Themen: Termine des Bundeskanzlers (Empfang des Staatspräsidenten der Republik Bulgarien, Empfang des Regierungschefs des Fürstentums Liechtenstein, Kabinettssitzung, Teilnahme am Nordsee-Gipfel, Regierungserklärung zum außerordentlichen Europäischen Rat, Reise in die Niederlande, Teilnahme am Youth7-Gipfel, Empfang des Emirs von Katar, Reise nach Senegal, Niger und Südafrika), Reise der Bundesforschungsministerin nach Australien, Kontrolle von drei EU-Diplomaten durch die Bundespolizei, Atomgespräche mit dem Iran, Angriff Russlands auf die Ukraine, Grenzkontrollen, Siedlungsbau in der Westbank, Sanktionsmoratorium hinsichtlich Pflichtverletzungen durch Arbeitsuchende in der Grundsicherung, Lagebericht zu Rechtsextremisten in den Sicherheitsbehörden, Verbot von Demonstrationen anlässlich des Nakba-Tags in Berlin, Maskenpflicht im ÖPNV, 9-Euro-Ticket
Naive Fragen zu/Themen:
00:00 Beginn
00:19 Termine des Kanzlers
05:10 Australien-Reise Bildungsministerin
06:18 Tilo zu Besuch des Emirs von Katar
07:34 Mora/Iran-Verhandlungen
09:50 Hans zu Iran
12:52 Hilfen für die Ukraine
14:05 Scholz-Telefonat mit Putin
15:28 Waffenlieferungen
17:48 Beauftragter für Waffenlieferungen
18:49 Grenzkontrollen
19:54 Tilo zu Siedlungsbau in der Westbank
21:33 Hartz4-Sanktionen
22:12 Hans zu Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden
27:59 Nakba-Demos
28:54 Tilo zu Nakba-Demos
30:03 Maskenpflicht in Bus & Bahn
33:57 Hans zu Maskenpflicht
36:48 Tilo zu 9-Euro-Ticket
41:38 Hans zu 9-Euro-Ticket
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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 13. Mai 2022:
VORS. SZENT-IVÁNYI eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt STS HEBESTREIT sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.
STS HEBESTREIT (zu den Terminen des Bundeskanzlers): Ein herzliches Willkommen auch von mir! Ich beginne mit Montag, den 16. Mai. Der Bundeskanzler wird um 14.45 Uhr den Staatspräsidenten der Republik Bulgarien, Rumen Radev, zu einem Gespräch im Bundeskanzleramt empfangen. Der Staatspräsident hält sich auf Einladung des Bundespräsidenten in Berlin auf. Im Mittelpunkt des Gesprächs werden voraussichtlich die gemeinsame Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, die EU-Perspektive der Westbalkanstaaten sowie bilaterale, europapolitische und wirtschaftliche Fragen stehen.
Eine gemeinsame Pressekonferenz ist nicht vorgesehen.
Dafür allerdings ist am Dienstag, den 17. Mai, eine gemeinsame Pressekonferenz um 14 Uhr vorgesehen, nachdem der Bundeskanzler um 12.30 Uhr den Regierungschef des Fürstentums Liechtenstein, Daniel Risch, mit militärischen Ehren im Bundeskanzleramt empfangen haben wird.
Dann bin ich bei Mittwoch, den 18. Mai. Am Mittwoch findet wie üblich unter der Leitung des Bundeskanzlers die Sitzung des Bundeskabinetts statt.
Dann wird der Bundeskanzler auf Einladung der Ministerpräsidentin des Königreichs Dänemark, Mette Frederiksen, am Nordsee-Gipfel in Esbjerg teilnehmen. Ebenfalls zugesagt haben der belgische Premierminister Alexander De Croo, Premierminister Mark Rutte aus den Niederlanden sowie die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, seine jeweiligen Amtskolleginnen und kollegen sowie die EU-Kommissarin für Energie, Frau Kadri Simson, werden teilnehmen.
Bei dem Treffen geht es darum, den Ausbau von Windenergie auf See in der Nordsee zu stärken, und zwar insbesondere mit Blick auf gesamteuropäische Ziele. Das Engagement der Regierungschefs sowie der EU-Kommission ist ein wichtiges Signal in Hinblick auf die Verwirklichung des „Green Deal“. Wir wollen die gemeinsamen Ambitionen im Bereich der Offshorewindkraft unterstreichen und dafür verstärkt zusammenarbeiten. Wer den Werg nach Esbjerg findet, der wird auch mit einer Begegnung mit der Presse belohnt.
Am Donnerstag, den 19. Mai, wird der Bundeskanzler ab 9 Uhr eine Regierungserklärung im Deutschen Bundestag zum außerordentlichen Europäischen Rat abgeben, der am 30. und 31. Mai in Brüssel tagen wird.
Am Nachmittag wird der Bundeskanzler zu einem Antrittsbesuch in die Niederlande reisen und dort sowohl König Willem-Alexander als auch seinen Amtskollegen Mark Rutte treffen. Der genaue Ablauf des Besuchs befindet sich noch in der Abstimmung.
Am Freitag, den 20. Mai, also heute in einer Woche, wird der Bundeskanzler am Youth7-Gipfel ab 12 Uhr im eWerk in Berlin teilnehmen. Wie Sie wissen, misst die Bundesregierung dem Austausch mit zivilgesellschaftlichen Gruppen zur Begleitung der G7-Präsidentschaft eine besonders hohe Bedeutung bei. Youth7 bündelt als jugendpolitisches Format den Blick junger Menschen auf die G7-Arbeit. Im Rahmen seines Besuchs wird der Bundeskanzler die Empfehlungen der Youth7-Vertreterinnen und Vertreter für den G7-Gipfel in Elmau entgegennehmen und dazu mit den jungen Menschen auch in direkten Austausch treten. Die Teilnahme des Bundeskanzlers am Youth7-Gipfel ist ausdrücklich auch eine Würdigung des hohen persönlichen und größtenteils ehrenamtlichen Engagements der Delegierten.
Am frühen Nachmittag, ab 13.45 Uhr, wird der Bundeskanzler den Emir von Katar, Tamim bin Hamad Al-Thani, im Bundeskanzleramt empfangen. Eine gemeinsame Pressekonferenz ist im Anschluss für 15 Uhr vorgesehen.
Dann weise ich, den Blick schon in die nächste Woche gerichtet, noch auf eine bevorstehende Reise des Bundeskanzlers hin, die am Sonntag, den 22. Mai, beginnen, bis Mittwoch, den 25. Mai, dauern und nach Afrika führen wird, und zwar in die Länder Senegal, Niger und Südafrika. Die genaue Reiseplanung ist noch nicht abgeschlossen. Wir werden Sie rechtzeitig über die genaueren Stationen der Reise informieren.
Aber ich kann jetzt schon einmal alle einladen, nicht nach Afrika, aber zu einem Briefing hier in der Bundespressekonferenz. Kommenden Freitag, den 20. Mai, um 16 Uhr werden Staatssekretär Kukies sowie die Abteilungsleiter des Kanzleramtes Plötner und Meyer ein Briefing für diese Reise anbieten.
KLEINEMAS: Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger wird vom 23. Mai bis zum 29. Mai nach Australien reisen. Ziel der Reise ist es, die bereits bestehende Forschungspartnerschaft der Länder im Bereich grünen Wasserstoffs zu vertiefen und auszubauen. Perspektivisch soll grüner Wasserstoff in einer kompletten Lieferkette per Schiff aus Australien nach Deutschland importiert werden und die deutsche Energieversorgung unabhängiger und nachhaltiger machen. Auf ihrer Reise wird die Ministerin die Städte Perth, Sydney und Brisbane besuchen. Sie wird von einer Delegation aus Forschungs- und Wirtschaftsvertretern begleitet, die ebenfalls bestehende Kooperationen ausbauen wollen. Auf politischer Ebene wird die Ministerin Energie- und Wasserstoffminister auf Landesebene, also auf Ebene der dortigen Bundesstaaten, treffen.
Zu dieser Reise und zum Thema grünen Wasserstoffs an sich gibt es bei uns im BMBF am kommenden Montag eine Pressekonferenz, zu der Sie eingeladen sind. Die schriftliche Einladung geht in diesen Minuten hinaus. Danke schön.
FRAGE JUNG: Ich habe eine Frage zum Besuch des Emirs. Herr Hebestreit, wird dann auch die Fußball-WM Thema für den Kanzler sein? Das umfasst mehrere Themen, unter anderem das, dass sich Katar gegen die WM-Kritiker auch hier in Deutschland mit teils nachrichtendienstlichen Mitteln ich will nicht sagen: gewehrt hat , dass Katar sie eingesetzt hat, um gegen sie vorzugehen. Wird der Kanzler das ansprechen?
Es gibt jetzt aktuelle Berichte skandinavischer Medien, die berichten, dass in einigen offiziellen WM-Hotels in Katar schwule Pärchen explizit abgelehnt werden und dort nicht übernachten dürfen.
STS HEBESTREIT: Ich kann den Gesprächen, die kommenden Freitag stattfinden werden, natürlich nicht vorgreifen. Aber im Anschluss ist eine Pressebegegnung, und da können Sie genau diese Fragen, die Sie jetzt hier aufgeworfen haben, noch einmal stellen. Ich kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht voraussehen, was genau da Thema sein wird.
FRAGE ZAVAREH: Enrique Mora, stellvertretender EU-Außenbeauftragter, wurde auf dem Flughafen in Frankfurt am Main auf dem Weg nach Brüssel festgenommen, wohlgemerkt, aus Teheran kommend.
Wird diese Nachricht Ihrerseits bestätigt?
VORS. SZENT-IVÁNYI: Ich kann eine Frage von Laurenz Gehrke von „POLITICO“ hinzufügen: Können Sie erklären, weshalb der EU-Diplomat heute Morgen in Frankfurt nach eigenen Angaben für eine halbe Stunde polizeilich festgehalten wurde?
Vielleicht können Sie das zusammen beantworten.
KALL: Ich kann für das BMI nur sagen, dass die Bundespolizei dem nachgeht und dass sich die Bundespolizei zu dem, was heute Morgen am Frankfurter Flughafen passiert ist, auch sehr zeitnah äußern wird. Offenbar hat es eine Befragung, ein kurzzeitiges Festhalten gegeben. Aber über die Gründe kann sich nur die Bundespolizei selbst äußern. Sie wird das auch sehr bald tun.
ZUSATZFRAGE ZAVAREH: Inwiefern kann diese Festnahme mit der Reise, mit der Mission Herrn Moras in Teheran in Verbindung stehen?
KALL: Wie gesagt, wird sich die Bundespolizei dazu äußern. Das kann wirklich viele Gründe haben, die mit dem Flug, der Reiseroute zu tun haben und nicht unbedingt mit der Person. Aber die Bundespolizei wird das aufklären und steht dazu auch in Kontakt mit dem Auswärtigen Amt, um das wirklich schnellstmöglich auszuräumen. Wie gesagt, wird es jetzt sehr bald eine Äußerung der Bundespolizei dazu geben.
ZUSATZFRAGE ZAVAREH: (ohne Mikrofon, akustisch unverständlich) … dass Josep Borrell, der EU-Außenbeauftragte, gesagt hat, dass die Gespräche in Wien, die Verhandlungen mit dem Iran, bald aufgenommen werden. Unter diesem Aspekt wollte ich Ihre Meinung erfahren.
KALL: Ich gehe fest davon aus, dass das keinerlei sozusagen politische Zusammenhänge oder politische Implikationen hat, politische Gründe schon gar nicht und dass, wie gesagt, die Bundespolizei dem gerade sehr intensiv nachgeht und sich dazu äußern wird.
FRAGE JESSEN: Ich will das Thema Moras und des Irans aufgreifen, wenn ich darf. Frau Sasse, Herr Mora hat sich optimistisch über die Wiederaufnahme des Atommoratoriums mit dem Iran geäußert. Wie ist die deutsche Einschätzung der Situation, ähnlich positiv?
SASSE: Vielleicht noch einmal zur Einordnung: Herr Mora war natürlich für die EU zu einem Besuch in Iran und hat dort unter anderem Gespräche über das JCPOA, das Atomabkommen, geführt. Wir haben an dieser Stelle immer wieder deutlich gemacht, dass wir Fortschritte erwarten, was die Gespräche zum JCPOA angeht. Wir erwarten einen schnellstmöglichen Abschluss der Gespräche. Auch das haben wir deutlich gemacht. Insofern begrüßen wir natürlich auch, dass Herr Mora in Teheran diese Gespräche geführt hat.
Ich will auch noch einmal deutlich machen, dass unser Punkt immer noch der ist, dass wir der Ansicht sind, dass ein Vorschlag auf dem Tisch liegt, der sehr fair für alle Seiten ist. Wir erwarten natürlich, dass Iran Abstand von Forderungen nimmt, die über das JCPOA hinausgehen, und dass es, wie gesagt, zu einem baldigen Abschluss dieser Gespräche kommt.
ZUSATZFRAGE JESSEN: „Baldiger Abschluss“, in welchem Zeitrahmen ist das zu sehen? Die Aussage von Mora ist ja relativ deutlich positiv. Das ist dann schon doch immer eigentlich ein Signal, dass zumindest er denkt, man sei jetzt relativ weit fortgeschritten.
SASSE: Ich denke, Sie beziehen sich unter anderem auch auf die Aussagen von Herrn Borrell von heute Morgen,
ZUSATZ JESSEN: Ja!
SASSE: die über die Agenturen gelaufen sind, kurz bevor die Pressekonferenz begonnen hat. Diese Äußerungen hat Herr Borrell im Weißen Haus anlässlich des G7-Treffens getätigt. Ich kann sie an dieser Stelle natürlich nicht kommentieren. Unsere Position, was das JCPOA angeht, habe ich gerade genannt.
Was Ihre Frage nach einem konkreten Zeitplan angeht, muss ich Sie leider enttäuschen. Wir können hier an dieser Stelle auch weiterhin keinen solchen Zeitplan nennen. Ich habe deutlich gemacht, dass wir einen baldigen, zügigen Abschluss der Verhandlungen und Gespräche erwarten und dass dafür ein aus unserer Sicht sehr faires Angebot auf dem Tisch liegt.
KALL (zur Kontrolle von drei EU-Diplomaten durch die Bundespolizei): Ich kann noch ergänzen. Wie gesagt, gehe ich davon aus, dass sich die Bundespolizei in Kürze auch selbst äußern wird. Aber ich habe jetzt noch Hinweise von den Kolleginnen und Kollegen bekommen.
Die Kontrolle von drei europäischen Diplomaten, die heute Morgen stattgefunden hat, hatte allein mit der Reiseroute zu tun, mit Hinweisen, die sozusagen für diesen Flieger bestanden, aber in keiner Weise im Zusammenhang mit den drei Personen standen. Deshalb konnten die drei Diplomaten nach kurzer Befragung ihre Reise natürlich fortsetzen. Es hatte nichts mit den drei Personen zu tun. Aber die Bundespolizei musste dem eben kurzzeitig dort nachgehen.
FRAGE JENNEN (zum Angriff Russlands auf die Ukraine): Eine Frage zu den Hilfen für die Ukraine, die jetzt schon diskutiert werden: Es gibt eine Diskussion, dass man sich die russischen Assets, die jetzt hier in Deutschland sind, eventuell einverleibt, um die Einnahmen letztendlich auch für die Restrukturierung zu nutzen. Wie steht die Bundesregierung dazu? Herr Lindner hat sich dafür offen gezeigt. Das gilt auch noch in Bezug auf die Zentralbankreserven, ob man auch die eventuell dafür nutzen kann.
STS HEBESTREIT: Wenn ich richtig informiert bin, ist Herr Lindner Teil der Bundesregierung. Wenn er sich so geäußert hat, dann will ich die Äußerungen nicht weiter interpretieren.
Ich würde immer zwischen Zentralbankassets und den Besitztümern vermeintlicher Privatmenschen unterscheiden. Da gibt es dann ein rechtsstaatliches Verfahren, und da gibt es sehr hohe Hürden, die vorgeschaltet sind, bevor man so etwas tun kann, nicht das „Freezen“, aber das „Seizen“, wie ich gelernt habe, also nicht nur, dass man es einfriert, sondern dass man das dann tatsächlich einzieht.
FRAGE STEINKUHL: Der Bundeskanzler hat heute im Verteidigungsausschuss des Bundestages nach Teilnehmerangaben gesagt, er bemühe sich um ein neues Gespräch mit dem russischen Präsidenten Putin. Herr Hebestreit, stimmt das, und wie weit sind diese Bemühungen gediehen?
STS HEBESTREIT: Es stimmt, dass der Bundeskanzler das heute im Verteidigungsausschuss gesagt hat. Wenn wir etwas dazu mitzuteilen haben werden, werden wir das sehr zeitnah tun.
FRAGE POLANSKY: Wann war denn das letzte Telefonat mit Herrn Putin?
STS HEBESTREIT: Wenn ich mich richtig erinnere, dann muss das etwa gegen Ende März gewesen sein, vielleicht auch Anfang April. Aber ich glaube, Ende März.
Der Bundeskanzler ist häufiger dazu gefragt worden und hat gesagt, es habe eine gewisse Zeit gegeben ich glaube, das dürfte so kurz um das Massaker von Butscha oder das Bekanntwerden dieses Massakers gewesen sein , in der man eigentlich wenig zu besprechen hatte, weil die Forderungen klar waren. Deswegen sind da, glaube ich, auf vielen Ebenen erst einmal weniger Kontakte zustande gekommen.
VORS. SZENT-IVÁNYI: Ich habe online eine Frage von Christian Vollradt von der Wochenzeitung „JUNGE FREIHEIT“ an das BMVg: In Ihrem Haus angesprochen ist das BMVg gibt es ein Lagezentrum Ukraine unter General Dr. Freuding. Wird dort auch ein Monitoring der von Deutschland an die Ukraine gelieferten Waffen vorgenommen, wie sie gewirkt haben, welche Erfolge beispielsweise mit Panzerfäusten oder später mit den Geparden und den Panzerhaubitzen erzielt wurden oder ob sich im Einsatz Schwächen zeigten?
COLLATZ: Dazu kann ich Ihnen hier keine Angaben machen.
FRAGE STEINKUHL: Ich habe eine Nachfrage zu dem anvisierten Gespräch mit Herrn Putin. Sie sagen, dass damals wegen des Massakers kein Anlass oder kein Raum dafür gewesen sei. Was hat sich denn seit Butscha geändert, dass der Bundeskanzler das Gespräch jetzt wieder sucht?
STS HEBESTREIT: Ich denke, geändert hat sich erst einmal nichts zum Besseren, wenn Sie darauf anspielen. Aber man muss natürlich an irgendeinem Punkt dazu kommen, dass es auch wieder diplomatische Initiativen geben muss, um diesen furchtbaren Krieg mit schrecklichen Zahlen von Opfern, mit viel Zerstörung und auch mit der ganzen Sinnlosigkeit, die ein Krieg mit sich bringt, einem Ausweg zuzuführen; so möchte ich es einmal sagen. Das heißt aber nicht, dass das in einem oder in wenigen Telefonaten geht. Aber wenn niemand miteinander spricht, dann wird es auch nicht besser werden. Insofern muss man die Kontakte wiederbeleben oder sie wieder aktivieren und dann sehen, ob es sinnvoll ist, weiterzusprechen und in eine Situation zu kommen, in der diese sehr, sehr furchtbare Situation zu einem Besseren geführt werden kann, oder ob es dabei bleibt, dass das es sind jetzt, glaube ich, elf Wochen, die dieser Krieg andauert, 78 Tage einfach so weitergehen soll oder weitergehen wird. Damit sollte man nicht zu große Hoffnungen verbinden. Das ist jedem klar. Aber man sollte auch keine Initiative unversucht lassen, um ab und zu wieder einmal nachzuhorchen.
FRAGE JESSEN: Es gibt Forderungen, dass es für die Waffenlieferungen einen Beauftragten bei der Bundesregierung geben solle. Wie stehen Sie zu den Forderungen? Ist das eine sinnvolle Sache, oder ist die Zuordenbarkeit der Verantwortung so, wie sie jetzt geregelt ist, klar genug?
STS HEBESTREIT: Der Bundeskanzler hat sich dazu unlängst geäußert und gesagt, dass er volles Vertrauen in die Arbeit des Generalinspekteurs der Bundeswehr hat und da keine Parallelstrukturen oder so etwas etablieren möchte.
ZUSATZFRAGE JESSEN: Das sind ja Verflechtungen zwischen privatwirtschaftlichen, wenn man so will, und politischen Ebenen. Das kann alles in der Personenkompetenz des Generalinspekteurs abgedeckt werden?
STS HEBESTREIT: Ja.
FRAGE: Ich habe zwei Fragen an das BMI zum Thema der Grenzkontrollen. Es gab ja Ende April ein Urteil des EuGH zu Slowenien und Österreich. Sie hatten gesagt, Sie prüften, was das für Deutschland bedeute. Läuft diese Prüfung noch? Hat sie etwas ergeben?
Die zweite Frage: Wird es zum G7-Gipfel im kommenden Monat wieder Grenzkontrollen geben?
KALL: Zu beidem kann ich nur sagen: Beides prüfen wir. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs, das ja nicht Deutschland betraf, sondern Grenzkontrollen durch andere EU-Mitgliedstaaten, schauen wir uns genau auf Auswirkungen auf die temporären Grenzkontrollen hin an, die es an der deutsch-österreichischen Grenze gibt. Aber diese Prüfung ist noch nicht abgeschlossen. Wir stehen dazu auch mit der Europäischen Kommission weiter in Kontakt.
Den G7-Gipfel bestmöglich zu schützen, hat natürlich allerhöchste Bedeutung für die Sicherheitsbehörden sowohl im Bund als auch im Freistaat Bayern. Da befinden wir uns in engem Kontakt. Aber ich kann mich jetzt noch nicht zu einzelnen Maßnahmen äußern.
FRAGE JUNG: Es geht um die Westbank und den angekündigten Siedlungsbau. Die israelische Regierung hat jetzt vor dem Besuch von Joe Biden 4500 neue Wohneinheiten in der besetzten Westbank genehmigt. Wie reagiert die Bundesregierung?
SASSE: Wir haben das natürlich zur Kenntnis genommen. Sie kennen unsere Position zum Siedlungsbau, dass wir ihn durchaus kritisch betrachten. Wir befinden uns darüber natürlich in Gesprächen mit unseren israelischen Partnern.
ZUSATZFRAGE JUNG: Aber hat sich nun mit der neuen Bundesregierung eigentlich etwas in Sachen der Herangehensweise an den Siedlungsbau geändert? Die alte Bundesregierung unter Frau Merkel hatte es ja nämlich auch schon so gemacht, dass man gesagt hat „Ja, das betrachten wir kritisch“, aber das war es dann auch.
SASSE: Der Interpretation „Ja, das war es“ würde ich mich nicht anschließen. Ich habe ja gerade deutlich gemacht, dass wir mit unseren israelischen Partnern regelmäßig auch Themen wie dieses besprechen. Selbstverständlich unterhält auch Außenministerin Baerbock einen sehr engen Draht zu ihrem israelischen Kollegen.
ZUSATZFRAGE JUNG: Aber hat sich an der Politik dieser neuen Bundesregierung etwas geändert?
SASSE: Ich habe unsere Position zum israelischen Siedlungsbau gerade sehr deutlich gemacht, und die ist so, wie ich sie geschildert habe.
VORS. SZENT-IVÁNYI: Dann habe ich eine Frage an das BMAS. Es geht um Sanktionen für Hartz-IV-Empfänger. Johannes Kuhn vom Deutschlandradio fragt: Laut „Süddeutscher Zeitung“ plant die Bundesregierung, die Hartz-IV-Sanktionen sogar bis Mitte 2023 weitgehend auszusetzen und Leistungen bei Fehlverhalten auf maximal zehn Prozent zu kürzen. Können Sie das bestätigen? Falls ja, wie sieht der Zeitplan für das Gesetz aus?
HEIM: Die Regelungen zum Sanktionsmoratorium befinden sich aktuell im parlamentarischen Verfahren, und mehr kann ich dazu an dieser Stelle nicht sagen.
FRAGE JESSEN: Herr Kall, es gibt offenbar einen Lagebericht über Rechtsextremismus in den Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern. Mehr als 300 ich glaube, 327 oder so Fälle wurden dort registriert. Können Sie das bitte etwas einordnen? Ist das viel, ist das wenig? Welche Schwere wird da untersucht? Ist das gegenüber vorherigen Untersuchungen, falls es die gab, eine ansteigende Tendenz?
KALL: Ja, Herr Jessen, das mache ich sehr, sehr gerne. Ich verweise zusätzlich darauf, dass die Bundesinnenministerin und der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Herr Haldenwang, heute Morgen um 9 Uhr dazu auch eine ausführliche Pressekonferenz bei uns im BMI gegeben haben, die auch live gestreamt wurde. Insofern können Sie sich das auch noch einmal ansehen. Aber das heißt. nicht, dass ich Ihnen nicht antworten möchte. Ich möchte nur darauf verweisen, dass es darin natürlich schon viele Antworten auf diese Fragen gegeben hat.
Ja, wir haben heute Morgen einen neuen Lagebericht zu Rechtsextremisten, zu sogenannten Reichsbürgern und sogenannten Selbstverwaltern in Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder vorgestellt. Das Gros dieser Fälle sind Rechtsextremisten, nicht die Reichsbürger und Selbstverwalter; das ist ein kleinerer Teil. Ich glaube, mehr als 80 Prozent betreffen Fälle von Rechtsextremismus. Es ist eine deutliche Steigerung im Vergleich zum ersten Lagebericht zu sehen, den es 2020 gab. Das liegt vor allem daran, dass die Bundeswehr mit einbezogen worden ist. Der Großteil der Fälle, die es in den Sicherheitsbehörden des Bundes gibt, betrifft die Bundeswehr. Bei der Erstellung dieses Lageberichts gab es eine enge Kooperation des Verfassungsschutzes mit dem MAD. Ein weiterer Grund ist, dass diese Reichsbürger und Selbstverwalter vorher auch noch nicht erfasst waren, sondern der vorherige Lagebericht bezog sich alleine auf Fälle von Rechtsextremismus. Vor allem gibt es auch so hat es der Präsident des Verfassungsschutzes heute Morgen gesagt eine deutliche Aufhellung des Dunkelfeldes und eine stärkere Sensibilisierung. Das heißt, gerade die Länder melden deutlich mehr Fälle aus ihren Sicherheitsbehörden, vor allem aus der Polizei, aber auch aus anderen Landesbehörden. Die Sensibilität steigt. Auch das erklärt eine Zunahme der Fälle. Wenn man genauer hinschaut, hat man auch mehr Fälle. Das soll keinerlei Bagatellisierung sein, aber eine Erklärung dafür.
In Zahlen gab es 860 Verdachtsfälle aus den Bundes- und Landessicherheitsbehörden, und diese 860 Fälle wurden sehr genau geprüft. Bei 327 Bediensteten das sind knapp 40 Prozent der geprüften Fälle – wurden tatsächlich Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung festgestellt, 138 Fälle auf Bundesebene, wie gesagt, mehr als 100 davon in der Bundeswehr, und 189 Fälle auf Landesebene. In insgesamt 500 Fällen wurden arbeits- und disziplinarrechtliche Maßnahmen eingeleitet, also nicht nur in den bestätigten Fällen, sondern auch in weiteren.
Darüber hinaus würde ich vielleicht auf die Presseerklärung und den Bericht verweisen, in dem das natürlich noch einmal deutlich ausführlicher beschrieben ist.
ZUSATZ JESSEN: Ich bitte um Nachsicht, dass ich den interessanten Stream heute Morgen nicht verfolgen konnte.
KALL: Ich wollte Sie nur nachträglich dazu einladen, dass Sie beim nächsten Mal vorbeikommen!
ZUSATZFRAGE JESSEN: Ein Teil der Frage ist dann schon beantwortet. – Was passiert mit den mindestens 327? Lässt sich schon konkretisieren, womit die zu rechnen haben?
Dann, wenn ich darf, frage ich doch noch: Waren das eigentlich nur oder überwiegend Männer? Können Sie die Geschlechtszugehörigkeit noch etwas ausdifferenzieren?
Fanden die Aktivitäten eher im Verborgenen statt, oder war das sozusagen offenes Handeln?
KALL: Ein Geschlechterverhältnis habe ich nicht für Sie dabei. Natürlich gibt es eine insgesamt auch deutlich höhere Zahl männlicher Beschäftigter in Sicherheitsbehörden. Ich weiß nicht genau, ob der Bericht etwas zu dem Geschlechterverhältnis aussagt. Aber es gibt nicht nur Extremisten, sondern auch Extremistinnen.
Wir können der Frage gerne noch einmal nachgehen, was mit denen passiert. Ich habe es schon gesagt: 500 arbeits- und disziplinarrechtliche Maßnahmen sind eingeleitet worden. Zum Teil gibt es sicherlich auch Strafverfahren, zum Beispiel wegen Volksverhetzung oder wegen anderer Delikte. Es gibt Fälle, die zum Beispiel Chat-Gruppen betreffen; in Polizeidienststellen gab es das ja. Es gibt viele weitere Fälle (der Verwendung) von Nazisymbolen. Der Bericht nennt exemplarisch viele Fälle, vor allen Dingen die ensthafteren. Die Bundesinnenministerin hat heute Morgen beispielhaft auch die Fälle der Entwendung von Munition, die es in polizeilichen Spezialeinheiten gegeben hat, und ähnliche Fälle genannt.
ZUSATZFRAGE JESSEN: Ich darf noch eine letzte Nachfrage
VORS. SZENT-IVÁNYI: Aber die letzte, Herr Jessen! Eigentlich gab es dazu eine andere Pressekonferenz.
ZUSATZ JESSEN: Ich weiß, aber dies ist die Bundespressekonferenz! – Wurden auch schon Suspendierung ausgesprochen? In welcher Anzahl?
KALL: Ich bitte um Nachsicht ich glaube, der Bericht hat 160 Seiten , dass ich jetzt nicht alle Zahlen sozusagen auswendig für Sie parat habe. Ich gehe davon aus, dass der Bericht etwas dazu sagt. Im Übrigen hat die Bundesinnenministerin heute Morgen auch ganz klar gesagt, wie sie jetzt weiter vorgehen will. Das ist auch Teil unseres Aktionsplans gegen Rechtsextremismus, nämlich Verfassungsfeinde sehr viel schneller loszuwerden und sehr viel schneller aus dem öffentlichen Dienst entlassen zu können. Dafür muss das Bundesdisziplinargesetz geändert werden, und dazu hat Frau Faeser heute Morgen angekündigt, das noch in diesem Jahr angehen zu wollen, also noch in diesem Jahr einen Gesetzentwurf vorzulegen, um diese Disziplinarverfahren bzw. Verfahren der Entlassung aus dem öffentlichen Dienst deutlich zu beschleunigen.
VORS. SZENT-IVÁNYI: Noch eine Frage an das BMI, und zwar von Thomas Nehls: Ist das präventive Verbot der Nakba-Demos in Berlin eine Gemeinschaftsaktion des Landes Berlin und des BMI? Was sind die Gründe? Kann überhaupt im Vorhinein ohne Details ein Missbrauch des Demonstrationsrechts unterstellt werden?
KALL: Ein Verbot einer Versammlung kann keine gemeinsame Maßnahme sein, da dafür die Landesbehörden zuständig sind. Insofern würde ich Sie bitten, sich bezüglich Berliner Maßnahmen an die Berliner Innenverwaltung bzw. die Innensenatorin zu wenden. Aber die Bundesinnenministerin ist schon sehr dafür, gegen Kundgebungen, bei denen antisemitischer Hass und Gewalt auch aus einer islamistischen Ecke zu erwarten ist, sehr konsequent vorzugehen und auch präventiv alles zu tun, um antisemitischen Hass und Gewalt zu verhindern.
FRAGE JUNG: Aber gegen Demonstrationen für die Erinnerung an die Nakba an sich hat die Bundesregierung nichts?
KALL: Ich habe mich jetzt nicht zu einer einzelnen Kundgebung geäußert, höchstens sozusagen mit Blick zurück auf das, was wir ja hier vor einigen Wochen in Berlin-Neukölln an islamistischem Antisemitismus erleben mussten. Aber, wie gesagt, bezüglich konkreter versammlungsrechtlicher Maßnahmen und konkreter Versammlungen in Berlin wäre meine Bitte, sich an die Berliner Innensenatorin zu wenden, die für die Maßnahmen zuständig ist.
ZUSATZ JUNG: Ich hatte aber nicht nach konkreten Demonstrationen gefragt, sondern nach Demonstrationen an sich. Wenn nur für die Erinnerung an die Nakba demonstriert wird, heißt das ja nicht, dass Islamisten und Antisemiten dabei sind.
KALL: Mit „konkret“ meinte ich, dass ich jetzt sozusagen auch bestimmte Anlässe nicht näher bewerten will. Man muss sich immer anschauen, welches Gewaltpotenzial und welches Potenzial dafür, dass Straftaten begangen werden, es da gibt, und dann eben die Maßnahmen darauf abstimmen.
FRAGE: Herr Hebestreit, der Bundesverkehrsminister hält es für geboten es geht jetzt um Corona , dass die Maskenpflicht auch in Bussen, Bahnen und Flugzeugen aufgehoben wird. Ich würde gerne wissen: Ist das auch die Haltung des Bundeskanzlers, oder sind konkrete Initiativen seitens der Bundesregierung geplant?
STS HEBESTREIT: Ich kann da im Augenblick von keinen konkreten Initiativen berichten; das wäre mir zumindest verborgen geblieben. Mir ist die Wortmeldung des Verkehrsministers durchaus bewusst. Ich weiß aber auch, dass man die Maskenpflicht in Bussen und Bahnen, im öffentlichen Nahverkehr und überall dort, wo man die Abstände nicht einhalten kann und auf engem Raum zusammensitzt, aus gutem Grund so erlassen hat. Ich kann auch bislang nicht erkennen, dass es dazu innerhalb der Regierung eine veränderte Haltung gibt. Wir merken aber alle: Der Sommer kommt. Auch in der Bundespressekonferenz sind die Sitzabstände verändert worden. Es gibt Kolleginnen und Kollegen, die mit Maske hier sitzen, fast alle, glaube ich. Ich weiß es gar nicht: Haben Sie noch die Maskenpflicht?
VORS. SZENT-IVÁNYI: Wir haben noch die Maskenpflicht.
STS HEBESTREIT: Ah, immer noch! Das ist zum Beispiel in den Häusern der Bundesregierung inzwischen aufgehoben worden. Dort gibt es nur einen starken Rat, das zu tun. Insofern befinden wir uns in einer laufenden Diskussion, in der wir uns immer wieder neu an das Pandemiegeschehen anpassen müssen. Aber ich kann nicht davon berichten, dass es jetzt Planungen gibt, dieses Maskentragegebot oder die Maskenpflicht so lautet, glaube ich, das Fachwort aufzuheben.
FRAGE: Ich habe eine Frage an das Verkehrsministerium: Plant das Bundesverkehrsministerium als für die Deutsche Bahn zuständiges Ministerium, dem Unternehmen zu raten, die Maskenpflicht im Fernverkehr aufzuheben?
ALEXANDRIN: Der Minister hat sich gestern dazu geäußert und hat das heute Morgen auch noch einmal im „Morgenmagazin“ getan, nämlich in dem Sinne, dass im Sinne einer einheitlichen europäischen Regelung es gibt die Aktualisierung der Empfehlungen der europäischen Behörden in diese Richtung und auch den Hintergrund des Schutzes der Mitarbeiter in den Transportunternehmen darüber nachzudenken sei, die Maskenpflicht aufzuheben. Das bedeutet im Übrigen auch nicht, dass man keine Maske tragen darf, sondern selbstverständlich kann jeder, der diese Schutzmaßnahmen weiter vorsehen möchte, diese auch weiter tragen. Darüber hinaus hat er eben auch gesagt, dass er diesbezüglich auf den Gesundheitsminister zugehen wird, in dessen Zuständigkeit die Entscheidung darüber eben liegt.
ZUSATZFRAGE: Wird er denn auch auf das Unternehmen Deutsche Bahn in diesem Sinne zugehen?
ALEXANDRIN: Es geht nicht darum, dass er auf das Unternehmen Deutsche Bahn zugeht, sondern es geht ja hierbei um die Anpassung der rechtlichen Vorgaben, die eben momentan so sind, wie sie sind. Wenn man die so ändern möchte, dass sie auch für die Deutsche Bahn gelten, dann muss man eben an den Rechtsrahmen heran, und dafür wendet er sich, wie gesagt, an den Gesundheitsminister.
FRAGE JESSEN: Ich würde gerne das Gesundheitsministerium dazu befragen. Wie steht denn das Fachressort zu den Vorschlägen oder Erwägungen, die Maskenpflicht in den genannten Bereichen aufzuheben?
HAJEBI: Eventuell haben Sie den Tweet des Ministers heute auch schon gesehen. Er hat sich dazu geäußert. Ich kann ihn zitieren:
„Mit täglich bis zu 150 Coronatoten und einer immer noch sehr hohen Inzidenz fehlt der Spielraum, auf Masken im öffentlichen Verkehr zu verzichten. Harmonisierung macht Sinn, wenn die Pandemie vorbei ist. Das ist jetzt noch nicht der Fall.“
Zur EU-Empfehlung kann ich Ihnen noch sagen, dass die Maskenpflicht in Flugzeugen, die in Deutschland landen oder starten, auch der EU-Empfehlung entspricht. Außerdem gilt bei uns das Infektionsschutzgesetz, das die Maskenpflicht im ÖPNV vorsieht. Für ein Land, in dem solche Vorschriften gelten, lautet die EU-Empfehlung auch auf eine Maskenpflicht in Flugzeugen.
ZUSATZFRAGE JESSEN: Das ist ja sozusagen eine klare Ablehnung dieser Überlegung, inhaltlich jedenfalls. Ist der Gesundheitsminister denn vom Vorstoß und den Erwägungen des Verkehrsministers überrascht worden? Tauschen die sich nicht vorab aus?
HAJEBI: Ich denke, dass dieser Tweet des Ministers für sich steht, und weitere Einordnungen kann ich dazu nicht abgeben.
ZUSATZFRAGE JESSEN: Darin steht ja nichts darüber, ob die sich austauschen. Ist es nicht eigentlich üblich, dass sich die Minister bei Fragen, die sich sozusagen auch in der Federführung eines anderen Ressorts befinden, untereinander kurzschließen? Gibt es da eine Routine oder ein Verfahren?
HAJEBI: Grundsätzlich ist es so, dass Minister sich im besten Falle immer untereinander absprechen. Ich kann Ihnen jetzt aber nicht sagen, inwieweit es in diesem Fall solche Absprachen gab.
VORS. SZENT-IVÁNYI: Ich möchte Herrn Nehls, weil er online zugeschaltet ist, noch die Gelegenheit geben, eine Nachfrage zu stellen: Ich habe präzise nach den Nakba-Erinnerungsdemos gefragt. Ist Erinnerung an die Vertreibung der Palästinenser per se schon eine antisemitische Handlung?
KALL: Dazu möchte ich nur noch einmal sagen, dass ich hier keine Inhalte oder historischen Kontexte bewerten möchte; das würde hier den Rahmen und auch meine persönliche Expertise sprengen. Bei versammlungs- und polizeirechtlichen Maßnahmen ist die Frage im Vorfeld primär: Besteht die Gefahr, dass da Straftaten begangen werden oder dass es zu Gewalt kommt? Das haben eben die Versammlungsbehörde und die Polizei zu bewerten.
FRAGE JUNG: Es geht um Teile des Entlastungspakets, Herr Alexandrin, nämlich um das 9-Euro-Ticket. Es gibt ja Berichte, dass das sehr, sehr gut ankommt jeder zweite Bundesbürger möchte sich das kaufen. Kommt denn für den Verkehrsminister bzw. für Ihr Ministerium infrage, dass das nicht nur temporär 9 Euro pro Monat kostet, sondern dass das dauerhaft angelegt werden kann, damit man quasi weg vom Individualverkehr auf der Straße und zu mehr ÖPNV kommt?
ALEXANDRIN: Vielen Dank für die Frage. Man muss bei diesen Diskussionen zwei Dinge klar auseinanderhalten.
Das eine ist: Was ist eine Maßnahme des Entlastungspakets, das heißt, eine kurzfristige Maßnahme, um die Bürgerinnen und Bürger im Lichte der Preissteigerungen des Ukraine-Kriegs zu entlasten? Hier hat man eben sehr konkrete Vorschläge für einen temporären Zeitraum gemacht. Dazu zählt unter anderem auch das 9-Euro-Ticket.
Das 9-Euro-Ticket ist gleichzeitig aber auch der größte Feldversuch, den wir in der deutschen Geschichte zum Thema ÖPNV haben; denn wir haben in diesen drei Monaten eben die Möglichkeit zu überprüfen, ob die Preisschraube tatsächlich die entscheidende Schraube ist, mit der wir mehr Menschen vom ÖPNV überzeugen können. Das heißt, wir werden die Ergebnisse dieser drei Monate sehr genau auswerten und sind mit den Ländern bereits auch im Gespräch und in konkreten Überlegungen und Arbeiten. Da gibt es nämlich eine Arbeitsgruppe, die sich mit der langfristigen Erhöhung und Ausgestaltung der Regionalisierungsmittel beschäftigt, also der Geldmittel, mit denen der Bund die Länder für die Organisation des öffentlichen Personennahverkehrs unterstützt. Da sind wir aktuell bei 10 Milliarden Euro. Die Länder fordern eine Erhöhung dieser Mittel. Dazu gibt es eine Arbeitsgruppe, die eben transparent machen soll, wo im eigenen System noch Möglichkeiten für Effizienzsteigerungen liegen. Dann können wir uns unterhalten über eine langfristige Steigerung der Mittel, und mit diesen Mitteln können die Länder dann eben auch die Preisgestaltungen ihrer eigenen ÖPNV-Angebote langfristig anpassen.
ZUSATZFRAGE JUNG: Ich verstehe Sie so, dass Sie durchaus offen dafür sind, dass aus temporär dauerhaft wird, wenn es zum gewünschten Erfolg kommt
ALEXANDRIN: Dazu hat sich der Minister wiederholt geäußert, dass er hier an der Seite der Länder steht, wenn es darum geht, das ÖPNV-Angebot auszubauen, ja.
ZUSATZFRAGE JUNG: Käme es infrage, den Feldversuch auszuweiten, also aus den drei Monaten vielleicht sechs Monate zu machen? Jetzt kommt ja der Sommer, bald sind Ferien, und da ist die ÖPNV-Nutzung ja ein bisschen anders in der restlichen Zeit.
ALEXANDRIN: Wir befinden uns ja gerade im Gesetzgebungsverfahren, und jetzt ist eben ganz klar die Befristung auf drei Monate drin, wie sie eben für die meisten Maßnahmen dieses Entlastungspakets gilt. Wie gesagt geht es uns aber darum, den ÖPNV langfristig neu aufzustellen. Zu einer solchen Neuaufstellung zählt zum einen der finanzielle Unterbau des Bundes; dazu zählen zum anderen aber auch systemische Ansätze. Da geht es beispielsweise um die Überarbeitung der Strukturen, im Sinne der Frage: Wie viele Verkehrsverbünde braucht es pro Land? Da geht es auch um die Frage: Wie nehmen diese Verkehrsverbünde Beschaffungen vor; muss es wirklich sein, dass die S-Bahn in jeder Stadt unterschiedlich aussieht und unterschiedlich beauftragt wird, oder kann man hier nicht Effizienzen schaffen, indem man beispielsweise eine gemeinsame Beschaffung organisiert? Um all diese Punkte geht es. Hier besteht auch auf der Länderseite Anpassungsbedarf. Sobald dies erfolgt ist, werden wir eben auch schauen, wie wir den finanziellen Unterbau weiter unterfüttern können.
FRAGE STEINKUHL: Es wird ja möglicherweise eine riesige Nachfrage nach diesem Ticket geben, und es ist ja schon klar, dass es kaum zusätzliche Züge und Waggons für diesen Verkehr geben wird. Wurde das denn bei den Planungen bedacht? Wurde darüber nachgedacht, dass das möglicherweise mehr Fahrgäste abschrecken könnte, als man neue dazugewinnt?
ALEXANDRIN: Selbstverständlich wurde auch diese Frage diskutiert, also die Frage: Wie geht man mit den Verkehrsströmen um? Man muss da auf der einen Seite betrachten, dass wir hier von ganz klassischen touristischen Destinationen sprechen. Aus Berliner Perspektive wären da der Klassiker die Strecken von Berlin zur Ostsee, zum Beispiel der Warnemünde-Express. Solche Beispiele gibt es natürlich auch im südlichen Raum, wenn es zum Bodensee oder in die Berge geht. Das sind ganz klassische Strecken, die bereits vorher eine hohe Nachfrage erfahren haben.
Grundsätzlich sind für die Organisation dieser Verkehre eben die Länder zuständig. Da geht es also beispielsweise um die Frage: Wie organisiere ich Belastungsspitzen? Im Zuge der Diskussion wurde eben auch besprochen, inwieweit man zusätzliches Material auf die Schiene oder auf die Straße bringen kann. Man wird aber tatsächlich sehen müssen, wie hoch die Belastung dann auf welchen Strecken tatsächlich ist und wie dann vor Ort flexibel zusätzliches Material eingesetzt werden kann.
FRAGE JESSEN: Habe ich Sie richtig verstanden, Herr Alexandrin, dass auch die Organisation eines, sagen wir einmal, Bundes-S-Bahn-Verbundes Teil so einer Effizienzdiskussion sein kann?
ALEXANDRIN: Um die Frage beantworten zu können, wie weit das dann vorangeht, müssen wir die Ergebnisse der Länderarbeitsgruppe abwarten. Was ich sagen wollte, ist, dass es in diesem System Möglichkeiten für Effizienzgewinne gibt, und der Bundesminister hat bereits zu Beginn seiner Amtszeit klar gemacht hat, dass er vorsichtig ist mit der Finanzierung bestehender Systeme, die Optimierungsbedarf haben. Im ÖPNV haben wir an verschiedenen Stellen Optimierungsbedarf. Es geht bei den Verkehrsverbünden unter anderem darum, die unterschiedlichen Vertaktungen abzustimmen, sodass die Verkehrsverbünde ineinandergreifen. Je mehr davon Sie haben, desto schwieriger wird es selbstverständlich. Da geht es um einheitliches Ticketing, also darum, dass Sie, wenn Sie eine deutschlandweite Reise planen, einheitlich buchen können. All diese Fragen müssen beantwortet werden. Dafür gibt es diese Bund-Länder-Arbeitsgruppe, und die wird im Herbst ihre Ergebnisse vorstellen.