern.

BURGER: Tut mir leid, Herr Rinke; ich muss Sie um Verständnis dafür bitten, dass ich an dieser Stelle über keine Details aus den Verhandlungen berichten kann. Die Gespräche in Wien dauern zu Stunde noch an. Wenn es berichtenswerte Neuigkeiten geben wird, dann werde ich hier gerne berichten, aber derzeit kann ich Sie nur darauf verweisen, dass die Gespräche in Wien noch laufen.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Darf ich noch einmal nachfragen, da sich die Amerikaner ja schon geäußert haben und sich pessimistisch zeigen? Steht das in Übereinstimmung mit der deutschen Einschätzung der bisherigen Gespräche?

BURGER: Ich möchte, wie gesagt, zum Verlauf der Gespräche zum derzeitigen Zeitpunkt von dieser Stelle aus keine weiteren Einschätzungen liefern.

FRAGE JESSEN: Nicht zu dem Thema, aber auch an das Auswärtige Amt: Wie schätzen Sie die Situation im Spannungsverhältnis zu Russland ein? Putin hat jetzt sozusagen noch einmal Garantien dafür verlangt, dass sich die NATO nicht weiter ausdehnen werde. Das ist schon ein paar Tage im Gespräch. Aber es sieht im Moment so aus, dass sich die Spannungslage auch verschärft.

BURGER: Herr Jessen, da würde ich Sie gerne auf die Äußerungen des Außenministers beim NATO-Außenministertreffen verweisen. Da hat er sich ja just zu dieser Frage eingehend geäußert. Auch der NATO-Generalsekretär hat sich zu dieser Frage geäußert. Aus unserer Sicht ist es wichtig, dass Russland zur Deeskalation und zur Transparenz bezüglich seiner Militäraktivitäten beiträgt.

Ansonsten gilt das, was wir hier in der vergangenen Woche in Ankündigung des NATO-Außenministertreffens auch schon gesagt haben: Die russischen Militäraktivitäten im Umfeld der Ukraine sind für uns Anlass zu ernster Sorge. Wir handeln und beobachten diese Lage eng abgestimmt mit unseren Partnern und Alliierten.

ZUSATZ JESSEN: Ich möchte dann noch einmal an eine Frage anknüpfen, die ich Mittwoch gestellt hatte. Dabei ging es um die Rückkehr der britischen Rheinarmee oder die Verlagerung von Teilen nach Deutschland. Da sagten Sie, Ansprechpartner dafür sei eigentlich die britische Regierung. Gleichwohl ist das eine Stationierung in Deutschland. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das ohne Absprache mit der oder Zustimmung der Bundesregierung erfolgte.

BURGER: Ich kann die Meldungen, auf die Sie da Bezug genommen haben, aus eigener Erkenntnis nicht bestätigen.

FRAGE VIEWEGER: Herr Ewald, es ist uns leider nicht gelungen, vorher online eine Frage an Herrn Spahn zu stellen, die noch einmal die STIKO betrifft. Gestern haben Sie ja vielleicht den „Panorama“-Beitrag gesehen, in dem die Frage war, wie gut die STIKO aufgestellt ist, und die Klage, man könne sie besser aufstellen. Ist Ihnen diese Klage schon länger bekannt? Minister Spahn sagt in dem Beitrag ja, wenn es ein Problem gebe, solle man sich melden. Wie könnte eine andere, bessere Aufstellung bzw. Ausstattung der STIKO aussehen?

EWALD: Sowohl Herr Spahn als auch Herr Wieler haben sich heute noch einmal dazu geäußert. Herr Wieler hat den aktuellen Status der STIKO als unabhängiges wissenschaftliches Gremium mit einer entsprechenden Aufstellung auch noch einmal deutlich gemacht. Daher muss ich darauf verweisen, was sowohl Herr Spahn als auch Herr Wieler heute dazu gesagt haben. Ich kann das nicht weiter ergänzen oder Ihnen dazu weitere Einordnungen übermitteln.

FRAGE KURMAYER: Aus Brüssel erreicht mich die Meldung, dass sich die Bundesregierung auf EU-Ebene für eine allgemeine Impfpflicht mittels eines europäischen Rechtsakts einsetzt. Können Sie das bestätigen?

STS SEIBERT: Wir haben jetzt gestern in Deutschland in der Bund-Länder-Besprechung, wie Sie ja sicherlich mitbekommen haben, eine gemeinsame Haltung zur Notwendigkeit einer allgemeinen Impfpflicht hergestellt oder sind dabei. Das wird dann letztlich der Deutsche Bundestag entscheiden. Dafür gibt es gute Gründe. Mir wäre nicht bewusst, solange diese Entscheidung noch nicht einmal in Deutschland gefallen ist Sie wissen, dass jetzt die Ethikkommission bis Ende dieses Jahres erst noch ihre Stellungnahme dazu abgeben soll , dass es da von deutscher Seite auf europäischer Ebene Ich kann es Ihnen jetzt nicht sagen, aber das erscheint mir nicht sehr wahrscheinlich. Das ist eine Frage, die letztlich jedes Land bisher jedenfalls national zu entscheiden hatte, und deswegen, glaube ich, wird es jetzt zunächst in Deutschland eine nationale Entscheidung darüber geben.

ZUSATZFRAGE KURMAYER: Könnte man das rechtlich auf ein Interesse an einem gesunden Binnenmarkt stützen?

STS SEIBERT: Das ist jetzt, glaube ich, vollkommen hypothetisch. Wir sind hier in Deutschland dabei, einen Weg zu beschreiten, damit im Deutschen Bundestag Anfang des kommenden Jahres eine solche Entscheidung fällt. Aber das liegt natürlich komplett in den Händen der Abgeordneten des Deutschen Bundestags. Vorher soll es eine Entscheidung der Ethikkommission geben. Das ist ja auch keine leichte Sache. Das ist eine Abwägungsfrage. Wir halten es jetzt für notwendig. Das war im Grunde der Tenor der Einigung von Bund und Ländern gestern. Bei den wirklich noch nie da gewesenen Infektionsgeschehen, bei der Situation in den Krankenhäusern und vor allem auf den Intensivstationen, bei der Tatsache, dass jeden Tag Patienten quer durch Deutschland geflogen werden müssen, um die adäquate Behandlung finden zu können, dass andere Operationen, notwendige Operationen, dadurch verschoben werden und dass das alles auch mit einer nicht ausreichenden Impfquote zu tun hat, haben wir uns jetzt auf diesen Weg gemacht.

Das ist das, was jetzt in Deutschland stattfindet. Über europäische Dinge kann ich überhaupt keine Auskunft geben. Aber in Europa gibt es auch sehr unterschiedliche Impfquoten, sehr unterschiedliche Mentalitäten gegenüber dem Impfen. Es erscheint mir nicht so einfach, das unter einen Hut zu bringen.

FRAGE DR. RINKE: Eine Frage an das Gesundheitsministerium und das Innenministerium: Die USA haben gerade die Testvorschriften für Flugreisende wegen Omikrons verschärft. Stehen ähnliche Planungen mit Blick auf Omikron auch hier in Deutschland an? Jeder Passagier muss jetzt getestet werden, egal ob geimpft oder ungeimpft.

ALTER: Ich kann jetzt nicht bewerten, nach welchem Prinzip die USA vorgehen, wenn sie ihre Einreisevorschriften gestalten. In Deutschland ist es auf jeden Fall so, dass wir diese Testpflichten bei Reisenden, und zwar bei allen Reisenden, haben, die aus Staaten kommen, die wir als Virusvariantengebiete eingestuft haben. Hintergrund ist die neue Virusvariante. So gilt es ja seit knapp einer Woche bei Staaten aus dem südlichen Afrika, dass man bei Ankunft am Flughafen einen PCR-Test durchlaufen muss und nach dem Testergebnis entschieden wird, ob man die Quarantäne zu Hause verbringen kann oder ob man in eine behördliche Quarantäne, in ein Quarantänehotel, muss. Das ist das Prinzip, das in Deutschland gilt. Insofern wäre eine Erweiterung der Testpflicht nach jetzigem Prinzip damit verbunden, ob ein weiterer Staat als Virusvariantengebiet eingestuft wird oder nicht.

EWALD: Ich kann das eigentlich auch nicht weiter substanziell ergänzen. Wir haben ja nach dem Auftauchen dieser Virusvariante eigentlich alles getan, um den Eintrag der Virusvariante möglichst zu minimieren. Als erste Vorsichtsmaßnahme haben wir die Region um Südafrika als Virusvariantengebiet klassifiziert. Der Eintrag dieser Variante nach Deutschland lässt sich dadurch nicht verhindern, allerdings die Ausbreitung verzögern. Das ist unsere Einschätzung.

Wichtig ist: Ganz unabhängig von Omikron müssen wir auf das Pandemiegeschehen in Deutschland schärfer und schneller reagieren. Dazu hat der Minister ja heute auch noch mal eine Einschätzung abgegeben.

Wir haben wir konkret reagiert? Nachdem Südafrika und die Nachbarstaaten zum Virusvariantengebiet erklärt worden sind, dürfen Fluggesellschaften nur noch deutsche Staatsbürger und diejenigen, die ihren Wohnsitz in Deutschland haben, aus der Region nach Deutschland befördern. Dies gilt auch für die Beförderung von Passagieren mit Gabelflügen aus der Region. Eine PCR-Testung vor Abflug wird ebenfalls dringend empfohlen. Überdies müssen Rückreisende dann 14 Tage in Quarantäne. Geregelt und überwacht werden die Details der Quarantäne durch die Gesundheitsbehörden am Ort der Quarantäne. Reisende, die in den letzten zehn Tagen aus dem südlichen Afrika zurückgekehrt sind, sollten sich ferner vorsorglich testen lassen, auch bei Symptomfreiheit.

Das ist der Stand der Dinge. Darüber hinaus kann ich Ihnen von keinen weiteren Plänen berichten.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Dann muss ich die Frage wiederholen. Mir ging es ja genau darum, ob es über das hinaus, was gerade besteht, weitere Planungen gibt und, wenn nicht, warum nicht. Denn wenn andere Länder zu dem Schluss kommen, dass man generell bei Einreisenden jetzt einen Negativtest verlangt, dann stellt sich ja die Frage, warum die Bundesregierung das nicht auch tut.

ALTER: Mir sind keine Überlegungen bekannt, dass jetzt das Regime noch einmal verstärkt oder verschärft werden soll. Das ist allerdings ein dynamischer Prozess. Das kann sich jederzeit ändern. Es ist nur zu berücksichtigen, dass das, wenn man es auf alle Reisenden bezöge, natürlich europaweit viel sinnvoller ist, weil wir ja innerhalb Europas auch Reisebewegungen haben, bei denen überhaupt gar keine Kontrollen vorgesehen sind. Insofern ist das ein relativ komplexes Problem. Im Moment haben wir uns dafür entschieden, die Virusvariantengebiete auszuweisen, bei denen ein Grenzübertritt über eine EU-Grenze stattfindet. Das heißt, alle Reisenden, die überhaupt noch fliegen dürfen, weil ja auch ein Beförderungsverbot gilt, werden ohnehin an der Grenze kontrolliert. In Deutschland sind das zwei Flughäfen, München und Frankfurt, wo diese Flüge ankommen, und da kann man das auch konsequent umsetzen.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Noch eine Frage an das Gesundheitsministerium, was Omikron angeht; das wurde vorhin in der PK nicht angesprochen: Können Sie uns eine Einschätzung liefern, was über die Gefährlichkeit von Omikron bekannt ist? Herr Wieler erwähnte zwar, dass es möglicherweise sehr viel ansteckender ist, aber gibt es bei Ihnen irgendwelche Hinweise dafür, dass der Verlauf von Coronaerkrankungen mit dieser neuen Virusvariante weniger schwer oder schädlicher ist?

EWALD: Das RKI selbst hat dazu ja auch in seinem aktuellen Wochenbericht Stellung genommen. Und eine Bemerkung noch, die auch an Ihre letzte Frage anschließt: Es ist natürlich so, dass auf der Ebene WHO, ECDC, auf europäischer Ebene und auch mit dem RKI jetzt sukzessive Daten zusammengetragen und auch fortlaufend bewertet werden.

Ich kann Ihnen sagen: Das Mutationsprofil sowie der plötzliche Fallanstieg sind in der Tat auffällig. Dies deutet zumindest auf eine leichtere Übertragbarkeit als beispielsweise bei der Deltavirusvariante hin. Es ist jedoch bis dato noch unklar, ob dieses Virus sozusagen leichter übertragbar ist. Völlig unklar ist weiterhin auch noch, ob die Wirkung von Impfstoff herabgesetzt ist. Da haben ja jetzt auch in Südafrika entsprechende Neutralisationsteste begonnen. Weiterhin muss geklärt werden, ob die neue Variante am Ende krank machender ist. Oft ist es in der Evaluation von Viren so, dass Viren leichter übertragbar sind, aber weniger krank machend werden. Und man muss auch noch mal darauf hinweisen, dass Südafrika selber auch hervorragende Sequenzierkapazitäten hat und es damit auch möglich ist, dass die Variante gegebenenfalls nicht dort entstanden ist, sondern nur dort entdeckt wurde. Also, das sind alles Fragestellungen, mit denen sich dort jetzt intensiv beschäftigt wird. Es werden Daten zusammengetragen, und die Situation im Hinblick auf die Frage „Wie wirkt diese Virusvariante?“ wird auch fortlaufend bewertet.

FRAGE JESSEN: Frage an Herrn Seibert: Die Transition von der einen Regierung zur anderen findet ja diesmal unter besonders schwierigen Verhältnissen und Bedingungen statt. Es hat ja auch eine Reihe von Kooperationen gegeben. Wird es eine solche Kooperation auch über den nächsten Mittwoch hinaus geben, oder sind die Kanzlerin und die Minister, wenn sie denn dann aus dem Amt geschieden sind, tatsächlich vom einen Tag auf den anderen komplett draußen?

STS SEIBERT: Diese Kanzlerschaft endet, soweit das heute voraussehbar ist, mit der Wahl des neuen Bundeskanzlers Olaf Scholz, die für Mittwoch angesetzt ist. Dann endet sie und dann hat Deutschland einen Bundeskanzler. Da gibt es keine anderen Bundeskanzler, Schattenbundeskanzler Deutschland hat dann den Bundeskanzler Olaf Scholz, und die Bundeskanzlerin wird sich dann, wie sie es angekündigt hat, aus der politischen Arbeit zurückziehen.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Ich meinte auch nicht im Sinne von Schattenkanzlerin oder so, das ist völlig klar. Gleichwohl hat es jetzt in der Vorbereitung des Wechsels Gespräche, Verabredungen usw. gegeben. Ist ausgeschlossen, dass es auch am Tag nach dem formellen Amtswechsel weiterhin solche Gespräche gibt?

STS SEIBERT: Ich kann logischerweise nicht ausschließen, dass die Bundeskanzlerin telefoniert oder spricht mit diesem oder jenem. Ich weiß es aber auch nicht. Ich weiß nur, dass sie angekündigt hat, sich aus dem politischen Leben zurückzuziehen, und dass sie auch mehrfach öffentlich gesagt hat, dass sie wirklich auch für eine monatelange Zeit keine Termine wahrnehmen wolle. Ihr Kommunikationsverhalten kann ich nicht voraussehen.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Jetzt hat die Geschichte es so gewollt, dass sich mit dem gestrigen Tag auf der einen Seite die Kanzlerin aus dem politischen Leben verabschiedet und gleichzeitig auch Sebastian Kurz seinen endgültigen Abschied angekündigt hat. Gibt es irgendeine Reaktion darauf? Wissen Sie, wie die Kanzlerin das aufgenommen hat? Die beiden hatten ja in der Vergangenheit als politische Führungspersönlichkeiten dann doch auch eine Art von spannungsvoller Beziehung zueinander.

STS SEIBERT: Das, was Sie ansprechen, ist natürlich eine innere Angelegenheit Österreichs, und ich habe gar keine Veranlassung, die als deutscher Regierungssprecher zu kommentieren.

VORS. WOLF: Ich nehme eine digitale Frage des Kollegen Steiner von Table.Media dazu. Er fragt Sie, Herr Seibert: Was passiert mit Ihrem Twitter-Account @RegSprecher?

STS SEIBERT: Wir können am nächsten Mittwoch oder Donnerstag gerne zeigen, was da passiert. Der wird archiviert, wie es in solchen Fällen üblich ist. Das heißt, er wird sozusagen beiseitegeschoben und ist dann noch einsehbar, aber es kommt nichts mehr dazu. So ist das. Aber das können wir dann am Mittwoch/Donnerstag genauer vorführen, wie das läuft. Das läuft nach den dafür vorgesehenen Regeln.

FRAGE VIEWEGER: Herr Seibert, darf ich Sie persönlich fragen: Was ist Ihre Zukunft? Haben Sie schon Pläne?

STS SEIBERT: Hier sitze ich als Regierungssprecher und gebe über Regierungshandeln Auskunft. Damit, fürchte ich, ist Ihre Frage hier beantwortet.

FRAGE: Herr Alter, zur Lage an der Grenze zwischen Polen und Weißrussland und im Umkehrschluss auch zwischen Polen und Deutschland: Was ist da nach Ihren Informationen die derzeitige Situation? Was ist nach neuestem Stand die Zahl der Flüchtlinge, die über die polnisch-deutsche Grenze nach Deutschland gelangt sind?

ALTER: Die Situation hat sich in den letzten Wochen an beiden Grenzen nach unseren Erkenntnissen entspannt. Wir haben deutlich geringere Feststellungszahlen an der deutsch-polnischen Grenze, was unerlaubte Einreisen aus Belarus über Polen kommend angeht. Wir haben auch Erkenntnisse darüber, dass die Migrationsdynamik über Belarus natürlich noch nicht vollständig abgeschlossen ist. Die Situation ist nicht ausgestanden, aber es gibt eine deutliche Entspannung dadurch, dass auch das Signal in verschiedene Länder dieser Welt gegangen ist, dass ein Weiterkommen an dieser Grenze nicht wahrscheinlich ist, (akustisch unverständlich). Wir wissen ja auch, dass Rückführungen stattfinden, freiwillige Rückreisen aus Belarus in die jeweiligen Herkunftsländer, weil die Zustände in Belarus an der Grenze zu Polen menschenunwürdig und lebensgefährlich sind.

Das heißt, die Situation ist nach wie vor ernst zu nehmen, aber sie ist im Vergleich zu vor ein paar Wochen deutlich entspannter, als wir sie gesehen haben. Aktuelle Zahlen zum Feststellungsniveau hier an der deutsch-polnischen Grenze habe ich jetzt nicht parat, aber die können bei der Bundespolizei erfragt werden.

STS SEIBERT: Wenn ich etwas bezüglich der Grenze von Belarus zur Europäischen Union, also Belarus-Polen, hinzufügen darf: Da nehmen wir die Meldungen doch mit Sorge zur Kenntnis, dass Belarus weiterhin den internationalen Hilfsorganisationen keinen ständigen Zugang zu den Menschen an der Grenze gewährt. Die Bundeskanzlerin hatte, wie Sie wissen, zweimal mit Herrn Lukaschenko telefoniert, sie hat die dringende Notwendigkeit unterstrichen, dass dort mit Unterstützung von UNHCR und IOM und in Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission eben humanitäre Versorgung und Rückkehrmöglichkeiten für die betroffenen Menschen ermöglicht werden. Wir erwarten, dass die belarussische Seite auch tätig wird und wirklich auch, solange das notwendig ist, einen dauerhaften Zugang für diese internationalen Hilfsorganisationen ermöglicht.

ZUSATZFRAGE: Herr Alter, wissen Sie, ob es seit dem Verdachtsfall von Vigilantismus, also von Selbstjustiz von selbsternannten Grenzwächtern an der deutsch-polnischen Grenze, ähnliche Vorfälle gegeben hat?

ALTER: Wir kennen ja diese Ereignisse aus der Vergangenheit. Dazu haben wir ja auch ganz klar Position bezogen, und zwar insofern, als das völlig inakzeptabel ist. Das Gewaltmonopol liegt beim Staat, und das, was dort versucht wird, ist, die Ausübung von hoheitlichen Befugnissen auf Privatpersonen zu übertragen. Das ist amtsanmaßend und nicht zu tolerieren.

Wir haben jetzt von den zuständigen Behörden keine Erkenntnisse darüber bekommen, dass es noch einmal zumindest in größerer Form dazu gekommen ist. Ich kann aber nicht ausschließen, dass es hier und da durch die örtliche Polizei jeweils festgestellt worden sein könnte. Dazu liegen mir keine Erkenntnisse vor.

FRAGE JESSEN: Herr Seibert, weil Sie sagten, dass es auf belarussischer Seite keinen Zugang zum Grenzgebiet gebe: In den vergangenen Wochen war auch berichtet worden, dass auch von polnischer Seite Beobachter nicht ins Grenzgebiet gelassen wurden. Können Sie uns sagen, wie der Status da im Moment ist? Besteht da ungehinderter Zugang oder gibt es auch da noch Einschränkungen?

STS SEIBERT: Dazu habe ich kein aktuelles Lagebild, das ich Ihnen hier geben könnte.

ALTER: Das ist bei mir ebenfalls der Fall. Ich weiß nicht, ob der Kollege aus dem AA andere Erkenntnisse hätte.

BURGER: Einen ganz aktuellen Stand habe ich dazu tatsächlich auch nicht dabei. Das müsste ich nachreichen, wenn wir etwas dazu sagen können.

FRAGE: Herr Alter, wissen Sie, wie viele Menschen an den Grenzen bisher infolge von Gewalt oder auch der Wettereinflüsse zu Tode gekommen sind? Können Sie bei der Anzahl der Todesfälle unterscheiden zwischen Gewalteinwirkungen und Wettereinwirkungen?

ALTER: Wir haben keine systematische Erkenntnislage dazu. Das würde ja bedeuten, dass wir von der belarussischen Seite in irgendeiner Weise strukturiert darüber informiert würden. Das ist nicht der Fall. Insofern haben wir im Wesentlichen die Erkenntnisse, die über Medien bekannt werden, und Erkenntnisse darüber, was im Rahmen der Arbeitsgespräche insbesondere mit dem polnischen Grenzschutz besprochen wird. Es gibt aber keine valide, belastbare Statistik dazu.

 

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