Themen: Kabinettssitzung (Jahreswirtschaftsbericht 2022), Heizkostenzuschuss für Geringverdiener, Benennung weiterer Beauftragter der Bundesregierung, COVID-19-Pandemie, Ukraine-Konflikt, Versöhnungsabkommen zwischen Deutschland und Namibia, Militärputsch in Burkina Faso, geplante Übernahme der Siltronic AG durch GlobalWafers, Rechtshilfeverfahren im Fall eines ehemaligen georgischen Generalstabschefs, Präsidentschaftswahlen in Italien, Medienbericht über Warnungen des Bundesamts für Verfassungsschutz vor Hackerangriffen aus China
Themen/Naive Fragen zu:
0:00 Beginn
0:49 Bericht aus dem Kabinett
3:37 Thema Heizkostenzuschuss
4:06 Thema Beauftragte
4:47 Thema Genesenen-Status
9:24 Tilo zu Genesenen-Status/Bundestag
13:25 Gültigkeit von Impfzertifikaten
14:05 Thema PCR-Tests
18:15 Tilo zu PCR-Tests in Wien
22:31 Hans zu PCR-Testkapazitäten
27:15 Corona-Maßnahmen in Nachbarländern
28:41 Tilo zu Triage-Urteil/Mitwirkung von Behinderten
30:27 Thema Ukraine/Russland
34:54 Tilo zu Kosten für 5000 Helme
49:05 Hans zu deutscher Gasreserve
52:24 Tilo zu Russland als „Verbündeter“
53:45 Thema Namibia/Völkermord
57:20 Tilo zu Position Baerbocks
58:19 Thema Staatsstreich Burkina Faso
1:03:00 Thema Siltronic Übernahme
1:04:22 Thema Georgischer Generalstabschef
1:07:01 Thema Wahl in Italien
1:08:28 Thema Hackerangriffe aus China
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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 26. Januar 2022:
STS HEBESTREIT: Auch von mir herzlich willkommen! Es gibt einen Tagesordnungspunkt der Kabinettssitzung, den ich Ihnen gern kurz vortragen würde. Disclaimer vorweg: Im Anschluss an diese Pressekonferenz wird Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck dazu genauer Auskunft geben können. Trotzdem für diejenigen, die dann nicht können:
Der Jahreswirtschaftsbericht 2022 ist heute vom Bundeskabinett beschlossen worden. Er trägt den Titel „Für eine sozial-ökologische Marktwirtschaft Transformation innovativ gestalten“. Die soziale Marktwirtschaft hat sich in den vergangenen Jahrzehnten bewährt. Sie hat maßgeblich zu Wohlstand und hoher Lebensqualität in Deutschland beigetragen. Doch angesichts des Klimawandels bedarf es einer Anpassung des wirtschaftspolitischen Ordnungsrahmens. Die Bundesregierung wird in diesem Sinne die sozial-ökologische Marktwirtschaft zu ihrem wirtschaftspolitischen Leitbild machen.
Es ist notwendig, stärker als bislang die Qualität unserer wirtschaftlichen Entwicklung in den Fokus zu nehmen und nicht nur die insbesondere am Bruttoinlandsprodukt gemessene Quantität. Gesamtwirtschaftliches Wachstum ist eine notwendige, aber längst noch keine hinreichende Voraussetzung für nachhaltigen Wohlstand, Beschäftigung, Teilhabe und soziale Sicherheit. Daher betrachtet die Bundesregierung im Jahreswirtschaftsbericht jenseits des Bruttoinlandsproduktes ergänzende Dimensionen des materiellen und immateriellen Wohlstandes sowie gleichwertiger Lebensverhältnisse in den Regionen Deutschlands. Der Jahreswirtschaftsbericht 2022 ist Ausgangspunkt eines Prozesses, in dem die Bundesregierung die Messung von Wohlfahrt sowie der entsprechenden Indikatoren kontinuierlich überprüfen und verbessern wird.
Vielleicht noch eines vorab: Die Ausgangslage für die deutsche Wirtschaft zum Jahresanfang 2022 ist gut. Die Auftragsbücher sind voll und die Grundlagen für einen kräftigen Aufschwung sind gelegt. Derzeit wird die Konjunktur aber noch von den Auswirkungen der Omikronwelle und Lieferengpässen bei einzelnen Vorprodukten gestört. Die Finanzpolitik der Bundesregierung ist darauf ausgerichtet, durch weitere gezielte Impulse in Zukunftsbereichen zu den Transformationen hin zu einer weiterhin wettbewerbsfähigen, klimaneutralen, digitalen Wirtschaft und nachhaltigem Wachstum beizutragen. Die Bundesregierung wird die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die 2020er-Jahre zu einem Jahrzehnt der Zukunftsinvestitionen werden.
Soweit von mir zu den Kernbotschaften des Jahreswirtschaftsberichtes. Alles Weitere dann später mit Robert Habeck.
VORS. BUSCHOW: Ich habe online eine Frage zum Kabinett im weitesten Sinne. Bettina Markmeyer vom EPD fragt: Wurde im Kabinett der Heizkostenzuschuss für Geringverdiener beschlossen?
STS HEBESTREIT: Nein, er wurde nicht in dieser Kabinettssitzung beschlossen. Meines Wissens steht er für die nächste Woche an.
FRAGE DR. RINKE: Die Benennung einiger Beauftragter steht immer noch aus. Können Sie sagen, ob heute diesbezügliche Personalentscheidungen gefallen sind?
STS HEBESTREIT: Bezüglich der Beauftragten nicht, nein.
FRAGE KÜSTNER (zur COVID-19-Pandemie): Ich habe eine Frage zum Genesenenstatus an das Gesundheitsministerium. Dieses Thema bewegt in diesen Tagen auch den Bundestag sehr. Ist der Minister eigentlich uneingeschränkt glücklich darüber, wie das mit der Kommunikation mit dem Robert-Koch-Institut gelaufen ist, dass der Genesenenstatus verkürzt wurde?
GÜLDE: Vielen Dank für die Frage. Der Minister hat sich in der Vergangenheit, unter anderem auch am Sonntag in Berlin, direkt zu genau diesem Thema geäußert. Darauf möchte ich gern verweisen.
Vielleicht noch einmal grundsätzlich zum Verfahren: Wir sind natürlich nicht ganz glücklich darüber, wie das gelaufen. Aber das Verfahren ist jetzt neu etabliert worden und muss sich tatsächlich auch erst etwas einüben, so will ich es einmal sagen. Letztlich ist dieses neue Verfahren vom Bundestag und vom Bundesrat beschlossen worden. Da wird auf die Entscheidungen der nachgeordneten Behörden verwiesen.
Dass Genesene halt eben nur noch drei Monate von der Quarantäne ausgenommen würden, war klar. Diesen Beschluss gab es. Dass aber der Genesenenstatus insgesamt am Samstag vergangener Woche verändert wird, war dem Minister tatsächlich nicht bekannt.
Aber auch dazu vielleicht noch einmal ganz grundsätzlich: Die Pandemie ist sehr dynamisch. Das heißt auch, dass wir dynamisch reagieren müssen. Genau deshalb wurde eben dieses Verfahren geändert, dass mit Mitteilungen oder, besser gesagt, mit Änderung der wissenschaftlichen Erkenntnislage dann auch eine solche Änderung des Genesenenstatus möglich wird durch Bekanntmachung der nachgeordneten Behörden. Dieses Verfahren muss sich wie gesagt jetzt halt eben einspielen. Das hat aber auch der Minister zugesichert, dass da künftig dann eben auch die Kommunikation anders läuft, ja.
VORS. BUSCHOW: Dazu habe ich eine Frage von Jörg Ratzsch von dpa, auch an das Gesundheitsministerium. Er schreibt: Die EU-Staaten haben sich darauf verständigt, dass sich die Menschen bei Reisen innerhalb der Union ohne weitere Auflagen frei bewegen können sollen, wenn sie einen gültigen Impf-, Test- oder Genesenennachweis vorlegen. Beim Genesenennachweis werde eine Gültigkeit von 180 Tagen genannt, schreibt er und fragt dann: Wie passt das zur Verkürzung des Genesenenstatus auf 90 Tage in Deutschland? Ist geplant, dass er wieder verlängert wird?
GÜLDE: Nein. Hierbei muss man zwei Dinge auseinanderhalten. Das eine sind die Reiseregelungen innerhalb der EU. Sie bleiben unangetastet. Nach wie vor gilt, dass man mit einem Genesenenstatus einreisen kann. Wenn man allerdings im Land ist das galt auch vorher , gelten die Regelungen des jeweiligen Mitgliedslandes. Diese können das sieht auch die EU so vor eigene Regelungen dazu treffen. Entsprechend gelten hier die Quarantänebestimmungen für Deutschland.
FRAGE PIATOV: Zum Verfahren: Ich würde gern verstehen, von wem die Initiative ausging, den Genesenenstatus zu überprüfen und zu verkürzen. Ging das nach der MPK am 7. Januar vom RKI aus, oder gab es eine Weisung des Bundesgesundheitsministeriums?
GÜLDE: Es gab diesbezüglich keine Weisungen des Gesundheitsministeriums.
ZUSATZFRAGE PIATOV: Welchen Austausch über dieses Thema, über das Thema des Genesenenstatus, gab es seit dem 7. Januar bis zur Bundesratssitzung zwischen RKI-Präsident Lothar Wieler und Bundesgesundheitsminister Lauterbach?
GÜLDE: Den konkreten Austausch, ob es irgendwelche Telefonate, E-Mail-Verkehre oder sonst etwas zwischen Minister und beispielsweise Herrn Wieler gab, das kann ich Ihnen hier jetzt nicht beantworten. Das weiß ich nicht. Nichtsdestotrotz: Es bleibt dabei: Der Minister war davon nicht in Kenntnis gesetzt, dass am Sonnabend generell der Genesenenstatus geändert wird.
FRAGE JUNG: Herr Gülde, gibt es wissenschaftliche Erkenntnisse darüber, dass Bundestagsabgeordnete doppelt so lange als genesen gelten können wie der Rest der Bevölkerung?
GÜLDE: Nein, solche wissenschaftlichen Erkenntnisse gibt es nicht. Ich denke, Sie spielen auf die entsprechende Quarantäneregel für Mitglieder des Bundestags an. Der Bundestag passt seine Regeln laufend an. Wir gehen auch davon aus, dass es in diesem Fall so sein wird und dass dann halt eben entsprechend der Genesenenstatus für Mitglieder des Bundestags auch auf drei Monate verkürzt werden wird.
ZUSATZFRAGE JUNG: Herr Hebestreit, der Kanzler ist ja auch Bundestagsabgeordneter. Wie bewertet der Kanzler diese Extrawurst?
STS HEBESTREIT: Ehrlich gesagt, habe ich mit dem Kanzler darüber noch überhaupt nicht gesprochen. Ich glaube, das, was der Kollege vom Gesundheitsministerium eben vorgetragen hat, ist Stand der Dinge. Mehr kann ich Ihnen dazu nicht sagen. Da müssen Sie sich sicherlich an den Bundestag und an das zuständige Bundestagspräsidium wenden.
FRAGE KÜSTNER: Noch einmal zurück zur EU: Wirkt es nicht trotzdem ein bisschen verwirrend, auch auf Außenstehende oder die Bevölkerung, wenn die EU sagt: „Für unsere Reiseregeln ist die Sechsmonatsregel in Ordnung“, aber dann in Deutschland wieder die Dreimonatsregel gilt? Entsteht da nicht irgendwie ein schiefes Bild?
GÜLDE: Nein. Also, wie gesagt: Man muss natürlich trennen einerseits zwischen den Reiseregelungen und dann den Regelungen, die innerhalb eines Mitgliedslandes gelten. Darauf haben wir auch immer wieder hingewiesen, wenn es zum Beispiel auch um Reisen ins Ausland ging, auch ins EU-Ausland: Sehen Sie sich vorher die Regeln an, die dort herrschen! Insofern sehen wir da eigentlich keine Ungleichbehandlung. Was jetzt die Wertung des Ganzen anbelangt, das muss ich Ihnen dann natürlich überlassen.
STS HEBESTREIT: Vielleicht darf ich an einer Stelle ergänzen. Der Bundesgesundheitsminister hat in den letzten Tagen an mehreren Stellen deutlich gemacht, dass es an der Verkürzung des Genesenenstatus wissenschaftlich nichts auszusetzen gibt. Es sind die neueren wissenschaftlichen Erkenntnisse, die mit der Omikronvariante zu tun haben, dass man sich an dieser Stelle gezwungen sah, den Genesenenstatus zu verändern, um darauf reagieren zu können. Es war also keine politische Entscheidung oder was sonst noch alles insinuiert wird, sondern es ist der wissenschaftliche Stand, den das RKI, das dafür zuständig ist, mitgeteilt und umgesetzt hat. Darum geht es an dieser Stelle.
FRAGE DR. RINKE: Wenn es stimmt, was Herr Hebestreit gerade gesagt hat davon gehe ich aus , dann schließt sich die Frage an, ob sich Deutschland innerhalb der EU dafür einsetzt, dass die gerade beschlossenen EU-Regeln wieder geändert werden, weil diese demnach offenbar nicht dem neuesten wissenschaftlichen Stand entsprechen.
GÜLDE: Das muss ich, ehrlich gesagt, nachtragen, ob es da schon bereits jetzt Verhandlungen auf EU-Ebene dazu gibt. Das entzieht sich meiner Kenntnis.
STS HEBESTREIT: Vielleicht auch hierzu noch einmal der Hinweis, dass wir in einer sich immer wieder sehr verändernden Lage sind. Wir lernen mehr über das Virus; wir lernen mehr über die Veränderungen, die es durchläuft, und die Varianten, und darauf müssen wir reagieren. Sonst könnten Sie uns zu Recht den Vorwurf machen, dass wir auf aktuelle Veränderungen nicht reagierten und dadurch leichtsinnig an alten Regelungen festhielten. Genauso ist es auch in all diesen Gremien und auch auf der europäischen Ebene. Da muss man das dann gemeinsam bewerten. Aber das schließt nicht aus, dass man national eigene Regeln trifft, die man für richtig hält.
ZUSATZ DR. RINKE: Das ist schon klar. Aber beides sind ja neue Regelungen, zum einen auf EU-Ebene und zum anderen auf nationaler Ebene. Deswegen ist es ein bisschen verwunderlich, dass man zu zwei unterschiedlichen Schlüssen kommt.
VORS. BUSCHOW: Ich nehme eine Frage von Tilman Steffen von „ZEIT ONLINE“ dazu. Er hat eine Frage zum Thema der Gültigkeit von Impfzertifikaten und fragt das Gesundheitsministerium, ob es zutreffe, dass auch in Deutschland ab 1. Februar die Neunmonatsfrist greife, nach der die Zertifikate von vollständig Geimpften dann verfielen. Er verweist auch auf die EU-Regelungen.
GÜLDE: Ja, es gibt diese entsprechende EU-Regelung. Sie wird auch bei uns umgesetzt, und insofern gilt eine Befristung von neun Monaten für vollständige Impfserien.
FRAGE DR. RINKE: Noch einmal an das Gesundheitsministerium, es geht um Testungen, den PCR-Test und mögliche Alternativen. Sind Sie in Ihren Gesprächen mit den Laboren weitergekommen? Sollen außer dem normalen PCR-Test und außer den Schnelltests es gibt ja noch so Mitteldinger, die PoC-NAT heißen , jetzt möglicherweise auch verstärkt sichere, aussagekräftige Alternativen eingesetzt werden?
GÜLDE: Letztlich ist es ja so: Wir haben in Deutschland eine relativ große PCR-Testkapazität. Aber sie wird, wie Sie schon richtig gesagt haben, unter hoher Belastung nicht ausreichen. Wir sprechen derzeit von einer Größe von 2,8 Millionen Tests pro Woche. Wenn Sie sich erinnern: Vergangene Woche waren es noch 2,4 Millionen Tests. Das heißt: Auch da versuchen wir weiterhin auszubauen. Nichtsdestotrotz: Auch diese Kapazitäten sind natürlich begrenzt. Insofern wollen wir auch für andere Testmöglichkeiten, unter anderem diese sogenannten PoC-NAT-Tests das sind Testverfahren, die auch auf Nukleinsäureverfahren beruhen, allerdings eine Auswertung vor Ort ermöglichen , die Vergütung erhöhen. Das ist Gegenstand auch der Testverordnung.
Ja, wir wollen natürlich auch das hat die MPK ja beschlossen die Tests gezielter einsetzen.
ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Wann kommt die Testverordnung? Wird sie zeitlich limitiert sein? Denn es geht, wenn ich es richtig verstehe, im Moment vor allem darum, den für Mitte Februar erwarteten Peak abzufedern. Man könnte theoretisch im März, wenn die Zahlen wieder sinken, wieder zu dem alten Testregime mit PCR-Tests zurückkehren.
GÜLDE: Zum zeitlichen Ablauf und auch zu möglichen zeitlichen Begrenzungen des Testverfahrens kann ich hier noch keine Aussage treffen. Die Testverordnung ist derzeit in der Mache. Wir gehen davon aus, dass wir sie zügig vorlegen können.
Aber vielleicht auch noch, wenn Sie mir den Hinweis gestatten: Die pandemische Lage derzeit das hatte ich ja auch schon gesagt ist sehr dynamisch. Sich jetzt schon auf einen zeitlichen Ablauf oder eine Befristung festzulegen, ist insofern, glaube ich, unter den gegebenen Umständen schon recht mutig. Von daher wäre ich da sehr vorsichtig.
VORS. BUSCHOW: Zum Thema der PCR-Tests gibt es online eine Frage von Heike Slansky vom ZDF. Sie schreibt, dass die in vielen Bundesländern durchgeführten PCR-Pooltests in Schulklassen bei einem positiven Befund wegen der hohen Befundzahlen im Moment nicht mehr einzeln ausgewertet werden könnten und es Anweisungen gebe, dass die Schüler stattdessen nun morgens in der Klasse einen Selbsttest machten. Daran gebe es, schreibt sie, Kritik von Schülern und von Eltern und Lehrern, die sagten, dass die infizierten Schüler dann eben erst einmal in die Schule kommen müssten und andere anstecken könnten. Sie fragt mit Blick auf die Kritik, dass man sich die Pooltests dann auch sparen könnte, was die Bundesregierung dazu sagt.
GÜLDE: Dazu kann ich, ehrlich gesagt, nicht viel sagen, weil das Thema von Pooltestungen und Tests in der Schule Länderangelegenheit ist. Die Länder haben die Möglichkeit, ein Testverfahren dort einzurichten. Viele Länder machen das ja auch. Es gibt die PCR-Pooltests. Es gibt Lollitests. Es gibt auch die Möglichkeit der Schnelltestverfahren. Es obliegt dann halt eben tatsächlich den Ländern, da eigene Regelungen zu schaffen. Aber, wie schon gesagt, also die PCR-Testkapazitäten, die sind begrenzt, und gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Inzidenzen müssen diese dann auch entsprechend priorisiert werden.
FRAGE JUNG: Ich will noch einmal das Thema aufmachen, das am Montag auch schon hier war, nämlich den Vergleich zu Wien. Herr Gülde, Ihr Kollege dort hat sich, glaube ich, falsch ausgedrückt, als er von Lollitests in Wien gesprochen hat. Das sind ja Gurgeltests. Beziehen sich die Aussagen des BMG, dass diese Tests keine ausreichende Aussagekraft hätten, auf den Lollitest, den man damit ablehnt, oder die tatsächlichen Gurgeltests in Wien? Erkennen Sie den Nachweis der Sensitivität und der Spezifität dieser Gurgeltests, der PCR-Gurgeltests, an oder nicht?
GÜLDE: Vielleicht ganz kurz zur Verfahrensweise dieses Wiener Modells ich glaube, das muss man einmal ein Stück weit erläutern : Es ist dort nach unserer Erkenntnis so, dass Nutzerinnen und Nutzer sich dort im Netz registrieren und dann ihren Ausweis per Webcam einscannen, und sofern sie dann identifiziert worden sind, bekommen sie dann einen Barcode, mit dem dann auch noch acht Testkits geliefert werden bzw. sie sich diese dann aus einer Filiale einer Drogerie abholen können. Diese Testkits mit der beigelegten Kochsalzlösung nutzen sie dann zu Hause, gurgeln und spülen vor laufender Webcam den Mund aus. Dann wird diese Probe bei den entsprechenden Stellen abgegeben.
Sie merken schon an dem Verfahren: Das ist relativ zeitaufwendig. Da stellen sich natürlich auch noch andere Fragen hinsichtlich des Datenschutzrechts usw. usf. Insofern: Ein solches Verfahren zu etablieren und auch flächendeckend zu etablieren wie Sie wissen, trifft das nur auf die Stadt Wien zu , wird sehr schwierig werden. Insofern ist ein solches Verfahren bei der derzeitigen dynamischen Situation auch tatsächlich nicht angedacht.
In diesem Zusammenhang vielleicht noch einmal der Hinweis ich weiß nicht, ob Sie das gesehen haben : Gestern haben sich auch die akkreditierten Labore in der Medizin zu diesem Thema geäußert und haben da auch noch einmal auf die Zählweise verwiesen, weil das ja immer wieder eine Rolle spielt nach dem Motto: Wien testet mehr als Deutschland. Das beruht einfach auf einer anderen Zählweise. Auch wir in Deutschland haben Pooltestungen. Die werden aber als ein Test gezählt, und Wien zählt alle Probanden, die an diesem Testverfahren teilnehmen. Das ist einfach eine andere Zählweise, und auch das bitte ich dabei zu berücksichtigen.
ZUSATZFRAGE JUNG: Aber bleiben Sie dabei, dass diese Gurgeltests in Wien, wie Sie Montag verlautbart haben, keine ausreichende Aussagekraft haben? Die Sensitivität und die Spezifizität dieser Tests wurden ja nachgewiesen. Erkennen Sie das an?
GÜLDE: Herr Ewald hat vergangenen Montag seine Aussagen dazu noch einmal eingeordnet. Darüber hinaus habe ich jetzt keine Ergänzungen dazu.
FRAGE GRIMM: An das BMG: Geht das Gesundheitsministerium wegen der knapp werdenden PCR-Tests weiter davon aus, einen realistischen Überblick über das Infektionsgeschehen zu haben?
GÜLDE: Auch das ist Gegenstand der aktuellen Testverordnung. Die Frage, wie Infektionen tatsächlich übermittelt und vom RKI erfasst werden, werden wir mit der Testverordnung adressieren. Auch dazu hat sich Herr Minister Lauterbach schon geäußert. In Rede stehen da mehrere Schnelltests, die dann entsprechend erfasst werden und in die Statistik einfließen sollen.
FRAGE JESSEN: Dennoch, Herr Gülde: Wie ist es erklärbar, dass in der zweiten Kalenderwoche dieses Jahres in Österreich national gesehen auf 100 000 Einwohner 90 000 PCR-Tests durchgeführt wurden, im gleichen Zeitraum in Deutschland aber nur 2000? Selbst, wenn man sagt „Das eine ist individuell, das andere ist Pool“: 2000 sind drei Prozent von 90 000; das sind also gigantisch unterschiedliche Kapazitäten. Können Sie uns erklären, woran es liegt, dass das so ist?
GÜLDE: Das habe ich ja im Grunde genommen eigentlich schon erklärt. Noch einmal: Wir haben 2,8 Millionen Testmöglichkeiten pro Woche, was PCR-Tests anbelangt. Diese Kapazitäten reizen wir gerade aus; wir sind jetzt bei etwa 2,4 Millionen Tests pro Woche. Das ist nicht unbegrenzt nach oben schraubbar. Insofern müssen wir da priorisieren. Wir haben viel getan, um diese Kapazitäten auszubauen, und ich hatte ja bereits erläutert, dass wir auch andere Testmöglichkeiten nutzen etwa die PoC-NAT-Tests oder auch Antigen-Schnelltests , um die Menschen zu testen und Infektionen zu erfassen.
ZUSATZFRAGE JESSEN: Warum ist es in Deutschland nicht möglich, von 3 Prozent gemessen an den österreichischen Kapazitäten, die dort offenbar ja realisiert worden sind auf einen höheren Anteil zu kommen? Der deutsche Anteil beträgt zum Beispiel auch nur ein Zehntel dessen, was in Griechenland möglich ist. Wir sind im europäischen Vergleich ganz weit hinten.
GÜLDE: Noch einmal, Herr Jessen: Das hängt mit der Zählweise zusammen, ganz ehrlich. Viele Länder ich weiß nicht, ob Österreich dazugehört; meines Wissens nicht zählen alle Tests, die durchgeführt werden. Wir erfassen ja beispielsweise keine Antigen-Schnelltests oder dergleichen.
ZURUF: (ohne Mikrofon; akustisch unverständlich)
GÜLDE: Ja, genau das meinte ich gerade damit: Die summieren alles unter PCR, auch wenn das keine PCR-Tests sind.
Das Zweite ist eben das hatte ich ja schon angesprochen die Zählweise der Pooltestungen. Da möchte ich auch gerne auf die gestrige Pressemitteilung der akkreditierten Labore hinweisen.
VORS. BUSCHOW: Ich habe noch zwei Onlinefragen zum Thema Corona. Ich beginne mit einer Frage von Boris Reitschuster, der das Gesundheitsministerium fragt, ob Sie bestätigen können, dass es kaum genesene Patienten auf Intensivstationen gibt. Welche Rückschlüsse ziehen Sie gegebenenfalls daraus.
GÜLDE: Ich muss offen gestehen, dass ich die Frage nicht verstehe. Wenn Patienten genesen sind, kommen sie dann natürlich häufig auf andere Stationen. Wenn sich der Zustand eines Patienten also bessert, dann wird er auf eine andere Station verlegt. Insofern muss ich offen gestehen: So ganz verstehe ich diese Frage nicht.
VORS. BUSCHOW: Ich kann es auch noch einmal vorlesen. Er schreibt: Laut Medizinern sind kaum genesene Patienten auf Intensivstationen? Die Diskussion dreht sich ja oft um die Frage: Wie viele Geimpfte sind auf Intensivstationen? Wahrscheinlich bezieht sich die Frage auf den Fall, dass jemand schon einmal Corona hatte, sich das dann aber trotzdem noch einmal einfängt und auf einer Intensivstation landet. So würde ich es jetzt verstehen.
GÜLDE: Okay, gut, dann habe ich es in der Tat falsch verstanden. Darauf, dass eine Reinfektion meistens harmloser verläuft als eine Erstinfektion, haben wir auch immer wieder hingewiesen. Gleiches gilt natürlich auch für den Impfschutz: Menschen, die geimpft sind, haben in der Regel einen harmloseren Verlauf als Menschen, die ungeimpft sind. Das wäre meine Antwort darauf.
VORS. BUSCHOW: Die zweite Frage von Herrn Reitschuster, wie sich das mit dem Genesenenstatus 180 Tage, 90 Tage verhält, ist, meine ich, schon beantwortet worden.
Dann gibt es eine Frage von Charlotte Kurz, „Pharmazeutische Zeitung“. Sie fragt: Wann sollen Apotheken erstmalig COVID-19-Impfstoffe bestellen dürfen? Gibt es ein gesondertes Impfstoffkontingent für Apotheken?
GÜLDE: Ob es da schon einen konkreten Zeitpunkt gibt, müsste ich nachreichen.
FRAGE DR. RINKE: Nach den Ankündigungen in Österreich und Dänemark, dass die Coronamaßnahmen dort weitgehend zurückgenommen werden sollen, möchte ich fragen: Sieht die Bundesregierung das mit Sorge, weil sich dann möglicherweise wieder Infektionen ausbreiten können, oder kann das dort ohne Probleme passieren?
GÜLDE: Selbstverständlich betrachten wir auch die Entwicklungen in unseren Nachbarstaaten. Minister Lauterbach hat sich ja auch mehrfach zu diesem Thema geäußert. Für uns ist zurzeit einfach noch nicht der Zeitpunkt, über Lockerungen zu sprechen. In anderen Ländern mit einer anderen Impfquote mag das möglicherweise anders sein, aber das können wir von hier aus natürlich nicht beurteilen. Nichtsdestotrotz ist zurzeit einfach noch Vorsicht angesagt. Von daher bleiben wir bei diesen Maßnahmen; dazu hat sich ja auch Bundeskanzler Scholz am Montag geäußert.
ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Die Frage zielte eigentlich ein bisschen darauf, ob Sie eine Rückwirkung auf die Infektionslage in Deutschland sehen.
GÜLDE: Dazu habe ich zurzeit noch keine Erkenntnisse.
FRAGE JUNG: Herr Gülde, zur Umsetzung des Triage-Urteils des Bundesverfassungsgerichts: Weil das Menschen mit Behinderungen betrifft, gibt es die Kritik, dass Menschen mit Behinderungen nicht an den Gesprächen teilnehmen. Warum ist das so, warum gibt es keine Behindertenselbstvertretung?
GÜLDE: Zurzeit laufen noch hausinterne Abstimmungsprozesse. Dazu werden in der Regel auch keine externen Partner eingeladen. Darüber hinaus ist aber vorgesehen, unter anderem auch den Behindertenbeauftragten der Bundesregierung mit einzubeziehen, wenn die Diskussion künftig in die Breite geht. Inwieweit da noch weitere Verbände einbezogen werden, vermag ich zu diesem Zeitpunkt einfach noch nicht zu sagen.
ZUSATZ JUNG: Der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung gehört ja nicht zur Behindertenselbstvertretung; das ist ja etwas anderes. Die Wohlfahrt wurde ja schon eingeladen, aber niemand der Behindertenselbstvertretung.
GÜLDE: Wie gesagt, zurzeit laufen dazu einfach noch die hausinternen Abstimmungen. Zum weiteren Verfahren kann ich Ihnen jetzt noch keine Aussage geben.
VORS. BUSCHOW: Herr Moulson von AP fragt das Verteidigungsministerium und auch den Regierungssprecher: Können Sie bestätigen, dass Deutschland 5000 militärische Schutzhelme an die Ukraine liefern wird? Wenn ja, wann?
Bleibt es dabei, dass die estnische Anfrage wegen Haubitzen an die Ukraine noch geprüft wird?
COLLATZ: Ich kann gerne beginnen. Ich kann bestätigen, dass wir eine Prüfung auf Anfrage der ukrainischen Seite abgeschlossen haben und eine Zulieferung von 5000 militärischen Schutzhelmen zusagen können. Über die Zeitlinien kann ich Ihnen jetzt noch nichts sagen, nur über die Anzahl. Ich kann auch bestätigen, dass die Prüfung hinsichtlich der Haubitzen noch andauert.
FRAGE KÜSTNER: Konkret zu den Helmen: Ist das denn eine Bitte der Ukraine gewesen, die schon länger im Raum steht, oder ist das jetzt eine Reaktion auf den gestiegenen Druck, vielleicht auch Defensivwaffen zu liefern?
COLLATZ: Laut meinen Informationen gab es kürzlich eine Anfrage der ukrainischen Seite dazu.
ZUSATZFRAGE KÜSTNER: Kürzlich heißt: In den letzten zwei Tagen?
COLLATZ: Nicht im monatlichen Verlauf, sondern in den letzten Tagen oder Wochen.
VORS. BUSCHOW: Herr Wütherich von AFP fragt auch nach Schutzwesten, um die die Ukraine gebeten hätte. Können Sie dazu noch etwas ergänzen?
COLLATZ: Dazu habe ich nichts mitzuteilen.
FRAGE DR. RINKE: Direkt daran anschließend: Können Sie uns bitte sagen, was für Anfragen der Ukraine eigentlich mittlerweile vorliegen? Das werden ja wahrscheinlich zahlreiche sein. Können wir da irgendwie einen Überblick bekommen?
COLLATZ: Konkret liegt mir aktuell nur die Anfrage zu den Helmen vor. Wenn es dort etwas zu ergänzen gibt, liefere ich das gerne nach.
VORS. BUSCHOW: Paul-Anton Krüger von der „Süddeutschen Zeitung“ fragt: Zur EU-Ausbildungsmission in Brüssel heißt es, Bedenken Deutschlands und dreier anderer EU-Mitgliedstaaten würden eine schnelle Beschlussfassung über die geplante EU-Ausbildungsmission für Offiziere der Streitkräfte unnötig verzögern. Dazu fragt er das Auswärtige Amt: Befürwortet die Bundesregierung diese Mission, und worin bestehen mögliche Bedenken?
BURGER: Das Gegenteil ist richtig: Deutschland setzt sich dafür ein, die EU-Unterstützung für die Reform des ukrainischen Militärausbildungssystems zügig auf den Weg zu bringen. Darüber sind sich im Grundsatz auch alle EU-Mitgliedstaaten einig. Was derzeit noch in Brüssel diskutiert wird ist die Frage, welches Instrument bzw. welche Rechtsgrundlage dafür am besten geeignet ist. Wir hoffen, dass es auch dazu eine schnelle Einigung gibt. Der Europäische Auswärtige Dienst hat dafür verschiedene Optionen vorgelegt. Aus unserer Sicht, die viele EU-Mitgliedstaaten teilen, ist eine militärische sogenannte GSVP-Mission dafür nicht das Mittel der Wahl, weil das an den tatsächlichen Bedarfen vorbeigehen würde. Wir befürworten stattdessen eine flexibel umsetzbare Unterstützungsmaßnahme im Rahmen der sogenannten Europäischen Friedensfaszilität. Aber wie gesagt, das sind Diskussionen, die derzeit in Brüssel stattfinden, und wir hoffen, dass es dazu eine schnelle Einigung gibt.
VORS. BUSCHOW: Daniel Brössler von der „Süddeutschen Zeitung“ fragt: Wie bewertet es die Bundesregierung, dass der russische Außenminister Lawrow weder für die Europäische Union noch für die OSZE eine Rolle in den derzeitigen Gesprächen zur Ukraine-Krise sieht?
BURGER: Ich kenne die Äußerungen nicht, auf die sich das bezieht, und würde das von daher auch nicht kommentieren. Die Gespräche, die es in der OSZE dazu bereits gegeben hat, zeigen aus unserer Sicht, dass die OSZE selbstverständlich ein wichtiges Gremium ist, weil sie ein Gremium ist, in dem alle europäischen Staaten vertreten sind und es geht ja um die Sicherheit Europas. Wie gesagt, im Übrigen kenne ich die Äußerungen nicht und kann sie deswegen auch nicht kommentieren.
FRAGE JUNG: Eine Lernfrage zu den 5000 Helmen, Herr Collatz: Schenkt man die der Ukraine oder werden die bezahlt?
COLLATZ: Das ist eine sogenannte Länderabgabe, also von Truppe zu Truppe. Die Kostenverhandlungen sind davon jetzt erst einmal unbenommen, dazu kann ich keine Aussage machen. Das müsste ich nachliefern.
FRAGE DR. RINKE: Ich bin mir nicht ganz sicher, an wen meine Frage geht möglicherweise an das Wirtschaftsministerium oder an Herrn Hebestreit. Es geht darum, dass Deutschland und einige andere europäische Länder laut einem Medienbericht eine Ausnahme für den Energiesektor beantragt haben, wenn russische Banken mit Sanktionen überzogen werden. Können Sie das bestätigen?
STS HEBESTREIT: Ich glaube, dazu müssen wir generell das sagen, was wir in diesen Fragen zum Thema Sanktionsregime immer sagen, und das ist, dass wir diese Gespräche so vertraulich halten, wie es nötig ist, um eben auch die andere Seite da nicht vorher reingucken zu lassen. Ich verstehe Ihr Interesse an all dem, was sich da abspielt, aber diese Gerüchtelagen wollen wir nicht kommentieren. Vieles, was dazu zu lesen ist, ist auch nicht ganz richtig, und manches ist sogar falsch. Das müssen wir aber hinnehmen.
Im Augenblick ist die westliche Welt sehr bestrebt, eine sehr einheitliche, eine klare und starke Antwort zu formulieren aus Sorge, was an der ukrainischen Grenze mit Blick auf Russland passieren kann. Diese Gespräche finden statt und sie finden vertrauensvoll statt. Dabei wollen wir es auch belassen.
ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Können Sie uns nicht zumindest die Punkte nennen, die falsch sind, und sagen, ob die Ausnahmegenehmigungen für den Energiesektor, die ich gerade erwähnt habe, darunterfällt?
STS HEBESTREIT: Lieber Herr Rinke, schon als Kind war ich kein Fan von Topfschlagen, und das wird sich auch im hohen Alter nicht ändern. Insofern: Ich verstehe Ihr Interesse und bitte um Verständnis, dass wir in diese Variante nicht einsteigen.
BURGER: Ich will vielleicht noch kurz unterstreichen, was Herr Hebestreit gerade schon gesagt hat, nämlich dass wir wirklich ein sehr weitgehendes Einvernehmen zwischen den Partnern sowohl innerhalb der Europäischen Union als auch mit den Vereinigten Staaten und anderen entscheidenden Partnern in dieser Frage haben. Wir haben hier eine klare gemeinsame Strategie, die einerseits die Bereitschaft zu einem ernsthaften Dialog mit Russland über europäische Sicherheit auf Basis des Völkerrechts, auf Basis der Helsinki-Prinzipien umfasst und zum anderen die klare Bereitschaft, dass, wenn Russland die Souveränität der Ukraine erneut verletzen würde, dies einen hohen wirtschaftlichen, politischen, strategischen Preis hätte. Da sind wir uns alle völlig einig und das ist die klare gemeinsame Haltung unter den Partnern.
FRAGE JOLKVER: Herr Hebestreit, der französische Präsident hat gestern angedeutet, dass das nächste Gipfeltreffen im Normandie-Format in Deutschland stattfinden soll. Ist so ein Treffen schon geplant oder arbeitet die Bundesregierung daran, so ein Treffen zu organisieren?
STS HEBESTREIT: Wie Sie wissen, findet heute ein Treffen auf der Ebene der außenpolitischen Berater in Paris, im Élysée-Palast, im Normandie-Format statt. Die Entwicklung dort muss man abwarten. Sollte es weitere Treffen geben oder sogar ein Treffen auf Ebene der Staats- und Regierungschefs, dann würde wir Ihnen das hier selbstverständlich rechtzeitig ankündigen. Im Augenblick kann ich von solchen Planungen nicht berichten.
ZUSATZFRAGE JOLKVER: An das Auswärtige Amt: Herr Burger, haben Sie schon etwas zu dem heutigen Treffen in Paris zu sagen? Wenn es noch andauert: Können Sie vielleicht sagen, welche Erwartungen Sie von dem Treffen haben?
BURGER: Ich glaube, wenn jemand zu diesem Treffen etwas zu sagen hätte, dann wäre es der Regierungssprecher, weil es ja ein Treffen der Berater der Staats- und Regierungschefs ist.
Ich glaube, die Erwartungen, die wir mit dem Normandie-Prozess insgesamt verknüpfen, hat die Außenministerin in den letzten Tagen sehr deutlich gemacht, beispielsweise auch während ihres Besuchs in Moskau. Das ist das Format, in dem Russland und die Ukraine an einem Tisch sitzen und in dem Frankreich und Deutschland als Vertreter Europas mit am Tisch sitzen und vermitteln, und es ist das Format, in dem es darum geht, konkrete Schritte zur Umsetzung der Minsker Vereinbarungen zu identifizieren, um den Konflikt in der Ostukraine zu deeskalieren.
VORS. BUSCHOW: Frau Timofeeva fragt: Sieht die Bundesregierung Energieexporte aus Russland als Bedrohung an, und beteiligt sich die Bundesregierung an der Entwicklung von Maßnahmen zur Verweigerung russischer Energielieferungen auf EU-Ebene?
STS HEBESTREIT: Von solchen Überlegungen ist mir nichts bekannt.
FRAGE KÜSTNER: Zum Stichwort der Einigkeit habe ich an Herrn Hebestreit noch einmal eine Frage. Der polnische Vizeaußenminister hat ja Zweifel an der Verlässlichkeit Deutschlands in der Ukrainefrage geäußert. Er ist nicht der einzige in Osteuropa und hat auch noch einmal konkret ein klares Nein zu Nord Stream 2 eingefordert. Ist die Bundesregierung verlässlich?
STS HEBESTREIT: Den letzten Satz habe ich nicht verstanden.
ZUSATZFRAGE KÜSTNER: Ist die Bundesregierung verlässlich? Das war der Versuch einer Frage.
STS HEBESTREIT: Die Bundesregierung ist ausgesprochen verlässlich und hat unter anderem vorgestern Abend in einer Videoschalte mit dem amerikanischen Präsidenten, dem polnischen Präsidenten, dem französischen Präsidenten, dem Premierminister des Vereinigten Königreichs, dem Premierminister Italiens und auch Vertretern der EU-Kommission, des Europäischen Rates und der NATO ausgiebig über die Lage in der Ukraine diskutiert, und man war sich sehr, sehr einig. Ich glaube, das ist auch das, was Sie von allen daran Beteiligten erfahren. Insofern sehen wir uns an der Seite unserer Verbündeten.
ZUSATZFRAGE KÜSTNER: Noch einmal zu Nord Stream 2: Wäre dieses Nein nicht doch ein deutlicheres Signal an Russland, als sozusagen nur „Das liegt im Falle von Sanktionen auf dem Tisch“ zu sagen?
STS HEBESTREIT: Ich glaube, der Schritt, den der Bundeskanzler vergangene Woche noch einmal sehr deutlich gemacht hat, ist der Verweis auf das, was seit vielen Monaten Grundlage unseres Handelns ist. Das ist das deutsch-amerikanische Abkommen zu dieser Frage vom vergangenen Juli, das auch für den Fall, den wir im Augenblick alle zu verhindern hoffen, sehr klare Regeln enthält. Darauf hat er noch einmal hingewiesen, was dann in dem Satz gegipfelt hat, den Sie eben zitiert haben: Alle Optionen liegen auf dem Tisch. Dann ist das so.
FRAGE MASTROBUONI: Ich hätte eine Frage zu den Stimmen aus Osteuropa, die sich mehren und die von einem unzuverlässigen Partner Deutschland sprechen. Da gibt es ja auch andere Punkte, die sehr strittig sind, zum einen die Waffenlieferungen vonseiten anderer Länder, die Sie auch verhindern, zum Beispiel Estlands, und es gibt den Punkt von SWIFT bzw. der internationalen Zahlungsmethoden. Sagen Sie immer noch sehr hart, das dürfe nicht passieren, weil das die deutsche und die europäische Wirtschaft schädigt? Wie antworten Sie darauf? Die Stimmen mehren sich ja. Das sind ja nicht nur die Polen. Aus Lettland kommen kritische Stimmen, und die Ukraine ist natürlich momentan sehr wütend auf Deutschland. Wie können Sie diese Stimmen beruhigen?
STS HEBESTREIT: Ich stand unter dem Eindruck, dass genau das, was ich eben gesagt habe, ein Signal der Beruhigung auch an solche Stimmen sein mag.
Ich wollte noch etwas sagen, weil Sie eben in Ihrer Frage eine Unterstellung in Bezug auf SWIFT nannten: Meines Wissens gab es da eine Äußerung aus dem politischen Raum, vom Vorsitzenden einer Oppositionspartei, der sich dazu geäußert hat. Mir sind aus der Bundesregierung keine Äußerungen dazu bekannt, dass man es ablehne, SWIFT auf den Sanktionslisten zu haben. Aber auch da, bevor Herr Rinke eine Eilmeldung absetzen muss, gilt das, was ich zum Topfschlagen gesagt habe. Ich wollte nur die Unterstellung, die Ihre Frage beinhaltete, zurückweisen. Das heißt nicht, dass das Gegenteil auch richtig ist.
ZUSATZFRAGE MASTROBUONI: Ich habe mich auf diesen Satz von Außenministerin Baerbock bezogen. Sie hat, glaube ich, in Brüssel „Der härteste Knüppel ist nicht das beste Schwert“ oder so etwas gesagt. Kann das sein? War das auf SWIFT bezogen?
STS HEBESTREIT: Ich glaube, wir haben an dieser Stelle verschiedentlich sehr deutlich gemacht, worum es bei diesen Sanktionen geht. Ich verweise auch gerne auf das Interview des Bundeskanzlers in der „Süddeutschen Zeitung“, der sich dazu geäußert hat, dass man bei allen Sanktionen, die man beschließt, auch genau schauen muss „it always comes with a price“, und das ist so auch richtig und in Ordnung , dass dieser Preis auch von allen getragen werden kann. Aber viel präziser als so hat sich meines Wissens niemand dazu eingelassen. Das ist auch gut so, weil sonst ja nicht das gilt, was ich anfangs Herrn Rinke auf die Frage mit dem Topfschlagen geantwortet hatte.
BURGER: Genau so ist es. Den Wortlaut der Äußerungen der Außenministerin können Sie ja nachlesen. Im Übrigen gilt auch in dieser Frage: Hinsichtlich der Tatsache, dass natürlich bei all diesen Maßnahmen auch berücksichtigt wird, welche Rückwirkungen das hat, sind wir uns im Kreis der westlichen Partner absolut einig.
FRAGE GRIMM: Herr Collatz, ich wollte Sie einmal fragen, was eine Bundeswehr, die vor Kurzem überstürzt aus Afghanistan abgezogen ist, einer Armee beibringen soll, die seit einigen Jahren im Krieg steht.
COLLATZ: Das ist eine sehr offene Frage, die ich mit der Bitte, sie zu konkretisieren, an Sie zurückspielen würde.
ZUSATZFRAGE GRIMM: In welchen militärischen Bereichen könnte die Bundeswehr ukrainischen Offizieren Wissen vermitteln, das sie bisher nicht haben?
COLLATZ: Wir sind ja schon seit Langem mit unseren Partnern in der Ukraine dabei, voneinander zu lernen. Die ukrainische Seite trägt oft an uns heran, dass sie sehr daran interessiert ist, zum Beispiel bei der Verwundetenversorgung und der sanitätsdienstlichen Versorgung unsere Kenntnisse und auch unsere Beratung zu bekommen. Das ist ein Beispiel dafür, wo wir auf jeden Fall in einem engen Austausch miteinander sind.
Ich würde die Gelegenheit nutzen, kurz noch eine Nachlieferung zu bringen. Herr Küstner, am 19. Januar ist die Anfrage über die ukrainische Botschaft bei uns eingegangen, also erst in den letzten Tagen.
Herr Jung, die Kostenfrage befindet sich tatsächlich derzeit in der Klärung, muss aber ressortübergreifend einstimmig behandelt werden. Ich gehe davon aus, dass wir mit unseren Partnern in der Ukraine, was diese Preisverhandlungen angeht, sehr wohlwollend umgehen können.
FRAGE DR. RINKE: Ich frage jetzt nicht nach weiteren Töpfchen, aber ich hätte ganz gerne Herrn Hebestreit und Herrn Burger gefragt, ob denn klar ist, was bei dem Normandie-Format der nächste Schritt sein kann. Es gab ja oft die Sequenzierung, dass sich zuerst die Politischen Direktoren oder die außenpolitischen Berater treffen, dann die Außenminister und dann die Staats- und Regierungschefs. Macron hat gestern offengelassen, was das nächste Treffen für eines sein könnte. Gibt es irgendwelche Vorgespräche darüber, ob das dann zuerst ein Außenministertreffen oder gleich ein Treffen der Staats- und Regierungschefs sein wird?
STS HEBESTREIT: Da gibt es keine weiteren Festlegungen. Genau deswegen hat sich der französische Präsident ja gestern auch so geäußert, wie er sich geäußert hat. Ich glaube, wir müssen jetzt erst einmal selbst abwarten, was diese Gespräche bringen und was Herr Plötner aus Paris mitbringen wird. Alles Weitere müssen wir dann bewerten und würden Ihnen das dann natürlich auch in dem für Sie gewohnten, üblichen und geschätzten Maße rechtzeitig und umfänglich mitteilen.
BURGER: Ich würde vielleicht ganz kurz, weil mir zugerufen wurde, dass ich das nicht unterschlagen sollte, der Vollständigkeit halber noch mitteilen, dass auch bei dieser Runde der Gespräche, die auf Ebene der Berater der Staats- und Regierungschefs stattfinden, ein Vertreter des Auswärtigen Amts beteiligt ist, wie es bei all diesen Gesprächsformaten immer üblich war, dass sich Kanzleramt und Auswärtiges Amt eng unterstützen und miteinander austauschen.
ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Was heißt das? Heißt das, dass aus Berlin zwei Diplomaten angereist sind, die beide teilnehmen, oder dass sie sich gegenseitig informieren?
BURGER: Mindestens zwei.
ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Ich meine jetzt „auf Chefberaterebene“. Ist das also der Politische Direktor aus dem Auswärtigen Amt und der
BURGER: Nein, es ist der außen- und sicherheitspolitische Berater des Bundeskanzlers, Herr Plötner, und es sind auch Mitarbeiter mindestens einer des Auswärtigen Amts Teil dieser Delegation.
FRAGE JESSEN: Herr Hebestreit, gegebenenfalls Frau Baron, wenn sich jetzt in der Energieversorgung herausstellt, dass die Kräfte des Marktes vielleicht doch nicht alles regeln, ist es für die Bundesregierung besorgniserregend, dass der größte deutsche und größte europäische Gasspeicher im Emsland von Gazprom betrieben wird? War es ein Fehler, diese Kaverne damals Gazprom zu überlassen?
DR. BARON: Ich kann dazu gerne Stellung nehmen. Die Versorgungssicherheit in Deutschland ist aktuell weiter gewährleistet. Natürlich ist es richtig, dass wir die Lage sehr genau beobachten müssen. Die Speicherstände befinden sich aktuell bei rund 40 Prozent bis 41 Prozent. Das ist natürlich deutlich niedriger als in den Vorjahren. Deshalb hat sich Minister Habeck auch schon geäußert und gesagt, dass wir die Situation in diesem Winter eben zum Anlass nehmen müssen, unsere Vorsorgeinstrumente für den nächsten Winter zu verbessern. Die Arbeiten daran haben wir auch aufgenommen, um eben zu sagen: Wir müssen Lehren aus diesem Winter ziehen und uns die Vorsorgeinstrumente noch einmal genau anschauen. Die Arbeiten haben wir hier im Haus aufgenommen, um eben bessere Vorsorge für den nächsten Winter zu haben.
STS HEBESTREIT: Aber vielleicht darf ich das an einer Stelle ergänzen, weil in Ihrer Frage auch wieder so eine nicht ganz ungefährliche Unterstellung mitschwingt und weil sie insinuieren, es sei quasi ein strategisches Moment, das da zum Tragen käme: Wir haben keinerlei Erkenntnisse, dass die russische Seite ihren Lieferverträgen nicht nachkommt. Darauf gibt es bei uns keinerlei Hinweise.
ZUSATZFRAGE JESSEN: Das wollte ich auch nicht unterstellen. Die Frage ist aber, da Russland via Gazprom jetzt ja sozusagen auf beiden Seiten am Hebel sitzt, ob das eine für die Bundesregierung politisch besorgniserregende operative Situation ist, die man nutzen könnte.
DR. BARON: Ich glaube, ich habe die Frage beantwortet. Wir schauen uns die aktuelle Lage sehr genau an. Der Markt ist so, wie er jetzt strukturiert ist, ein liberalisierter Gasmarkt. Für diesen Weg und diese Entscheidung hat man sich entschieden. Das ist der Status quo. Aktuell ist die Versorgungssicherheit weiter gewährleistet, da ja auch nicht nur aus Speichern versorgt wird, sondern im Rahmen von Langzeitlieferverträgen und von LNG-Lieferungen, die ja, wie wir gesehen haben, in den letzten Wochen auch sehr stark in Europa angelandet sind. Aber gleichzeitig gilt auch für den nächsten Winter, die Vorsorgeinstrumente eben zu verbessern.
VORS. BUSCHOW: Herr Reitschuster bezieht sich darauf, dass die Verteidigungsministerin gesagt hat, Waffenlieferungen an die Ukraine seien aktuell nicht hilfreich. Nun ist es so, schreibt er, dass die Ukraine sehr viel weniger Waffen als Russland hat. Seine These sei deshalb, dass es für die stärker bewaffnete Konfliktpartei, also Russland, sehr wohl hilfreich sei, wenn man der Ukraine keine Waffen liefere, und fragt: Können Sie diesen Widerspruch auflösen?
COLLATZ: An der Haltung der gesamten Regierung zu Waffenlieferungen an die Ukraine hat sich nichts geändert.
FRAGE JUNG: Herr Hebestreit, ich habe eine kurze Verständnisfrage, weil Sie die Verlässlichkeit gegenüber den Verbündeten angesprochen haben und es gleichzeitig eine ökonomische Interdependenz zwischen Russland und Deutschland gibt. Ist Russland denn für die Bundesregierung ein Verbündeter?
STS HEBESTREIT: Russland ist kein Verbündeter.
ZUSATZFRAGE JUNG: Trotz der gegenseitigen ökonomischen Abhängigkeit?
STS HEBESTREIT: Ich glaube, das, was wir unter Verbündeten verstehen, sind diejenigen, die unsere politischen Werte teilen das ist das Verständnis von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten , die wir insbesondere in Bündnissen wie dem nordatlantischen Verteidigungsbündnis, aber auch in der Europäischen Union und in anderen Institutionen leben. Das heißt nicht, dass Russland nicht trotzdem auch ein wichtiger Handelspartner ist, dass wir nicht einen engen Austausch mit Russland suchen und dass wir nicht nicht nur wirtschaftlich, sondern auf vielen verschiedenen anderen Ebenen miteinander in Kontakt stehen. Aber ich glaube, Ihre Interpretation von Verbündeten würde das nicht treffen.
VORS. BUSCHOW: Das Stichwort bei der nächsten Frage lautet Namibia. Es ist eine Frage, die online von Jürgen König vom Deutschlandfunk gestellt wurde. Er fragt nach dem Versöhnungsabkommen mit Namibia. Herero und Nama forderten Neuverhandlungen, da sie seinerzeit nicht beteiligt gewesen seien, schreibt er. Sie beziehen sich dabei auf gute Kontakte zu den Grünen in der Vergangenheit. Ein Gespräch mit Außenministerin Baerbock sei schon im Dezember erbeten worden. Wie steht die Bundesregierung zu solchen Neuverhandlungen?
BURGER: Im Koalitionsvertrag steht dazu sehr deutlich:
„Die Aussöhnung mit Namibia bleibt für uns eine unverzichtbare Aufgabe, die aus unserer historischen und moralischen Verantwortung erwächst. Das Versöhnungsabkommen mit Namibia kann der Auftakt zu einem gemeinsamen Prozess der Aufarbeitung sein.“
Dieser Vorschlag, der ja gemeinsam mit Namibia entwickelt und ausgehandelt wurde, ist Ihnen bekannt. Sie wissen, dass Deutschland darin die Verbrechen, die zwischen 1904 und 1908 in Namibia begangen wurden, als das bezeichnet, was sie aus heutiger Sicht waren, nämlich Völkermord. Klar ist, dass Deutschland keinesfalls hinter das zurückfallen wird, was die vergangene Bundesregierung bereits angeboten hat.
Wichtig ist mir dabei zu betonen: Die Ergebnisse der Verhandlungen mit Namibia sind in dem Geiste erzielt worden, dass das nicht der Abschluss einer Verständigung mit Namibia sein soll, sondern die Grundlage für den Beginn intensiver Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Namibia. In Namibia gibt es weiterhin eine intensive politische Debatte zu diesem Thema. Das nehmen wir mit großem Respekt zur Kenntnis. Teil dieser Debatte ist sicherlich auch die Äußerung von einigen Vertretern von Herero und Nama, die sich dazu heute zu Wort gemeldet haben. Klar ist aber auch: Verhandlungspartner der Bundesregierung ist und bleibt die namibische Regierung. Sie ist nach der namibischen Verfassung für außenpolitische Verhandlungen zuständig. Sie ist demokratisch legitimiert und bietet Vertretern der Nama und Herero Beteiligungsmöglichkeiten. Auch wir als Bundesregierung haben von Anfang an darauf geachtet, dass Vertreter der Nama und Herero an allen Phasen des Dialogs beteiligt waren. Auf namibische Seite gab es dafür ein sogenanntes technisches Komitee, das die Verhandlungsführer beraten hat. Fünf Vertreter der Nachfahren der Opfer wurden in die Delegation aufgenommen und haben an sämtlichen Verhandlungsrunden teilgenommen. Zudem stand dem namibischen Delegationsführer auch ein Zusammenschluss von 24 traditionellen Autoritäten und Königshäusern beratend zur Seite.
Insofern, ja, hat die Bundesregierung ein Interesse daran, dass die Stimme der Nama und Herero, die Stimmen der Nachfahren der Opfer, in diesen Verhandlungsprozess einfließen. Das war bisher auch der Fall. Verhandlungspartner auf Augenhöhe kann aber nur die namibische Regierung sein.
FRAGE KÜSTNER: Es gibt ja ein ausgehandeltes Abkommen. Würden Sie denn ausschließen, dass das noch einmal neu verhandelt oder nachverhandelt wird?
BURGER: Wie gesagt: Im Koalitionsvertrag ist festgehalten, dass dieses Abkommen der Auftakt zu einem gemeinsamen Prozess der Aufarbeitung sein kann. Zu entscheiden, wie es mit diesem Abkommen weitergeht, ist nun zunächst an der namibischen Seite. Wir nehmen mit Respekt zur Kenntnis, dass es in Namibia zurzeit über diese Frage eine Debatte gibt.
FRAGE JUNG: Steht die Außenministerin hinter diesem sogenannten Versöhnungsabkommen, oder möchte sie das vielleicht auch aufschnüren? Es gibt ja massenweise Kritik, auch in den letzten Jahren. Wir haben das hier in der BPK auch dokumentiert.
BURGER: Ich habe die Haltung der Bundesregierung dazu gerade sehr ausführlich vorgetragen, und das ist natürlich die Haltung, die die Außenministerin vertritt.
ZUSATZ JUNG: Das heißt, nur noch die namibische Seite kann jetzt entscheiden, dass das aufgeschnürt wird, weil die deutsche Seite, die Bundesregierung, nicht mehr darüber debattieren möchte. Sie haben den Schuh ja auf die andere Seite geworfen.
BURGER: Wie gesagt: Es liegt ein Angebot von deutscher Seite auf dem Tisch, und die namibische Seite muss jetzt entscheiden, wie sie mit diesem Angebot weiter umgehen möchte. Darüber findet in Namibia zurzeit eine Diskussion statt, und das Ergebnis diese Diskussion müssen wir abwarten.
FRAGE KÜSTNER: In Burkina Faso, einem Nachbarland von Mali, hat es einen Staatsstreich gegeben. Was bedeutet das für die Instabilität in der Region?
Eine Anschlussfrage gleich hinterher: Die EU erwägt ja Sanktionen. Wäre das ein Weg, den die Bundesregierung gerne gehen würde, also mit Strafmaßnahmen zu reagieren?
BURGER: Vielen Dank. – Wir haben uns dazu gestern auch schon kurz schriftlich geäußert. Ich darf noch einmal kurz darauf rekurrieren. Der gewaltsame Umsturz durch Teile der Streitkräfte bedeutet einen schweren Schlag gegen die burkinische Verfassung und die Demokratie, die Burkinerinnen und Burkiner im Jahre 2015 errungen haben. Das Militär muss in die Kasernen und zur verfassungsmäßigen Ordnung zurückkehren und weitere Eskalationen vermeiden. Dazu gehört, dass der demokratisch gewählte Präsident Roch Marc Christian Kaboré und alle in diesem Zusammenhang festgehaltenen Personen umgehend freigelassen werden. Deutschland steht seit mehr als 60 Jahren an der Seite der Menschen in Burkina Faso, und wir werden unsere weitere Zusammenarbeit mit dem Land in dieser Situation bewerten und anpassen, immer im Sinne der Menschen des Landes.
Ich kann vielleicht darüber hinaus noch auf Ihre Frage anführen: Wir beraten jetzt mit unseren internationalen Partnern, vor allem auch im EU-Kreis, über nächste Schritte. Die Regionalorganisation ECOWAS hat den Putsch verurteilt und einen Sondergipfel zu Burkina Faso angekündigt. Aus unserer Sicht kommt ECOWAS gerade in dieser Situation eine Führungsrolle zu, die wir unterstützen. Deswegen stehen wir dazu auch mit ECOWAS in einem engen Austausch.
ZUSATZFRAGE KÜSTNER: In Mali ist, wie wir wissen, ja auch eine Putschisten-Regierung an der Macht. Wenn jetzt ein weiteres Land sozusagen in die Hände der Militärs fällt, was bedeutet das möglicherweise auch für die Bundeswehrtruppen vor Ort und die gesamte Region?
BURGER: Wir haben zu dem Bundeswehreinsatz in Mali hier in den letzten Tagen schon öfter Stellung genommen und darauf hingewiesen, dass auch im Koalitionsvertrag vereinbart ist, dass wir alle laufenden Auslandseinsätze regelmäßig evaluieren. Das gilt natürlich auch mit Blick auf die Frage, ob die politische Verfasstheit in den Staaten, mit denen wir uns engagieren, noch die Grundlage für diese Einsätze bietet, und die Frage, wie wir die Ziele, die wir mit diesen Einsätzen verbinden, erreichen können.
Wir engagieren uns dort vor Ort ja nicht zum Selbstzweck, sondern wir stehen vor der Situation, dass in der gesamten Sahelregion Terrorismus und Unsicherheit die Bevölkerung bedrohen. Das ist eine Situation, die auch unsere Sicherheitsinteressen in Europa betrifft. Deshalb sind wir dort engagiert. Aber, wie gesagt, unser Engagement dort müssen wir immer wieder auch im Licht der politischen Entwicklungen vor Ort überprüfen. Und das werden wir tun.
COLLATZ: Zum Lagebild kann ich nichts ergänzen. Es ist ein geteiltes Lagebild, das wir diesbezüglich mit dem Auswärtigen Amt haben.
Was das Bundeswehrengagement angeht, das Sie angesprochen haben, kann ich Ihnen das Detail liefern, dass wir geplant hatten und das Mandat hat das ja auch so vorgesehen , eventuell Ausbildungsvorhaben aus Mali nach Burkina Faso zu verlegen. Das ist auf Eis gelegt. Das hat nicht stattgefunden und wird bis auf Weiteres nicht stattfinden.
Wir haben auch bilaterale Vereinbarungen. Eine Beratergruppe wurde dort auf Anfrage der legitimen Regierung angefragt. Dabei geht es um Ausbildung bei der Beseitigung von Sprengfallen, also Counter-EID-Ausbildung, sowie sanitätsdienstliche Ausbildung. Auch diese Beratergruppe ist im Moment nicht aktiv. Sie befindet sich noch im Land, aber ist zurzeit erst einmal in der Lagebeobachtung und wartet auf Anweisung.
BURGER: Vielleicht kann ich dazu noch ergänzen und kann ganz allgemein sagen, dass alle bilateralen Unterstützungsleistungen, die direkt an staatliche burkinische Stellen gehen, derzeit eingehend überprüft und entsprechend angepasst werden.
VORS. BUSCHOW: Es gibt online eine Frage an das Bundeswirtschaftsministerium. Birgit Jennen von Bloomberg fragt: Ist bis Montag mit einer Entscheidung zu Siltronic zu rechnen? Bereitet das Bundeswirtschaftsministerium eine Negativentscheidung vor?
DR. BARON: Hier kann ich nur auf das schon Gesagte verweisen. Es gibt ein laufendes Investitionsprüfverfahren. Dieses Verfahren läuft und dauert an.
FRAGE DR. RINKE: Wenn Sie sagen, dass die Prüfung andauert, nur eine Verständnisfrage: Schließt diese Prüfung auf jeden Fall mit einem Urteil ab? Es gab ja vorher schon einmal Spekulationen, dass die Bundesregierung sich möglicherweise gar nicht entscheidet, und dann wäre diese Fusion auch dadurch hinfällig. Wird es auf jeden Fall ein positives oder ein negatives Votum geben?
DR. BARON: Die Prüfungen laufen und das Verfahren dauert an. Deshalb kann ich in keine Richtung vorgreifen, wie das Verfahren am Ende beendet sein wird.
ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Aber es könnte auch damit beendet sein, dass gar nicht entschieden wird?
DR. BARON: Ich kann das nicht kommentieren. Das Verfahren läuft. Ich kann jetzt auch keine Zwischenstände vorwegnehmen oder darüber spekulieren. Da bitte ich um Verständnis.
FRAGE JOLKVER: Meine Frage geht an das Innen- oder Justizministerium zum Thema Georgien und um den Fall Kalandadze. Der ehemalige Generalstabschef wurde im Dezember in Berlin verhaftet und später auf Kaution freigelassen. Ist Ihnen bekannt, wo er sich im Moment aufhält? Wie geht es in seiner Sache weiter? Ich meine das Verfahren hinsichtlich seiner Auslieferung nach Georgien.
DR. WEDE: Ich bitte um Verständnis, dass wir uns zu Einzelfällen hier grundsätzlich nicht äußern können. Deswegen kann ich dazu auch nichts sagen. Gegebenenfalls kann das Bundesjustizministerium dazu etwas sagen.
BÖNNIGHAUSEN: Für uns gilt das Gleiche, dass wir uns, wie üblich, zu Einzelfällen in Rechtshilfeverfahren nicht äußern.
ZUSATZFRAGE JOLKVER: Ist zumindest bekannt, wo er sich im Moment aufhält?
BÖNNIGHAUSEN: Das fällt auch unter das, was ich gerade gesagt habe.
ZUSATZFRAGE JOLKVER: Dann hätte ich doch eine Frage an das Auswärtige Amt. Hat das Auswärtige Amt diesen Fall auf dem Schirm?
Hält das Auswärtige Amt Georgien für einen Rechtsstaat?
BURGER: Der Fall ist uns bekannt.
Zu der zweiten Frage kann ich Ihnen sagen, dass natürlich im Zuge von Rechtshilfeverfahren die zuständigen Gerichte, aber natürlich auch die Bundesregierung eingehend bewerten, ob in einem konkreten Fall die Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze zu erwarten ist oder ob es diesbezüglich anderweitige Befürchtungen gibt. Diese Prüfung wird, wie gesagt, im Einzelfall vorgenommen. Deswegen kann ich auch hier zu diesem Einzelfall nichts weiter sagen.
ZUSATZFRAGE JOLKVER: Wie bewerten Sie die Tatsache, dass die georgische Regierung einen ehemaligen Generalstabschef verfolgt, der jetzt Bürger der Ukraine ist und eine wesentliche Rolle beim Aufbau der ukrainischen Streitkräfte gespielt hat?
BURGER: Ich werde diesen Fall nicht im Einzelnen bewerten. Das ist jetzt Aufgabe der Justizbehörden.
Die Frage, ob jemand ein hohes öffentliches Amt ausgeübt hat, sagt ja per se noch nichts darüber aus, ob sich jemand einer Straftat schuldig gemacht hat.
FRAGE MASTROBUONI: Heute sind wir in Italien im dritten Wahlgang in Italien. Es ist alles ziemlich chaotisch. Das einzig Sichere ist, dass Berlusconi ein spektakuläres Comeback nicht gelungen ist. Wir sind momentan in einem völligen Chaos. Heute sagen viele Stimmen, dass Mario Draghi nicht nur als Präsident der Republik nicht gewählt werden könnte, sondern auch seinen Posten als Regierungschef verlieren könnte. Wie sehen Sie momentan die Perspektive, dass Italien ab nächste oder übernächste Woche Mario Draghi in beiden Rollen nicht mehr sieht? Wie blicken Sie auf diese Präsidentschaftswahlen?
STS HEBESTREIT: Vielen Dank, Frau Mastrobuoni. Sie haben sicherlich Verständnis, dass wir uns dazu gar nicht äußern werden. Das sind inneritalienische Vorgänge. Das tun wir nicht, genauso wenig wie wir es im umgekehrten Fall tun würden, wenn sich ausländische Staaten über unsere inneren Angelegenheiten äußern würden. Grundsätzlich ist es so, dass der Bundeskanzler sehr gut mit Mario Draghi zusammengearbeitet hat und auch zusammenarbeitet.
Ansonsten liegt es an den Italienern und Italienerinnen bzw. an den dort vereinbarten Institutionen und Verfahren, daran festzuhalten und eine gute Lösung zu finden.
FRAGE DR. RINKE: Ich habe eine Frage das Bundesinnenministerium. Können Sie einen Medienbericht bestätigen, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz vor einer neuen Welle von Hackerangriffen aus China auf deutsche Unternehmen warnt? Es gibt anscheinend ein entsprechendes Schreiben. Einige von diesen Hackerangriffen sollen auch sehr erfolgreich sein. Können Sie uns irgendetwas dazu sagen?
DR. WEDE: Es ist so, dass der Bundesverfassungsschutz die ausländischen Aktivitäten von staatlichen Hackern generell im Blick hat und, wenn es Anlass dazu gibt, auch darüber informiert. Zu diesem Schreiben kann ich mich jetzt hier aber nicht äußern.