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Bundesregierung für Desinteressierte: BPK vom 20. Dezember 2021

Erste Regierungspressekonferenz mit dem neuen stellvertretenden Regierungssprecher Wolfgang Büchner.

Themen/Naive Fragen zu:
00:00 Beginn
00:23 Stellvertretender Regierungssprecher Wolfgang Büchner
02:22 Corona/COVID-19
23:54 Russland | NordStream 2
45:58 Afghanistan | Ortskräfte
53:26 Polen
54:13 neuer Bundesbank-Präsident Joachim Nagel
56:06 RT-Lizens
57:41 Rassismus | Spielabbruch Fußball-Bundesliga
01:00:44 Ägypten
01:01:29 UN-Resolution zur Bekämpfung der Glorifizierung des Nazismus
01:03:15 Verabschiedung Dennis Kolberg vom BMF
01:06:07 Ende

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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 20. Dezember 2021:

SRS BÜCHNER (Vorstellung des neuen Stellvertretenden Sprechers der Bundesregierung): Wir haben heute einige wichtige Themen, aber lassen Sie mich, weil es heute für mich das erste Mal ist, vielleicht drei Sätze vorweg sagen.

Das Erste ist, um das schöne Wort des Bundeskanzlers zu bemühen: Ich glaube, Sie ahnen und wissen, dass ich großen Respekt vor der Arbeit der Presse habe. Ich werde mich hier wie auch Steffen Hebestreit um größtmögliche Transparenz bemühen und würde mich freuen, wenn wir hier ein respektvolles Miteinander pflegen würden.

Ich freue mich außerdem auf die Arbeit mit den anderen Sprechern, mit Steffen Hebestreit und mit Christiane Hoffmann, die im Januar zu uns stoßen wird.

Ein Letztes: Sehen Sie es mir bitte nach ich bin völlig neu in dieser Rolle , dass ich am Anfang vielleicht ein bisschen mehr als erfahrene Sprecher in Sprechzettel schaue, bevor ich Ihnen eine Antwort gebe. Das wird sich im Laufe der Zeit vielleicht legen.

VORS. WEFERS: Lieber Herr Büchner, ich wünsche Ihnen einen guten Start und vor allen Dingen auch einen guten Verlauf mit uns. Ich denke, dass wir den respektvollen Umgang miteinander hier normalerweise ziemlich gut hinkriegen. Jedenfalls kann ich diesbezüglich für meine Kollegen in der Bundespressekonferenz und auch für die Kollegen vom Verein der Auslandspresse sprechen. Ich wünsche Ihnen alles Gute.

SRS BÜCHNER (zur COVID-19-Pandemie): Einleitend möchte ich gern etwas zum Expertengremium und zur Omikronvariante sagen.

Der neue Expertenrat der Bundesregierung zu COVID-19 hat gestern seine erste Stellungnahme abgegeben. Den Bericht kann ich hier als bekannt voraussetzen.

Durch weitreichende Maßnahmen war es uns gelungen, die vierte Welle der Coronapandemie in ihrer Dynamik etwas zu bremsen. Dazu haben einerseits weitreichende Einschränkungen beigetragen wie 3G in den Betrieben und im öffentlichen Nahverkehr, 2G in weiten Teilen des Einzelhandels, bei Sportveranstaltungen, teilweise auch 2G-plus-Regeln. Es gibt weitere Maßnahmen zur Kontaktreduktion und Höchstgrenzen bei Großveranstaltungen. Hier haben wir früher reagiert als einige andere Staaten. Auch das vernünftige und vorsichtige Verhalten vieler Bürger hat dazu beigetragen, dass die vierte Welle gebremst werden konnte, wofür sich Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Regierungserklärung in der vergangenen Woche ausdrücklich bedankt hat.

Nun sind wir leider mit der Omikronvariante des Coronavirus konfrontiert. Nach Einschätzung der Experten und vorliegenden Daten aus anderen Staaten ist damit zu rechnen, dass die Omikronvariante ein sehr dynamisches Infektionsgeschehen auslösen wird. Denn die Omikronvariante ist deutlich ansteckender und verbreitet sich deutlich schneller, wie uns die Fachleute sagen. Innerhalb weniger Tage wurde es in Großbritannien, Dänemark und anderswo die dominierende Variante. Auch wenn es bislang noch keine belastbaren Daten dazu gibt, wie schwer die Krankheitsverläufe mit der Omikronvariante sein werden und wie hoch das Risiko für bestimmte Altersgruppen ist, ist klar, dass uns die Omikronvariante vor neue Herausforderungen stellt.

In Deutschland haben wir mit der Omikronvariante auch deshalb ein Problem, weil die Zahl der Geimpften nicht hoch genug ist. Es wäre besser, wenn wir deutlich mehr Geimpfte hätten. Gut sind wir dagegen beim Boostern. Wir haben bereits über 25 Millionen Boosterimpfungen geschafft. Das von Bundeskanzler Scholz ausgegebene Ziel von 30 Millionen Impfungen ist in Reichweite. Wir können das gemeinsam schaffen.

Beides müssen wir jetzt auch während der Feiertage und zwischen den Jahren noch einmal intensivieren, das Impfen und das Boostern. Der Bundeskanzler sagt dazu wörtlich: Jetzt, Leute, geht dahin und macht das!

Das Expertengremium hat eine sehr abgewogene Stellungnahme abgegeben. Es empfiehlt drei Dinge: Impfen und Boostern, Maßnahmen und Vorkehrungen zum Schutz der Kritischen Infrastruktur zu ergreifen und Bekräftigungen bei den Kontaktbeschränkungen.

Der Bundeskanzler und der MPK-Vorsitzende haben sich darauf verständigt, dass sich der Bundeskanzler und die Regierungschefinnen und -chefs der Länder bereits am morgigen Dienstagnachmittag zusammenschalten werden. Die Konferenz wird derzeit vom Chef des Bundeskanzleramtes und den Chefs der Staatskanzleien vorbereitet. Es ist aber gut, dass wir frühzeitig mit diesen Fragen konfrontiert sind und darüber diskutieren können, wie wir am besten reagieren. Es ist gut, dass die Bundesregierung das Expertengremium als neues Instrument etabliert hat. Der Bundeskanzler dankt den Expertinnen und Experten für ihre einstimmig gefassten Empfehlungen. Jeder einzelne und jede einzelne kann durch verantwortungsvolles und vernünftiges Verhalten dazu beitragen, dass unser Land gut durch diese schwierige Zeit kommt.

FRAGE KÜFNER: Herr Büchner, es zeichnet sich ab, dass von der Bundesregierung weitergehende Maßnahmen ab Januar angestrebt werden. Was ist im Augenblick der Gedanke? Will man den Leuten die Weihnachtszeit mit allen Nebenwirkungen und Risiken im Hinblick auf die Omikronvariante noch lassen? Vielleicht können Sie uns etwas dazu sagen.

SRS BÜCHNER: Zu dem Thema hat sich der Bundesgesundheitsminister schon geäußert. Zu dem Thema, welche weiteren Beschränkungen denkbar sind, werden sich Bund und Länder jetzt austauschen. Den Beratungen möchte ich hier natürlich nicht vorgreifen. Aber es ist naheliegend, dass es dabei insbesondere um private Zusammenkünfte, für die heute vielerorts noch eine Obergrenze von 50 Personen indoor und 200 Personen outdoor gilt, um Großveranstaltungen sowie um Bars und Clubs geht. Dies sind die Hauptthemen, die dort zunächst beraten werden.

ZUSATZ KÜFNER: Ihr eigenes Beratergremium hat davon gesprochen, dass man jetzt eigentlich innerhalb von Tagen Maßnahmen brauche.

SRS BÜCHNER: Deshalb ist es gut, dass der Bundeskanzler und der Vorsitzende der MPK sehr schnell reagiert haben und die Beratungen schon morgen stattfinden werden.

VORS. WEFERS: Herr Heller vom Korrespondentenbüro Herholz fragt dazu: Was bleibt noch an Kontaktbeschränkungen, wenn ein Lockdown ausgeschlossen bleibt, wie der Minister sagt?

SRS BÜCHNER: Das habe ich gerade ausgeführt. Es ist denkbar, dass man die Obergrenzen indoor und outdoor für private Veranstaltungen und auch für öffentliche Großveranstaltungen noch einmal überdenkt.

FRAGE JESSEN: Frage ans BMI: Sie sind für die kritische Infrastruktur zuständig. Können Sie uns sagen, wie hoch der Anteil der Ungeimpften bei Bundespolizei und anderen Institutionen ist? Gibt es eine Art von Notfallplan für den Fall, dass sich die Omikronvariante durchsetzt und möglicherweise eine größere Zahl von Menschen, die in diesen Bereichen arbeiten, ausfällt?

ALTER: Ich beginne mit dem zweiten Teil Ihrer Frage, mit der Frage nach Notfallplänen, und kann Ihnen sagen: Ja, diese gibt es. Sowohl auf Ebene der Bundesregierung als auch in den Behörden der Bundesregierung, also in der Bundesverwaltung, gibt es jeweils Pandemiepläne. Die Behörden haben für einen solchen Fall vorgesorgt. Diese Pläne, deren Prinzip überall gleich ist, sehen vor, in verschiedenen Stufen je nach Stärke der Pandemie unterschiedliche Maßnahmen zu ergreifen. Diese Pläne sind nicht erst jetzt entstanden, sondern schon seit vielen Monaten in Kraft. Denn die Pandemie ist auch nicht erst seit gestern da. Das heißt also, unsere Behörden, auch das Bundesinnenministerium, arbeiten seit Beginn der Pandemie unter Berücksichtigung dieser Pandemiepläne.

Jetzt müssen wir damit rechnen, dass durch die Omikronvariante die Infektionszahlen noch einmal deutlich steigen. Deswegen müssen jetzt alle Behörden für sich prüfen, welche zusätzlichen Maßnahmen ergriffen werden müssen, damit die Funktionsfähigkeit der jeweiligen Behörde auch unter diesen Bedingungen erhalten bleibt.

Zum ersten Teil Ihrer Frage: Ich kann Ihnen zumindest für Bundeskriminalamt und Bundespolizei aus dem Kopf sagen, dass die Impfquote allein durch eigene Impfungen, also nicht dadurch, dass Bundespolizeibeamte ihren Hausarzt aufgesucht haben, sondern dadurch, dass sie durch den Dienstherrn ein Impfangebot erhalten haben, im BKA bei über 90 Prozent und in der Bundespolizei bei über 80 Prozent liegt.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Gibt es eine FFP2-Maskenvorschrift für Menschen, die dem BMI unterstellt sind? Der Expertenrat empfiehlt ja eindeutig FFP2 eigentlich überall. Gibt es eine solche Pflicht?

ALTER: Es gibt die Regelungen, die in den Ländern gelten. Das ist sozusagen von der rechtlichen Grundlage her das, was gilt. Für die Bundespolizei in Sachsen gilt das, was in Sachsen gilt; für die Bundespolizei in Bayern gilt das, was in Bayern gilt. Nichtsdestoweniger stellt der Dienstherr einheitlich FFP2-Masken zur Verfügung, insbesondere für den Streifendienst, weil die Streifenbeamten durch die Nähe zur Bevölkerung einer besonderen Situation ausgesetzt sind. Nach den Erkenntnissen, die wir haben, werden diese FFP2-Masken sehr, sehr weitverbreitet getragen.

VORS. WEFERS: Es gibt zwei Fragen von außen zum Thema der kritischen Infrastrukturen, zum einen von Daniel Brössler von der „Süddeutschen Zeitung“, der auf den Expertenrat verweist und fragt: Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung bereits ergriffen, um die Infrastruktur zu schützen, und welche Maßnahmen sind in den nächsten Tagen geplant?

Die zweite Frage ist von Gernot Heller, der auch nach den Konzepten fragt, um Einbrüche der kritischen Infrastruktur zu vermeiden.

ALTER: Ich glaube, dass sich das ein bisschen doppelt. Aber ich ergänze das gern.

Welche Maßnahmen ergriffen worden sind, ist in den unterschiedlichen Behörden natürlich unterschiedlich. Sie können sich vorstellen, dass im Bundesverwaltungsamt die Möglichkeit, Homeoffice in Anspruch zu nehmen, etwas stärker ausgeprägt ist als in der Bundespolizei, in der ein Streifendienst stattfindet, in der die Polizistinnen und Polizisten ihren Dienst nicht von zu Hause aus ausüben können. Deswegen kann man die Frage sehr schlecht pauschal beantworten.

Seit Beginn der Pandemie haben sich aber alle Behörden fortlaufend mit der Frage beschäftigt, was sie dazu beitragen können, dass das Infektionsgeschehen in ihrem Bereich gebremst und möglichst nicht gefördert wird. Das bedeutet beispielsweise für das BMI, dass die Möglichkeit des Homeoffices sehr stark in Anspruch genommen wird und dass es A- und B-Teams gibt. Das heißt also, dass Organisationseinheiten in zwei Teile aufgeteilt sind, sodass sich die Kolleginnen und Kollegen möglichst nie begegnen. Das heißt also, dass dann, wenn in einem Teil der Belegschaft Quarantäne fällig wird, ein anderer Teil noch arbeitsfähig ist. Das sind praktische Maßnahmen, wie sie umgesetzt wurden. Das wird zum Teil auch in der Bundespolizei so praktiziert, sodass auch unter den Bedingungen einer Pandemie die Grundfunktionen der Behörden nach wie vor gewährleistet sind. Das ist Sinn und Zweck der Pandemiepläne.

Welche Maßnahmen künftig noch zu ergreifen sein werden, das wird im Moment natürlich vor dem Hintergrund der Stellungnahme des Expertenrates neu beurteilt. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe hat bezüglich solcher Szenarien sehr viele Kompetenzen und wird sich auch im Krisenstab der Bundesregierung sehr stark einbringen. Welche Maßnahmen dann greifen, wird möglicherweise auch morgen eine Rolle spielen.

VORS. WEFERS: Martina Herzog von dpa fragt, wie viele Arbeitsplätze im Bereich der kritischen Infrastrukturen betroffen seien und ob es Ihnen möglich ist, das nach Bereichen aufzuschlüsseln.

ALTER: Das sind ganz viele Bereiche. Man kann das auch schon in der Stellungnahme des Expertenrates erkennen. Das betrifft also Polizei, Feuerwehr, Krankenhäuser, Stromversorgung, Wasserversorgung. Auch Medien zählen zur kritischen Infrastruktur. Der Kulturbereich kann unter bestimmten Bedingungen dazugehören. Es sind also ganz viele Bereiche, die vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe auf Bundesebene konzeptionell berücksichtigt werden. Das BBK hat ein ausgeprägtes Netzwerk und zu allen privaten und öffentlich-rechtlichen Betreibern kritischer Infrastruktur Kontakte, die bestehen und auch fortlaufend bedient werden. Es wäre jetzt kaum möglich, eine Zahl zu nennen und zu sagen, wie viele Arbeitskräfte davon betroffen sind.

FRAGE BUSCHOW: In meiner Frage geht es auch um die kritische Infrastruktur, weil das Papier des Expertenrates ja doch sehr alarmistisch ist. Herr Alter, was können Sie zum jetzigen Stand der Krankheitsquote in der kritischen Infrastruktur sagen? Wie viele Leute fallen dort durch Infektionen oder dadurch, dass sie Kinder betreuen müssen, wie es der Expertenrat ausspricht, aus? Teilen Sie generell auch die Sorge des Expertenrats, dass die kritische Infrastruktur bedroht sei?

ALTER: Das ist eine Stellungnahme von einem Expertengremium, das in diesem Bereich ausgeprägte Kompetenzen hat. Es ist jetzt nicht unsere erste Aufgabe, das infrage zu stellen, sondern es ist unsere Aufgabe, mit diesem Befund umzugehen und Vorsorge zu treffen, damit das Szenario, das befürchtet wird, möglichst nicht eintritt.

In den Bereichen der Behörden gibt es ein permanentes Monitoring zum aktuellen Stand der Infektionen. Das bekommen wir mehrfach in der Woche für alle Geschäftsbereichsbehörden des BMI. Ich kann Ihnen sagen, dass mit Stand vom 17. Dezember, also vom vergangenen Freitag, beispielsweise in der Bundespolizei aktuell 791 Personen in Quarantäne waren. Diese Zahl muss man ins Verhältnis zur Zahl der etwa 50 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bundespolizei setzen. An diesem Beispiel können Sie erkennen, dass möglicherweise auch durch die hohe Impfquote, die wir in der Behörde haben, die Einsatzfähigkeit und die Arbeitsfähigkeit im Moment absolut gewährleistet sind. Das war auch in der Vergangenheit der Pandemie immer der Fall. Für das Bundesinnenministerium kann ich Ihnen sagen, dass aktuell 13 Personen in Quarantäne sind. Bei über 200 Mitarbeitern ist auch das kein Wert, der die Einsatzfähigkeit oder Funktionsfähigkeit beeinträchtigt.

ZUSATZFRAGE BUSCHOW: Herr Büchner, können Sie schon eine Uhrzeit für das morgige Treffen nennen und sagen, ob es danach eine Pressekonferenz geben wird?

SRS BÜCHNER: Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, ist der Termin für morgen Nachmittag um 16 Uhr vorgesehen. Hinterher wird es eine Information der Presse geben.

VORS. WEFERS: Ich habe noch eine ganze Reihe von Coronafragen von außen. Es geht hier noch einmal um den Bereich der Versorgungslage. Kollegin Susanne Landwehr von der „Deutschen Verkehrs-Zeitung“ fragt: Wird auch darüber beraten, wie sich die Omikronvariante auf die Logistik, den Güterverkehr und die Versorgungslage auswirken kann? Ich weiß nicht, wer diesbezüglich auskunftsfähig ist.

ALTER: Ich kann nur sagen, dass das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe bei den konzeptionellen Überlegungen natürlich auch diese privaten Bereiche im Blick hat, die zur Versorgungssicherheit beitragen, die wichtig sind, um Medikamente zu vertreiben und an den Ort ihrer Bestimmung zu bringen. Das alles wird berücksichtigt. Aber im Moment ist es noch ein Stück weit zu früh, die Frage zu beantworten, was konkret für diese Bereiche gefolgert wird.

VORS. WEFERS: Ich rufe die Frage von William Glucroft von der „Washington Post“ auf. Darin geht es um Impfstofflieferungen: Bitte erläutern Sie, wie die Bundesregierung noch mehr Dosen zum Beispiel aus Bulgarien erhalten will er bezieht sich auf eine Äußerung des Gesundheitsministers aus der vergangenen Woche , wenn der Impfstoff auch dort knapp ist und die Impfquote dort noch geringer ist. Das geht wahrscheinlich ans Gesundheitsministerium.

KAUTZ: Der Minister hat erwähnt, dass er auf sehr unterschiedlichen Wegen versucht, Impfstoff zu beschaffen. Eine Möglichkeit ist es, dies bilateral zu tun, und zwar mit Staaten, die Impfstoff nicht verimpfen können und abgeben wollen. Dazu zählt unter anderem Bulgarien. Aber über den Verlauf der Gespräche kann ich Ihnen keine Auskunft geben.

VORS. WEFERS: Die Kollegin Timofeeva von RIA Novosti fragt: Gibt es in Deutschland derzeit einen Mangel an Auffrischungsimpfstoffen, oder ist ein solcher Mangel zu erwarten?

Sind Sie bereit, den Einsatz oder das Studium russischer Boosterimpfungen in Betracht zu ziehen?

KAUTZ: Zum ersten Punkt hat sich, glaube ich, der Minister breit geäußert. Dem habe ich eigentlich nichts hinzuzufügen.

Boosterimpfungen im zweiten Fall, das kann ich mit Nein beantworten.

VORS. WEFERS: Es gibt eine Frage von Herrn Vollradt von der Wochenzeitung „Junge Freiheit“: Für Soldaten gibt es eine Duldungspflicht für Impfungen. Nun sei zu hören, schreibt er, dass sich in der Truppe dagegen Protest rege, und es sollen bereits offene Briefe mit der Ankündigung kursieren, sich nicht impfen zu lassen. Können Sie konkrete Zahlen mitteilen, wie viele Soldaten sich einer Impfung widersetzt haben, und können Sie sagen, ob aufgrund dessen bereits disziplinarrechtliche Sanktionen erfolgt sind.

COLLATZ: Tatsächlich ist mir von Protesten nichts bekannt. Wir gehen unverändert davon aus, dass die Impfquote bei uns bei über 80 Prozent liegt und auch weiter steigen wird. Die Duldungspflicht gibt es seit Ende des letzten Monats, und sie wird auf Truppenebene umgesetzt. Es gibt Einzelfälle, die sich zum Teil auch schon nach außen hin geäußert haben; aber das sind eben Einzelfälle, und zum Einzelfall möchte ich hier nichts sagen. Allgemeine Proteste sind nicht erkennbar.

FRAGE KÜFNER: Zur Impfung allgemein an Herrn Kautz: Minister Lauterbach hat gesagt, er möchte nicht an Impfstoffkontingente herangehen, die Deutschland international zum Beispiel an COVAX weitergeben möchte. Jetzt sind wir ein paar Tage weiter. Wird die Impfkampagne, die jetzt hochgefahren wird, bereits absehbar Auswirkungen auf Deutschlands Fähigkeit und Bereitschaft haben, Impfstoffe in diese internationalen Programme zu geben?

KAUTZ: Nein, wird sie nicht. Unser Interesse ist natürlich auch weiterhin, COVAX mit Impfstoffen zu bedienen. Die Sachen, die wir zugesagt haben, sind auch sozusagen schon auf dem Weg. Das beeinträchtigt das also nicht.

ZUSATZFRAGE KÜFNER: Hat es Auswirkungen auf künftige Zusagen? Gibt es im Augenblick weitere Zusagen oder gibt es die jetzt erst einmal nicht?

KAUTZ: Das bezog sich auf das, was Sie bislang kennen. Darüber hinaus kann ich Ihnen keine Prognosen geben.

FRAGE JESSEN: Herr Kautz, das, was der Bundesgesundheitsminister jetzt macht, steht aber doch im deutlichen Widerspruch zu der globalen Impfstrategie der WHO. Da werden ja die Industrienationen mit hoher Impfquote aufgefordert, ihre Lieferverträge mit den Herstellern zurückzustellen, und die Hersteller werden aufgefordert, COVAX und andere Verträge zu priorisieren. Das ist etwas anderes als das, was jetzt gemacht wird. Wie nehmen Sie Stellung zu diesem Widerspruch?

KAUTZ: Ich sehe da keinen Widerspruch. Wir haben 100 Millionen Impfstoffdosen für COVAX zugesagt, und diese Zusage werden wir erfüllen.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Der Widerspruch liegt ja nicht darin, dass Sie Zusagen erfüllen, sondern der Widerspruch besteht in dem Tun, das etwas anderes ist als das, was die WHO-Strategie vorsieht. Die sieht eben nicht nur Erfüllung vor, sondern eben Zurückstellung eigener Lieferungen und Priorisierung von COVAX.

KAUTZ: Unser Interesse liegt darin, die deutsche Bevölkerung zu schützen und internationale Bemühungen zu unterstützen, in anderen Ländern die Bevölkerung ebenfalls zu schützen. Wir versuchen beides zu machen.

VORS. WEFERS: Dann habe ich noch eine Frage zum Thema Corona von Herrn Wütherich von AFP, die sich an Sie, Herr Büchner, richtet. Da geht es um die Kommunikationsstrategie zu den Coronamaßnahmen, die die Expertenkommission angemahnt hat. Die Frage ist: Gibt es in diesem Zusammenhang Überlegungen, dass sich der Bundeskanzler bald in einer Fernsehansprache direkt an die Bürgerinnen und Bürger wendet?

SRS BÜCHNER: Wenn so etwas geplant wäre, dann würden wir Sie rechtzeitig darüber informieren.

VORS. WEFERS: Ich habe noch eine Frage von Jürgen Klöckner vom „Handelsblatt“. Er fragt: Muss das geltende Infektionsschutzgesetz noch einmal geändert werden, und wie rasch wäre das möglich? Ich weiß nicht, wer da weiterhelfen kann.

KAUTZ: Wenn Sie das Infektionsschutzgesetz ändern wollen, dann kommt es ja darauf an, was Sie erreichen wollen. Im jetzigen Infektionsschutzgesetz ist eine ganze Menge möglich, was man machen kann. Wir warten einmal ab, was morgen in der Ministerpräsidentenkonferenz beschlossen wird. Daraus ergibt sich dann eventuell die Notwendigkeit, gesetzlich noch irgendetwas zu machen. Ich sehe das, was Herr Büchner vorhin gesagt hat, aber absolut im Einklang mit dem Infektionsschutzgesetz. Insofern: Nein.

FRAGE DR. DELFS: Herr Büchner, hat Nord Stream 2 für den Bundeskanzler eine geopolitische Dimension?

SRS BÜCHNER: Der Bundeskanzler hat sich in den letzten Tagen und Wochen ja mehrfach zum Thema Nord Stream 2 geäußert und hat immer wieder betont, dass es sich bei Nord Stream 2 um ein privatwirtschaftliches Vorhaben handelt, das weitgehend abgeschlossen ist. Es fehlt noch der Teilaspekt der Prüfung der Einhaltung europäischer Entflechtungsvorgaben. Das liegt jetzt in den Händen der Bundesnetzagentur, und das ist das haben wir, glaube ich, an dieser Stelle schon häufig betont ein Verwaltungsverfahren, das jetzt nach Recht und Gesetz abgeschlossen wird, und hat keine politische Dimension.

ZUSATZFRAGE DR. DELFS: Er hat ja sicherlich auch das Interview mit dem Wirtschaftsminister am Wochenende gelesen bzw. davon gehört. Stimmt er mit der Haltung des Wirtschaftsministers überein, dass im Falle einer Invasion das Projekt gestoppt werden muss?

SRS BÜCHNER: Ich werde hier nicht beginnen, Interviews einzelner Regierungsmitglieder zu kommentieren. Was ich sagen kann, ist, dass die Bundesregierung bei diesem Thema gemeinsam und geschlossen vorgehen wird.

VORS. WEFERS: Ich schließe eine Frage zu Nord Stream 2 von Daniel Brössler von der „SZ“ an, die sich an das Auswärtige Amt richtet: Ministerin Baerbock hat betont, dass Nord Stream 2 derzeit nicht genehmigt werden kann. Sieht die Ministerin das Verfahren ausschließlich bei der Bundesnetzagentur oder hält sie das für eine politische Frage, mit der sich auch noch die Bundesregierung wird beschäftigen müssen?

SASSE: Vielleicht erst zu den Äußerungen der Außenministerin selbst, auf die Herr Brössler eingeht: Sie hat sich im Laufe der vergangenen Woche mehrfach zum Thema Nord Stream 2 geäußert und hat ebenso, wie es Herr Büchner gerade getan hat, darauf hingewiesen, dass für Projekte wie Nord Stream 2 europäisches Energierecht gilt. Sie hat auch darauf verwiesen, dass es jetzt in dem Zertifizierungsverfahren genau um die Frage geht, dass hier europarechtliche Regulierungsvorgaben eingehalten werden. Auf diese Äußerungen kann ich an dieser Stelle verweisen.

FRAGE KOCH: Eine Frage an das Wirtschaftsministerium: Frau Ungrad, wird im Wirtschaftsministerium erwogen, die Versorgungssicherheitsanalyse für Nord Stream 2 im Zertifizierungsverfahren zu überprüfen?

UNGRAD: National gibt es das Verfahren der Bundesnetzagentur, das ja schon angesprochen worden ist. Die Bundesnetzagentur entscheidet nach Recht und Gesetz. Die Frage, ob weitere Verfahren noch einmal überprüft werden, stellt sich derzeit nicht.

ZUSATZFRAGE KOCH: Das Wirtschaftsministerium muss juristisch betrachtet wohl diese Versorgungsanalyse im Zertifizierungsverfahren, die ja schon abgegeben wurde, ändern, wenn sich die Voraussetzungen für diese Analyse ändern, und die Voraussetzungen haben sich durch den Truppenaufmarsch geändert. Was sagen Sie dazu?

UNGRAD: Diese juristische Voraussetzung liegt mir nicht vor; ich weiß nicht, was Sie da ansprechen. Ich kann nur noch einmal sagen: Nord Stream 2 ist ein Vorhaben, das von Unternehmen geplant ist, aber es ist auch ein Projekt mit klaren geopolitischen Implikationen. Auch deshalb setzt sich die Bundesregierung auf Basis der deutsch-amerikanischen Erklärung von Juli 2021 für eine Verlängerung des Gastransits durch die Ukraine über 2024 hinaus ein.

Ich habe es schon angesprochen: National liegt das Verfahren bei der Bundesnetzagentur. Die Debatte um den Konflikt in der Ostukraine wurde im Europäischen Rat sehr klar geführt. Eine Eskalation in der Ostukraine wollen wir mit allen Kräften vermeiden. Es liegt jetzt aber an Russland. Jede weitere militärische Aggression wird nicht ohne Konsequenzen bleiben und hohe Kosten und Sanktionen zur Folge haben. Darüber wurde ja auch im Europäischen Rat sehr klar gesprochen.

FRAGE DR. DELFS: Frau Ungrad, jetzt haben Sie gerade gesagt, dass das eine geopolitische Dimension habe, und der Stellvertretende Regierungssprecher hat jetzt gesagt, dass das keine politische Dimension habe. Was gilt denn jetzt?

UNGRAD: Für das Ministerium gilt das, was ich gerade gesagt habe.

ZUSATZFRAGE DR. DELFS: Ist es denn rechtlich möglich, die Sicherheitsanalyse noch einmal zu revidieren, zurückzuziehen, zu ändern, an die Realität anzupassen?

UNGRAD: Dazu liegen mir keine Erkenntnisse vor.

ZUSATZFRAGE DR. DELFS: Aber das kann man doch klären, das ist ja eine einfache Frage.

UNGRAD: Aber derzeit liegen mir dazu keine Erkenntnisse vor.

ZUSATZFRAGE DR. DELFS: Können Sie das nachliefern?

UNGRAD: Ich kann das versuchen, ja.

FRAGE KÜFNER: Herr Büchner, das US-Repräsentantenhaus erwägt ja auch, verschärfte Sanktionen zu fordern. Es ist also offenkundig ein Thema, das den transatlantischen Partner politisch sehr bewegt. Kann ein Thema, das den transatlantischen Partner in den USA und Joe Biden bewegt, ein innenpolitisches Thema für die Bundesregierung sein?

SRS BÜCHNER: Es ist ja bekannt, das das Thema Gaslieferungen insgesamt ein Diskussionsthema ist. Deshalb gibt es da, finde ich, auch gar keinen Widerspruch zwischen dem, was die Kollegin vom Wirtschafts- und Klimaministerium gesagt hat, und dem, was der Bundeskanzler sagt. Was das Verfahren selbst angeht, möchte ich hier aber noch einmal betonen: Es handelt sich bei Nord Stream 2 um ein Projekt, an dem eine Vielzahl von Investorenunternehmen aus verschiedenen EU-Mitgliedstaaten und anderen Staaten beteiligt sind, und Bau und Betrieb von Nord Stream 2 unterliegen den geltenden Rechtsvorschriften wie zum Beispiel den Vorgaben der EU-Regulierung gemäß der im Mai 2019 geänderten EU-Gasrichtlinie. Bei der Inbetriebnahme von Nord Stream 2 würde das transportierte Gas in die europäische Infrastruktur integriert. Die Bundesnetzagentur hat dieses Zertifizierungsverfahren vorläufig ausgesetzt. Das ist der Stand der Dinge. Dieses Zertifizierungsverfahren selbst ist keine politische Frage.

ZUSATZFRAGE KÜFNER: Ist die Haltung der Bundesregierung also, dass es einen Automatismus eines rechtlichen Prozesses gibt, oder wird man, wie Robert Habeck sagt, über Nord Stream 2 noch politisch reden müssen?

SRS BÜCHNER: Ich habe Ihnen da jetzt, glaube ich, die Haltung des Bundeskanzlers und der Bundesregierung ausführlich erläutert.

SASSE: Darf ich noch ganz kurz zu dem transatlantischen Element ergänzen, weil Sie das ausdrücklich angesprochen haben, Frau Küfner: Es ist natürlich so das haben wir hier ja immer wieder deutlich gemacht und das gilt auch für die neue Bundesregierung , dass wir mit den Amerikanern selbstverständlich weiterhin in sehr, sehr engem Austausch zu diesen Fragen, die mit Nord Stream 2 zusammenhängen, stehen. Ich kann Ihnen sagen, dass die Außenministerin beispielsweise in Liverpool auch mit ihrem amerikanischen Kollegen Blinken zusammengetroffen ist und dort auch das Thema besprochen hat. Insofern sind uns selbstverständlich alle Argumente, die da auf amerikanischer Seite eine Rolle spielen, bekannt, und wir sprechen mit den Amerikanern darüber.

FRAGE JESSEN: Herr Büchner, da das Zertifizierungsverfahren, wie Sie sagen, immanent unpolitisch ist, aber in einem hochpolitischen Kontext steht: Wenn nach Ende der Aussetzung die Zertifizierung genehmigt werden würde, würde das dann bedeuten, dass Nord Stream 2 auf jeden Fall in Betrieb genommen werden kann, oder obliegt das dann noch einmal einer politischen Gesamtbeurteilung, die die Genehmigung dann eben doch aus politischen Gründen nicht real werden lassen würde?

SRS BÜCHNER: Ich verstehe Ihren Versuch, aber da die Frage viel „wenn“, „hätte“, „würde“ enthält, ziehe ich mich hier auf den guten Brauch zurück zu sagen: Das ist eine hypothetische Frage, die ich jetzt nicht beantworten möchte.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Ich stelle sie gerne konkret: Wenn das Zertifizierungsverfahren der Bundesnetzagentur positiv ausfällt, geht Nord Stream 2 dann in Betrieb?

SRS BÜCHNER: Dazu wird sich die Bundesregierung äußern, wenn das so sein sollte. Vorher werden wir dazu keine Spekulationen anstellen.

FRAGE DR. DELFS (zum Ukraine-Konflikt): An das Wirtschaftsministerium, aber auch an das Finanzministerium: Auf dem letzten EU-Gipfel wurde jetzt ja die mögliche Sanktionsliste gegen Russland diskutiert. Da war unter anderem auch die Rede davon, dass man im Falle einer Invasion von SWIFT abgekoppelt werden soll. Das ist ja eine Forderung der Amerikaner und das haben die Europäer auch diskutiert. Was für eine Auswirkung hätte das auf die Gasversorgung in Deutschland, und was für eine Auswirkung hätte das möglicherweise auch auf Nord Stream 2?

KOLBERG: Die Bundesregierung hat sich ja am Montag letzter Woche zu dem Thema Ukraine und Russland ausführlich geäußert; das war bekanntlich auch Thema auf dem Europäischen Rat. Derzeit laufen intensive diplomatische Bemühungen um eine Lösung des Konflikts, und das BMF wird einzelne Maßnahmen hier nicht kommentieren.

FRAGE RATZ: An Herrn Büchner und an Frau Sasse: Russland verlangt ja seinerseits auch Sicherheitsgarantien Stichwort NATO-Mitgliedschaft der Ukraine. Was könnte das aus Sicht der Bundesregierung sein, was ist da Ihre Haltung?

SRS BÜCHNER: Bekannt ist das kann ich hier gern wiederholen : Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine kann nur politisch gelöst werden, und nicht militärisch. Die Unabhängigkeit und territoriale Unversehrtheit und Souveränität der Ukraine stehen nicht zur Disposition. Umso wichtiger sind jetzt ehrliche und nachhaltige Schritte von Russland zu einer Deeskalation. Hier wurde auch schon mehrfach gesagt, dass Deutschland und Frankreich bereit sind, das Normandie-Format wieder aufzunehmen. Wir hoffen und wünschen uns sehr, dass wir dort zu einer guten Lösung kommen können.

VORS. WEFERS: Dann kann ich die Frage der Kollegin Angelina Timofeeva von RIA Novosti anschließen, die sich auch auf die Sicherheitsgarantien und die russischen Vorschläge dazu bezieht: Bespricht Deutschland diese Vorschläge mit den USA auf bilateraler Ebene oder grundsätzlich mit Partnern und Verbündeten auf NATO- und EU-Ebene? Unterstützt Berlin eine Besprechung dieser Initiativen mit Russland auf NATO- oder EU-Ebene?

SRS BÜCHNER: Ich kann gern noch einmal sagen, dass dieses Thema einer sozusagen politischen Lösung dieser Eskalation oder auch einer Verhinderung einer weiteren Eskalation im Interesse Deutschlands liegt und dass wir es sehr begrüßen würden, wenn auch Russland sich wieder an dem Normandie-Format beteiligen würde. Dort können alle Fragen besprochen werden, die sozusagen auch auf die vollständige Umsetzung des Minsker Prozesses hinauslaufen sollten. Weitere Details kann ich hierzu nicht hinzufügen. – Möchten Sie?

SASSE: Ich kann nur noch einmal auch auf Ihre Frage, Herr Ratz, und natürlich auf die Frage von Frau Timofeeva eingehend ergänzen: Die Vorschläge, die Russland in der vergangenen Woche gemacht hat, hat das russische Außenministerium ja selbst veröffentlicht. Das heißt, der Inhalt ist klar. Herr Büchner hat sehr deutlich gemacht, und das ist die Position der Bundesregierung, dass es jetzt darum geht, diese Vorschläge der Russen, die auf dem Tisch liegen, natürlich in den etablierten Dialogformaten zu diskutieren. Nur die Vorschläge an sich können den Austausch mit Partnern und letztlich auch mit Russland also natürlich nicht ersetzen. Das heißt, wie Herr Büchner schon dargestellt hat, dass es im Moment letztlich darum geht, diese Gespräche, die wir jetzt mehrfach und auch in der vergangenen Woche schon erwähnt haben, wieder zu ermöglichen, den Dialog mit Russland zu führen und dann selbstverständlich auch inhaltliche Fragen zu diskutieren.

Vorsitzende Wefers: Ich habe noch eine Frage von Guy Chazan von der „Financial Times“ dazu. Der fragt: Die litauische Regierung behauptet, dass sich die Regierungen von Litauen und Deutschland einig darüber sind, dass die Forderungen Russlands nicht akzeptabel sind. Können Sie das bestätigen?

SASSE: Ich kann an dieser Stelle nur noch einmal betonen, dass wir die Vorschläge, die auf dem Tisch liegen und die Russland selbst veröffentlicht hat, mit allen Partnern in der EU und in der NATO selbstverständlich diskutieren. Dazu gehört auch Litauen. Sie wissen, dass die Verteidigungsministerin ja gerade am Wochenende Litauen besucht hat. Zu diesem Dialogprozess, den wir führen, gehört natürlich auch, dass wir in diesen Gesprächen unseren eigenen Prinzipien treu bleiben, und für uns gilt natürlich die Unteilbarkeit der Sicherheit aller NATO-Mitglieder. Das hat natürlich auch gewisse Konsequenzen in Bezug auf das, was wir akzeptieren können oder nicht akzeptieren können. Aber, noch einmal, an dieser Stelle geht es jetzt darum, dass man im Gespräch mit Russland ist, auch im Gespräch über diese konkreten Vorschläge.

Vorsitzende Wefers: Dann habe ich noch eine Frage von Liudmila Kotlyarova von RIA Novosti, die nach einem Vorschlag fragt, den es gibt. Für einen Neuanfang im Verhältnis zu Russland haben neulich mehrere ehemalige deutsche Botschafter bei der NATO und bei der OSZE sowie Militärs insgesamt rund 30 Personen eine hochrangige NATO-Russland-Sicherheitskonferenz in der Tradition des KSZE-Prozesses vorgeschlagen, möglicherweise für zwei Jahre. Gegenseitige Drohgebärden müssten dann für die Dauer der Konferenz eingefroren werden, so der Vorschlag. Was hält Bundeskanzler Scholz von solchen Vorschlägen? Auch der ehemalige Russlandbeauftragte Gernot Erler hat der Kollegin zufolge die Idee unterstützt.

SRS BÜCHNER: Ich kann tatsächlich an dieser Stelle nur noch einmal sagen: Es gibt ein etabliertes Format, das Normandie-Format. Es gibt die Möglichkeit, dort Gespräche zu führen und alle Themen dort auch wieder aufzunehmen. Das ist im Moment das vorrangige Ziel der Bundesregierung und ihrer internationalen Partner.

FRAGE WARWEG: Die Frage ginge an das Verteidigungsministerium. Verteidigungsministerin Lambrecht hat am Wochenende in einem Interview mit einer nicht ganz unbekannten deutschen Boulevardzeitung erklärt, es sei jetzt Zeit, Putin und sein Umfeld persönlich ins Visier zu nehmen. Jetzt hat der Ausdruck „ins Visier nehmen“ aus dem Munde einer Ministerin, die der Bundeswehr vorsteht, noch einmal eine ganz eigene Konnotation. Mich würde interessieren, mit welchem Kalkül sie diesen militärischen Terminus genutzt hat, explizit als Drohung gegen Putin und sein Ministerkabinett? Mich würde sozusagen das Kalkül dahinter interessieren, mit dieser Sprache zu agieren.

COLLATZ: Die Ministerin hat im Gesamtkontext des Interviews ja deutlich gemacht, dass sie auch regierungsübergreifend feststellt, dass die Regierung Putins außenpolitisch aggressiv vorgeht. Sie hat sie als Aggressor bezeichnet und gesagt, dass es natürlich eine gesamtstaatliche Aufgabe ist, diese aggressive Politik zu beantworten. Für den Geschäftsbereich der Verteidigung das hat sie auch deutlich gemacht gilt es natürlich, die Abschreckungsseite zu betonen und aufrecht zu erhalten und an der Seite unserer Partner insbesondere in den osteuropäischen Ländern zu stehen. Das hat sie getan, indem sie zunächst die Battlegroup der Enhanced Forward Presence besucht hat, um diese Botschaften zu unterstreichen. Sie ist Teil der Regierung und äußert sich natürlich zum einen zu ihrem Geschäftsbereich, aber auch übergreifend.

ZUSATZFRAGE WARWEG: Herr Büchner, jetzt ist es ja keine Kleinigkeit, wenn der Verteidigungsminister bzw. die Verteidigungsministerin eines Landes mit militärischen Termini einen elementaren Wirtschafts- und Energiepartner und auch ein ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates verbal so bedroht. Da würde mich interessieren, auch eingedenk der zahlreichen Stimmen der SPD-Fraktion, die für verbale Abrüstung plädiert haben: War diese Aussage von Frau Lambrecht denn in dieser Form mit Herrn Scholz abgesprochen? Unterstützt Herr Scholz diese Forderung, Herrn Putin persönlich ins Visier zu nehmen?

SRS BÜCHNER: Zunächst einmal möchte ich mir Ihre Bewertung dieser Äußerung hier so nicht zu eigen machen. Ich finde, dass sich das Verteidigungsministerium eben ganz gut zu dieser Frage geäußert hat. Ansonsten möchte ich hier gerne noch einmal betonen: Das erste und oberste Interesse Deutschlands ist es, die Situation sozusagen politisch zu lösen, und dazu ist es wichtig, dass Russland Schritte zur Deeskalation unternimmt. Russland hat Schritte zur Eskalation unternommen, und deshalb ist es jetzt sehr wünschenswert, dass Russland auch Schritte zur Deeskalation unternimmt.

ZUSATZ WARWEG: Sie meinten, dass es jetzt an Russland sei, Schritte zur Deeskalation zu unternehmen. Es war jetzt gerade ein Thema, dass Russland ja ein Papier vorgelegt hat, in dem von gegenseitigem Verzicht auf Gewalt und stärkerer Dialogbetonung die Rede war. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, sehen Sie dieses vorgelegte Papier nicht als ein deeskalierendes Element an.

SRS BÜCHNER: Ich glaube, darüber haben wir Ihnen gerade auch schon Auskunft geben. Wir können dieses Papier wie auch alle anderen Vorschläge, die gemacht werden, im Rahmen des Normandie-Formats diskutieren und hoffen sehr, dass wir dann zu einer politischen Lösung der Situation in der Ostukraine und an der Grenze kommen werden.

FRAGE SCHULZE: Zu Ortskräften habe ich eine Frage an das AA und das BMI, aber vielleicht auch an das BMVg und das BMZ. Frau Baerbock hatte bei ihrem Amtsantritt gesagt, das Thema der Ortskräfte habe für sie Priorität. Das sei ein Schwerpunktthema der ersten Wochen. Vor allem habe ich die Frage, wie man die Zusammenarbeit mit dem BMI verbessern könnte. Was ist da nach zwei Wochen der neue Stand? Was wird die neue Regierung dort anders als die alte machen?

In dem Kontext eben auch an das BMZ und das BMVg: Gibt es da in Ihren Häusern mit dem Regierungswechsel ähnliche Vorsätze?

SASSE: Herr Alter, wenn Sie gestatten, fange ich an. – Herr Schulze, es ist natürlich richtig: Die Außenministerin hat noch am Tag ihrer Amtsübernahme darum gebeten, zu prüfen, welche Stellschrauben wir als Bundesregierung haben, um die laufende Evakuierung von Ortskräften und auch von sonstigen Schutzbedürftigen aus Afghanistan zu beschleunigen. Sie hat darüber seit ihrem Amtsantritt beispielsweise in den letzten Tagen mit der Innenministerin gesprochen. Beide sind sich einig, dass wir hier Fortschritte erreichen wollen. Herr Alter kann darauf vielleicht nachher selbst noch einmal für das Innenministerium eingehen.

Ich kann Ihnen aber natürlich sagen, dass der Fortschritt das muss ich an dieser Stelle auch sagen in ganz praktischer Art und Weise auch davon abhängig ist, welche Faktoren bei den Evakuierungen eine Rolle spielen, die wir tatsächlich nicht beeinflussen können. Dazu zähle ich unter anderem das Verhalten der Taliban. Sie wissen, dass die Ausstellung von Pässen bisher einen Engpass darstellte. Nun haben die Taliban angekündigt, sie würden dabei wieder Zugeständnisse machen wollen. Wir müssen natürlich sehen, wie sich das beispielsweise in der Praxis auswirkt. Es gibt also Faktoren außerhalb unserer Kontrolle. Aber die Faktoren, über die wir die Kontrolle haben das kann ich an der Stelle noch einmal wiederholen , bemühen wir uns tatsächlich zu verbessern.

Zusätzlich ist ja auch im Koalitionsvertrag beispielsweise ein humanitäres Aufnahmeprogramm vorgesehen, das umgesetzt werden soll. Insofern gibt es da sehr praktische Ansätze nicht nur der Außenministerin, sondern insgesamt der Bundesregierung.

Was Ihre Frage danach angeht, was sich da inzwischen getan hat: Seit Amtsantritt sind ja noch nicht ganz so viele Tage vergangen, aber ich kann Ihnen sagen, dass die Bemühungen selbstverständlich der gesamten Bundesregierung weitergehen, Ortskräfte aus Afghanistan in Schutz zu bringen und natürlich auch sonstige Schutzbedürftige zu evakuieren. Diese Bemühungen hat es in der Vergangenheit gegeben. Die gibt es weiterhin. Die Ministerin will diese Bemühungen, wie gesagt, intensivieren. Wir verfolgen dabei als Bundesregierung den Ansatz, dass alle Ressorts zusammenarbeiten. Das heißt, wir arbeiten anhand konkreter Vorschläge wie dem Aufnahmeprogramm oder Charterflügen, die es in der Vergangenheit gegeben hat, weiter daran, diese Evakuierung möglich zu machen.

ALTER: Ich kann zunächst einmal nicht bestätigen, dass sich die Zusammenarbeit zwischen BMI und AA verbessern müsste. Die beiden Ministerien haben seit Beginn der Evakuierung sehr gut miteinander zusammengearbeitet. Nur sind die Rahmenbedingungen eben ausgesprochen schwierig, und dabei muss man sozusagen schauen, welche Schritte man verantwortungsvoll gehen kann. Ich kann aber das bestätigen, was die Kollegin gerade gesagt hat, nämlich dass bereits in den letzten Wochen mehrere Gespräche stattgefunden haben, um noch weiter voranzukommen. Es ist ja auch bisher schon einiges erreicht worden. Seit August sind ja schon mehr als 10 000 Menschen nach Deutschland eingereist, davon mehr als die Hälfte Ortskräfte und Familienangehörige. Das ist immerhin etwas. Aber richtig ist auch: Wir sind noch nicht am Ende des Prozesses angekommen. Die beiden Ministerinnen reden darüber, was man tun kann, um das zu beschleunigen.

ZUSATZFRAGE SCHULZE: Es stimmt ja, dass es die äußeren Faktoren wie das gibt, was die Taliban machen. Dabei ist die Bundesregierung nicht alleine handelnd. Aber dann gibt es noch eine Frage. Es gibt viele Betroffene, die noch auf Antwort auf ihre Aufnahmeanträge, Rettungsanzeigen oder was auch immer warten. Können Sie schon sagen, bis wann diese Menschen mit Antworten der Bundesregierung rechnen können?

ALTER: Das ist zumindest aus Sicht des BMI immer ein bisschen schwierig. Sie stellen in den Raum, es gäbe viele Leute, die noch keine Antwort erhalten hätten. Das kann man in dieser Allgemeinheit kaum beantworten. Wir haben jedenfalls im BMI die Situation, dass diejenigen Anträge, die uns zur Entscheidung vorgelegt werden, in der Regel innerhalb weniger Arbeitstage beantwortet werden. Innerhalb weniger als einer Woche gibt es darüber also eine Entscheidung. Insofern müsste man sich die Fälle konkret anschauen. Das kann ich jetzt von hier aus nicht bewerten.

SASSE: Ich kann noch etwas zu dem Punkt ergänzen, der heute ja auch in den Medien eine Rolle gespielt hat, dem Punkt der Familienzusammenführungen. Auch da ist uns bewusst, dass es dabei einen Rückstau gibt, der unter anderem auch mit den Entwicklungen in Afghanistan in den letzten Monaten zu tun hat. Aber auch dabei sind wir wirklich mit Kräften darum bemüht, das Verfahren zu beschleunigen. Es gibt inzwischen beispielsweise die Möglichkeit, den Antrag auf Familiennachzug nicht nur an unserer Botschaft in Islamabad oder Neu-Delhi zu stellen, sondern an all unseren Auslandsvertretungen in der Region. Außerdem gibt es das sogenannte Family Assistance Programme der IOM. Das unterstützt Personen, die aus Afghanistan ausreisen konnten, dabei, den Visumsantrag vorzubereiten und auch einen Termin für die Visumsbeantragung an den jeweiligen Auslandsvertretungen vor Ort zu erhalten. Außerdem gibt es die klare Weisung an unsere Auslandsvertretungen, ihren Ermessensspielraum, den sie bei der Visavergabe haben, weitestgehend auszunutzen, gerade wenn es um Fragen von Sprachkenntnissen und andere für die Visavergabe entscheidende Faktoren geht.

Vorsitzende Wefers: Daniel Lücking von „nd. Der Tag“ fragt nach der Bemerkung, die Sie auch schon gemacht haben, dass die Taliban jetzt wieder Pässe ausstellen. Wie schätzen Sie die Situation ein, jetzt an einen Pass zu gelangen, ohne sich selbst zu gefährden? Welche diplomatischen Bemühungen zum Schutz dieser Personengruppen gibt es derzeit?

SASSE: Uns ist natürlich bewusst, und das haben wir hier an dieser Stelle in der Vergangenheit auch immer wieder deutlich gemacht, dass die Passbeantragung und auch die Passausstellung Nadelöhre bei den Evakuierungen sind und dass das natürlich gerade für gefährdete Personen ein Element ist, das sie besonders in Gefahr bringt. Gleichzeitig ist es so, dass wir an Lösungen ganz praktischer Art arbeiten, zum Beispiel daran, dass wir mit einigen Nachbarländern Afghanistans darüber sprechen, ob vielleicht auch andere Ersatzpapiere akzeptiert werden. Es geht insgesamt auch darum, dass wir mit den Taliban darüber sprechen, dieses konkrete Problem der Passausstellung eben zu beheben. Die Gespräche haben ja einen gewissen Erfolg erzielt, zumindest wenn man den Angaben der Taliban von heute Glauben schenken kann. Auch dabei hängt es natürlich noch davon ab, ob sich das auch in der Praxis bewährt. Aber es gibt diese Ansätze, und wir sind weiterhin darum bemüht, diese Ansätze auf diplomatischem Weg konsequent weiter auszubauen.

Vorsitzende Wefers: Der Kollege Szymanski von der Deutschen Welle fragt. Das polnische Parlament hat letzte Woche eine Gesetzesänderung verabschiedet, die die staatliche Förderung für die deutsche Minderheit kürzt. Es handelt sich um Mittel für die Förderung des Deutschunterrichts in den Schulen. Das ist offenbar eine politische Entscheidung der polnischen Seite. Wie bewerten Sie diese Maßnahmen? Hat die Regierung in Berlin vor, darauf irgendwie zu antworten?

SASSE: Ich kann Ihnen an dieser Stelle nur sagen, dass wir die Maßnahmen zur Kenntnis genommen haben. Sowohl der Bundeskanzler als auch die Außenministerin waren ja bereits in Warschau und haben dort Gespräche geführt. In diesen Gesprächen wurde so weit kann ich, glaube ich, an dieser Stelle gehen unter anderem dieses Thema angesprochen.

FRAGE ECKSTEIN: Aus Regierungskreisen ist bekannt geworden, dass es einen Personalvorschlag für den Posten des Präsidenten der Bundesbank gibt. Herr Joachim Nagel soll diesen Posten übernehmen. Herr Büchner, Herr Kolberg, können Sie etwas zu der Personalie sagen?

SRS BÜCHNER: Ja, in der Tat: Ich kann bestätigen, dass Bundesfinanzminister Christian Lindner den Volkswirt Joachim Nagel als neuen Präsidenten der Deutschen Bundesbank vorgeschlagen hat. Das Kabinett wird voraussichtlich am Mittwoch, also am 22. Dezember 2021, darüber beraten. – Möchten Sie das ergänzen?

KOLBERG: Das ist der Stand.

ZUSATZFRAGE ECKSTEIN: Im Frühjahr 2022 wird ja auch die Amtszeit der Vizepräsidentin auslaufen. Gibt es dahingehend schon Überlegungen? Wird beispielsweise die FDP hierfür ein Vorschlagsrecht haben? Die Frage geht an das Bundesfinanzministerium.

KOLBERG: Wie üblich äußern wir uns zu Personalien dann, wenn das ansteht.

Vorsitzende Wefers: Ich habe dazu eine Frage von Henrike Roßbach, die nach der Genese der Entscheidung fragt, Joachim Nagel zum nächsten Bundesbankpräsidenten zu machen: Hat das Kanzleramt sein vereinbartes Vorschlagsrecht genutzt, oder war das eine Kollegiumsentscheidung?

SRS BÜCHNER: Ich kann das, was ich gerade gesagt habe, leider nicht ergänzen.

KOLBERG: Dazu, wie das Verfahren ist, haben sich die Koalitionsspitzen auch schon geäußert. Dem habe ich hier nichts hinzuzufügen.

FRAGE WARWEG: Meine Frage richtet sich an das Auswärtige Amt und das Justizministerium zum Thema RT-Lizenz. Sieht sich denn die Bundesregierung noch an das Europäische Übereinkommen zum grenzüberschreitenden Fernsehen ECTT gebunden?

Wie schätzen das Auswärtige Amt und das Justizministerium die Gültigkeit der Lizenzvergabe Serbiens für einen RT-TV-Sender in deutscher Sprache mit Hauptproduktions- und Sendestandort Moskau ein?

SASSE: Ich kann an dieser Stelle dazu nichts sagen. Ich würde Ihnen gerne die Antwort nachreichen, Herr Warweg.

ZIMMERMANN: Meines Wissens liegt das Thema nicht in unserem federführenden Zuständigkeitsbereich.

ZUSATZFRAGE WARWEG: Fühlt sich ein Ministerium in der Causa zuständig?

VORS. WEFERS: Ich glaube, das Auswärtige Amt hat sich ja schon zuständig gefühlt.

SASSE: Wenn wir zu dem Thema etwas nachzureichen haben, werden wir das tun. Das werden wir dann selbstverständlich abgestimmt als Bundesregierung tun.

FRAGE KLISS: Herr Alter, am Wochenende gab es bei einem Drittliga-Spiel erst eine Spielunterbrechung und dann einen Spielabbruch, weil ein Spieler vom VfL Osnabrück von einem Zuschauer rassistisch beleidigt worden ist. Das Bundesinnenministerium ist ja immer noch für den Sport zuständig. Ich würde gerne von Ihnen wissen, wie Sie dieses Signal des Spielabbruchs bewerten.

Wie bewerten Sie Rassismus in deutschen Fußballstadien? Ist das nach wie vor ein großes Problem?

ALTER: Das, was wir am Wochenende rund um dieses Fußballspiel gesehen haben, insbesondere die Reaktionen auf diesen Vorfall, den wir uns natürlich nicht wünschen, ist vorbildhaft. Wir haben gesehen, dass alle wesentlichen Beteiligten sich ganz entschieden gegen diese Form von Beleidigungen gestellt haben. Die Polizei hat ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Der Schiedsrichter hat das Spiel abgebrochen. Die Fans haben sich ganz entschieden gegen diese Form der Fankultur wenn man das überhaupt so nennen kann gestellt.

Rassismus wird aus Sicht des Sportministeriums in jeder Form zurückgewiesen. Sport ist etwas, was für die Werte Fairness und Respekt steht. Insofern ist die Reaktion, die wir da beobachtet haben, nur zu begrüßen.

ZUSATZFRAGE KLISS: Haben Sie eine Botschaft an den beleidigten Spieler?

ALTER: Wir sehen diese Situation exemplarisch für viele andere Situationen, die in der Gesellschaft stattfinden. Menschen, die eine andere Hautfarbe haben, werden oft Opfer von Diskriminierung und rassistischen Anfeindungen. Das ist zutiefst zu bedauern.

Die Bundesinnenministerin hat ja zu Beginn ihrer Amtszeit schon gesagt, dass der Kampf gegen Rechtsextremismus – damit meint sie natürlich auch den Kampf gegen Rassismus – für sie eine der obersten Prioritäten hat. Ich will zunächst einmal nur dabei bleiben, zu sagen: Das, was dort passiert ist, insbesondere vonseiten der Fans, dieses deutliche Signal, ist etwas, was wir uns in deutschen Fußballstadien wünschen.

SRS BÜCHNER: Ich könnte, wenn ich darf, ergänzen, dass die Staatsministerin für Integration sich dazu geäußert hat. Sie sagt:

„Gestern wurde erstmals in Deutschland ein Spiel im Profifußball wegen eines rassistischen Vorfalls abgebrochen. Im Fußball gilt wie überall sonst in unserer Gesellschaft: Kein Platz für Rassismus! Klare Verstöße brauchen klare Kante. Der Schiedsrichter Nicolas Winter und der VfL Osnabrück haben die konsequent richtige Entscheidung getroffen. Der Sport muss für Fairness, Toleranz und einen respektvollen Umgang miteinander einstehen.“

VORS. WEFERS: Es gibt noch eine Frage von William Glucroft von der „Washington Post“ zu Ägypten: Haben Sie eine weitere Stellungnahme zu dem Prozess bzw. Urteil der politischen Häftlinge?

SASSE: Wir haben dazu in der vergangenen Woche eine Sprechererklärung veröffentlicht. Auf die muss ich an dieser Stelle verweisen.

VORS. WEFERS: Es ist hier auch kein weiterer Kontext erwähnt.

SASSE: Es geht um den Fall al-Baqer.

FRAGE WARWEG: Am 16. Dezember gab es eine Abstimmung bei der UN-Vollversammlung. Mit überwältigender Mehrheit wurde eine UN-Resolution gegen die Glorifizierung von Nazismus und Neonazismus angenommen. Lediglich zwei Länder haben dagegen gestimmt: USA und die Ukraine. Deutschland hat sich allerdings enthalten. Mich würde interessieren, was die Beweggründe waren, auch angesichts einer gewissen historischen Pfadabhängigkeit dieses Landes in Bezug auf den Inhalt dieser Resolution-

SASSE: Herr Warweg, unser Stimmverhalten in den Vereinten Nationen kommentieren wir, wie immer an dieser Stelle, nicht.

ZUSATZFRAGE WARWEG: Grundsätzlich nicht? Das war, glaube ich, anders. Grundsätzlich wird hier nicht das Stimmverhalten der Bundesrepublik Deutschland in den Vereinten Nationen besprochen?

SASSE: Ich kann Ihnen an dieser Stelle sagen, dass wir das Stimmverhalten in den Vereinten Nationen nicht kommentieren.

FRAGE KLISS: Ist das Bundeslandwirtschaftsministerium da?

SRS BÜCHNER: Ich glaube, nur digital.

VORS. WEFERS: Es ist nur digital da. Das ist ja sehr bedauerlich. Stellen Sie bitte Ihre Frage. Wenn es digital vorhanden ist, kann es ja vielleicht reagieren.

ZUSATZ KLISS: Ab dem kommenden Jahr ist das sogenannte Kükentöten verboten. Ich hätte vom Bundeslandwirtschaftsministerium gerne gewusst, wie es das gerade in Bezug auf die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Geflügelzüchter im europäischen Kontext einschätzt.

VORS. WEFERS: Bevor wir uns jetzt verabschieden, verabschiedet sich Herr Kolberg und hat das Wort.

KOLBERG: Vielen Dank! Nach sechs Jahren in der BMF-Pressestelle möchte ich mich verabschieden und mich bedanken, und zwar erst einmal beim Team im BMF. Ohne diese Unterstützung wäre es hier nicht möglich gewesen, einigermaßen unfallfrei Ihre Fragen zu überstehen.

Ich möchte mich auch bei Ihnen für das Fragen, für das Nachfragen, für das Erklären bedanken. Wenn wir so Begriffe wie „makroprudenzielle Instrumente“ hatten, war ich immer wieder verwundert und stand bewundernd da, wie Sie es gemacht haben, das zu erklären. Wir haben lange Abhandlungen geschrieben, und Frau Wefers hat in drei coolen Sätzen in der „Börsenzeitung“ erklärt, wie es läuft. Da habe ich also immer wieder bewundernd zugeschaut. Manchmal waren die Fragen robust. Es ist ja auch richtig so, dass Sie da nachhaken. Bleiben Sie auch weiterhin dran.

Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass ich hier einmal sitze, als mir meine Oma noch Zeitschriften aus dem Westen in den Osten geschmuggelt hat und als ich selber nach dem Mauerfall bei uns die erste Schülerzeitung gegründet habe. Deswegen war es mir eine große Ehre, hier für das BMF zu sitzen. All das ist natürlich immer nur möglich, wenn man Unterstützer hat, wenn man Förderer, wenn man Mentoren hat. Deswegen hätte ich, nachdem Sie mich jetzt sechs Jahre hier durch die Gegend mit Fragen und Aufträgen gescheucht haben, eine Bitte an Sie: Es ist ja immer noch so, dass Ossis, Frauen, Menschen mit Migrationsgeschichte auch in den Medien unterrepräsentiert sind. Nach dieser PK nehmen Sie sich vielleicht einmal zehn Minuten Zeit und überlegen, ob Sie irgendjemanden in Ihrem Umfeld kennen, von dem Sie sagen: „Das ist eine tolle Person. Die hat es verdient, dass diese Stimme gehört wird.“ Geben Sie einmal einen Hinweis. Seien Sie Mentor. Geben Sie einen Tipp. Stellen Sie einen Kontakt her.

Vielen Dank und alles Gute!

VORS. WEFERS: Vielen Dank, Herr Kolberg. Ich freue mich ja, dass eigentlich diese Ossi-Wessi-Diskussion jetzt langsam einmal erledigt ist, oder? Ich bin sehr früh in den Osten gekommen, als der Osten gerade nicht mehr Osten war, und habe die neue Heimat bereist und bin sehr glücklich darüber, dass ich, weil ich wirklich leider gar keine Ostverwandtschaft hatte, mich als Westpflanze so meiner neuen Heimat nähern konnte und dass wir eigentlich so schön zusammengewachsen sind.

Vielen Dank, dass Sie hier waren, dass Sie unsere Fragen beantwortet haben. Wir wissen natürlich auch, dass auch der beste Sprecher nicht alles sagen darf, was er gerne sagen möchte. Wir wünschen Ihnen alles Gute, wo immer die Reise jetzt weiter hingeht. Vielen Dank, dass Sie uns hier zur Verfügung gestanden haben. Alle Gute!

KOLBERG: Vielen Dank!

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