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Bundesregierung für Desinteressierte: BPK vom 25. Juli 2022

Themen: Reise der Bundesaußenministerin nach Prag und Pressburg, Sicherung der Energieversorgung in Deutschland, angekündigter Lufthansa-Streik, Wohngeldreform, Lage im Iran, Proteste gegen den tunesischen Präsidenten, Hinrichtung von vier Dissidenten in Myanmar, Angriff mit zivilen Todesopfern in der Provinz Dohuk in Irak, Waffenlieferungen an die Ukraine, Reise der Bundesinnenministerin und des Bundesarbeitsministers in die Ukraine

Themen/Fragen:
00:00 Beginn
00:27 Reiseankündigung Baerbock
01:55 Atomkraft
13:56 Hans zu Atomkraft und geltende Gesetze
18:31 Tilo zur Sicherheitsüberprüfung
26:06 Hans zum zweiten AKW-Stresstest
28:15 Kohlekraft
32:57 Tilo zu Klimakosten der Kohlekraft
35:03 Nord Stream 1
38:03 Energiesparen
40:26 Hans zu Energiesparen
45:00 Streik bei Lufthansa
46:24 Wohngeld-Reform
51:34 Iran & Tunesien
53:32 Myanmar
55:45 Tilo zu türkischen Luftangriffen im Irak
58:35 Waffenlieferungen an die Ukraine
1:07:25 Hans zu Transparenz bei Waffenlieferungen
1:10:58 Minister Faeser und Heil in Kiew

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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 25. Juli 2022:

VORS. BUSCHOW eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS’IN HOFFMANN sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

BURGER: Guten Tag! Ich will Ihnen heute eine Reise der Außenministerin in dieser Woche ankündigen. Heute Abend wird Außenministerin Baerbock nach Prag reisen, wo sie morgen mit ihrem tschechischen Amtskollegen Jan Lipavský zusammentreffen wird. Nach dem Gespräch und einer gemeinsamen Pressekonferenz am Dienstagmorgen werden die beiden gemeinsam zur Gedenkstätte Lidice fahren, um dort der Opfer der Vernichtung des Dorfs Lidice im Juni 1942 durch deutsche Sicherheitskräfte zu gedenken. Die Außenministerin wird anschließend den Sitz von Radio Free Europe/Radio Liberty in Prag besuchen und sich dort mit Mitgliedern der Redaktion austauschen.

Am frühen Nachmittag wird die Außenministerin dann nach Bratislava weiterreisen, wo sie nach Ankunft die ukrainisch-slowakische Initiative SME SPOLU besuchen wird, die unter anderem Geflüchtete aus der Ukraine bei ihrer Ankunft und der Integration unterstützt. Im Anschluss daran wird die Außenministerin mit ihrem slowakischen Amtskollegen Ivan Korčok zu einem Gespräch zusammentreffen. Am Rande ist auch eine gemeinsame Pressebegegnung geplant.

Vielen Dank.

VORS. BUSCHOW: Mir wurde eine Vielzahl von Themen signalisiert. Am häufigsten wurde mir der Themenbereich Energie und die Debatte um Atomkraft genannt.

FRAGE: Wie ist die offizielle Position zu diesem Thema? Frau Brandner von den Grünen hat ja schon gesagt, man prüfe das jetzt.

Welchen Impact hat auch die Drohung der Südländer, morgen dem EU-Sparziel nicht zuzustimmen? Könnte man mit einer Verlängerung die Südländer noch besänftigen?

SRS’IN HOFFMANN: Das Thema heißt jetzt Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke, wenn ich es richtig sehe?

ZUSATZ: Ja.

SRS’IN HOFFMANN: Wir haben von dieser Stelle im Grunde keinen neuen Stand. Ich gebe gern gleich auch an die Kollegin vom BMWK ab. Aber bereits im Frühjahr hat durch BMWK und BMUV eine intensive Prüfung der Stromversorgung in Deutschland stattgefunden mit dem Ergebnis, dass die Stromversorgung auch unter angespannten Verhältnissen gesichert ist. Das BMWK hat jetzt noch ein weiteres Mal eine Prüfung unter besonders verschärften Bedingungen in Auftrag gegeben, ob auch dann ohne einen Weiterbetrieb von Atomkraftwerken über das Jahresende hinaus, das ja als Zeitpunkt des Atomausstiegs fest vereinbart ist, die Stromversorgung gesichert ist. Jetzt warten wir das Ergebnis dieses sogenannten Stresstests ab.

DR. BARON: Ich kann das nur noch einmal unterstreichen. Weiterhin gilt der Stand, den wir vor etwas mehr als einer Woche, am 17. Juli, vorgestellt haben. Wir haben im Frühjahr die Situation untersucht und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die drei noch am Netz befindlichen Atomkraftwerke keinen Beitrag zur Lösung des aktuellen Problems leisten können, das wir nämlich im Bereich von Gas und Wärme sehen und weniger im Strombereich. Aber wir haben am 17. Juli auch gesagt, dass wir in einer ernsten Lage den Bogen natürlich breiter spannen müssen und deswegen zur Absicherung der Versorgungssicherheit auf dem Strommarkt einen zweiten Stresstest mit noch einmal verschärften Annahmen rechnen.

Der erste Stresstest, der nach Beginn des russischen Angriffskriegs im Zeitraum von März bis Mai 2022 schon mit erweiterten Annahmen gerechnet wurde, ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Stromversorgungssicherheit weiterhin gewährleistet ist. Aber wir müssen dennoch alles abklopfen, rechnen einen zweiten Stresstest und entscheiden auf der Basis von Fakten und klaren Analysen. Diesen zweiten Stresstest rechnen wir jetzt zusammen mit den Übertragungsnetzbetreibern und warten die Ergebnisse ab.

Genau das hat ich sage das, weil Sie darauf Bezug nahmen auch die Parlamentarische Staatssekretärin Franziska Brantner gestern noch einmal dargestellt, dass nämlich der zweite Stresstest gerechnet wird und dass das noch einmal abgeklopft wird. Franziska Brantner hat dann auch noch einmal deutlich gemacht, dass wir nicht deutsche AKW länger laufen lassen, um quasi kaputte französische AKW auszugleichen. Das ist auch ganz klar die Haltung des Ministers. Was das betrifft, ist auch der Minister sehr klar.

FRAGE VON BULLION: Frau Baron, bitte erklären Sie noch einmal, was Sie eigentlich zu dem zweiten Stresstest veranlasst hat. Es muss ja eine große Besorgnis geben, vielleicht auch mit Blick auf Bayern, was die Sicherheit der Stromversorgung angeht. Können Sie bitte noch einmal erläutern, was Sie dazu motiviert hat und warum sich die Annahmen jetzt offenbar deutlich von denen im März unterscheiden.

Frau Hoffmann, wie steht eigentlich der Bundeskanzler zu der ganzen Atomfrage? Hält er es für eine gute Option, jetzt in einem Bundesland in den Streckbetrieb zu gehen? Es gibt ja insgesamt drei Atomkraftwerke. Ist das befristet? Was wird da überlegt?

SRS’IN HOFFMANN: Der Bundeskanzler hat sich wiederholt zum Atomausstieg bekannt, wie er in den Koalitionsverhandlungen vereinbart wurde. Es ist aber auch klar, dass die Regierung in diesem Falle, in der neuen Lage, in der wir uns befinden, völlig ideologiefrei und ergebnisoffen schaut, was vernünftig und angemessen ist. Insofern wartet auch der Bundeskanzler das Ergebnis dieses Stresstests ab. Es handelt sich hierbei das habe ich an dieser Stelle schon einmal gesagt um eine fachliche Frage, nicht um eine ideologische Frage. Insofern schauen wir uns jetzt an, wie die Sachlage ist.

DR. BARON: Da die Frage auch an mich gerichtet war, kann ich nur noch einmal unterstreichen, dass wir von Anfang an deutlich gemacht haben, dass wir auf der Grundlage klarer Analysen und Fakten entscheiden. Das Bundeswirtschaftsministerium ist quasi qua Amt das verantwortliche Ressort für die Gewährleistung der Stromversorgungssicherheit. Die Bundesregierung tut alles, damit das der Fall ist und damit dies auch im kommenden Winter der Fall sein wird. Deswegen wurde ein erster Stresstest im Zeitraum von März bis Mai 2022 unter verschärften Annahmen gerechnet, beispielsweise mit einem Gaspreis von 200 Euro je Megawattstunde, was ein sehr hoher Preis ist und damit schon verschärfte Annahmen zugrunde legt.

Aber natürlich müssen wir jede Situation abklopfen. Der russischen Seite kann man an dieser Stelle nicht trauen, wie die weitere Gaslieferung erfolgen wird. Sie findet weiterhin reduziert statt, obgleich es keinen technischen Anlass dafür gibt. Also müssen wir uns eben auf alle Szenarien vorbereiten. Daher ist es sinnvoll, einen zweiten Stresstest mit noch einmal verschärften Annahmen zu rechnen, der schaut, welchen noch höheren Gaspreis man in Szenarien zugrunde legen kann und welche Situation in Süddeutschland man sich noch einmal anschauen muss, wo die Situation vorliegt, dass weniger Erneuerbarenzubau und weniger Netzausbau erfolgt ist und wo es Gaskraftwerke gibt, aber wenige Kohlekraftwerke. Natürlich müssen wir auch noch einmal die Lage in den Blick nehmen der erste Stresstest hat dies bereits getan, aber man muss es dennoch noch einmal rechnen , dass weniger französische Atomkraftwerke am Netz sind. Aktuell ist die Lage so, dass ca. die Hälfte der französischen Atomkraftwerke am Netz ist und ins Netz einspeist.

Diese gebündelten Szenarien werden noch einmal gerechnet, um wirklich alles abzuklopfen. Denn es ist die Aufgabe, die Versorgungssicherheit für den kommenden Winter so gut, wie es geht, zu gewährleisten.

ZUSATZFRAGE VON BULLION: Was genau darf in Bayern denn nicht passieren? Können Sie das konkretisieren? Können notfalls einige Industriebetriebe abgeschaltet werden, aber in keinem Fall Krankenhäuser, oder gibt es nach dem Abschaltplan ein Szenario, das für Sie nicht hinnehmbar wäre?

DR. BARON: In diesen Szenarien muss natürlich immer die geltende gesetzliche Lage unterstellt werden. Es gilt die europäische SoS-Verordnung. Das ist, wie gesagt, kein rein deutsches Regelwerk, sondern ein europäisches Regelwerk, das klar geschützte Kundengruppen definiert, das sagt, dass es geschützte Kundengruppen gibt, Krankenhäuser, soziale Einrichtungen, die privaten Endkunden, die beliefert werden müssen. Für diese wird natürlich Gaslieferung und Ersatzbeschaffung unterstellt, indem man technisch einen höheren Gaspreis pro Megawattstunde zugrunde legt.

Aber natürlich muss in Szenarien die geltende europäische Rechtsgrundlage zugrunde gelegt werden, um diese Szenarien berechnen zu können.

FRAGE LANGE: Frau Baron, ich habe eine Frage zu den Sicherheitsüberprüfungen, wenn man die drei AKW im sogenannten Streckbetrieb, den Frau Göring-Eckardt ins Spiel gebracht hat, am Netz beließe. Die letzte Sicherheitsüberprüfung ist 13 Jahre alt. In Ihren Papieren steht, man müsste bei einem Weiterbetrieb ab 1. Januar 2023 zwingend neue Sicherheitsüberprüfungen vornehmen. Wie lange dauerte das, oder könnten die AKW erst einmal so weiterlaufen, wobei man in Kauf nähme, eventuell Sicherheitsrisiken einzugehen?

DR. BARON: Dazu würde ich an die Kollegen abgeben, da die Frage der Sicherheitsüberprüfung im Atomgesetz geregelt ist.

STOLZENBERG: Sie sprechen die periodische Sicherheitsüberprüfung an, die PSÜ, die seit 13 Jahren nicht stattgefunden hat. Normalerweise ist ein Turnus von zehn Jahren vorgesehen. Erfahrungsgemäß handelt es sich dabei um einen sehr aufwendigen Prozess, der sich durchaus über mehrere Monate und Jahre erstrecken kann. Wie das in der jetzigen Situation zu bewerkstelligen wäre, wäre Spekulation.

Wichtig ist zu wissen, dass Atomkraftwerke ohne eine PSÜ nicht weiterlaufen können. Das wäre atomrechtlich in Deutschland, aber auch europarechtlich nicht möglich.

FRACKE WACKET: An beide: Jetzt haben wir die ganze Zeit über die Stresstests gesprochen. Das ist sozusagen die Perspektive rein auf den Strom. Aber im Frühjahr gab es noch eine weitere Untersuchung, an der auch das Ministerium für Reaktorsicherheit beteiligt war. Danach hieß es, dass ein Weiterbetrieb auch aus Sicherheitsgründen nicht möglich sei. Das scheint, wenn ich es richtig sehe, im BMWK jetzt völlig ausgeblendet zu werden. Jedenfalls war davon jetzt keine Rede mehr.

DR. BARON: Das ist natürlich nicht ausgeblendet. Deshalb hatte ich auf die Lage am 17. Juli hingewiesen, wo wir das noch einmal dargestellt hatten. Aber ich wiederhole auch gern diesen Passus.

ZUSATZ WACKET: Ich kann es anders formulieren. Wenn der zweite Stresstest so ausfiele, dass aus Energiesicherheitsgründen ein Weiterbetrieb infrage käme, wäre doch nach wie vor die Frage der Reaktorsicherheit nicht geklärt. Aber sie wurde in der Untersuchung im Frühjahr eigentlich schon beantwortet.

DR. BARON: Das ist richtig. Vielleicht führe ich es deshalb doch noch einmal aus. Wie gesagt, hatten wir uns die Frage angeschaut und waren zu dem Ergebnis gekommen, dass wir ein Gasproblem und ein Wärmeproblem haben, bei dem die Atomkraftwerke, jedenfalls in Bezug auf das Heizen, nicht helfen können. Deswegen waren die Analysen im März in der Risiko-Nutzen-Analyse zu dem Ergebnis gekommen, dass es angesichts der hohen Sicherheitsrisiken in der Risiko-Nutzen-Abwägung kein sinnvoller Schritt wäre, die Laufzeit der Atomkraftwerke zu verlängern. Natürlich muss am Ende immer eine Risiko-Kosten-Analyse getroffen werden.

Der Stresstest betrachtet die Frage der Stromversorgungssicherheit. Das können die Übertragungsnetzbetreiber leisten, die diesen Test für das Bundeswirtschaftsministerium rechnen. Dann muss auf Basis der Fakten entschieden werden. Diese Entscheidung ist dann aber natürlich eine politische Entscheidung und muss auf Basis von Kosten-Nutzen-Analysen getroffen werden.

ZUSATZ WACKET: Dann ist die Reaktorsicherheit nur noch eine Variable in der Analyse.

DR. BARON: Man hat hohe Sicherheitsrisiken, die man in Abwägung stellen muss. Die Analyse im März ist zu dem klaren Ergebnis gekommen, dass es kein sinnvoller Schritt wäre, weil die Sicherheitsrisiken hoch wären.

FRAGE JESSEN: Meine erste Frage geht an das BMU. Der Hinweis auf Atomrecht bedeutet nach meiner Kenntnis korrigieren Sie mich, wenn es nicht so ist , dass bei geltender Rechtslage nach dem 31. Dezember in Deutschland kein Atomkraftwerk weiterbetrieben werden darf, und zwar egal, was Stresstests oder Ähnliches ergeben. Das Recht sagt: Es darf kein Atomkraftwerk weiterbetrieben werden.

Wenn diese Annahme richtig ist, bedeutet es, dass das Atomrecht vom Gesetzgeber, dem Bundestag, geändert werden müsste, um möglicherweise eine nochmalige Erweiterung, Stichwort „Streckbetrieb“, über drei Monate zu gewähren. Ist das richtig interpretiert?

STOLZENBERG: Rechtlich hat sich an der Situation nichts geändert. Nach der jetzt geltenden Gesetzeslage steigt Deutschland Ende 2022 aus der Atomkraft aus. Wenn man in die Situation käme das ist ein deutlicher Konjunktiv , dass wir AKWs in irgendeiner Weise zu gegebener Zeit länger laufen lassen müssten, müsste man auch rechtliche Änderungen vornehmen.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Meine zweite Frage geht an Frau Baron. Die bisherige Argumentation war immer, dass AKW keine Wärme, sondern Strom lieferten. Gleichwohl gehört zu den Fakten doch auch, welchen Anteil Gaskraftwerke derzeit an der Erzeugung von Strom im Grundlastbetrieb haben. Das könnte durch weiterlaufende AKW kompensiert werden. Wie hoch ist also der Anteil von Gas, der im Moment dafür sorgt, dass auch in der Grundlast Strom erzeugt wird? Das ist eine entscheidende Größe in der Abwägung.

DR. BARON: Diese Zahl müsste ich Ihnen nachreichen. Aber noch einmal: Wir nutzen in dem System, das wir aktuell haben, Gaskraftwerke in erster Linie, um sogenannte Spitzenlasten abzufedern. Für anderes dienen andere Energieträger. Es sind Erneuerbare im Netz, wenn die Sonne scheint oder der Wind weht. Um den Gasverbrauch zu reduzieren, kommen auch Kohlekraftwerke zum Einsatz, die beides leisten können. Insofern kommen im aktuellen Strommarktdesign Gaskraftwerke, weil sie schnell anfahrbar sind, für Spitzenlastabdeckung und abfederung zum Einsatz.

Wir prüfen, ob wir eine genaue Zahl haben. Ich müsste sie Ihnen nachliefern.

FRAGE MÄURER: Wer wird für den Fall, dass AKWs über den 1. Januar hinaus betrieben werden, die Haftung für die Betriebsrisiken übernehmen? Wird es der Bund sein?

DR. BARON: Dafür muss ich den Kollegen bitten. Diese Fragen sind, wie gesagt, im Atomgesetz und den darauf folgenden Regelungen, den öffentlich-rechtlichen Verträgen, geregelt.

Noch einmal: Jetzt warten wir die Ergebnisse des Stresstests ab und entscheiden dann, was zu tun ist.

STOLZENBERG: Ich würde mich dem anschließen wollen. Ich denke, das Wichtige ist, dass wir den Stresstest abwarten und schauen müssen, wie dann die Lage ist, um zu schauen, welche Optionen wir haben.

Ich würde gern an das erinnern, was wir auch hier öfter gesagt haben. Betreiber sagen uns, dass sie für eine längere Laufzeit von AKWs nicht die Haftung übernehmen wollen. Nach den bisherigen Aussagen würden sich die Betreiber ab dem 1. Januar 2023 nicht in der Rolle derjenigen sehen, die die Haftung übernehmen.

ZUSATZFRAGE MÄURER: Ab wann rechnen Sie mit dem Ergebnis des Stresstests?

STOLZENBERG: Das müsste die Kollegin vom BMWK sagen.

DR. BARON: Entschuldigung für das Pingpong! Wir haben den Test am 17. Juli sozusagen beauftragt. Wir können das nur im Zusammenhang mit den Übertragungsnetzbetreibern berechnen. Das Ergebnis wird in den nächsten Wochen vorliegen. Ich kann das jetzt nicht genauer spezifizieren. Aber natürlich sind sich alle Beteiligten darüber im Klaren, dass es Zeitdruck gibt und mit Hochdruck gerechnet werden muss. Dies geschieht auch.

FRAGE JUNG: Herr Stolzenberg, ich habe noch nicht ganz verstanden, wozu Sie als Ministerium überhaupt den zweiten Stresstest abwarten wollen, wenn die Gesetzeslage eindeutig ist. Sie selbst haben gesagt, dass es ohne periodische Sicherheitsüberprüfung keine Verlängerung geben könne und dass die PSÜ Monate, wenn nicht sogar Jahre dauere. Dafür ist es doch jetzt schon zu spät.

STOLZENBERG: Das werden wir dann sehen, wenn wir die Situation haben. Vielleicht ergibt der Stresstest ja, dass wir gar keine AKWs weiterbetreiben müssen. Deshalb weise ich nur darauf hin, dass man überhaupt einmal schauen muss, ob man denn in eine Situation kommt, in der man eine Neubewertung vornehmen muss.

Für eine solche Neubewertung gibt es derzeit keinen Anlass. Deshalb gilt für uns, was vor allem auch die genehmigungsrechtlichen Bedingungen und die Fragen der Sicherheitsüberprüfung angeht, nach wie vor das, was wir im März gesagt haben.

Ich denke, die Situation muss man dann sehen. Ob man neue Wege findet, kann ich nicht sagen. Ich denke, es ist einfach wichtig, zu schauen, ob man überhaupt in der Situation sein wird, über weiterlaufende AKWs zu sprechen. Deshalb verweise ich immer auf den Stresstest, weil man dann die Situation kennt.

ZUSATZFRAGE JUNG: Aber selbst dann, wenn der Stresstest irgendwie positiv im Sinne von „Man könnte verlängern“ ausfällt, ist es doch jetzt schon zu spät, wenn ich Sie richtig verstanden habe, die PSÜ einzuleiten. Alles andere würde doch die Sicherheit relativieren.

STOLZENBERG: Das ist ein naheliegender Gedanke, aber ich denke, es führt wirklich in den Bereich der Spekulation, zu sagen, welche Wege man dann vielleicht noch finden würde oder ob es wirklich komplett ausgeschlossen ist. Deshalb würde ich sagen: Wir müssen schauen, welche Situation und welche Anforderung wir haben. Man muss, wie es die Kollegin vom BMWK ja auch gesagt hat, eine Risiko-Nutzen-Abwägung treffen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Was wäre denn die schnellstmögliche PSÜ?

STOLZENBERG: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Das sind komplexe Prozesse. Man müsste zum Beispiel auch schauen, was die Betreiber vielleicht schon erledigt haben. Dann müsste man tatsächlich in die Details einsteigen. Ich denke nicht, dass irgendwo vorgesehen ist, dass man das sozusagen mit einer PSÜ light schneller machen kann, sondern das müsste man dann jeweils in dieser Sondersituation betrachten.

Aber im Augenblick gilt, dass die Anforderungen sehr hoch sind. Ich werbe in dieser Diskussion dafür, dass man die Sicherheitsbedenken nicht als etwas Nachrangiges betrachtet, sondern tatsächlich als etwas Ausschlaggebendes, um zu schauen, wie es mit den AKWs weitergeht.

FRAGE DUDIN: Herr Stolzenberg, ich versuche es in dieselbe Richtung. Denn es ist keine Spekulation, sondern es geht darum, eine informierte Debatte führen zu können.

Haben Sie Szenarien auf dem Tisch zu liegen, oder haben Sie dafür noch gar nicht vorgearbeitet und warten erst den Stresstest ab?

STOLZENBERG: Ausschlaggebend, was genehmigungsrechtliche und Sicherheitsbedenken angeht, ist für uns der Prüfvermerk und seine Ergebnisse vom März. Insofern bleiben wir erst einmal bei der Einschätzung zu diesem Thema. Es kann ja sein, dass es nach dem Ende des Stresstests eine andere politische Bewertung gibt. Aber das bleibt abzuwarten.

ZUSATZFRAGE DUDIN: Haben Sie also noch keine Szenarien auf dem Tisch zu liegen?

STOLZENBERG: Im Augenblick gab es keinen Anlass für eine Neubewertung, die diesen Prüfvermerk irgendwie aktualisieren sollte.

FRAGE DR. VITZTHUM: Frau Baron, Sie sagten, man werde keine deutschen AKWs länger laufen lassen, um kaputte französische zu ersetzen. Das klingt nach einer Vorfestlegung für diesen Stresstest. Ist es also eine Prämisse, die man anlegt, keine deutschen weiterlaufen zu lassen, wenn die Franzosen unseren Strom bräuchten, oder wäre es nicht im Rahmen der europäischen Solidarität notwendig, das zumindest mit zu bedenken?

DR. BARON: Das haben wir deutlich gemacht. Ich denke, man muss die Debatten trennen. Natürlich gibt es europäische Solidaritätsverpflichtungen, und natürlich halten wir diese ein. Sie bewegen sich aber auf einer anderen Ebene. Deshalb darf man die Debatten nicht vermischen.

Es gibt die europäische SoS-Verordnung, die die Mitgliedsstaaten dazu verpflichtet bzw. anhält, Gassolidaritätsabkommen zu schließen. Diese Prozesse laufen in den verschiedenen Mitgliedsstaaten. Dabei geht es darum, in den jeweiligen Nachbarstaaten denn nur von Nachbarstaat zu Nachbarstaat macht es Sinn zu schauen, mit wem man Gassolidaritätsabkommen schließen kann, um im Fall von Gasmangellagen Durchleitungsrechte in Gasleitungen zu sichern. Das ist aber sehr auf das Problem fokussiert, nämlich das Problem, das wir haben und das sich aktuell im Gasmarkt abspielt. Wir sind dabei. Wir haben in Deutschland Solidaritätsabkommen mit Österreich und Dänemark geschlossen. Der Minister war vor einigen Tagen in Polen. Dort sind wir in Gesprächen und haben eine erste gemeinsame Erklärung zur Energiesicherheit vereinbart, um den Prozess hin zu einem Solidaritätsabkommen weiter voranzutreiben. Aber noch einmal: Dabei geht es um die Fragen von Gas und Durchleitungsrechten in Gasleitungen, weil das im Fall einer Gasmangellage zentral ist.

ZUSATZFRAGE DR. VITZTHUM: Ist dann die Erklärung der österreichischen Energieministerin, den Speicher Haidach in Anspruch zu nehmen, Teil dieser Gasmangellagevereinbarung, oder ist das eine einseitige Erklärung der Österreicher?

DR. BARON: Der Gasspeicher Haidach öffnet sozusagen noch ein drittes Feld, was eine andere Ebene ist. Mit Österreich haben wir, wie gesagt, ein bestehendes Gassolidaritätsabkommen. Zusätzlich haben wir mit Österreich vor einigen Tagen, als der Minister in Wien war, eine weitere Erklärung abgeschlossen, in der sich beide Staaten dazu verpflichten, bei den Gasspeichern zusammenzuarbeiten. Das betrifft Gasspeicher in Österreich, nämlich Haidach und 7Fields, weil beide an das deutsche Gasnetz angeschlossen werden.

Das, was Österreich heute erklärt hat, ist, ehrlich gesagt, in der Sache nichts Neues. Das hat es schon vor einigen Tagen erklärt, dass es nämlich den Gasspeicher Haidach zusätzlich auch an das österreichische Gasnetz anschließen will. Der deutsche Anschluss ist davon nicht berührt. Aber es kommt ein zusätzlicher österreichischer Anschluss hinzu, um für beide Länder einen Ausgleich zu schaffen. Beide Länder haben sich dazu verpflichtet, bei der Befüllung dieser Gasspeicher zusammenzuarbeiten.

FRAGE JESSEN: Frau Dr. Baron, werden Sie, wenn der Stresstest unter verschärften Annahmen und Bedingungen abgeschlossen sein wird, die verschärften Annahmen, die Ergebnisse und den Prozess öffentlich transparent machen, sodass das nachvollziehbar sein wird?

DR. BARON: Ja, das werden wir tun. Ich kann noch einmal darauf verweisen, dass wir auf der Website auch die Ergebnisse des ersten Stresstests und die ihm zugrunde gelegten Annahmen veröffentlicht haben. Wir werden auch die Ergebnisse und die Annahmen des zweiten Stresstests veröffentlichen.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Ich habe noch eine Nachfrage an das BMUB. Mir ist es jetzt eigentlich immer noch nicht klar. Geht Ihr Haus davon aus, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt ein sicherer Betrieb der AKW über den 31. Dezember hinaus nicht stattfinden kann? Das ist eine einfache Ja-oder-Nein-Antwortmöglichkeit.

STOLZENBERG: Zum jetzigen Zeitpunkt gehen wir davon aus, dass Deutschland aus der Atomkraft aussteigt. Dementsprechend wurde zum Beispiel auch die periodische Sicherheitsüberprüfung geändert bzw. wurde eine Ausnahme zugelassen. Sie wäre zuletzt 2019 nötig gewesen. Wir sind heute im Jahr 2022. Das heißt, dass man damals mit Blick auf den Atomausstieg tatsächlich schon gesagt hat: Wir gehen ein bisschen mehr ins Risiko.

Aber die AKWs können nur bis Ende 2022 laufen. So ist die gesetzliche Lage ausgerichtet; so sind auch die Sicherheitseinschätzungen ausgerichtet. Der Prüfvermerk von März 2022 hat das noch einmal unterstützt. Das heißt, dass wir vor sehr hohen Sicherheitshürden stehen.

FRAGE TUCHEL: Frau Baron, die Kohlekraftwerke, die jetzt als Ersatzkraftwerke im Gespräch sind und auch dazu aufgerufen worden sind, wieder in den Markt zurückzukehren, stehen jetzt ja vor relativ großen Herausforderungen. Unter anderem wird Kohle für 30 Volllasttage verlangt. Gibt es Gespräche zwischen der Bundesregierung und den Kraftwerksbetreibern bzw. Pläne, den Kraftwerksbetreibern dabei zu helfen. Da sind ja große finanzielle Aufwendungen erforderlich.

Noch eine zweite kurze Frage, was diese Kraftwerke anbelangt: Wann rechnen Sie mit dem Markteintritt? Gibt es möglicherweise schon erste Kraftwerke, die wieder laufen oder bei denen Sie wissen, wann der Markteintritt stattfindet? Was für Rückmeldungen haben Sie da eigentlich bekommen?

DR. BARON: Ich würde mit dem Kohlethema beginnen und würde im zweiten Teil gerne noch etwas korrigieren, weil ich mich hinsichtlich des Solidaritätsabkommens an einer Stelle versprochen habe.

Zur Kohle und den Kohlekraftwerken: Es gibt hier verschiedene Reserven, die relevant werden. Es gibt die gesetzliche Grundlage im sogenannten Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz, das dazu dient, Kohlekraftwerke, die sich in der Reserve befinden, auf Abruf wieder in den Strommarkt zu lassen, um eben den Verbrauch von Gas im Stromsektor zu reduzieren.

Am 14. Juli ist eine erste Verordnung in Kraft getreten, die es erlaubt, Steinkohlekraftwerke aus der Netzreserve zurück in den Strommarkt zu holen. Das ist quasi seit dem 14. Juli möglich; diese Verordnung ist also am 14. Juli in Kraft getreten, und ab da ist es möglich, dass Steinkohlekraftwerke wieder in den Markt zurückkehren. Bei Braunkohle ist die Lage etwas anders: Da sieht das Gesetz vor, dass Braunkohlekraftwerke in einer neuen Sicherheitsbereitschaft – so heißt das Instrument – ab dem 1. Oktober dieses Jahres wieder in den Markt zurückkehren können. Da wird also noch etwas Zeit vergehen. Die entsprechende Verordnung ist in der Vorbereitung.

Natürlich haben Sie Recht, dass Vorbereitungsarbeiten nötig sind, um Kraftwerke, die bisher nur in der Reserve waren, sozusagen wieder fit für den Strommarkt zu bekommen. Wir sind im Austausch mit den Kraftwerksbetreibern, und das schon seit einigen Monaten. Das Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz ist ein Gesetz, das wir im Juni im Kabinett verabschiedet haben, und seitdem laufen auch die Gespräche mit den Betreibern, um sozusagen Vorbereitungsarbeiten zu treffen und wieder dafür zu sorgen, dass ausreichend Mitarbeiter zur Verfügung stehen und dass die Kohlevorräte angelegt sind. Da laufen die Gespräche und auch die Vorbereitungsarbeiten.

Wie gesagt, für den Bereich Braunkohle gibt es noch die Zeit bis zum 1. Oktober, und bei der Steinkohle ist es seit dem 14. Juli wieder möglich, dass diese Kraftwerke im Strommarkt tätig werden.

ZUSATZFRAGE TUCHEL: Ich spreche jetzt nur von den Steinkohlekraftwerken, die nach dem Gesetz ja bereits laufen dürften: Wie sind bisher die Rückmeldungen? Was denken Sie, wie viele von den angefragten Kraftwerken Sie in den Markt zurückbekommen?

Um noch einmal diese Frage aufzugreifen: Planen Sie da irgendeine Form von Unterstützung? Denn diese Kraftwerke sind dann ja auch wieder voll im Markt, also auch mit Risiko für die Kraftwerksbetreiber. Plant die Bundesregierung da zum Beispiel noch eine Haftungsübernahme oder irgendetwas Ähnliches?

DR. BARON: Wie gesagt, die Gespräche mit den Kraftwerksbetreiben laufen, und wir gehen davon aus, dass das jetzt Schritt für Schritt auch umgesetzt wird. Natürlich ist es am Ende die Entscheidung des Kraftwerksbetreibers. Allein die Situation am Markt zeigt natürlich, dass es sich rein wirtschaftlich lohnt, die Steinkohlekraftwerke wieder in Betrieb zu nehmen, weil man damit aktuell einfach gut Geld verdienen kann und damit ein wirtschaftlicher Anreiz dafür vorhanden ist.

Wir haben jetzt noch keine Liste – bzw. ich müsste im Zweifel noch einmal prüfen, ob wir die schon haben – derer, die sich zurückgemeldet haben; das habe ich jetzt nicht im Kopf. Aber wie gesagt, der finanzielle Anreiz im Markt ist vorhanden, diese Kraftwerke zu nutzen.

FRAGE JUNG: Haben Sie denn schon die Klimakosten ausgerechnet, die damit verbunden sind, die Kohlekraftwerke wieder hochzufahren bzw. weiterlaufen zu lassen? Es gibt ja schon Berechnungen, wie viele zusätzliche Emissionen es durch mehr Kohlekraft geben wird.

DR. BARON: Die Reserven werden ja dann gestartet, wenn es notwendig ist, und sind klar zeitlich befristet. Zudem sind auch die Emissionszertifikate, die im europäischen Zertifikatehandel vorhanden sind, in der Menge gedeckelt, und im Zweifel entstehen dann eben höhere Kosten, wenn die Zertifikatemenge nicht eingehalten werden kann.

ZUSATZFRAGE JUNG: Ich bezog mich jetzt auf die Emissionen selbst – temporär Kohle verbrennen ist ja immer noch Kohle verbrennen, und wir sollten da gar nicht mehr emittieren. Wissen Sie denn, wie viele Tonnen CO2 uns das jetzt kosten wird?

DR. BARON: Ich müsste prüfen, ob wir eine Zahl dafür haben. Klar ist, dass in der kurzen Frist Kohlekraftwerke natürlich höhere Emissionen ausstoßen. Deshalb ist das Instrument klar zeitlich befristet. Ich möchte auch noch einmal betonen: Das ändert nichts daran, dass wir den Kohleausstieg insgesamt bis 2032 weiter vorantreiben – das ändert es klar nicht.

Ich möchte noch kurz etwas zum Thema Solidaritätsabkommen korrigieren: Wir haben Solidaritätsabkommen mit Österreich und Dänemark und wir sind in Gesprächen mit Polen und Italien. Dann habe ich das falsche Land genannt: Mit Tschechien sind wir ebenfalls in Gesprächen, und mit Tschechien hatte der Minister in Prag eine gemeinsame Erklärung zur Energiesicherheit verabschiedet. Das war also mit Prag, nicht mit Polen; das hatte ich falsch dargestellt, das bitte ich zu entschuldigen.

FRAGE FISCHER: Frau Baron, zum Thema Nord Stream 1: Ich würde gerne wissen, wie der Stand bei der Auslieferung der Gasturbine ist. Da hieß es ja zwischenzeitlich, sie sei in Köln angekommen und hänge da jetzt fest. Wo ist die Gasturbine im Moment? Sind alle Formalitäten für die Auslieferung geklärt? Wie ist der Stand?

DR. BARON: Bei der Gasturbine muss ich noch einmal darauf hinweisen, dass hier klare Sicherheitsfragen berührt sind und wir deswegen keine Auskunft darüber geben, wo sich die Turbine wann befindet. Da muss ich leider um Verständnis bitten. Es liegen aber alle rechtlichen Voraussetzungen, was EU-sanktionsrechtliche Fragen betrifft, vor. Die kanadische Ausnahmegenehmigung ist erteilt und es fällt nicht unter die EU-Sanktionen. Auch das ist also geklärt, und es ist allen Beteiligten mitgeteilt worden, dass der Transport dieser Turbine nicht unter die europäischen Sanktionen fällt. Siemens hat auch mehrfach erklärt, dass es alles tut und dass alle Unterlagen zur Verfügung stehen, die notwendig sind. Meldungen der russischen Seite kommentiere ich an dieser Stelle nicht, und ich muss noch einmal um Verständnis bitten, dass wir aus Sicherheitsgründen keine Angabe darüber machen können, wo sich die Turbine wann befindet.

ZUSATZFRAGE FISCHER: Warum ist sie dann noch nicht ausgeliefert worden, wenn die Formalitäten soweit geklärt sind?

DR. BARON: Um diese Frage beantworten zu können, müsste ich Ihnen ja mitteilen, wo sie sich gerade befindet – ob sie noch in Kanada ist, ob sie in Deutschland ist. Das kann ich aber nicht tun, weil wir da wirklich Bedenken haben, dass eine Gefahrenlage entstehen könnte, und da eben Sicherheitsfragen berührt sind.

FRAGE LANGE: Frau Baron, ich hätte noch eine Nachfrage zum Gasspeicher Haidach: Bei dem Treffen von Herrn Habeck mit seiner österreichischen Amtskollegin, das Sie erwähnt haben, ist ja die gemeinsame Erklärung unterzeichnet worden, und in dieser Erklärung steht mit Bezug auf Haidach, man wolle ein bilaterales Abkommen abschließen, um die gemeinsamen Bemühungen zur Befüllung zu operationalisieren. Was ich nicht verstanden habe: Ist das jetzt noch einmal ein neues Abkommen? Ist bei dieser Erklärung schon eingepreist gewesen, dass Österreich sich aus diesem Speicher Haidach selbst auch bedient?

DR. BARON: Ja, es ist richtig, es wird dazu sozusagen noch eine weitere Erklärung geben, die dann aufteilt, wie die beiden Länder, Deutschland und Österreich, sich die Aufgaben aufteilen, um die Speicherbefüllung vorzunehmen.

Das, was Österreich heute mitgeteilt hatte, ist sozusagen nichts Neues; es war uns also bekannt, dass eine weitere Anschlussleitung gebaut werden soll, die den Anschluss an das österreichische Netz ermöglicht. Weiterhin bleibt der Speicher aber auch an das deutsche Netz angeschlossen.

FRAGE ALVAREZ: Eine Frage zum Thema Energiesparen an Frau Hoffmann: Bundespräsident Steinmeier hat angekündigt, dass das Schloss Bellevue nachts nicht mehr beleuchtet wird, um Strom zu sparen. Könnte sich die Bundesregierung etwas Ähnliches für das Kanzleramt vorstellen?

SRS’IN HOFFMANN: Ich dachte schon, ich werde hier heute gar nicht mehr gebraucht, also vielen Dank für die Frage! – Zu diesem speziellen Thema kann ich Ihnen jetzt tatsächlich nichts sagen, außer dass der Bundeskanzler deutlich gemacht hat, dass Energiesparen vor allem auch mit Blick auf Gas ein Anliegen ist. Es ist auch ein Anliegen für alle Häuser der Bundesregierung, und wir überprüfen, was da möglich ist und was angebracht ist.

FRAGE STRATMANN: Gibt es denn noch weitere konkrete Energiesparmaßnahmen, die in den Ministerien vielleicht angedacht sind?

SRS’IN HOFFMANN: Wir sind hier ja auf zwei Ebenen unterwegs: einmal auf der deutschen und einmal auf der europäischen.

Auf der europäischen Ebene hat die EU-Kommission in der vergangenen Woche ja den Gaseinsparplan vorgelegt. Über den werden die Energieminister am 26. Juli beraten.

Für die deutsche Ebene haben, glaube ich, neben Bundesminister Habeck auch der Bundeskanzler und verschiedene andere Minister auf die Bedeutung des Energiesparens hingewiesen. Das BMWK hat dazu auch schon seit längerer Zeit Vorschläge im Netz stehen. Das sind die Maßnahmen, die jetzt ergriffen worden sind. Darüber hinaus gibt es mittlerweile eine ganze Reihe von Gesetzesänderungen, die auch auf Energiesparen zielen, und Bundesminister Habeck hat am vergangenen Donnerstag ja noch weitere angekündigt. Da ist also schon ein großes Paket vorhanden, und natürlich ist das ein fortlaufender Prozess.

FRAGE JESSEN: Frau Hoffmann, an die Bürger kann man nur appellieren – wie ist es intern in der Bundesregierung? Gibt es da auch die Appelle „Spart Strom/Energie!“, oder gibt es da konkrete Vorschriften, die Einsparungen bewirken?

SRS’IN HOFFMANN: Wir haben uns an dieser Stelle schon häufiger dazu geäußert, welche Maßnahmen da möglich sind und welche Maßnahmen einzelne Häuser auch schon ergriffen haben. Das fängt damit an, Warmwasser in den Küchen und den Bädern abzuschalten und sich dann nur noch mit kaltem Wasser die Hände zu waschen usw. Es haben also bereits Häuser Maßnahmen ergriffen, und natürlich ist das etwas, was dann auch speziell mit Blick auf den Winter ständig überprüft und angepasst wird.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Das heißt, das sind dann verpflichtende, verbindliche Maßnahmen innerhalb der einzelnen Häuser?

SRS’IN HOFFMANN: Nach meiner Kenntnis entscheidet das jedes Haus für sich und nicht die Bundesregierung für alle Häuser. Aber wenn eine Hausleitung etwas beschließt, dann ist das verpflichtend, ja.

FRAGE: Zu dem Treffen der Energieminister: Der Europäische Rat hat einen eigenen Gaseinsparplan vorgeschlagen, und viele Experten meinen, dass angesichts der vielen Ausnahmen, die der Plan beinhaltet, mit diesem Plan das 15-Prozent-Ziel nicht erreichbar sei. Wird die Bundesregierung den Plan des Europäischen Rats bei dem Treffen am 26. Juli unterstützen?

SRS’IN HOFFMANN: Vielen Dank für die Frage. Da kann ich den Beratungen, die am 26. Juli abgehalten werden, nicht vorgreifen; insofern kann ich dazu jetzt leider nichts sagen.

FRAGE WACKET: Wenn ich den Wirtschaftsminister richtig verstanden habe, hat er doch schon gesagt, dass er das unterstützt?

DR. BARON: Ich kann vielleicht gern ergänzen: Morgen findet der Energierat statt, und da wird die Beratung aufgenommen. Es handelt sich aktuell um einen Vorschlag der Europäischen Kommission, Gas einzusparen und für mehr Solidarität zwischen den europäischen Mitgliedstaaten zu sorgen. Das hat Minister Habeck ausdrücklich begrüßt.

Darüber hinaus schlägt die Kommission ein breites Portfolio an Maßnahmen vor. Sie schlägt im Industriebereich beispielsweise vor, über Auktionen Anreize zu setzen; sie schlägt stärkere Solidaritätsvorkehrungen vor; sie hat aber auch Maßnahmen wie die höhere Sensibilisierung der Verbraucher oder das Aufmerksammachen von Verbrauchern in ihrem Portfolio genannt. Insofern ist das ein Portfolio, das zum einen legislative Vorschläge enthält, zum anderen aber auch weiche Steuerungsinstrumente. Dieses Portfolio wird jetzt im Rat zum ersten Mal beraten, und bis daraus dann ein Legislativvorschlag wird, der dann sozusagen auch von Rat und Parlament beschlossen werden muss, ist das ein Prozess. Dieser Prozess ist jetzt gestartet, und morgen im Rat findet die erste Beratung dazu statt.

Aber ja, es ist richtig: Minister Habeck unterstützt, dass europäische Solidarität in diesen Zeiten wichtiger ist denn je, und er unterstützt auch das Bekenntnis zum Gassparen.

SRS’IN HOFFMANN: Ich kann das vielleicht noch durch ein Zitat des Bundeskanzlers ergänzen, das im Grunde in dieselbe Richtung geht. Er hat am Freitag in seiner Pressekonferenz anlässlich der Rettung von UNIPER gesagt:

„Die Europäische Kommission hat mit ihrem Vorschlag die Richtung schon vorgegeben. Für uns alle ist es wichtig, dass wir jetzt mit größter Geschwindigkeit darüber nachdenken, wie man insbesondere Gas einsparen kann. Viele sind sowieso dabei und haben längst Investitionen geplant. Gut, wenn man sie jetzt vorziehen kann, wenn das möglich ist. Das wäre ein ganz wichtiger Beitrag.“

FRAGE WACKET: Wahrscheinlich an das Verkehrsministerium: Die Gewerkschaften haben für Mittwoch einen Streik bei der Lufthansa angekündigt. Zerstört das nicht die Pläne und die Überlegungen der Regierung, das Chaos an den Flughäfen zu beenden?

ALEXANDRIN: Herr Wacket, wie Sie wissen, herrscht in Deutschland Tarifautonomie. Deswegen lässt sich die Bundesregierung grundsätzlich nicht zu diesen Tariffragen ein. Was die Lösungsmaßnahmen der Betreiber an den Flughäfen betrifft, würde ich Sie bitten, sich an die Unternehmen zu wenden.

FRAGE LANGE: An das Wohnungs- und Bauministerium: Es geht um die Äußerung des Bundeskanzlers vom Freitag, der eine große Wohngeldreform angekündigt hat. Was steckt dahinter?

Noch ganz speziell gefragt: Der Kanzler hat davon gesprochen, dass man Studierenden einen Heizkostenzuschuss bewilligen wolle. Ist das das, was im ersten Entlastungspaket schon beschlossen wurde, oder kommt das noch obendrauf?

STEFFEN: Vielleicht fange ich ein bisschen von vorne an, auch wenn wir uns kurzhalten sollen: Das Wohngeld gibt es seit über 55 Jahren; das ist also wirklich ein etabliertes Instrument.

Weil viele es nicht wissen, sage ich vielleicht noch einmal kurz, wie man bzw. wer Wohngeld bekommt: Das Wohngeld ist abhängig vom Gesamteinkommen der zu berücksichtigenden Haushaltsmitglieder, von der monatlichen Miete bzw. Belastung und von der Zahl der zu berücksichtigenden Haushaltsmitglieder. Das Wohngeld wird damit in jedem Einzelfall auf die individuelle Situation der Haushalte zugeschnitten. Das ist also sehr passgenau und kommt genau da hin, wo es hinmuss. So erhöht sich das Wohngeld zum Beispiel, wenn die Anzahl der Kinder steigt oder das Einkommen sinkt. In der anderen Richtung ist es genauso, das heißt, wenn die Kinder ausziehen oder das Einkommen steigt, verringert sich eben auch das Wohngeld.

Vielleicht noch etwas – wir haben auch vor, das zu popularisieren, weil viele Menschen gar nicht wissen, dass sie Anspruch auf Wohngeld haben können -: Auf Wohngeld besteht ein Rechtsanspruch. Jeder, der die Voraussetzungen erfüllt, sollte seinen Anspruch daher auch geltend machen. Die Einzelheiten finden Sie unter anderem bei uns auf der Seite des BMWSB zum Wohngeld. Da gibt es eine Broschüre und vor allen Dingen den Wohngeldrechner, mit dem man sehr schnell berechnen kann, ob man einen Anspruch hat.

Vielleicht noch kurz: Die letzte Wohngeldreform war im Jahr 2020. Wir haben frühzeitig erkannt, dass es eigentlich spätestens bis 2024 eine neue Wohngeldreform geben muss – ein Vierjahresturnus ist auch relativ üblich; die vorletzte Reform war 2016 -, weil die Energiekosten steigen, das Wohngeld aber nicht, und Personen dann in die Grundsicherung rutschen würden. Das heißt, daran haben wir mit Neugründung des Ministeriums schon gearbeitet.

Eines der ersten Themen bei uns ist auch die Dynamisierung gewesen; die kam zum 1. Januar 2022. Für einen Zweipersonenhaushalt sind das heute 200 Euro. Auch der Heizkostenzuschuss fällt in dieses ganze Paket. Darin waren auch die Studierenden, aber auch – nicht zu vergessen – die Auszubildenden aufgenommen. Das liegt jetzt nicht bei uns, sondern beim BAföG; wir haben das aber zusammen gestaltet. Durch uns sind damals beim Heizkostenzuschuss rund 620 000 Wohngeldhaushalte begünstigt worden, und die Summe ist verdoppelt worden.

Vielleicht noch zu dem, was da möglich wäre: Im Koalitionsvertrag steht, dass das Wohngeld gestärkt werden soll und eine Klimakomponente eingeführt werden soll. Die Klimakomponente bezieht sich auf den riesigen Sanierungsstau in Deutschland, was die Wohngebäude anbetrifft. Das heißt, wenn ein Gebäude saniert wird, dann steigen auch die Kosten, und deshalb müssen Mieterinnen und Mieter, die Anspruch auf Wohngeld haben, auch dort unterstützt werden. Darüber hinaus gibt es eine Dynamisierung, die alle zwei Jahre stattfindet – das nächste Mal also 2024. Ein dritter Baustein wäre der Heizkostenzuschuss, der von Bundeskanzler Olaf Scholz als Pauschale bezeichnet wurde.

ZUSATZFRAGE LANGE: Was ich immer noch nicht ganz verstanden habe: Was ist denn jetzt neu an der Ankündigung des Kanzlers bzw. welche dieser Maßnahmen soll jetzt helfen? Es geht darum, dass den Leuten jetzt bzw. in der kommenden Heizperiode geholfen wird, und nicht erst 2024. Was ist über die Maßnahmen für die Studierenden, die Rentnerinnen und Rentner usw. hinaus also konkret geplant und schon beschlossen worden, um die Bürgerinnen und Bürger zu unterstützen? Was ist neu?

STEFFEN: Ich kann mich immer nur auf die Bezieher von Wohngeld beziehen und kann das nicht global sagen. Das sind eben Menschen, die arbeiten gehen, aber deren Einkommen zu gering ist, um das Wohngeld tragen zu können. Es gibt jetzt den Heizkostenzuschuss und es gibt verschiedene andere Maßnahmen im Rahmen des Entlastungspaketes. Die Wohngeldreform als solche ist eben insofern neu, als sie noch nicht für den 1. Januar 2023 manifestiert wurde und im Koalitionsvertrag auch noch nicht in der Gestalt als Reform festgelegt wurde, wie es jetzt beschlossen wurde.

FRAGE AIASH: Zur Lage im Iran: Vorgestern hat das iranische Regime 25 Menschen hingerichtet, von denen 17 Oppositionelle waren. Was ist Ihre Stellungnahme dazu?

BURGER: Herr Aiash, zu den Meldungen aus Iran muss ich Ihnen die Antwort nachliefern. Sie kennen die Haltung der Bundesregierung zur Todesstrafe: Die lehnen wir immer und unter allen Umständen ab. Zu den Meldungen, von denen Sie gerade gesprochen haben, habe ich keinen aktuellen Informationsstand. Deswegen muss ich Ihnen die Antwort dazu nachreichen.

FRAGE AIASH: Was sagen Sie zu den Protesten in Tunesien gegen den tunesischen Präsidenten?

BURGER: Die Bundesregierung hat wiederholt ihre Zweifel mit Blick auf den seit vergangenem Sommer eingeschlagenen Kurs des Präsidenten Saied zum Ausdruck gebracht. Auch auf europäischer Ebene hat zuletzt am 11. Juli der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell im Rahmen aller Mitgliedstaaten eine entsprechende Erklärung abgegeben. Auf jeden Fall gilt es jetzt das Ergebnis abzuwarten und es dann zu analysieren.

Unabhängig von diesem Ergebnis halten wir weiterhin einen nationalen Dialog, an dem alle Teile der tunesischen Bevölkerung beteiligt sind, für den besten Weg, um die Errungenschaften der tunesischen Demokratie seit 2011 zu bewahren. Man darf auch nicht vergessen, dass Tunesien zudem vor enormen wirtschaftlichen, finanziellen und sozialen Herausforderungen steht. Umso mehr müssen Dialog und Konsens im Vordergrund stehen, um diesen Herausforderungen begegnen zu können.

FRAGE DUDIN: Eine ähnliche Frage zu einem anderen Land: In Myanmar sind vier Dissidenten hingerichtet worden und damit zum ersten Mal seit Jahrzehnten wieder Todesurteile vollstreckt worden. Was ist die Reaktion der Bundesregierung darauf, Herr Burger? Wird über weitere Sanktionen nachgedacht?

BURGER: Vielen Dank für die Frage. Die Bundesregierung verurteilt die Hinrichtungen durch die Militärjunta in Myanmar auf das Schärfste. Dass mit dem Demokratieaktivisten Kyaw Min Yu, genannt Ko Jimmy, und dem früheren Abgeordneten Phyo Zeya Thaw zwei prominente Vertreter der demokratischen Opposition hingerichtet wurden, zeigt die Verachtung des Militärs für die demokratischen Bestrebungen des eigenen Volkes. Beide hatten sich furchtlos für ein freies und demokratisches Myanmar eingesetzt und dafür nun mit dem Leben bezahlt. Unsere Gedanken sind bei den Familien der Hingerichteten und bei den vielen anderen Menschen, die seit dem Militärputsch im Februar 2021 in Myanmar getötet, verhaftet oder gefoltert worden sind.

Die Junta hat mit der Vollstreckung der Todesurteile einen neuen traurigen Tiefpunkt ihrer Gewaltherrschaft erreicht und zeigt ihre vollkommene Verachtung für die Menschenrechte. Wir rufen das Militär in Myanmar dazu auf, von weiteren Hinrichtungen abzusehen und das jahrzehntelang geachtete Moratorium über die Vollstreckung der Todesstrafe umgehend wieder in Kraft zu setzen. Die Junta muss ihre Gewalt gegen das eigene Volk unverzüglich beenden, eine friedliche Lösung durch Dialog ermöglichen, die politischen Gefangenen freilassen und vollen und ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe gewähren.

Wir unterstützen die Vermittlungsbemühungen von ASEAN und der Vereinten Nationen und stehen fest an der Seite der überwältigenden Mehrheit der Menschen in Myanmar, die sich eine Rückkehr zu Freiheit und Demokratie wünschen.

ZUSATZFRAGE DUDIN: Wird über weitere Sanktionen nachgedacht?

BURGER: Sie wissen, dass wir im Rahmen der Europäischen Union bereits seit dem Militärputsch im Februar 2021 Sanktionen ergriffen haben. Sicherlich werden wir auch mit den europäischen Partnern darüber sprechen, welche weitere Reaktion von europäischer Seite jetzt richtig ist.

FRAGE JUNG: Auch zur Außenpolitik, und zwar zum Thema Irak bzw. Türkei. Morgen findet eine UN-Sicherheitsratssitzung zum Thema türkische Aggression statt.

Herr Burger, es geht um den Angriff auf einen Touristenort im kurdischen Gebiet des Irak, wo acht irakische Araber getötet wurden. Es geht, wie gesagt, im UN-Sicherheitsrat um die türkische Aggression. Die Bundesregierung hat bisher lediglich gefordert, dass „die Umstände des Angriffs und die Verantwortung für diesen dringend aufgeklärt werden müssen“. Sie wissen also noch nicht, dass es die Türkei war. Richtig?

BURGER: Herr Jung, Sie haben offensichtlich unsere Pressemitteilung gelesen. Ich kann sie noch einmal paraphrasieren:

Wir haben diesen Angriff auf zivile Ziele in der Provinz Dohuk, bei dem mehrere Menschen gestorben sind und viele weitere verletzt wurden, klar verurteilt. Angriffe auf Zivilisten sind vollkommen inakzeptabel; ihr Schutz muss immer die höchste Priorität haben. Wir fordern, dass die Umstände des Angriffs und die Verantwortung für diesen Angriff aufgeklärt werden.

Die Bundesregierung misst dem Respekt für staatliche Souveränität des Irak und der Achtung des Völkerrechts größte Bedeutung bei. Deshalb werden wir Irak einschließlich der Region Kurdistan-Irak insbesondere in Sicherheitsbelangen und der Stabilisierung des Landes weiterhin unterstützen.

Wir wissen Sie wissen es sicher auch , dass es in der Vergangenheit wiederholt auch zivile Opfer durch türkische Militäroperationen in Nordirak gegeben hat. Es ist aus Sicht der Bundesregierung festzuhalten, dass es ein Selbstverteidigungsrecht gibt. Allerdings setzt das Völkerrecht diesem Selbstverteidigungsrecht auch klare Grenzen. Aus unserer Sicht muss die Türkei deshalb Zweifel an der Rechtmäßigkeit ihres Handelns in Irak ausräumen und die von ihr geltend gemachte Selbstverteidigungslage auch belegen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Hat das, was Sie zum Schluss gesagt haben, mit dem Angriff letzte Woche zu tun? Sie haben ja gerade wiederholt, dass Sie offenbar noch nicht wissen, wer für diese Luftangriffe verantwortlich ist. Die Türken zeigen mit dem Finger auf die PKK. Ist denn der Bundesregierung bekannt, dass die PKK Luftangriffe fliegen kann? Das Ding ist: Sie zeigen noch nicht mit dem Finger auf den Täter. Warum nicht?

BURGER: Wie gesagt, aus unserer Sicht ist es wichtig, dass es hier eine für alle nachvollziehbare, transparente Aufklärung gibt, damit die ganze Welt Klarheit darüber hat, von wem dieser Angriff ausgegangen ist.

Weil Sie im breiteren Kontext nach dem Vorgehen der Türkei im Nordirak gefragt haben, habe ich Ihnen dazu noch einmal ausgeführt, wie unsere grundsätzliche völkerrechtliche Einordnung des türkischen Vorgehens im Nordirak ist.

FRAGE HAUCK: Über das Wochenende war es nicht nur Frau Strack-Zimmermann, sondern es gab auch aus anderen Regierungsparteien Stimmen, die direkte Waffenlieferungen an die Ukraine gefordert haben. Unter anderem können sich das auch der FDP-Generalsekretär oder Frau Göring-Eckardt vorstellen. Deshalb die Frage an die Regierungssprecherin: Letztendlich entscheidet der Kanzler. Außer der üblichen Begründung, dass man das im Geleitzug mit Partnernationen macht, welche anderen Gründe stehen denn direkten Waffenlieferungen aus Sicht des Kanzleramts entgegen?

Eine Zusatzfrage zum Stichwort Ringtausch: Es funktioniert ja nicht so ganz, die Bestände der Länder aufzufüllen. Haben Sie Zahlen, wie viele Panzer des Typs T-72 oder eines anderen Typs mittlerweile von diesen Ländern an die Ukraine geliefert worden sind?

SRS’IN HOFFMANN: Was Waffenlieferungen angeht, steht dem nichts entgegen. Deutschland liefert in großem Umfang Waffen in die Ukraine. Wir haben darüber ja auch eine Liste öffentlich gemacht. Wie gesagt, dem steht nichts entgegen.

Was das Thema Ringtausch angeht, halten wir uns mit Einzelheiten über Mengen, über den Verhandlungsstand usw. zurück. Das hat der Kollege Hebestreit an dieser Stelle auch schon erklärt. Ich kann Ihnen aber sagen, dass wir über eine Reihe von Ringtauschen mit unseren Partnern im engen Austausch sind, dass diese Gespräche sehr konstruktiv verlaufen und zum Teil auch schon sehr weit fortgeschritten sind. Unsere Partner gehen davon aus, dass wir dort zu einer Einigung, zu einem Abschluss kommen werden. Und das tun wir auch.

ZUSATZFRAGE HAUCK: Entschuldigung, dass ich so unkonkret gewesen bin. Dann konkretisiere ich es: Stichwort „schwere Waffen“, Stichwort „Panzer“, Marder und Leopard 1 bis 2. Was spricht aus Sicht der Bundesregierung dagegen, diese Waffen direkt an die Ukraine zu liefern?

SRS’IN HOFFMANN: Deutschland liefert auch schwere Waffen direkt an die Ukraine. Darüber habe ich ja hier auch schon informiert. Es gibt Zusagen für die Lieferung weiterer schwerer Waffen. Dem steht nichts entgegen.

FRAGE FISCHER: Frau Hoffmann, ich würde gerne direkt einhaken. Bedeutet das, dass der Bundeskanzler auch offen für die Lieferung von Kampf- und Schützenpanzern in die Ukraine ist, oder ist das nach wie vor ein Tabuthema? Bisher hat der Kanzler immer gesagt: Wir machen das, was die Bündnispartner machen? Bisher gibt es ja kein NATO-Land, das Kampfpanzer westlicher Bauart in die Ukraine liefert.

Ganz konkret die Frage: Ist der Kanzler offen für solche Lieferungen von Kampf- und Schützenpanzern, wie das von Frau Göring-Eckardt und auch vonseiten der FDP gefordert wird?

Dann würde ich zum Thema Ringtausch wissen wollen, mit welchen Ländern verhandelt wird und welche Vereinbarungen schon abgeschlossen worden sind. Das ist hier schon mehrfach gefragt, aber nie ganz konkret beantwortet worden. Gibt es überhaupt schon Ringtauschvereinbarungen? Mit welchen Ländern wird verhandelt?

SRS’IN HOFFMANN: Was die erste Frage angeht, müssen Sie mir noch einmal helfen, weil ich gedanklich beim Ringtausch gewesen bin. Das war so viel.

ZUSATZFRAGE FISCHER: Kampf- und Schützenpanzer. Ist der Kanzler dafür oder ist er offen dafür? Ist das für ihn eine Option?

Vielleicht noch: Wird das jetzt konkret geprüft? Die Forderungen gehen ja auch dahin, seitens der Bundesregierung direkte Lieferungen solcher Waffen zu überprüfen.

SRS’IN HOFFMANN: Es gibt keine Änderung der Grundsätze unserer Lieferungen, die wir hier erläutert haben, dass wir das in enger Absprache mit unseren Verbündeten tun. Es ist so, dass wir die Lieferung der Gepard-Panzer beschlossen haben und wir darüber hinaus hier nur das ankündigen, was wir tatsächlich beschlossen haben. Dazu kann ich Ihnen jetzt nichts Weiteres mitteilen. Aber grundsätzlich haben sich unsere Prinzipien nicht verändert.

ZUSATZFRAGE FISCHER: Zu den Ringtauschen: Mit welchen Ländern wird verhandelt? Gibt es schon Vereinbarungen?

SRS’IN HOFFMANN: Da muss ich noch einmal um Verständnis bitten. Es gibt Gründe dafür, warum wir das hier nicht alles auflisten können. Einige Verhandlungen zum Beispiel mit Polen, mit Slowenien usw. sind ja bekannt geworden und zu denen haben wir uns schon geäußert. Wir haben uns also zu bestimmten Ringtauschen, über die verhandelt wird, schon geäußert. Es gibt aber Gründe, warum wir jetzt keine vollständige Liste vorlegen können.

ZUSATZFRAGE FISCHER: Ich würde gerne das BMVg zu dem Thema befragen.

Herr Collatz, die Verteidigungsministerin hat sich Mitte Mai sehr konkret zu einem Ringtausch geäußert, nämlich mit Tschechien. Es wurde gesagt, Tschechien soll 15 Panzer des Typs Leopard 2 A4 für die Lieferung von 20 T-72-Panzern in die Ukraine bekommen. Ich würde gerne wissen, ob es dazu tatsächlich eine konkrete Vereinbarung gibt, die abgeschlossen worden ist oder ob das damals nur eine Absichtsbekundung war.

Eine weitere Frage: In der letzten Regierungspressekonferenz, also am vergangenen Mittwoch, wurde vonseiten des BMVg gesagt, dass es mit der Slowakei einen Ringtausch gebe, bei dem es um Luftabwehrsysteme gehe. Es wurde gesagt, dass die Lieferung von Patriot-Systemen zugesagt worden ist. Handelt es sich dabei tatsächlich um einen Ringtausch oder geht es dabei um die Stationierung der Bundeswehreinheiten in der Slowakei?

COLLATZ: Vielen Dank, Herr Fischer, dass ich Gelegenheit habe, das noch einmal deutlich zu machen. Ich fange mit dem letzten Punkt an. Tatsächlich haben wir mit der Slowakei vereinbart – das ist im Zuge eines Ringtauschverfahrens aufzuführen , dass wir Fähigkeiten bereitstellen. Es ist nicht so, dass wir Patriot-Flugabwehrsysteme geliefert hätten, sondern wir haben unsere eigenen Kräfte dort stationiert. Im Gegenzug hat die Slowakei ihre S-300 Flugabwehrsysteme der Ukraine übergeben. Das ist der Sachstand. Das ist aus meiner Sicht ein Beispiel für einen erfolgreichen Ringtausch.

Was Tschechien angeht, ist es so, dass wir angeboten haben und gerne bereit sind, die 15 Leopard 2 zur Verfügung zu stellen. Ich müsste noch einmal nachfragen, ob es in diesem Zusammenhang noch weitere Gesprächsgegenstände gibt oder ob das Paket inzwischen abgeschlossen ist. Darüber habe ich derzeit keinen Überblick. Ich müsste das nachliefern.

FRAGE: Frau Hoffmann, mit welcher Begründung werden die Panzer, die unsere Bündnispartner wie zum Beispiel Polen nicht haben wollen, dann eben nicht an die Ukraine geliefert? Könnten Sie das noch einmal wiederholen?

SRS’IN HOFFMANN: Die Frage des Ringtausches und die Frage der direkten Waffenlieferungen an die Ukraine sind zwei unterschiedliche Vorgänge. Was die direkten Waffenlieferungen an die Ukraine angeht, gelten die Prinzipien, die ich eben schon erläutert habe.

Was diesen Ringtausch mit Polen angeht, sind wir optimistisch, dass es tatsächlich noch zu einer Einigung kommen wird. Deutschland ist daran interessiert, dass es zu dieser Einigung kommt und wir Polen dann auch diese Panzer liefern können.

ZUSATZFRAGE: Was hat denn Deutschland vor, wenn Polen, wie jetzt schon mehrfach wiederholt, sagt „Wir wollen diese Panzer gar nicht haben“?

SRS’IN HOFFMANN: Auf einen so spekulativen Ansatz würde ich mich jetzt hier nicht einlassen. Wir sind, wie gesagt, zuversichtlich und hoffen, dass es zu einer Einigung mit Polen kommt.

FRAGE JESSEN: Zum Thema Ringtausch. Frau Hoffmann, die Bundesregierung betont ja, dass sie transparenzorientiert sei. Am 22. Juni war hier in der Bundespressekonferenz die Frage aufgekommen, ob es analog zur Transparenzliste A der direkten Waffenlieferungen auch eine Transparenzliste B, nämlich die Ringtausche, geben könne. Dazu hat Herr Hebestreit gesagt: Wenn er hier ein besonderes Interesse wahrnehme, was er wahrgenommen hat, werde er das noch einmal diskutieren lassen. Darf Ihre Antwort jetzt so verstanden sein, dass sich die Bundesregierung nach Diskussionen dagegen entschieden hat, eine solche Ringtauschtransparenzliste auch vorzulegen?

SRS’IN HOFFMANN: Nein, das würde ich nicht sagen. Wir überprüfen ständig, ob Transparenz möglich ist, weil es natürlich auch in Wahrheit unser Interesse ist, das so transparent wie möglich zu machen. Es gibt nur manchmal Gründe, warum das schwierig ist, weil dann zum Beispiel Verhandlungen blockiert würden, weil möglicherweise Partner auch kein Interesse an der Transparenz haben usw. Da kann es verschiedene Gründe geben, von Sicherheit bis Verhandlungen usw. Das ist aber auf keinen Fall ein abschließender Beschluss, sondern wir überprüfen das ständig und versuchen, so viel wie möglich zu informieren.

ZUSATZ JESSEN: Die bisherige Transparenzliste A ist aber auch eine solche, die dann aufgefüllt oder upgedatet wird, wenn konkrete Ergebnisse vorliegen.

SRS’IN HOFFMANN: Ja.

ZUSATZ JESSEN: Das ist das bisherige Verfahren. Das könnte doch aber auch für die Ringtausche als eigene Liste gemacht werden. Wenn das beim ersten Verfahren möglich ist, sollte es doch beim zweiten Verfahren genau nach den gleichen Kriterien möglich sein. Dann müsste es aber eine solche Ringtauschliste geben. Die gibt es aber bislang nicht.

SRS’IN HOFFMANN: Wie gesagt, es gibt Gründe, dass es sie nicht gibt. Es tut mir wirklich leid, dass ich Ihnen dazu jetzt nicht mehr sagen kann. Ich hoffe, dass ich Ihnen eines Tages hier mal erklären können werde, warum es jetzt nicht möglich ist, dazu mehr zu sagen. Es ist im Moment leider so. Aber alles, was wir verantwortbar öffentlich machen können, werden wir öffentlich machen.

FRAGE JUNG: Sind die Gründe geheim?

SRS’IN HOFFMANN: Man kann es so ausdrücken, dass die Gründe der Sache schaden würden.

FRAGE: Es gibt gerade eben die Meldung, dass die ersten Gepard-Panzer inklusive Munition in der Ukraine angekommen sind. Können Sie das bestätigen? Es sollen laut des ukrainischen Verteidigungsministers drei Gepard-Panzer angekommen sein. Ist das die erste Teillieferung?

COLLATZ: Ich kann das nicht bestätigen und würde es auch nicht tun.

SRS’IN HOFFMANN: Ich kann im Moment auch nichts dazu sagen. Diese Information ist offenbar während der Konferenz eingetroffen.

FRAGE VON BULLION: Ich habe eine Frage an das BMI. Die Bundesinnenministerin ist mit Herrn Heil nach Kiew gefahren. Was machen die da eigentlich? Was macht in diesen Tagen die Präsenz von zwei Bundesministern dort notwendig?

LAWRENZ: Ich kann das gerne bestätigen. Die Bundesinnenministerin ist heute mit dem Bundesarbeitsminister in Kiew und Umgebung, um sich vor Ort einen Eindruck von den Geschehnissen zu machen. Sie trifft dort vor allem ihre Amtskollegen aus dem Innenressort, und Herr Heil trifft entsprechend auch seine Amtskollegen.

ZUSATZFRAGE VON BULLION: Machen sie da irgendetwas, außer zu reden?

LAWRENZ: Sie führen Gespräche.

ZUSATZFRAGE VON BULLION: Okay, aber sie bringen nichts mit oder so?

LAWRENZ: Das kann ich Ihnen nicht sagen.

ZUSATZ VON BULLION: Es hätte ja sein können. Technisches Hilfswerk oder so.

LAWRENZ: Wenn es irgendetwas gibt, was mitgebracht wurde, reichen wir das nach.

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