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Bundesregierung für Desinteressierte: BPK vom 22. Dezember 2021

Themen: Kabinettssitzung (22. Bericht zur Überprüfung der Bedarfssätze, Höchst- und Freibeträge beim BAföG), Gespräche mit Russland, Lage an der russisch-ukrainischen Grenze, Urteil des Berliner Kammergerichts im Prozess um den Mord im Kleinen Tiergarten in Berlin, Nord Stream, Gaslieferungen aus Russland, Sendelizenzen des russischen Fernsehsenders RT Deutsch in Deutschland, mögliche Erleichterungen für Verbraucher bei Strom- oder Heizkosten, Ortskräfteverfahren in Afghanistan, Wahlen in Libyen, COVID-19-Pandemie, Bestellung von Dr. Joachim Nagel zum neuen Präsidenten der Deutschen Bundesbank

Themen/Naive Fragen zu:
00:00 Beginn
00:23 Bericht aus dem Kabinett | BaföG
03:56 Russland
07:36 Gasversorgung
09:12 RT-Lizens
10:35 Heizkosten
13:38 Afghanistan | Ortskräfte
16:27 Libyen
17:38 Corona/COVID-19
23:39 Bundesbank-Präsident Joachim Nagel
24:50 Corona/COVID-19
25:58 Ende

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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 22. Dezember 2021:

STS HEBESTREIT: Das Kabinett hat heute den 22. Bericht zur Überprüfung der Bedarfssätze, Höchst- und Freibeträge beim BAföG beschlossen. Die wichtigsten Ergebnisse des Berichtszeitraums von 2016 bis 2020 fasse ich kurz zusammen: Die monatlichen Förderbeträge für Studierende sind um durchschnittlich 23,5 Prozent gestiegen, für Schülerinnen und Schüler um rund 16 Prozent. Die Zahl der im Jahresdurchschnitt Geförderten ist allerdings um 18 Prozent zurückgegangen.

Die Gesamtausgaben des Bundes für das BAföG lagen im vergangenen Jahr, also im Jahr 2020, bei rund 2,9 Milliarden Euro. 2020 wurden aufgrund der pandemischen Einschränkungen kurzfristig Lösungen für BAföG-Bezieher geschaffen, um sicherzustellen, dass nicht noch zusätzliche finanzielle Verluste drohen.

Die Bundesregierung bekräftigt in ihren Schlussfolgerungen des Berichts die zentrale Bedeutung des BAföG für die Gewährleistung von Chancengerechtigkeit in der Bildung. Mit den Leistungsverbesserungen der vergangenen BAföG-Reform von 2019 und weiteren Neuerungen sind wichtige Anpassungen an die Lebenswirklichkeit von Studierenden sowie Schülerinnen und Schülern gelungen. Das BAföG soll aber auch künftig den Personenkreis erreichen, der Unterstützung braucht. Es muss laufend geprüft werden, ob Anpassungsbedarf besteht.

Die neue Bundesregierung hat sich, wie Sie sicherlich wissen, dazu in ihrem Koalitionsvertrag einiges vorgenommen und Reformen angekündigt. Das hat Bundeskanzler Olaf Scholz auch in seiner Regierungserklärung bekräftigt. Ich nenne exemplarisch höhere Freibeträge, ein Anheben der Altersgrenze und eine Verlängerung der Förderdauer. Insgesamt sollen die Anträge schlanker, schneller und digitaler werden.

So weit mein Bericht aus dem Kabinett.

FRAGE JESSEN: Wird aus den Zahlen ein erhöhter BAföG-Zahlungsbedarf ersichtlich, weil es viele Studierende gibt, die neben dem BAföG auf Einkünfte aus Jobs in der Gastronomie usw. angewiesen sind, die pandemiebedingt weggefallen sind? Kann und muss das in der Zukunft kompensiert werden? Geben das die Zahlen her?

STS HEBESTREIT: Vielleicht kann mich das BMBF unterstützen, wenn es da ist. Ich kann nur so viel sagen: Was man schon sagen kann, ist, dass natürlich die Fördersätze insgesamt angehoben worden sind. Das war ja auch der Teil mit den pandemiebedingten Einschränkungen. Ob es darüber hinaus noch Erkenntnisse gibt, das wird die Kollegin jetzt sicherlich beantworten können.

SCHMIDT: Herzlichen Dank. Konkret kann ich dazu vielleicht nur den Aspekt aufgreifen, dass im Koalitionsvertrag festgehalten ist, dass es einen dauerhaften Notfallmechanismus im BAföG geben soll. Dieser soll im Rahmen der geplanten Reform zum Wintersemester 2022/2023 eingeführt werden.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Das bezieht sich dann unter anderem darauf, dass, wenn Einnahmen pandemiebedingt wegfallen, dieser Notfallmechanismus das aufgreift oder in Teilen kompensieren kann. Verstehe ich das richtig?

SCHMIDT: Genau. Es soll einen Notfallmechanismus geben, der dann in einem breiteren Kontext anwendbar ist. Das kann ich Ihnen im Moment dazu sagen.

FRAGE FRIED: Herr Regierungssprecher, der russische Präsident Putin erwartet im Januar Gespräche mit der NATO bzw. überhaupt mit dem Westen über seine Forderungen an die NATO. Ist Bundeskanzler Scholz bereit, an diesen Gesprächen teilzunehmen, und war das auch Thema in dem Telefonat mit dem russischen Präsidenten, über das gestern berichtet wurde?

STS HEBESTREIT: Grundsätzlich ist es so, dass wir im Augenblick, auch mit Blick auf die Fragen, die sich an die russische Seite stellen, zur Deeskalation beitragen wollen und zu allen Gesprächen bereit sind.

Bei der konkreten Forderung von Präsident Putin, auf die Sie anspielen, Herr Fried, geht es meines Wissens nicht um Spitzengespräche, sondern auf etwas niedrigschwelliger Ebene. Das muss man klären. Aber in den Gesprächen, die wir jetzt auch in Brüssel und mit dem französischen Präsidenten Macron hatten, haben wir immer wieder unsere Bereitschaft betont und hat der Bundeskanzler seine Bereitschaft betont, die Fragen, die sich im Verhältnis zwischen der Ukraine und Russland im Augenblick stellen, im Normandie-Format zu klären. Da ist er auch zu jedem Treffen bereit.

ZUSATZFRAGE FRIED: Sie sagten „im Normandie-Format“. Heißt das, nur im Normandie-Format, oder ist auch ein anderes Format, ein erweitertes dafür denkbar?

STS HEBESTREIT: Da wir ja zur Deeskalation der Lage beitragen wollen, würden wir uns keinem Gespräch verschließen. Allerdings ist das bevorzugte Format, auf das wir immer wieder zurückgekommen sind, auch im gemeinsamen Gespräch mit dem französischen Präsidenten, die Normandie-Variante.

VORS. WEFERS: Zum Thema Russland habe ich auch eine Frage von außen, nämlich von Vladimir Esipov von der Deutschen Welle: Wie bewertet die Bundesregierung die aktuelle Lage an der russisch-ukrainischen Grenze und eine mögliche NATO-Mitgliedschaft der Ukraine? An das Auswärtige Amt ist das gerichtet.

SASSE: Was das Thema Russland angeht, kann ich Sie auf Äußerungen von Außenministerin Baerbock verweisen, die sie soeben in einer Pressekonferenz mit ihrem luxemburgischen Außenministerkollegen getätigt hat. Diese Pressekonferenz ist, glaube ich, vor einigen Minuten zu Ende gegangen. Dabei war Russland unter anderem Thema. Sie hat sich dazu geäußert.

FRAGE JESSEN: Herr Hebestreit, war das Thema „Urteil zum Tiergartenmord“ Teil oder Inhalt des Gesprächs?

STS HEBESTREIT: Aus solchen Telefonaten oder bilateralen Gesprächen wird hier ja traditionell nichts erklärt. Diese Tradition will ich beibehalten. Grundsätzlich ist es so, dass man die ganze Bandbreite der gemeinsamen bilateralen Themen in solchen Gesprächen anspricht.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Das Urteil zum Tiergartenmord gehört in die Bandbreite der Themen?

STS HEBESTREIT: Dazu möchte ich mich jetzt gar nicht weiter erklären.

FRAGE JENNEN: Ich würde es auch noch gerne versuchen. Ist denn das Thema Nord Stream in dem Gespräch angesprochen worden?

STS HEBESTREIT: Der Versuch ist ehrenwert, aber ich bleibe bei meiner Antwort.

VORS. WEFERS: Ich habe weitere Fragen zu Russland. Es gibt noch eine Frage von Vladimir Esipov von der Deutschen Welle. Die geht an das BMWi, und zwar zum Thema Gaslieferungen aus Russland: Wie wirkt sich der Lieferstopp des russischen Gases über die Jamal-Pipeline auf die Situation auf dem deutschen Gasmarkt aus? Wie erklärt die russische Seite den Lieferstopp?

DR. BARON: Zu der konkreten Frage nach Jamal: Das kann ich nicht kommentieren. Sie müssten sich an die Händler oder Marktgebietsverantwortlichen im Markt wenden, wenn Sie dazu nähere Fragen haben.

Ganz allgemein möchte ich zur Versorgungssicherheit in Deutschland betonen: Wir beobachten hier die Lage natürlich sehr genau. Die Versorgungssicherheit ist weiter gewährleistet. Wir sehen aktuell keine Versorgungsengpässe.

Es ist richtig und bekannt das haben wir auch mehrmals ausgeführt , dass die Gasspeicherstände niedriger sind als in den Vorjahren. Sie liegen aktuell bei 56 Prozent. Das ist niedriger als in den Vorjahren. Aber ich muss noch einmal betonen: Wir sehen aktuell keine Versorgungsengpässe.

FRAGE JESSEN: Ich habe eine Lernfrage: Können Sie uns sagen, wie viel Prozent des in Deutschland ankommenden russischen Gases faktisch für Endverbraucher in anderen EU-Staaten bestimmt sind?

DR. BARON: Nein. Diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten. Auch das ist eine Frage, die die Marktgebietsverantwortlichen beantworten müssten, weil es dazu keine Statistik gibt, die wir dazu erfassen.

VORS. WEFERS: Ich habe noch eine Frage von Anna Rose vom Radiosende Echo Moskau. Dabei geht es um Sendelizenzen. Sie fragt den Regierungssprecher: Russland erwägt eine „symmetrische Antwort“ auf die „Verweigerung der Ausstrahlung“ des Senders RT Deutsch in Deutschland. Weiß die Bundesregierung davon, und wie wird sie reagieren?

STS HEBESTREIT: Ich kann zum Thema RT Deutsch sagen, dass das Medienrecht Landesrecht ist und die Landesmedienanstalten involviert sind. Insofern ist das keine Frage an den Regierungssprecher. Ich weiß nicht, ob das Auswärtige Amt ergänzen möchte.

SASSE: Wir haben ja zum Thema der Sendelizenzen von RT DE an dieser Stelle schon mehrfach Stellung genommen. Insofern ist unsere Haltung dazu deutlich. Wie Herr Hebestreit es gerade gesagt hat, ist es eine Sache der Landesmedienanstalten, über Anträge auf Sendelizenzen zu entscheiden. Was mögliche Reaktionen Russlands angeht, möchten wir an dieser Stelle nicht spekulieren.

VORS. WEFERS: Das war ja die eigentliche Frage. Sie bezog sich auf die „symmetrische Antwort“.

Tobias Heimbach von „Business Insider“ fragt gleich drei Ministerien, nämlich das BMWSB,

STS HEBESTREIT: Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen.

VORS. WEFERS: Ach so. Vielen Dank. Das ist gut. das BMF und das BMAS. Die Energiekosten sind in diesem Winter stark gestiegen. Daher sollte es laut Koalitionsvertrag etwa für Wohngeldempfänger einen einmaligen Zuschuss zu den Heizkosten geben. Meine Frage: Sind darüber hinaus in der nächsten Zeit zusätzliche Erleichterungen für weitere Kreise von Verbrauchern bei Strom- oder Heizkosten geplant? Weil es so schön ist, möchte er das auch noch vom Wirtschaftsministerium wissen.

Ich schlage vor, es äußert sich das Ministerium, das die Frage beantworten kann.

DR. BARON: Bei Heizkosten muss ich tatsächlich abgeben.

STEFFEN: Der Heizkostenzuschuss liegt bei uns. Vielleicht noch zur Präzisierung: Der Heizkostenzuschuss soll allen Menschen zugutekommen, die Wohngeld beziehen. Wir sind derzeit mit Hochdruck an der Umsetzung und werden dazu auch zeitnah etwas vorlegen, sodass die Menschen im Sommer den einmaligen Heizkostenzuschuss erhalten können, der im Koalitionsvertrag vereinbart wurde.

Vielleicht noch zur Präzisierung: Das ist ja kein unterkomplexes Verfahren, das dann auch in den Kommunen umgesetzt und auch technisch angepasst werden muss. In der Regel bekommen die Bezieher von Wohngeld ihre Heizkostenabrechnung oder die Nebenkostenabrechnung im Sommer, sodass das also fristgerecht laufen sollte.

GÖPNER-REINECKE: Für das BMAS kann ich ergänzen: Für Grundsicherungsempfängerinnen und empfänger ist das kein Thema, weil die Kosten ohnehin in angemessenem Umfang übernommen werden, auch wenn diese Kosten steigen.

FRAGE LÜCKING: Es geht erneut um das Ortskräfteverfahren, Herr Collatz. Ist es für ehemalige Beschäftigte weiterhin möglich, eine Gefährdungsanzeige zu stellen, und welche Rolle spielt dabei das Enddatum des Arbeitsvertrages?

COLLATZ: Die Verfahren sind ja seit Langem bekannt. Seit 2013 sind alle diejenigen, die einmal unter Vertrag waren, entweder für die Bundeswehr, für das BMZ oder andere Ressorts, an sich berechtigt, wenn sie schon einmal einen Antrag gestellt haben. Das gilt weiterhin unverändert.

ZUSATZFRAGE LÜCKING: Da liegt die Krux im Detail: wenn sie schon einmal einen Antrag gestellt haben. Das heißt, ich verstehe Sie richtig: Hat eine Ortskraft erstmals im vergangenen Monat einen Antrag gestellt, eine Gefährdungsanzeige gemacht, dann wäre sie trotz eines Arbeitsvertrags aus der Zeit von damals nicht berechtigt, in das Ortskräfteverfahren aufgenommen zu werden?

COLLATZ: In Einzelfallbetrachtungen hier nicht eingeschlossen ist es so, dass Verträge, die bereits mehr als zwei Jahre zurückliegend gekündigt wurden oder nicht mehr bestehen, zunächst einmal nicht in Betracht gezogen werden. Aber wir haben ja genügend Beispiele gehabt, auch das Bawar Media Center oder andere, bei denen es flexible Lösungen gibt. Die grundsätzliche Regelung bleibt bestehen.

ZUSATZFRAGE LÜCKING: Ist der Eindruck, der bislang erweckt wurde, dass das Verteidigungsministerium grundsätzlich auch Verträge anerkennt, die älter als zwei Jahre sind, so eigentlich nicht richtig? Bislang gab es ja mehrere Ministerien, die in der Kritik standen, weil sie nur zwei Jahre anerkennen, und das BMVg hat gesagt: Na ja, wir gehen auch weiter zurück. Es ist aber definitiv an den Eingang der Gefährdungsanzeige gekoppelt? Wie reagiert das BMVg auf jetzt auftretende konkrete Bedrohungen, zum Beispiel wenn die Taliban erst jetzt ehemalige Ortskräfte enttarnt haben, die zuvor noch keine Gefährdungsanzeige stellen konnten?

COLLATZ: Ich kann Ihren Eindruck da nicht beurteilen. Ich denke nicht, dass ich von hier aus zu diesem Eindruck beigetragen habe. Die grundsätzliche Regelung ist so wie besprochen: Man hat zwei Jahre Zeit, rückwirkend seine Gefährdungsanzeige zu machen. Für ältere Verträge gilt das dann nur für den Fall, dass bereits einmal abgelehnt wurde und eine neue Lage entstanden ist und eine neue Bewertung einer bereits abgelehnten Entscheidung angezeigt erscheint.

Noch einmal: Im Einzelfall wird das trotzdem alles noch einmal betrachtet, und dafür gibt es ja auch Ihnen bekannte Beispiele.

ZUSATZFRAGE LÜCKING: Dann würde ich gerne im Einzelfall nach der Konferenz eine Frage vorlegen.

COLLATZ: Gerne.

FRAGE FRIED: Frau Sasse, wie beurteilt das Auswärtige Amt die Verschiebung der Wahlen in Libyen? Was bedeutet das für den Berliner Prozess? Für wie realistisch halten Sie es, dass der neue Termin im Januar dann auch eingehalten werden kann?

SASSE: Herr Fried, es tut mir sehr leid, dass ich an dieser Stelle auch noch einmal auf die Pressekonferenz von Außenministerin Baerbock mit ihrem luxemburgischen Amtskollegen hinweisen muss; denn auch dort hat einer Ihrer Kollegen meines Wissens genau die Frage gestellt, die Sie gerade gestellt haben. Sie hat sich dazu geäußert und hat deutlich gemacht, dass sich diese Verschiebung ihrer Ansicht nach abgezeichnet hat, aber die Entwicklung deswegen aus unserer Sicht nicht weniger besorgniserregend ist. Sie hat auch deutlich gemacht, dass wir weiterhin mit den Vereinten Nationen daran arbeiten, dass diese Wahlen stattfinden.

ZUSATZ FRIED: Daran sehen Sie, wie wichtig uns der Friedensprozess ist, und nun habe ich auch keine Nachfrage mehr.

FRAGE JENNEN (zur COVID-19-Pandemie): Im Anschluss an die gestrige Ministerpräsidentenkonferenz wurde jetzt ja schon das Datum 7. Januar für das nächste Zusammentreffen in Aussicht gestellt. Könnten Sie trotzdem noch einmal den Weg dahin beschreiben? Was ist da jetzt noch zu erwarten und welche Maßnahmen werden dann eventuell noch in Betracht gezogen, auch vor dem Hintergrund der RKI-Empfehlungen?

STS HEBESTREIT: Gestern hat die Bund-Länder-Runde getagt und hat sehr einvernehmlich die Beschlüsse, die es jetzt umzusetzen gilt, beschlossen. Darin steht unter anderem, dass spätestens bis zum 28. Dezember Kontaktbeschränkungen, aber auch das Verbot von Großveranstaltungen mit Zuschauern anstehen. Einige Länder haben heute gesagt, dass sie davon schon zu einem früheren Datum Gebrauch machen am 24. und, ich glaube, am 26. oder 27. Baden-Württemberg. Das sind die Maßnahmen, auf die sich Bund und Länder verständigt haben, um diese jetzige Situation zu bewältigen.

Sie haben gleichzeitig gesagt, dass man sich am 7. Januar wieder zusammensetzen wird. Im Vorlauf dazu wird man natürlich das weitere Pandemiegeschehen genau beobachten und wird dann sehen, ob und, wenn ja, welche zusätzlichen Maßnahmen zu treffen sind. Im Augenblick geht man davon aus, dass das, was man jetzt beschlossen hat unter anderem auch das Feuerwerksverbot zu Silvester, die Kontaktbeschränkungen, die ich bereits genannt habe, und die massiven Kontaktbeschränkungen, die es für Ungeimpfte schon seit Längerem gibt , die Maßnahmen sind, die jetzt angesagt sind.

Es gab hier eben eine Pressekonferenz mit dem Bundesgesundheitsminister und auch RKI-Chef Wieler, in der ja auch deutlich geworden ist, dass man da auf einer Linie ist. Der Expertenrat hat am Sonntag eine einhellige, gute Grundlage formuliert, auf der sich die Bundesregierung dann mit den Ländern schnell auf diese Maßnahmen verständigt hat. Insoweit sieht man sich da auch gut aufgestellt.

FRAGE JESSEN: Ist der Kanzler mit dem Gesundheitsminister auch in der Frage auf einer Linie, dass ein harter Lockdown je nach Entwicklung der Fallzahlen nicht vom Tisch sei? Herr Lauterbach hat das ja erklärt.

STS HEBESTREIT: Der Bundeskanzler ist mit seinem Gesundheitsminister grundsätzlich auf einer Linie und hat ja auch an verschiedenen Stellen immer deutlich gemacht, dass es keine roten Linien in dieser Pandemie geben kann und dass man immer wieder das Pandemiegeschehen genau beobachten muss, sich auf den wissenschaftlichen Ratschlag stützen muss, um zu entscheiden, wie man angemessen darauf reagiert. Dass man etwas nicht ausschließt, heißt im Umkehrschluss aber nicht, dass es zwangsläufig kommen muss. Das ist eben genau das, was wir immer wieder tun müssen. Wenn man sich zurückerinnert: Auch Ende November haben wir ja massive Einschränkungen beschlossen. Da gab es auch Kritik daran, ob sie denn ausreichen würden und ob das denn diese Welle brechen würde. Im Augenblick sieht man, dass es zumindest bei der Deltavariante zwar noch nicht ausreicht, aber dass das doch vorsichtig in die richtige Richtung geht. Jetzt kommt mit der Omikronvariante eine neue Herausforderung, die noch einmal ganz andere Anforderungen stellt. Aber auch da wird man die Lage immer wieder neu betrachten und beurteilen.

ZUSATZ JESSEN: Deswegen habe ich auch wirklich nur gefragt, ob die Aussage „Das ist nicht vom Tisch“ im Hinblick auf die Omikronvariante auch für den Kanzler gilt. Das ist offenbar so.

VORS. WEFERS: Ich habe eine Frage von Boris Reitschuster zum Coronathema. Er fragt, warum die Modellierungen des Expertenrats nicht öffentlich gemacht werden.

STS HEBESTREIT: Der Expertenrat tagt vertraulich. Er hat danach eine gemeinsame Stellungnahme formuliert, und die ist öffentlich.

FRAGE FRIED: Herr Hebestreit, der Bundeskanzler hat ja gestern davon gesprochen, dass er gerne auch ehrgeizige Ziele formuliert und hat als eines dieser Ziele eine Impfquote von 80 Prozent genannt. Was er nicht genannt hat, war ein Zeitraum, und der Ehrgeiz bemisst sich ein bisschen daran, welcher Zeitraum vorgegeben wird. Könnten Sie das konkretisieren?

STS HEBESTREIT: Damit bringen Sie mich natürlich in die schwierige Zwangslage, dass ich den Ehrgeiz des Bundeskanzlers terminieren soll. Ich versuche es einmal so: Im Augenblick haben wir, glaube ich, eine Impfquote von 73,5 Prozent. Wenn man sagt, dass wir spätestens bis zum nächsten Treffen oder zum nächsten terminierten Treffen der MPK mit dem Bundeskanzler am 7. Januar eine Impfquote von 80 Prozent erreichen werden, dann ist das doch sehr ehrgeizig.

VORS. WEFERS: Dann habe ich noch eine Frage von Boris Reitschuster an das Gesundheitsministerium zum Coronathema. Er fragt: Für private Zusammenkünfte im öffentlichen oder privaten Raum gelten jetzt die gleichen Personenbeschränkungen. Warum? – Er begründet das damit, dass doch die Ansteckungsgefahr im Freien laut Experten gering sei.

GÜLDE: Es geht jetzt natürlich darum das haben ja sowohl Herr Prof. Lauterbach als auch Herr Prof. Wieler deutlich gemacht , Kontakte maßgeblich zu reduzieren, um weitere Infektionen und eine Überlastung des Gesundheitswesens zu verhindern. Genau das ist der Grund. Man muss an verschiedenen Settings ansetzen, und private Zusammenkünfte sind eines dieser Settings.

VORS. WEFERS: Dann habe ich noch eine Frage zur Kabinettssitzung von Markus Wacket von Reuters. Der fragt, ob das Kabinett den Vorschlag in Bezug auf Joachim Nagel als Bundesbankpräsidenten beschlossen hat.

STS HEBESTREIT: Ja, das Kabinett hat Dr. Joachim Nagel mit Wirkung zum 1. Januar 2022 für acht Jahre zum Präsidenten der Deutschen Bundesbank bestellt. [Korrektur: Das Bundeskabinett hat beschlossen, dem Bundespräsidenten vorzuschlagen, Herrn Dr. Joachim Nagel mit Wirkung vom 1. Januar 2022 als neuen Präsidenten der Deutschen Bundesbank für die Dauer von acht Jahren zu bestellen.]
Das ging einvernehmlich und glatt durch.

Vielleicht noch zwei Sätze von mir zu Herrn Nagel: Mit Herrn Dr. Nagel hat die Bundesregierung einen anerkannten Ökonomen und ausgewiesenen Finanzmarktexperten vorgeschlagen, der das stabilitätsorientierte Erbe der Deutschen Bundesbank fortsetzen wird. Er hat profunde Kenntnisse der internationalen und nationalen Finanzmärkte. Seit 2020 ist er Mitglied des Managements der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich. Zwischen 1999 und 2016 war er bei der Deutschen Bundesbank, davon sechs Jahre lang als Vorstandsmitglied. Zwischen 2017 und 2020 war er Vorstandsmitglied bei der KfW.

FRAGE FRIED: Es tut mir leid; ich muss noch einmal, Herr Hebestreit, nach dieser Impfquote von 80 Prozent und dem Ehrgeiz des Bundeskanzlers fragen. Bezieht sich das dann auf eine vollständige Impfung derzeit sind nämlich, glaube ich, nur etwas mehr als 70 Prozent vollständig geimpft, also zumindest zweimal , oder werden bis dahin 80 Prozent mindestens eine Spritze bekommen haben?

STS HEBESTREIT: Ich glaube, er hat das auf die erste Impfung bezogen, weil er weiß, dass nach der ersten in der Regel auch die zweite und, wenn es gut läuft, dann auch die dritte, also die Boosterimpfung, folgt. Insofern, wenn Sie mich festnageln, nehme ich die erste Impfung erst einmal als Standard.

Wir haben ja vor gut einer Woche darüber diskutiert, was denn der Stichtag für die 30 Millionen Boosterimpfungen ist. Da sieht es im Augenblick, wenn ich es richtig überblicke, so aus, als könnte es an Heiligabend tatsächlich auch das zu feiern geben. Auch da hat das ehrgeizige Ziel, das sich die Bundesregierung gesetzt hat, einigermaßen hingehauen. So, hoffen wir, werden wir das auch am 7. Januar schaffen.

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