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Bundesregierung für Desinteressierte: BPK vom 17. Juni 2022

Themen: Termine des Bundeskanzlers (Empfang der Business7-Delegation, Festakt zum zehnjährigen Bestehen des Programms GEH DEINEN WEG, Tag der Deutschen Industrie, Kabinettssitzung der Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern, Kabinettssitzung, EU-Westbalkan-Gipfel, Europäischer Rat, Gipfeltreffen der G7), G7-Medienministertreffen, mögliche Vorgaben zur Energieeinsparung, Gasversorgungssicherheit, EU-Mitgliedschaft der Ukraine, Auslieferungsanweisung der britischen Regierung im Fall Julian Assange, WTO-Beschluss über Aussetzung der Patente von COVID-19-Impfstoffen

Themen/Naive Fragen:
00:00 Beginn
00:32 Vorstellung Marina Schmidt (BMG)
01:29 Termine des Bundeskanzlers
12:37 EU-Kandidaten
14:21 Energiesparmaßnahmen
22:28 Russische Gaslieferungen
30:03 Gassparmaßnahmen (Tilo)
32:27 Gaslieferungen Frankreich Deutschland
33:48 Russische Gaslieferungen
35:14 Gas-Notfallplan
36:32 Gas aus Katar
37:25 Ukraine | EU-Kandidatenstatus
38:40 Julian Assange | Auslieferung an die USA (Hans)
41:40 Tilo zur Auslieferung von Julian Assange
42:43 Energiepreise
44:01 Covid19-Impfstoff-Patente | WTO | Corona
47:57 Ukraine | EU-Kandidatenstatus (Hans)
49:35 Ende

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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 17. Juni 2022:

VORS. WOLF eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS’IN HOFFMANN sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

SRS’IN HOFFMANN (zu den Terminen des Bundeskanzlers): Guten Tag! Am Montag, den 20. Juni, empfängt der Bundeskanzler um 14.45 Uhr die Business7-Delegation zu einem Gespräch im Kanzleramt. Business7 ist einer der sieben offiziell mandatierten Dialogprozesse oder auch „Engagement Groups“ während der deutschen G7-Präsidentschaft. Die Gruppe der Business7 oder B7 setzt sich aus den führenden Wirtschafts- und Industrieverbänden der G7 zusammen. Die Business7-Delegation wird dem Bundeskanzler die Empfehlungen vorstellen, die zuvor erarbeitet wurden. Im Business7-Kommuniqué werden Empfehlungen für die Herausforderungen unserer Zeit gemacht, die insbesondere durch gemeinsames Handeln von Politik und Wirtschaft wirksam angegangen werden können. Dabei geht es zum Beispiel um Pandemiebekämpfung, Klimawandel, Handels- und Investitionspolitik, Digitalisierung, Beschäftigung und globale Infrastrukturinitiativen.

Während der deutschen G7-Präsidentschaft 2022 koordiniert der Bundesverband der Deutschen Industrie in enger Abstimmung mit der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag den B7-Dialogprozess.

Um 17 Uhr, ebenfalls am Montag, nimmt der Bundeskanzler am Festakt zum zehnjährigen Bestehen des Stipendien- und Mentoringprogramms GEH DEINEN WEG der Deutschlandstiftung Integration in der „Telekom Hauptstadtrepräsentanz“ teil. Nach einer Ansprache durch den Vorsitzenden des Stiftungsrats, Bundespräsident a. D. Christian Wulff, wird der Bundeskanzler die Festrede halten.

Am Dienstag, den 21. Juni, wird der Bundeskanzler am Tag der Deutschen Industrie des Bundesverbandes der Deutschen Industrie teilnehmen und um 11.20 Uhr eine Rede halten. Im Rahmen des Termins trifft der Bundeskanzler die Ministerpräsidentin der Republik Litauen, Frau Ingrida Šimonytė, zum bilateralen Gespräch.

Um 12.15 Uhr wird der Bundeskanzler am Dienstag auf Einladung der Ministerpräsidentin des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig, an einer Kabinettsitzung der Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern teilnehmen. Die Kabinettsitzung wird in der Vertretung des Landes Mecklenburg-Vorpommern beim Bund in Berlin stattfinden. Für ca. 13 Uhr ist ein Pressestatement geplant.

Am Mittwoch, den 22. Juni, findet um 11 Uhr wie üblich unter der Leitung des Bundeskanzlers die Sitzung des Kabinetts statt.

Am selben Tag wird der Bundeskanzler mittags die Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung ILA mit einem Grußwort eröffnen. Anschließend folgt ein Rundgang über das Ausstellungsgelände. Er wird dort verschiedene Stände von Unternehmen aus dem In- und Ausland, der Bundeswehr sowie zur Raumfahrt besuchen. Der Bundeskanzler wird bei der Eröffnung von einer hochrangigen Delegation begleitet. Diese umfasst auch den Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg sowie die Regierende Bürgermeisterin von Berlin.

Somit kommen wir zu Donnerstag und Freitag. Dann nämlich wird Bundeskanzler Olaf Scholz am Europäischen Rat in Brüssel teilnehmen. Unmittelbar vor dem Juni-ER wird der Bundeskanzler am Morgen des 23. Junis am EU-Westbalkan-Gipfel teilnehmen. Die Staats- und Regierungschefs der EU werden am Donnerstagnachmittag wie üblich zu Beginn des Treffens mit der Präsidentin des Europäischen Parlaments, Roberta Metsola, zusammenkommen.

Inhaltlich wird im Mittelpunkt des Europäischen Rates der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine stehen. Die Staats- und Regierungschefs werden sich über alle Dimensionen des russischen Angriffskrieges und seiner Auswirkungen beraten. Insbesondere wird es um die vielfältige Unterstützung der EU für die Ukraine gehen. Im Zentrum der Diskussionen werden zudem die EU-Beitrittsanträge der Ukraine, Moldaus und Georgiens stehen. Die Kommission wird dazu heute noch eine Stellungnahme veröffentlichen. Unter dem Tagesordnungspunkt „Wider Europe“ steht ein erster Austausch der Staats- und Regierungschefs über die Konsequenzen der russischen Aggression für die europäische Friedensordnung an. Dabei sollen die verschiedenen Initiativen und Vorschläge zur Vertiefung der Beziehungen der EU mit ihren Partnern in Europa beraten werden.

Anschließend werden sich die Staats- und Regierungschefs mit verschiedenen Wirtschaftsthemen beschäftigen. Auf der Tagesordnung steht eine Aussprache zur wirtschaftlichen Situation. Die Staats- und Regierungschefs sind aufgefordert die länderspezifischen Empfehlungen im Rahmen des Europäischen Semesters zu billigen.

Ein weiteres Thema wird der geplante Euroraumbeitritt Kroatiens zum 1. Januar 2023 sein. Zudem werden sich die Staats- und Regierungschef zur Konferenz zur Zukunft Europas austauschen. In diesem Rahmen werden sie das weitere Vorgehen der Konferenz festlegen, um Europa im Interesse seiner Bürgerinnen und Bürger weiterzuentwickeln.

Im Anschluss findet ein Eurogipfel statt. Dabei wird es um den Stand der Arbeiten an der Bankenunion gehen.

Ein Briefing zu dem Eurogipfel und anderen außenpolitischen Ereignissen wird am Montag, den 20 Juni, um 9 Uhr hier in der BPK stattfinden. Für alle Nachfragen möchte ich daher darauf verweisen. Themen des Briefings werden der EU-Westbalkan-Gipfel, der Europäische Rat in Brüssel, das G7-Gipfeltreffen in Elmau, das dann folgt, und das NATO-Gipfeltreffen anschließend in Madrid sein.

Im Vorfeld dieser verschiedenen Treffen wird Bundeskanzler Olaf Scholz am Mittwoch, den 22. Juni 2022, um 15 Uhr eine Regierungserklärung im Deutschen Bundestag abgeben.

Jetzt komme ich zum Thema der G7. Vom 26. bis zum 28. Juni das wissen Sie wird der G7-Gipfel der Staats- und Regierungschefs unter deutscher Präsidentschaft in Schloss Elmau stattfinden. Er liegt terminlich zwischen dem Europäischen Rat in Brüssel und dem NATO-Gipfel in Madrid. Der G7-Gipfel findet zum siebten Mal in Deutschland und zum zweiten Mal auf Schloss Elmau statt. Die regulären Teilnehmer neben Gastgeber Bundeskanzler Scholz sind US-Präsident Biden, Großbritanniens Premierminister Johnson, Frankreichs Präsident Macron, der kanadische Ministerpräsident Trudeau, aus Italien Ministerpräsident Draghi und aus Japan Ministerpräsident Kishida sowie die EU, vertreten durch Ratspräsident Michel und Kommissionspräsidentin von der Leyen. Starten wird der Gipfel der G7 am Sonntag, den 26. Juni, mittags. Am Montag, den 27. Juni, stoßen die G7-Partnerländer dazu. Die diesjährigen Partnerländer des Gipfels sind Senegal, vertreten durch Präsident Sall, Südafrika, vertreten durch Präsident Ramaphosa, Indien, vertreten durch Premierminister Modi, Indonesien, vertreten durch Präsident Widodo, und Argentinien, vertreten durch Präsident Fernandez. Bundeskanzler Scholz hat zudem den Präsidenten der Ukraine eingeladen, am 27. Juni virtuell am G7-Gipfel teilzunehmen. Die Einladung hat er auf der Reise übermittelt. Eine Zusage wurde bekanntgegeben. Der Gipfel endet am Dienstag, den 28. Juni, gegen Mittag.

Traditionell sind auch wichtige internationale Organisationen beim G7-Gipfel vertreten. In diesem Jahr sind das die Vereinten Nationen, die WHO, die WTO, der IMF, die Weltbank, die ILO, OECD und IEA. Zudem nimmt die Vorsitzende des Gender Equality Advisory Council der G7, des G7-Beirats zu Gleichstellungsfragen, Frau Prof. Jutta Allmendinger, am G7-Gipfel teil.

Deutschland hat seit dem 1. Januar 2022 den Vorsitz in der G7 inne. Fortschritt für eine gerechte Welt, so lautet das Ziel, das sich die deutsche G7-Präsidentschaft in ihrem Programm gesetzt hat. Die Schwerpunkte der deutschen Agenda lauten nachhaltiger Planet, wirtschaftliche Stabilität und Transformation, gesundes Leben, Investitionen in eine bessere Zukunft sowie starkes Miteinander. Diese Themen lassen sich nicht in nationalen Grenzen denken oder lösen. Selbstverständlich werden auch der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und dessen Auswirkungen zum Beispiel auf die globale Ernährungs- und Energiesicherheit die Tagesordnung maßgeblich beeinflussen.

An dieser Stelle will ich noch einmal auf das Briefing am Montag hinweisen. Eine Einladung dazu ist, glaube ich, schon herausgegangen.

Damit wäre ich mit den Terminen des Kanzlers durch und würde gern die Ankündigung des Medienministertreffens der G7 anschließen. Es wird auf Initiative und Einladung von Kulturstaatsministerin Claudia Roth kommenden Sonntag, den 19. Juni, im Vorfeld des G7-Gipfels stattfinden. Es wird in Bonn erstmals stattfinden. Erstmals ist damit das Thema der Medienpolitik als selbstständiges Themenfeld im G7-Prozess integriert. Die deutsche G7-Präsidentschaft will ein Forum bieten, um Fragen der Medien- und Informationsgesellschaft auf G7-Ebene zu beraten, die eine globale Antwort erfordern. Die deutsche G7-Präsidentschaft im Ganzen hat sich zum Ziel gesetzt, den Zusammenhalt in und zwischen Gesellschaften zu stärken. Hierzu gehört der Einsatz für offene, resiliente Gesellschaften, Menschenrechte und starke Demokratien. Der Schutz der Meinungsfreiheit und die Sicherstellung einer freien und unabhängigen Medienlandschaft sollen als Kernanliegen in der Erklärung der G7-Medienminister und ministerinnen verankert werden. Diese werden inhaltlich auch in den Prozess der Gipfelerklärung der Staats- und Regierungschefs einfließen. Dies unterstreicht zum einen die herausragende Bedeutung der Presse- und Meinungsfreiheit für das demokratische Gesellschaftsmodell und zum anderen deren Bedeutung für die G7-Staaten.

FRAGE DR. RINKE: Frau Hoffmann, Sie haben erwähnt, dass auf dem EU-Gipfel über den Status der Ukraine, Moldaus und Georgiens gesprochen werden wird. Heute wird es eine Empfehlung der EU-Kommission geben. Der Kanzler hat sich dazu gestern geäußert.

Warum nimmt der Kanzler eine Unterscheidung zwischen der Ukraine und Moldau auf der einen Seite und Georgien auf der anderen Seite vor und ist nicht für einen Kandidatenstatus Georgiens?

SRS’IN HOFFMANN: Ich kann dem, was der Kanzler da gestern gesagt hat, nichts hinzufügen. Er hat angekündigt, dass sich Deutschland für eine positive Entscheidung zugunsten der Ukraine einsetzen werde und dass das gleichermaßen auch für die Republik Moldau gelte. Er hat auch noch einmal darauf hingewiesen, wie sehr er den Weg der Staaten des westlichen Balkans in die EU schon in den vergangenen Monaten unterstützt hat und auch in Zukunft unterstützen wird und dass es eine Frage der Glaubwürdigkeit ist, dass die EU da ihre Versprechen einlösen muss und sollte. Zu Georgien kann ich im Moment nichts sagen.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Kann das Auswärtige Amt etwas dazu sagen, warum man eine solche Unterscheidung trifft?

WAGNER: Ich kann nur ergänzen das wissen Sie, Herr Rinke , dass die Kommission heute einen Avis zu der Frage vorlegen wird, und zwar bezüglich aller drei Länder. Wir werden ihn uns natürlich genau anschauen.

FRAGE CLEMENT: Herr Haufe, es geht um die Diskussion um die Mindesttemperaturen in Wohnungen und die Frage von Energiesparen auf diesem Wege angesichts der Entwicklungen auf dem Gasmarkt. Herr Habeck hat gestern in den „Tagesthemen“ gesagt, man prüfe alle Optionen und habe sich das noch nicht so genau angesehen. Frau Geywitz hat sich heute sehr klar positioniert und gesagt, gesetzlich verordnetes Frieren sei unsinnig.

Ist dieser Vorschlag damit vom Tisch? Wird er auch nicht mehr geprüft, oder steht er weiterhin noch zur Diskussion?

HAUFE: Der Minister hat, glaube ich, von seiner Seite aus sehr deutlich gemacht, dass wir alles, was wir tun könnten, um die Energieeinsparung in verschiedenen Bereichen, im Industrie- und im Privatbereich, zu forcieren, prüfen, aber eben sorgfältig prüfen. Eine Maßgabe, wie sie von Ihnen angesprochen wurde, hat eben ihre Tücken und ist nicht ganz einfach. Deswegen hört der Minister sehr genau hin, was die Bauministerin dazu sagt.

Wir selbst als Ministerium haben in den Grenzen des Arbeits- und Denkmalschutzes, wie es uns möglich ist, Temperaturreduktionen vorgenommen. Aber wir können eben zum Beispiel auch nicht die Vorgaben für die Büros einfach absenken. Das geht nicht so einfach. Insofern ist der Vorschlag jetzt im Raum. Aber dazu gibt es eben auch eine ganze Menge zu bedenken. Aber für uns ist der Grundsatz wichtig, dass wir uns anschauen, was gesetzlich möglich ist. Wir prüfen das in jedem Fall. Das ist, glaube ich, unsere Pflicht in der jetzigen Situation.

ZUSATZFRAGE CLEMENT: Lässt sich schon wahrscheinlich läuft die Prüfung ja noch zumindest grob beziffern, welches Einsparvolumen eine solche Maßnahme überhaupt hätte? Sie haben die Tücken angesprochen. Es gibt ja auch Gasthermen, die etagenweise betrieben werden. Darauf hat der Vermieter ja keinen Einfluss. Das ist wahrscheinlich je nach der Heizungsform der Häuser sehr unterschiedlich.

HAUFE: Ich kann Ihnen diese Zahl von hier aus jetzt nicht nennen. Vielleicht kann es die Bundesnetzagentur tun.

FRAGE GEYER: Herr Habeck hat in den „Tagesthemen“ aber auch gesagt, er prüfe sozusagen notfalls auch gesetzliche Maßnahmen jenseits dieser Mindestheizgrenze. Können Sie ein Beispiel dafür nennen, was das sein könnte, welche Instrumente es da überhaupt gibt, an welche Gesetze man da herangehen könnte, was Sie prüfen?

HAUFE: Wir prüfen nicht nur, sondern wir handeln, um uns auf eine Situation einzustellen, in der die Energieflüsse zurückgehen, wie wir es jetzt sehen. Wir tragen jeden Tag zur Vorsorge bei. Unter anderem haben wir per Ministerverordnung dafür gesorgt, dass die Gasspeicher, vor allem der Gasspeicher Rehden, der größte Gasspeicher, den wir in Deutschland haben, gefüllt werden können. Das findet nach wie vor permanent statt. Das ist eine wichtige Vorsorgemaßnahme. Wir sorgen vor, indem wir den Bau von LNG-Terminals für schwimmende Schiffe, die zur Regasifizierung eingesetzt werden können, vorantreiben. Das sind zum Beispiel zwei wichtige Maßnahmen. Wir haben eine Energieeinsparkampagne mit einem großem Kreis an Bündnispartnern im Wirtschaftsbereich und im Verbraucherbereich auf den Weg gebracht, um dort jeweils zum Energiesparen anzuregen, das Thema populärer zu machen und für die Notwendigkeit zu sensibilisieren. All diese Maßnahmen sehen und tun wir momentan.

Die Bundesnetzagentur, um diese Maßnahme noch zu nennen, bereitet zudem eine Auktionsplattform vor, um dann zum Beispiel freie Gaskapazitäten leichter zwischen Unternehmen übertragen zu können. Diese Vorbereitungen trifft die Bundesnetzagentur gerade im Vorfeld der Heizsaison, die uns ja erst noch bevorsteht.

ZUSATZFRAGE GEYER: Vielleicht habe ich missverständlich gefragt. Ich habe mich auf den Satz bezogen: „Wenn die Speichermengen nicht zunehmen, dann werden wir weitere Maßnahmen zur Einsparung, zur Not auch gesetzlich, vornehmen“. Das meinte ich. Welche Gesetze gibt es, in denen man gesetzliche Vorschriften zum Energiesparen machen kann?

HAUFE: Der Minister hat es in der Breite geäußert, wie er es geäußert hat. Ich würde an der Stelle kein zusätzliches Beispiel nennen wollen. Wir sind in einer Prüfungsphase. Ich denke, dass es sich so gehört, dass wir erst einmal schauen, was wir tun könnten, bevor wir hier wieder in Ankündigungen kommen und dann wieder zu weiterer Verunsicherung beitragen. Das ist nicht unsere Aufgabe.

FRAGE BLANK: Um ganz ehrlich zu sein: Ich muss mich dem Kollegen anschließen, weil das, was Sie genannt haben, keine Maßnahmen zum weiteren Energieeinsparen sind. Breit hat sich der Minister dazu auch nicht geäußert, sondern explizit auf Energieeinsparmaßnahmen bezogen. Insofern ist die Frage schon durchaus berechtigt, was man außer sozusagen „zu frieren für das Gaseinsparen“ tun könnte. Was der Minister gesagt hat, ist ja sehr konkret. Vielleicht können Sie dazu etwas nachliefern.

Frau Hoffmann, planen Sie einen Gasgipfel, weil die Menschen jetzt darüber, wie es nun weitergehen wird, massiv beunruhigt sind?

SRS’IN HOFFMANN: Das BMWK ist sozusagen in einer ständigen Gipfeltätigkeit damit beschäftigt, den Stand der Gasversorgung täglich zu prüfen und im Blick zu haben. Das tut die Bundesregierung, und das hält sie auch für völlig ausreichend, um in diesem Moment die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

ZUSATZFRAGE BLANK: Ein konkretes weiteres Signal, um zu sagen „Das Gas ist sicher“, planen Sie also nicht, oder?

SRS’IN HOFFMANN: Ich denke, jetzt kommt es darauf an, wirklich genau zu prüfen, wie die Gasflüsse sind, was das für die Speicherstände bedeutet und welche Maßnahmen getroffen werden müssen. Ich möchte das, was der Kollege gesagt hat, unterstützen und betonen, dass in den letzten Monaten eine ganze Reihe von Gesetzesvorhaben auf den Weg gebracht worden ist, um Energiesicherheit zu gewährleisten, die uns jetzt in dieser Situation helfen. Darüber hinaus gibt es eine Kampagne, die zur Energieeffizienz aufruft, auch des BMWK. Sicherlich ist es hilfreich, wenn auch jeder selbst überlegt, was er dazu beitragen kann.

HAUFE: Ich gehe noch einmal auf die Frage nach der Energieeinsparung ein. Eine konkrete Maßnahme, die jetzt durchaus auch vorbereitet wird, ist eben der Brennstoffwechsel, also dass anstatt Gas ein anderer Brennstoff wie Kohle benutzt wird. Das heißt, es geht darum, Kraftwerke in die Position zu bringen, zum Beispiel mit Kohle entsprechend Strom zu produzieren, wenn nicht ausreichend Gas zur Verfügung steht, bzw. das als Einsparmaßnahme zu tun. Im Strombereich spielt Gas ja nicht so eine ganz große Rolle; insofern ist es dort eben durchaus möglich, durch einen Brennstoffwechsel Gas einzusparen.

FRAGE MEERKAMM: Auch zum Thema Gasversorgungssicherheit: Es gibt jetzt ja die Meldung, dass Gazprom die Lieferungen nach Frankreich ab kommender Woche einstellen wolle. Man kann also damit rechnen, dass auch für Deutschland die Lieferungen eventuell weiter eingeschränkt werden, vielleicht sogar auch bis auf null. Frau Hoffmann oder Herr Haufe, gibt es schon Notfallpläne oder Szenarien, wie man dann den kurzfristigen Ausfall der gesamten Gaslieferungen aus Russland kompensieren will, um das Ziel eines Speicherfüllstands von 100 Prozent im November noch zu erreichen?

HAUFE: So ich die Meldungen, die Sie ansprechen, gelesen habe, bekommt Frankreich aus der Nord-Stream-Pipeline kein Gas mehr. Das ist auch die logische Folge aus der Situation, dass wir eine Drosselung des Gasflusses haben. Deswegen kommt an dem Übergabepunkt zwischen Deutschland und Frankreich derzeit nichts an. Das ist also nicht etwas, wo wir jetzt quasi aufschrecken und sagen „Oh, da ist etwas Neues passiert“; vielmehr ist das eine Folge der bekannten Drosselung.

Ich gehe gleich auch auf Ihre Frage nach den Notfallplänen ein, möchte aber kurz noch einmal die Frage von Herrn Blank zum Stichwort Gasgipfel aufgreifen. Frau Hoffmann hat es gerade gesagt: Wir haben seit vielen Wochen die Frühwarnstufe ausgerufen, und die Frühwarnstufe führt im Grunde genommen dazu, dass wir einen permanenten Energiegipfel machen nämlich jeden Tag einen kleinen. Dabei sind alle Bundesländer auch das Land Bayern durch ihre jeweiligen Experten vertreten. Insofern sind wir eng verknüpft mit allen wichtigen Akteuren auf dem Gasmarkt, sei es in der politischen Verwaltung, sei es in den Landesregierungen, seien es die Unternehmen, die wichtigen Netzbetreiber und die Händler. Insofern gibt es hier eine ganz enge Verknüpfung, und auch das Signal „die Gasversorgung ist sicher“ gibt es jeden Tag mit dem Lagebericht der BNetzA. Darin steht, wie sich die Versorgungssicherheit darstellt, das heißt, wir geben jeden Tag eine transparente Information zur Versorgungssicherheit ab. Das ist in der Lage, in der wir sind, auch geboten.

Zum Thema Notfallplan: Mit der europäischen SoS-Verordnung Security of Supply ist ja festgelegt, wie wir uns als europäischer Mitgliedstaat in einer Situation verhalten, in der wir merken, dass die Gasflüsse zurückgehen und dass möglicherweise Engpässe entstehen können. Die sind hier im Notfallplan Gas für jeden transparent einsehbar dargelegt, und nach diesen Regeln verhalten wir uns. Es ist zurzeit nicht so, dass ein Land den Solidaritätsmechanismus ausgelöst hätte; kein Land bittet derzeit also um besondere Hilfe nach diesem Plan. Das ist das, was ich Ihnen dazu zum Verständnis noch sagen kann.

ZUSATZFRAGE MEERKAMM: Soweit ich es bisher verstanden habe, gehen die Pläne des Ministers davon aus, dass zumindest auch bei Rückgängen noch ein erklecklicher Anteil der Gasversorgung aus Russland kommen soll, um die 100 Prozent zu erreichen. Gibt es denn auch einen Plan, was passiert, wenn wirklich gar nichts mehr aus Russland kommt? Das wäre ja eine Situation, in der man auf einmal mit 20 oder 30 Prozent ich weiß nicht, was zurzeit der aktuelle Wert ist weniger Lieferungen rechnen müsste, die man dann kurzfristig kompensieren müsste.

HAUFE: Der Speicherstand liegt momentan bei um die 57 Prozent die aktuelle Zahl wird heute Mittag wieder veröffentlicht werden. Im Moment kommt eine Menge Gas aus Nord- und Westeuropa. Die Einspeicherung findet momentan nach wie vor statt. Wir müssen die Lage sehr genau beobachten, und wie die Einspeicherung erfolgt, ist etwas, was wir dabei immer ganz besonders in den Blick nehmen. Deswegen ja auch die möglichen Einsparmaßnahmen ich nannte den Brennstoffwechsel , um sich dann eben auf die Befüllung der Gasspeicher konzentrieren zu können. Das ist das, was ich heute dazu sagen kann.

FRAGE DR. RINKE: An Frau Hoffmann und Herrn Haufe: Sind mittlerweile die Gründe für die Drosselung bekannt? Das wird jetzt ja seit zwei Tagen geprüft. Es gab schon die Vermutung, dass es möglicherweise nicht nur technische Gründe sind, die ja vorgeschoben oder angegeben wurden. Gibt es da neue Erkenntnisse? Ist das, was jetzt passiert, politisch motiviert oder hat das technische Gründe?

SRS’IN HOFFMANN: Da würde ich für das Technische gleich gern noch einmal an Herrn Haufe abgeben, aber grundsätzlich hat Bundesminister Habeck das ja eingeordnet und als politisch gekennzeichnet. Der Bundeskanzler teilt diese Einschätzung.

HAUFE: Das kann ich nur noch einmal unterstreichen. Der Minister hat sich dazu gestern in den Abendnachrichten ja auch ausführlich geäußert und klar auf die willkürliche Handlung in diesem Zusammenhang hingewiesen Willkür im Sinne von: Hier vertritt jemand ausschließlich seine eigenen Interessen und folgt nicht allgemeingültigen Regeln, denen man vielleicht bei einer möglichen Reparatur folgen würde. Zur Reparatur selbst hat Siemens Energy gestern eine Erklärung abgegeben, auf die ich verweisen würde, wenn Sie jetzt nach technischen Details fragen. Was man sicherlich sagen kann, ist, dass die notwendigen Reparaturarbeiten eine derartige Drosselung des Gasflusses nicht rechtfertigen.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Weil Sie Siemens direkt angesprochen haben: Gibt es Kontakte zwischen der Bundesregierung und Kanada, damit sichergestellt ist, dass die Siemens-Kompressoren repariert oder gewartet werden können? Da gab es ja die Diskussion, ob das nicht unter Sanktionsvorbehalt fällt.

HAUFE: Ja, diese Kontakte gibt es. Es gibt schon seit mehreren Tagen Gespräche mit der kanadischen Seite darüber.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Können Sie bitte noch sagen, mit welchem Ziel?

HAUFE: Mit dem Ziel, darüber aufzuklären, ob bei der Überstellung der Bauteile Stichwort Turbinen tatsächlich Sanktionsmechanismen das Problem sind, wie sich das verhält und wie es möglich ist, das Problem aufzulösen wenn es denn wirklich so akut ist, wie es dargestellt wird; wie gesagt, ich habe deutlich meine Zweifel daran geäußert.

FRAGE JUNG: Herr Haufe, Sie haben uns den Brennstoffwechsel jetzt als Energiesparmaßnahme verkaufen wollen. Da tauscht man doch einfach eine fossile Energie gegen die andere aus. Warum reden Sie da vom Sparen?

Sei haben gesagt, dass Sie hier handeln und auch Energiesparmaßnahmen bei der Industrie prüfen. Welche denn?

HAUFE: Ich habe das Wort Sparmaßnahme hier in dem Zusammenhang mit dem Einsparen von Gas benutzt. Es geht also darum, weniger Gas zu verbrauchen. Stattdessen müssen wir, wie Sie richtig anmerken, einen anderen fossilen Energieträger nutzen, nämlich Kohle. Das ist schmerzlich, wenn man eigentlich Klimaziele verfolgt, und

ZUSATZFRAGE JUNG: Da muss man doch „Gassparmaßnahmen“ sagen, und nicht „Energiesparmaßnahmen“. Fossile Energie ist das dann ja trotzdem.

HAUFE: Ich nehme diese Anmerkung von Ihnen gerne an und spreche dann von einer Gassparmaßnahme; Sie haben vollkommen recht, das ist dann korrekter.

Ich glaube, der Minister hat auch immer wieder deutlich gemacht, dass das angesichts der Klimakrise, in der wir uns befinden, keine Maßnahme ist, die wir mit besonders viel Herzblut verfolgen, aber aufgrund dessen, dass wir die Versorgungssicherheit gewährleisten müssen, müssen wir das machen. Deswegen hat Minister Habeck gestern zum Beispiel auch bei ArcelorMittal deutlich gemacht, wie wichtig es ist, dass wir auch einen anderen Energieträgerwechsel schnell durchführen, nämlich den von Gas zu Wasserstoff, und zwar besonders bei den energieintensiven Betrieben und Unternehmen Stichwort Stahlbranche. Deswegen sind wir momentan auch mehr denn je dabei, diesen Energieträgerwechsel vorzubereiten; denn wenn wir unsere Klimaziele erreichen wollen, müssen wir im Grunde genommen den Einsatz von grünem Wasserstoff vorziehen. Das sind eben Maßnahmen, die wir parallel ebenso vorantreiben und forcieren.

FRAGE NIENABER: Herr Haufe, ich habe noch eine Nachfrage zu der Gassituation zwischen Deutschland und Frankreich: Ist die Situation so, dass Frankreich eigentlich Gaslieferungen erwartet, also etwas bestellt hat, und Deutschland nicht in der Lage ist, das zu erfüllen? Oder fließt da kein Gas, weil Frankreich momentan gar keine Gasflüsse geordert hat?

HAUFE: Diese Frage kann ich Ihnen an dieser Stelle jetzt nicht beantworten. Ich weiß nicht, wie die französischen Gashändler agieren. Ob sie eine Gasmenge nominiert haben, kann ich Ihnen hier an dieser Stelle nicht sagen. Auch die französischen Gashändler sind natürlich eng mit ihren europäischen Kolleginnen und Kollegen verbunden und wissen, wie die Situation ist. Ich weiß jetzt nicht, wer in Frankreich heute welche Mengen nominiert hat.

ZUSATZFRAGE NIENABER: Seit zwei Tagen gibt es keine Gasflüsse, aber eine Erklärung könnte auch sein, dass da gerade keiner Gas ordert?

HAUFE: Das könnte eine Erklärung sein, aber erst einmal ist der Gasfluss nach Mitteleuropa deutlich reduziert worden. Deswegen gibt es an mehreren Übergabepunkten dann auch weniger Gas oder an diesem Übergabepunkt nach Frankreich, so wie es momentan aussieht, eben gar kein Gas. Das ist aber etwas, was die Gashändler und die Fernnetzbetreiber natürlich wissen und sehen; das ist nicht etwas, was sie überrascht.

FRAGE CLEMENT: Herr Haufe, Russland eskaliert ja weiter. Der russische EU-Botschafter hat heute beim Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg auch eine Komplettstillegung der Pipeline ins Gespräch gebracht. Könnte selbst in diesem Fall das Tempo der Gasspeicherbefüllung von diesen 0,5 bis 1 Prozentpunkten pro Tag aufrechterhalten werden Sie hatten vorhin Quellen in Nord- und Westeuropa angesprochen , oder gerät das Ziel eines Füllstands von 90 Prozent zum 1. November dann ernsthaft ins Wanken?

HAUFE: Ich spekuliere an dieser Stelle nicht über die Gasspeicherfüllstände. Wir haben unser Ziel und das ist gesetzlich festgelegt. Es ist europaweit so, dass alle dafür sorgen, dass die Gasspeicherfüllstände weiter steigen können, und danach müssen wir unsere Maßnahmen ausrichten. Wir hören von der russischen Seite viele verschiedene Äußerungen. Wir sehen, worauf das hinauslaufen soll vor allen Dingen eben auch auf eine gewisse Preissteigerung, das hat der Minister ja auch deutlich gemacht , aber wir lassen uns davon nicht verunsichern, sondern tun das, was uns zur Vorsorge geboten erscheint.

FRAGE BLANK: Wann wird die zweite Stufe des Gasnotfallplans ausgerufen? Planen Sie so etwas?

HAUFE: Die zweite Stufe des Gasnotfallplans ist die Alarmstufe, und deren Eintreten ergibt sich aus den Kriterien, die dafür im Gasnotfallplan festgelegt worden sind. Wir beobachten die Lage sehr genau. Die Lage ist ernst, aber die Versorgungssicherheit ist nach wie vor stabil. Anhand der Kriterien, die für eine Alarmstufe eintreten können, prüfen wir, so wie das im Notfallplan vorgesehen ist.

ZUSATZ BLANK: Da ich kein Experte bin: Es ist augenscheinlich noch nicht so weit, dass diese zweite Stufe ausgerufen werden muss.

HAUFE: Wenn die Alarmstufe ausgelöst wird, teilt das Bundeswirtschafts- und Klimaschutzministerium per Pressemitteilung mit, damit es auch alle erfahren. So ist es festgelegt.

ZUSATZFRAGE BLANK: Es ist aber nicht geplant, das in den nächsten zwei Tagen zu tun?

HAUFE: Ich bin hier sicherlich nicht an der Stelle, wo ich über solche schwerwiegenden Entscheidungen irgendwelche Spekulationen verbreite.

FRAGE DR. RINKE: Zu der Vorsorge gehört ja auch, dass man alternative Gasquellen findet. Es gibt Verhandlungen mit Katar. Ich hätte ganz gerne gewusst, ob die eigentlich noch laufen. Andere Länder melden, dass sie mit Katar größere Verträge abschließen. Ein Argument, das immer genannt wird, warum Katar mit diesen Ländern abschließt, sind Langfristverträge. Können Sie sagen, ob noch Verhandlungen mit Katar laufen? Wenn ja, wird die Bundesregierung möglicherweise auch Langfristverträge akzeptieren?

HAUFE: Soweit ich weiß, laufen die Gespräche noch. Vielleicht kann ich in der verbleibenden Zeit noch ein Update geben.

VORS. WOLF: Herr Taibi von Al Jazeera fragt – die Frage richtet sich vermutlich an Sie, Frau Hoffmann – zum Beitrittsstatus der Ukraine: Warum hat Bundeskanzler Olaf Scholz seine Position zur EU-Mitgliedschaft der Ukraine geändert und darum gebeten, ihr diesen Beitrittsstatus zu geben?

SRS’IN HOFFMANN: Ich würde zurückweisen, dass der Bundeskanzler seine Ansichten dazu geändert hat. Er hat sich ja gestern sehr deutlich geäußert, dass die Ukraine zur europäischen Familie gehört und hat darauf hingewiesen, dass es jetzt darauf ankommen wird, Einstimmigkeit im Europäischen Rat unter den 27 EU-Ländern herzustellen. Das ist das, worum es in der nächsten Woche vor allen Dingen gehen wird. Deutschland wird sich dafür einsetzen, dass hier ein Konsens erreicht und eine Einstimmigkeit hergestellt wird. Aber ich sehe da das möchte ich noch einmal deutlich sagen keine Änderung der Position.

FRAGE JESSEN: Frau Hoffmann und/oder Herr Wagner, eine Frage zum Thema Julian Assange. Die britische Regierung hat heute der Auslieferung zugestimmt. Das bedeutet, Julian Assange kann an die USA ausgeliefert werden. Was bedeutet das aus Sicht der Bundesregierung für die Pressefreiheit? Ist es aus ihrer Sicht zulässig, dass die Aufklärung von Kriegsverbrechen – das ist ja das Ergebnis der Arbeit von Julian Assange – als krimineller Akt bezeichnet wird?

SRS’IN HOFFMANN: Ich fange vielleicht einmal an. Grundsätzlich würde ich sagen, dass uns diese Nachricht relativ unmittelbar vor dieser Regierungspressekonferenz erreicht hat und wir uns natürlich diese Entscheidung zunächst einmal anschauen werden, bevor wir sie im Detail bewerten.

Allgemein ist es so, dass in dem Fall und dem Auslieferungsverfahren gegen Julian Assange unterschiedliche Schutzgüter gegeneinander abgewogen werden müssen und wir hier wirklich grundsätzliche Fragen des Schutzes von Meinungs- und Pressefreiheit im Spannungsfeld mit Fragen des staatlichen Geheimschutzes sehen. Die Bundesregierung hat immer wieder auch von dieser Stelle aus betont, dass diese Meinungs- und Pressefreiheit ein hohes Gut und Voraussetzung für das Funktionieren von Demokratie ist.

Nach meiner Kenntnis und auch nach Kenntnis der Bundesregierung ist dieses jetzt heute ergangene Auslieferungsurteil noch nicht unanfechtbar, also noch nicht letztinstanzlich. Nach jetzigem Kenntnisstand ist wohl noch ein weiterer Rechtsweg möglich, den wir natürlich weiterhin sehr genau beobachten würden, wenn er beschritten würde. Wie gesagt, wir müssen uns das erst noch einmal in Ruhe anschauen.

WAGNER: Ich kann gerne ergänzen. Frau Hoffmann hat auf die unterschiedlichen rechtsstaatlichen Grundsätze und Prinzipien abgestellt, die bei dem Verfahren eine Rolle spielen. Weil es so eine grundsätzliche Bedeutung hat, hat die Außenministerin den Fall wiederholt mit der britischen Außenministerin thematisiert.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Es handelt sich um eine Frist von 14 Tagen, in der Assange Einspruch erheben könnte. Die Aussichten dafür werden von allen Beobachtern als minimalst angesehen. Wird die Bundesregierung vor diesem Hintergrund auf die US-Regierung dergestalt hinwirken, dass diese auf eine Umsetzung der Auslieferung verzichtet? Auch das war in der Vergangenheit als eine mögliche Option diskutiert worden.

SRS’IN HOFFMANN: Wie gesagt, wir werden uns das jetzt erst einmal genau anschauen und das dann ganz sicher weiter engmaschig beobachten. Mehr kann ich dazu im Moment nicht sagen.

FRAGE JUNG: Das ist ein schwarzer Tag für die Pressefreiheit. Können Sie uns einmal erklären, warum sich die Bundesregierung nie für die Freilassung von Herrn Assange eingesetzt hat?

Zweitens. Haben Sie es gerade ernst gemeint, Frau Hoffmann, dass man zwischen Meinungs- und Pressefreiheit und dem staatlichen Schutz von Geheimnissen wie Kriegsverbrechen abwägen muss? Das meinen Sie ernst?

SRS’IN HOFFMANN: Es gibt in diesem Fall grundsätzliche Fragen hinsichtlich des Schutzes der Meinungs- und Pressefreiheit und berechtigten Sicherheitsinteressen von Staaten. Die müssen gegeneinander abgewogen werden.

ZUSATZFRAGE JUNG: Kriegsverbrechen sind also berechtigte Sicherheitsinteressen von Staaten. Das ist die Haltung der Bundesregierung?

SRS’IN HOFFMANN: Das ist nicht die Haltung der Bundesregierung.

ZURUF JUNG: Das haben Sie gerade gesagt!

SRS’IN HOFFMANN: Ich habe gesagt, was in diesem Fall abgewogen werden muss.

ZUSATZ JUNG: Das haben Sie gerade gesagt.

FRAGE NIENABER: Ich habe an Frau Hoffmann die Frage, ob sich vor dem Hintergrund der jetzt explosionsartig steigenden Gaspreise die kritische Haltung des Bundeskanzlers zum Beispiel gegenüber der des italienischen Ministerpräsidenten geändert hat, eine Art „price-cap“ einzuführen. Bisher habe ich Herrn Scholz immer so verstanden, dass er das skeptisch sieht. Ist vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung ein Umdenken zu erkennen?

SRS’IN HOFFMANN: Grundsätzlich ist es so, dass wir immer alles, was in diesem Zusammenhang zur Diskussion gestellt wird, kritisch, aber auch offen prüfen und wir alles, was möglich sein könnte, um eine Steigerung von Energiepreisen zu verhindern, in der Diskussion mit in Erwägung ziehen. Es gibt aber keine veränderte Haltung des Bundeskanzlers in dieser speziellen Frage.

ZUSATZFRAGE NIENABER: Das heißt, der Bundeskanzler lehnt weiterhin die Einführung von „energy price-caps“ sei es Öl, sei es Gas auf europäischer Ebene ab?

SRS’IN HOFFMANN: Es gibt dazu keine veränderte Haltung.

FRAGE DR. RINKE: Herr Haufe, eine Frage zu den WTO-Einigungen. Es gibt einen Punkt, in dem eine begrenzte Freigabe der Patente auf Coronaimpfstoffe enthalten ist. Ich würde Sie bitten, das näher zu erklären. Bisher war die Haltung der Bundesregierung, dass man diese Freigabe, die von Südafrika und anderen Ländern gefordert wurde, ablehnte. Welchen Regelungen genau hat die Bundesregierung zugestimmt und warum steht das in Einklang zu der Position, die die Bundesregierung bisher hatte?

HAUFE: Da gebe ich gleich an die Kollegin vom Bundesjustizministerium ab, das dafür zuständig ist.

BÖNNIGHAUSEN: Wie Sie wissen das haben wir schon einmal gesagt führt die EU-Kommission die Verhandlungen. Das vielleicht vorab.

Wie Sie ja auch sagten, konnte in den WTO-Verhandlungen heute in den frühen Morgenstunden unter 164 Mitgliedstaaten ein Kompromiss erzielt werden. Wir als BMJ werden natürlich aufmerksam beobachten, wie die Klarstellungen zu diesem TRIPS-Abkommen und die damit verbundenen Verfahrensvereinfachungen in den einzelnen Mitgliedstaaten umgesetzt werden. Ab der ersten Juliwoche wird außerdem im TRIPS-Rat über eine Ausweitung des Kompromisses auf Diagnostika und Therapeutika verhandelt. Eine Entscheidung zu dieser Frage soll in sechs Monaten getroffen werden. Was die konkreten Inhalte angeht, werden wir diese, wie gesagt, aufmerksam beobachten und prüfen.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Ich habe es nicht ganz verstanden. Ist die Bundesregierung mit dem, was vereinbart wurde, zufrieden? Auf den ersten Blick widerspricht das ja der Haltung, die die Bundesregierung bisher zu der Freigabe von Patenten auf Coronaimpfstoffe hatte.

BÖNNIGHAUSEN: Im Moment kann ich nicht mehr dazu sagen als das, was ich gerade mitgeteilt habe.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Das Wirtschaftsministerium kann nichts dazu sagen? Es hat ja dazu eine Pressemitteilung verfasst.

HAUFE: Ja, genau. Wir haben uns per Pressemitteilung dazu geäußert. Ich kann dem erst einmal nichts weiter hinzufügen.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Ich bin ein bisschen ratlos. Das scheint ja im Widerspruch zu der Haltung zu sein, die hier zwei Jahre lang vorgetragen wurde. Man müsste ja aufklären können, was die Position ist. Ich weiß nicht, wer es sonst machen kann. Frau Hoffmann?

SRS’IN HOFFMANN: Ich kann sagen, dass sich der Bundeskanzler mehrfach zur Bedeutung des Patentschutzes eingelassen hat. Das ist die Entscheidung, die von der EU in einem schwierigen Vermittlungs- oder Konsensfindungsprozess, wie die Kollegin hier ausgeführt hat, gefunden wurde und der hier zugestimmt wird. Dies ist natürlich im Rahmen der Bemühungen zu sehen, eine konstruktive Lösung zu finden. Die Entscheidung fiel dann eben für diese Erleichterung der Zwangslizenzen. Das ist kein grundsätzlich neues Instrument, sondern ein bestehendes Instrument, das dafür sorgen soll, die Ausweitung der Produktion während der Pandemie nicht durch die Rechte des geistigen Eigentums zu verhindern. Aber gleichzeitig bleibt dort grundsätzlich der für Innovation und Forschung notwendige Patentschutz erhalten. Das war ja auch das, was der Bundeskanzler angemahnt hatte.

FRAGE JESSEN: Eine Frage zum Thema Ukraine/EU. Es wird gerade gemeldet, dass sich die EU-Kommission für eine Aufnahme der Ukraine und auch von Georgien und Moldau ausgesprochen hat. Jetzt ist die Frage, in welchem Zeitrahmen das Verfahren umgesetzt werden kann. Von welchem Zeitrahmen geht die Bundesregierung dabei aus?

SRS’IN HOFFMANN: Es ist im Moment nicht möglich, einen konkreten Zeitrahmen zu benennen. Das ist ja ein Prozess, in dem sehr viele Bedingungen und Voraussetzungen erfüllt werden müssen. Es wäre unseriös, jetzt einen Zeitrahmen zu benennen. Worum es jetzt zunächst einmal geht, ist, Einigkeit unter den Staats- und Regierungschefs herzustellen, um dann dabei voranschreiten zu können.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Hat die Bundesregierung Anhaltspunkte, dass sich irgendeines der 27 EU-Mitglieder den Aufnahmewünschen widersetzen würde?

SRS’IN HOFFMANN: Dazu kann ich jetzt hier nichts sagen.

FRAGE MEERKAMM: Es gibt Meldungen, dass Portugal große Bedenken hat. Kennen Sie diese Bedenken?

SRS’IN HOFFMANN: Wie gesagt, für uns wird es jetzt darum gehen, einen Konsens herzustellen, damit eine einstimmige Entscheidung zustande kommt. Natürlich werden alle Bedenken, die bestehen, sehr ernst genommen und mit in diese Gespräche einbezogen. Der Bundeskanzler hat ja persönlich gesagt, dass sich die Bundesregierung, dass sich Deutschland dafür einsetzen wird, einen Konsens zustandezubringen.

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