Themen: Messerangriffe in Kanada, mögliche Verlängerung der Laufzeiten bestehender AKW, drittes Entlastungspaket, Ausbau des Schienenverkehrs, Forderungen von Speditionen nach einem LNG-Rettungsschirm, kalte Progression, COVID 19-Impfstoff für die Omikronvariante
Themen:
00:00 Beginn
00:35 Kanada | Messer-Angriffe
00:59 Energie | Entlastungspaket 3
26:58 Technisches Problem, Sorry!
27:37 Energie | Entlastungspaket 3
45:01 Kosovo | Serbien
47:25 Bundeswehr im Indopazifik
48:59 Energie | Entlastungspaket 3
52:19 Energie | Ukraine | Atom-Strom
53:48 Energie | Versorgungslage
56:10 Haushaltsentwurf | Verkehr | Investitionen Schiene
59:00 Energie | Transport-Branche
01:01:20 Kalte Progression
01:02:30 Corona/COVID-19 | Impfstoff
01:03:31 Ende
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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 5. September 2022:
VORS. WOLF eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt STS HEBESTREIT sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.
STS HEBESTREIT: Die Nachricht von den brutalen Messerangriffen in der kanadischen Provinz Saskatchewan mit vielen Toten und Verletzten am vergangenen Sonntag, also gestern, erschüttert den Bundeskanzler und die Bundesregierung sehr. Sie erfüllt sie auch mit tiefer Trauer. Unsere Gedanken sind bei den Hinterbliebenen der Opfer. Den Verletzten wünschen wir rasche und vollständige Genesung.
VORS. WOLF: Dann kommen wir zu dem Themenkomplex von Energie und Entlastungspaket.
STS HEBESTREIT: Darf ich ganz kurz ich weiß, dass es ganz viele neugierige Fragen dazu gibt vorab vielleicht etwas um Verständnis bitten? Die Bundesregierung bzw. die Spitzen der sie tragenden Koalition haben am Wochenende sehr intensiv dazu getagt und viele umfassende Entscheidungen getroffen, die sie gestern auch in einer Pressekonferenz dargestellt haben. Wenn Sie jetzt auf Fachfragen kommen, muss ich sagen, dass vielfach in den Häusern jetzt auf Grundlage der Entscheidung vom Wochenende angefangen wird, das genau zu begucken und umzusetzen.
Insofern würde ich gern ein bisschen um Verständnis dafür bitten, dass wir heute, am Montag um 11.30 Uhr, viele Fragen noch nicht konkreter beantworten können, als es gestern auf der Pressekonferenz im Bundeskanzleramt der Fall war.
Dies vielleicht als Disclaimer vorab.
FRAGE DR. RINKE: Wir sind davon ausgegangen, dass die Entscheidungen am Wochenende auf Grundlage des Fachwissens in den Ministerien getroffen wurden. Deshalb die Nachfragen.
Ich beginne mit dem Thema der AKW. Frau Baron, können Sie uns sagen, ob noch heute mit dem Ergebnis des Stresstest gerechnet werden kann und ob es eine Verlängerung der Laufzeit der drei Atomkraftwerke gibt?
DR. BARON: Ich muss um etwas Geduld bitten. Wir werden Sie in Kürze über die weitere Zeitplanung informieren. Aber ich muss mit Stand von jetzt um etwas Geduld bitten.
ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Heißt „in Kürze“ noch heute?
DR. BARON: Das kann ich jetzt noch nicht näher eingrenzen, bitte aber noch um etwas Geduld.
FRAGE: Frau Baron, es ist jetzt die Rede von einem Basisstromverbrauch, der vergünstigt abgesichert werden soll. Wie wird eigentlich ermittelt, was solch ein Basisstromverbrauch ist? Geht es dabei um Kategorien wie Familien mit zwei Kindern? Wird das nach Haushalt berechnet? Wie wird so etwas ermittelt?
DR. BARON: Ja, genau, da müssen wir die Maßnahmen in der Tat noch näher ausbuchstabieren.
Ich möchte aber noch einmal betonen, dass die Maßnahmen rund um den Strompreis natürlich sehr wichtige Maßnahmen im Entlastungspaket sind. Minister Habeck hat sich gestern dazu auch noch einmal in schriftlicher Form zu Wort gemeldet und betont, dass wir diese Fragen, also das Abschöpfen der Zufallsgewinne, um eben Spielraum zu haben, um das an die Kunden weiterzugeben, jetzt nicht auf die lange Bank schieben, sondern dass es in einem ersten Schritt Diskussionen dazu mit den EU-Energieministerinnen und ministern schon am 9. September, also noch in dieser Woche, geben wird, um diese Fragen auch im europäischen Kontext aufzunehmen, da das europäische Strommarktdesign auch im europäischen Kontext diskutiert werden muss.
Der nächste Schritt wird es dann sein, die Mechanismen mit Blick auf die Kunden durchzubuchstabieren und auszubuchstabieren. Denn das Ziel ist es, wie Sie es beschrieben haben, für den Basisstromverbrauch eine Strompreisbremse einzuführen, damit man in diesem Bereich vor unkalkulierbaren Preissprüngen geschützt ist. Wenn man hingegen mehr verbraucht, dann ist sozusagen jeder selbst gehalten, seinen Stromverbrauch im Blick zu haben. Wie es genau ausbuchstabiert wird, muss man sehen. Man muss auch genau hinschauen, was realistisch umsetzbar ist, wo also auch welches Wissen in Haushalten vorherrscht. Man weiß ja, wenn man über Haushalte redet, nicht, wie viele Personen in einem einzelnen Haushalt leben. Insofern muss es natürlich so ausbuchstabiert werden, dass es am Ende auch umsetzbar ist.
Mehr kann ich heute noch nicht ins Detail gehen.
FRAGE JESSEN: Frau Baron, eine solche Berechnung eines Basisstromverbrauchs hängt von mindestens drei Variablen ab, nämlich erstens der Frage, wie hoch man den Basisstromverbrauch einschätzt, zweitens der Frage, wie viel Geld zur Verfügung steht, und drittens der Frage, bei welchem Betrag gedeckelt werden soll.
Von woher rechnen Sie? Ist das „top down“, indem Sie sagen: „Wir gehen von einer Summe X aus, die wir zur Verfügung stellen können, und legen das dann um“, oder gehen Sie „bottom up“ vor, indem Sie sagen: „Wir berechnen jetzt, wie hoch der Basisstromverbrauch ist, setzen politisch eine Höchstgrenze und sehen dann, wie viel Geld wir dafür akquirieren können“?
DR. BARON: Noch einmal: Ich muss um Geduld bitten. Ich kann diese Fragen heute noch nicht beantworten. Es ist natürlich das Ziel, mit realistischen Verbrauchsgrößen, mit einem realistischen Verbrauchswert zu rechnen. Was dann das Verhältnis sein wird, die Personenzahl, die Haushaltsgröße, das muss man noch sehen. Aber all diese Fragen kann ich Ihnen heute noch nicht beantworten.
Wie gesagt, wird es in einem ersten Schritt die Diskussion im Rat der Energieminister geben. Zu diesen Modellen und diesen Tarifmodellen gibt es natürlich auch schon sehr viele vorhandene Vorschläge, die aus der Wirtschaftswissenschaft geäußert werden. All das werden wir uns natürlich anschauen und dann schnell zu Vorschlägen kommen.
ZUSATZFRAGE JESSEN: Meine Frage zielte auf eine fundamentale, grundsätzliche Herangehensweise. Diese Frage, so finde ich, müssten Sie eigentlich schon beantworten können. Gehen Sie von Verbrauchsmengen und einer zumutbaren Höchstgrenze aus, oder gehen Sie von einem Etat aus, den Sie dann herunterrechnen?
DR. BARON: Wie gesagt, kann ich nicht ins Detail gehen. Aber noch einmal: Das Ziel ist es, Verbrauchsgrößen anzunehmen, die einen realistischen Verbrauch abbilden. Es hilft ja nicht, eine Verbrauchsmenge in den Raum zu stellen, die für den klassischen Vierpersonenhaushalt nicht ausreichend wäre. Deshalb muss es eine realistische Abbildung sein. Aber für Auskünfte über die genaue Methodik und Vorgehensweise muss ich um Geduld bitten.
FRAGE NIENABER: Ich habe eine Verständnisfrage zur Ausgestaltung an Frau Baron. Soll dieses Mindestkontingent, das zu einem garantierten Preis verbraucht werden kann, für jeden Haushalt gelten oder nur für Haushalte mit einem geringen Einkommen? Wird also noch eine zusätzliche Ebene eingeführt, um das erklärte Ziel der Bundesregierung zu erreichen, besonders die Haushalte und Familien zu entlasten, die es „nicht so dicke“ haben?
DR. BARON: Auch das kann ich nicht abschließend beantworten. Auch das wird diskutiert und dann in einen konkreten Vorschlag gegossen.
FRAGE LEHMANN: In dem Papier wird auch von einem Grundkontingent im Wärmebereich gesprochen. Gegen einen sogenannten Gaspreisdeckel gab es fachliche Bedenken. Vielleicht können Sie noch einmal erläutern, welcher Art diese fachlichen Bedenken waren.
Dann ist die Rede von einer Expertenkommission, die zeitnah eingesetzt werden solle. Können Sie umreißen, was zeitnah bedeutet und wer diese Kommission koordiniert?
DR. BARON: Es gab gestern ja durchaus auch Pressekonferenzen zur Erläuterung des gestern vorgestellten Pakets und verschiedene Erläuterungen dazu. Dort wurden auch diese Fragen schon erörtert.
Noch einmal zum Unterschied bei Strom und Gas: Bei Strom gehen wir den Weg, zu sagen: Wir haben ein europäisches System der sogenannten Merit-Order und der Einsatzreihenfolge von Stromerzeugungsarten, das aktuell dazu führt, dass das Gaskraftwerk mit den hohen Preise von Gas immer das preissetzende Kraftwerk ist, wodurch die Preise nach oben schießen. Die negativen Effekte dieses Modells wollen wir abschöpfen, indem wir diese Zufallsgewinne aus dem Markt herausnehmen. Denn Produzenten von beispielsweise erneuerbarem Strom, von Braunkohlestrom, von Atomstrom produzieren zu relativ gleichbleibenden und geringeren Produktionskosten, bekommen durch den Effekt, dass das Gaskraftwerk den Preis setzt, aber einen Zufallsgewinn, der nicht mehr zu rechtfertigen ist und dann als Zufallsgewinn aus dem Markt genommen und im Endergebnis den Endverbrauchern zugeführt werden soll. Das ist die Situation bei Strom.
Bei Gas ist die Situation eine andere. Bei Gas haben wir den europäischen Beschluss einer Einsatzreihenfolge oder einer Merit-Order so nicht und deswegen eine andere Situation. Deswegen muss man hier anders vorgehen und sich noch einmal anschauen, was bei Gas eine kluge Vorgehensweise sein kann. Auch da wird man sie nicht allein national beschreiten können, sondern muss wahrscheinlich auch hierbei Abstimmungen vornehmen oder zumindest Größenordnungen in der europäischen oder internationalen Abstimmung erreichen, damit dabei sinnvolle Vorschläge herauskommen. Deshalb macht es Sinn, sich bei Gas die Prozesse noch einmal genauer anzuschauen die Mechanismen funktionieren eben anders als bei Strom und diese Expertenkommission einzusetzen. Auch da kann ich jetzt noch nicht vorwegnehmen, wer die Mitglieder sein werden.
Allen ist klar, dass Handlungsdruck da ist. Deswegen ich sage es noch einmal wird im Bereich von Strom bereits am 9. September mit den EU-Energieministerinnen und ministern gesprochen werden.
FRAGE DR. RINKE: Frau Baron, auch zur Strompreisbremse: Auf welche Größe schätzen Sie das Volumen man kann es ja nur schätzen , das abgeschöpft werden soll?
Müssen dann alle zahlen? Denn dann sind auch die Erzeuger erneuerbarer Energien mit dabei, deren Struktur ja eine ganz andere ist. Es gibt ein paar große Konzerne, die auf diesem Feld tätig sind, aber es gibt eben auch Kommunen, Kreise, Landkreise, Einzelpersonen. Fallen all diese auch unter diese Regelung, oder gibt es einen gewissen Mindestumsatz, ab dem das Abschöpfen erst beginnt?
DR. BARON: Auch da müssen wir uns die Details noch anschauen. Aber im Grundsatz so steht es auch im gestrigen Papier geht es natürlich um alle Produzenten.
Gestern kam mehrfach die Frage auf, ob es nur um die Produzenten von erneuerbarer Energie gehe. Nein, so ist es natürlich nicht, und so steht es auch nicht in dem Papier, sondern es geht um die Produzenten von erneuerbarem Strom, aber auch von Atomstrom und Kohlestrom, da bei diesen dieser Effekt zum Tragen kommt. Genau darum, diesen zu adressieren, geht es ja. Wie die genaue Ausgestaltung erfolgt, wird jetzt erarbeitet.
Ich wäre jetzt auch mit Schätzungen zurückhalten. Auch dazu würde ich keine Zahlen in den Raum werfen, bevor wir seriöse Angaben dazu machen können.
FRAGE VON DER BURCHARD: Frau Baron, zum Gaspreisdeckel: Wollen Sie die Expertenkommission auf europäischer Ebene oder auf nationaler Ebene einrichten?
Wie schnell soll sie eingesetzt werden? Die Kommissionspräsidentin hat schon gefordert, dass der Gaspreisdeckel kommen soll. Ich meine, das war am Freitag bei der CSU-Sitzung. Es klang ja schon so, als ob das jetzt schneller gehen solle, vielleicht schon am nächsten Freitag.
Noch eine Zusatzfrage, wenn das nicht zu sehr ins Detail geht: Nach der deutschen Einigung gab es gestern für diese Sitzung schon einen Vorschlag der tschechischen Ratspräsidentschaft für eine Preisdeckelung. Das ist ein Papier, das kursiert. Können Sie das kommentieren? Wird dieses Papier so von der Bundesregierung unterstützt?
DR. BARON: Papiere, die kursieren und teilweise auch geleakt werden, kommentiere ich nicht. Das kann ich grundsätzlich nicht tun. Aber der Energieministerrat tagt ja in naher Zukunft, nämlich am Freitag, den 9. September. Dann werden wir uns sicherlich auch dazu verhalten.
Zunächst diskutiert die Bundesregierung jetzt über die Einsetzung der Expertenkommission. Ich wollte mit meinen Äußerungen nur deutlich machen, dass wir die Fragen von Gas und Deckelung sicherlich auch in einem größeren Umfeld diskutieren müssen. Das wird man sicherlich nicht ohne die europäische Ebene tun können. Das Papier gestern ist aber natürlich das Entlastungspaket der Bundesregierung. Über dessen Umsetzung macht sich jetzt die Bundesregierung Gedanken.
ZUSATZFRAGE VON DER BURCHARD: Entschuldigung, ich habe es immer noch nicht verstanden. Wollen Sie die Expertenkommission auf nationaler Ebene einrichten, ohne dabei die europäische Ebene mit einzubeziehen?
DR. BARON: Das ist der Vorschlag, den wir zunächst vorlegen werden, ja.
FRAGE STEINER: Frau Baron, können Sie mir auseinandersetzen, wer jetzt in der Vorbereitung beteiligt ist? Feilen Sie im BMWK intern, oder ist auch die Bundesnetzagentur mit dabei? Denn man muss sich ja zuerst überhaupt ein Konzept machen, mit dem man eines Tages auf die Expertenkommission zugeht.
DR. BARON: Genau. Die Ressortzuständigkeit liegt im Bundeswirtschafts- und klimaschutzministerium. Wir hatten ich hatte das auch in der vergangenen Woche hier in der Regierungspressekonferenz schon dargestellt uns Gedanken darüber gemacht, wie man Fragestellungen im Strommarkt lösen kann. Ich habe auch schon dargestellt, dass es nicht darum geht, das Grundprinzip der Merit-Order als solches abzuschaffen, sondern den negativen Effekten der Merit-Order zu begegnen und sie zu beseitigen. Dazu laufen Arbeiten bei uns im Hause. Dabei werden natürlich alle betroffenen Akteure einbezogen. Die Bundesnetzagentur ist natürlich ein ganz entscheidender Akteur. Natürlich werden wir es auch in der Bundesregierung weiter abstimmen.
ZUSATZFRAGE STEINER: Wird das zu diesem Zeitpunkt, schon bevor die weiteren Schritte unternommen werden, bereits auch mit Betroffenenverbänden im weitesten Sinne von Verbraucherzentralen bis zu Mieterbund, Paritätischem oder Ähnlichem konsultiert werden oder nicht?
DR. BARON: Aktuell sind wir in der Phase der Erarbeitung von Konzepten, die wir im Haus und in der Bundesregierung vornehmen. Wenn es Vorschläge gibt, folgen dann natürlich auch immer Anhörungsverfahren. Aber so weit sind wir jetzt noch nicht. Wir sind jetzt noch in der Phase, diese Vorschläge auf technischer Ebene zu erarbeiten
FRAGE GAVRILIS: Herr Hebestreit, wenn ich es richtig verstanden habe, soll das Abschöpfen der Übergewinne die sogenannte Strompreisbremse finanzieren. Was ist, wenn am Ende gar nicht so viel hereinkommt? Kommt die Strompreisbremse dann auch nicht?
STS HEBESTREIT: Ich weiß nicht, ob ich diese Wortwahl eins zu eins akzeptieren würde. Ich habe noch im Ohr, was gestern sowohl der Finanzminister als auch der Bundeskanzler dazu gesagt haben. Aber das Modell, das ihnen vorschwebt, ist ja im Prinzip eine negative EEG-Umlage, die es geben soll. Diese soll aufgrund dessen, wo diese Zufallsgewinne anfallen Frau Baron hat es eben beschrieben , schon so finanzkräftige sein, dass dabei genügend zusammenkommt, um auch eine wirksame Bremse installieren zu können.
ZUSATZFRAGE GAVRILIS: Aber das wird nicht rückwirkend für Zufallsgewinne gelten, oder?
STS HEBESTREIT: Auch das sind Fragen, die jetzt miteinander besprochen werden müssen.
FRAGE VIEWEGER: Frau Dr. Baron, Minister Buschmann hat in einer Beispielrechnung 30 Cent als möglichen Strompreisdeckel angenommen. Ist das eine realistische Größenordnung?
DR. BARON: Das müssten Sie im Zweifel die Sprecherin des Justizministeriums fragen. Es geht sicherlich darum, Beispiele zu verdeutlichen, aber ich kann das jetzt nicht näher kommentieren.
FRAGE JESSEN: Herr Hebestreit, Übergewinne heißen jetzt Zufallsgewinne. Ist das etwas anderes als bei Raider und Twix? Über- bzw. Zufallsgewinne heißen traditionell „windfall profits“; das ist ein eingeführter Begriff. Wer ist auf die Idee dieser Umetikettierung gekommen? Waren Sie das, war es das Haus FDP? Offensichtlich dient es ja dazu, einen Zugang zu dieser Abschöpfung zu erleichtern.
STS HEBESTREIT: Ich denke, dass Sie Verständnis dafür haben, dass ich mich dazu nicht weiter einlassen will.
ZUSATZ JESSEN: Schade eigentlich!
FRAGE SCHULZE: Ich habe eine Frage an Herrn Hebestreit oder das BMF. Können Sie aufschlüsseln, wie sich die 65 Milliarden Euro auf die einzelnen Maßnahmen verteilen? Das ging aus dem gestrigen Papier nur zum Teil hervor.
STS HEBESTREIT: Die Frage gab es auch schon gestern verschiedentlich. Wir müssen um Verständnis dafür bitten, dass das noch eine Weile dauert, weil wir die einzelnen Maßnahmen genau beziffern müssen. Wir haben auch hier schon gesagt, wie unterschiedlich sie je nach dem, wie man sie gestaltet, ausfallen würden. Der Finanzminister hat, wenn ich ihn richtig im Ohr habe, gesagt, konservativ geschätzt seien es 65 Milliarden Euro. Insofern bitte ich um etwas Geduld, bis wir das dezidiert auch mit belastbaren Zahlen unterlegen können. Das alles ist Teil des Prozesses, der jetzt unter Hochdruck angelaufen ist. Die Ausgestaltung der verschiedenen Programme soll zueinander passen. Am Ende soll es auch ein konsolidiertes Finanztableau dazu geben.
ZUSATZFRAGE SCHULZE: Wie und auf welchem Rechenweg sind Sie dann aber auf die Gesamtsumme von 65 Milliarden Euro gekommen?
STS HEBESTREIT: Ich denke, dass es, wenn der Finanzminister sagt, dass es eine konservative Schätzung sei, eine Schätzung ist und eben nicht dezidiert zu einzelnen Maßnahmen einzelne hier verlautbare Summen zu geben sind. Meine Erwartung wäre, dass sie, wenn man „konservativ“ sagt, womöglich sogar noch übertroffen werden kann.
Man muss auch sagen: Dieses Paket ist sehr umfassend mit verschiedensten Elementen. Insoweit muss man dann auch noch einmal abwarten, wie sie sich genau berechnen. Aber ich glaube, von der Größenordnung das war auch wichtig, und es wäre komisch gewesen, hätten wir gestern keine Größenordnung genannt muss man sagen: Das gibt eine Hausnummer.
FRAGE KOCH: Ich habe ein, zwei Fragen zur Finanzierung des Entlastungspakets an das Bundesfinanzministerium. Ich stelle mir die Frage, woher die 65 Milliarden Euro kommen sollen. Gestern wurden ein paar Zahlen dazu genannt. Herr Lindner sagte, dass es in den Bundeshaushalten 2022 und 2023 noch einen finanziellen Spielraum in Höhe von 32 Milliarden Euro gebe. Wenn man den abzieht, bleiben noch 33 Milliarden Euro übrig, die zu finanzieren sind. Wenn man dann die Strompreisbremse abzieht dazu wurde gesagt, es werde sich um einen zweistelligen Betrag handeln; sagen wir einmal zehn Milliarden Euro , dann bleibt eine Finanzierungslücke in Höhe von 23 Milliarden Euro übrig.
Woher kommen diese 23 Milliarden Euro?
DR. KALWEY: Ich darf zum einen noch einmal auf das Verweisen, was der Regierungssprecher gerade gesagt hat, dass wir uns zum konkreten Volumen und zu den konkreten Kosten der einzelnen Maßnahmen noch äußern werden.
Der Minister hat gestern darauf hingewiesen, dass für den Bund eine Größenordnung von 32 Milliarden Euro vorgesehen ist. Das haben Sie richtig gesagt. Am Ende ist das aber natürlich eine gesamtstaatliche Aufgabe. Das heißt, dass auch die Länder einen gewissen Anteil tragen werden. Der Minister hat zudem auch noch darauf hingewiesen, dass sich durch Steuereinnahmen bestimmte Spielräume ergeben.
Das ist das, was ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt sagen kann.
ZUSATZFRAGE KOCH: Bleibt also für den Bund keine Finanzierungslücke?
DR. KALWEY: Sie haben doch gerade gehört, was wir zu dem Volumen insgesamt und insgesamt zu dem gesagt haben, dass es eine gesamtstaatliche Aufgabe ist. Das werden wir weiter ausführen, wenn die einzelnen Maßnahmen festgezogen sind.
FRAGE LANDWEHR: Ich habe eine Frage zur Finanzierung an das Verkehrsministerium. Hier steht, dass es im Haushalt 2023 500 Millionen Euro mehr für die Schiene und danach noch Verpflichtungsermächtigungen in Höhe einer Milliarde Euro geben solle.
Wofür ganz genau sind diese 500 Millionen Euro für die Schiene vorgesehen?
Auf welchen Zeitraum beziehen sich diese Verpflichtungsermächtigungen in Höhe einer Milliarde Euro, von wann bis wann?
LAUER: Frau Landwehr, dazu kann ich sagen, dass die eine Milliarde Euro für den Haushalt 2023 gedacht wäre. Welche Einzelmaßnahmen sich sowohl hinter den 500 Millionen Euro für die Schiene als auch hinter der zusätzlichen einen Milliarde Euro für Klimaschutzmaßnahmen verbergen, daran arbeiten wir gerade. An der Stelle würde ich mich also auch auf die Äußerung beziehen, die vorhin gefallen ist. Wir sind gerade dabei, etwas zu erstellen.
FRAGE: Frau Lauer, ich möchte gern bei dem anderen Punkt im Zusammenhang mit Verkehr anknüpfen, der Nachfolgelösung für das 9-Euro-Ticket. Dafür sind jetzt 1,5 Milliarden Euro von der Bundesregierung zugesagt. Das ist ja eigentlich die Summe, die die Länder und die Branche ganz normal als Erhöhung der Regionalisierungsmittel schon gefordert haben wegen der gestiegenen Energiepreise.
Kommt das aus Sicht der Bundesregierung dann quasi noch oben darauf? Ist die Bundesregierung also bereit, über diese 1,5 Milliarden Euro hinaus noch zusätzliche Regionalisierungsmittel zu geben, um zum Beispiel den ganz normalen Betrieb aufrechterhalten zu können?
LAUER: In dem Papier steht, dass der Bund bereit ist, 1,5 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung zu stellen, zusätzlich zu den Regionalisierungsmitteln. Was die Regionalisierungsmittel angeht, hat der Minister schon in der Vergangenheit immer Wert darauf gelegt, dass er über eine Reform des ÖPNV sprechen will. Dafür wurde ja im Frühjahr nach einer Sonderverkehrsministerkonferenz eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingerichtet, um einen Modernisierungspakt zu beschließen. Das ist für ihn zunächst die richtige Vorgehensweise oder die Vorgehensweise, die er gerne vornehmen würde, zunächst über den Inhalt und die Reform der Strukturen im ÖPNV und dann zum Schluss über die Höhe der Regionalisierungsmittel zu sprechen.
ZUSATZFRAGE: Bezüglich der 1,5 Milliarden Euro wird dem Papier ja diese Spanne von 49 Euro bis 69 Euro genannt. Was ist die Berechnung dahinter? Könnte mit den 1,5 Milliarden Euro vom Bund schon ein 69-Euro-Ticket bezahlt werden, und in Richtung des 49-Euro-Tickets bräuchte es dann Geld der Länder, oder wie kann ich das verstehen?
LAUER: Zunächst einmal ist es eine gemeinschaftliche Aufgabe von Bund und Ländern. Deswegen steht eben auch in dem Papier, dass der Bund so schnell wie möglich gemeinsam mit den Ländern verhandeln möchte, wie die Ausgestaltung eines solchen Tickets aussieht. Für uns wäre wichtig, dass es eben deutschlandweit gültig ist, dass es digital buchbar ist und dass es für die Menschen einfach ist, nämlich so, dass sie sich eben nicht mehr mit diesen Tarifstrukturen beschäftigen müssen, die sehr kompliziert und komplex sind.
Der Bund hat jetzt von 1,5 Milliarden gesprochen. Jetzt müssen Gespräche mit den Ländern geführt werden, natürlich auch über die verschiedenen Modelle. Dann wird sich zeigen, was auch die Länder bereit sind, an finanziellen Mitteln hinzuzufügen, und erst dann, am Ende, wenn wir wissen, wie die Ausgestaltung des Tickets ist, können wir auch wirklich einen konkreten Preis nennen. Deswegen steht in dem Papier dieser Korridor von 49 Euro bis 69 Euro.
FRAGE STEINER: Frau Lauer, damit ich es verstehe; ich habe das vielleicht auch vom Konzept her nicht verstanden: Ist aber schon beabsichtigt, dass es, weil es ja sehr unterschiedliche Ticketpreise in den verschiedensten Verkehrsverbünden gibt, bundesweit einen einheitlichen Preis und nicht etwa, sage ich einmal, ein 69-Euro-Ticket in Hamburg und ein 49-Euro-Ticket in Berlin für die gleiche Leistung gibt?
LAUER: Genau richtig, wir wollen gerne ein bundeseinheitlich gültiges Ticket.
ZUSATZFRAGE STEINER: Zum gleichen Preis?
LAUER: Zum gleichen Preis.
ZUSATZFRAGE STEINER: Hat die Bahn bei Ihnen bereits Mehrbedarf aufgrund der gestiegenen Energiekosten angemeldet? Die Bahn ist ja ein großer Verbraucher. Liegen die bei mehr oder weniger als 500 Millionen Euro?
LAUER: Dass es Meldungen der Deutschen Bahn gab, kann ich jetzt so nicht bestätigen. Aber es ist davon auszugehen, weil die Bahn ein energieintensives Unternehmen ist, dass es da natürlich auch zu Kostensteigerungen kommen wird. Aber dass es da schon Kontakte gab, kann ich aktuell nicht bestätigen.
FRAGE DR. RINKE: Herr Hebestreit, die Länder sind ja jetzt schon mehrfach erwähnt worden. Ich hätte ganz gerne gewusst, ob es auf Chefebene und Chefinnenebene eine Ministerpräsidentenkonferenz geben soll, um diese noch ungeklärten Bund-Länder-Finanzfragen zu klären.
STS HEBESTREIT: Der Bundeskanzler und auch die anderen haben ja gestern in der Pressekonferenz deutlich gemacht, dass wir vor einer schweren Zeit stehen und dass es eine gesamtstaatliche Aufgabe ist, die jetzt auch zu bewältigen ist. Insofern ist der Bundeskanzler bereits in die Terminfindung für eine Sonderministerpräsidentinnen- und -ministerpräsidentenkonferenz eingestiegen, um möglichst schnell in das Gespräch mit den Ländern zu kommen. Es gibt verschiedene Punkte, über die es sich auch mit den Ländern auszutauschen gilt. Ich kann noch keinen Termin verkünden – so weit sind wir noch nicht , aber die Anfragen laufen, und es wird dann zeitnah entschieden werden.
FRAGE LEHMANN: Ich habe noch einmal eine Frage zu den Entlastungswirkungen. Ich weiß gar nicht, an wen ich die jetzt adressieren soll. Justizminister Marco Buschmann hat eine Tabelle mit Beispielrechnungen zu den Entlastungswirkungen getwittert. Aus der geht zum Beispiel hervor, dass eine Familie mit zwei Kindern, die etwa 60 000 Euro verdient, um etwa 1000 Euro pro Jahr entlastet wird, wenn man die ganzen Maßnahmen zusammenzählt. Ist diese Tabelle belastbar? Wenn ja, gibt es die auch vollständig? Es fehlt nämlich eine Familie mit zwei Kindern, die etwa 100 000 Euro verdient. Könnten sie uns die zur Verfügung stellen?
DR. FUCHS: Vielen Dank für die Frage. Ich bin damit leider auch ein bisschen überfragt. Sie nehmen wohl Bezug auf einen Tweet von gestern, den Herr Buschmann tatsächlich veröffentlicht hat. Ich kann die Frage, woher die Tabelle genau kommt, gerne noch einmal mitnehmen. Nach den Informationen, die mir vorliegen, kommt sie tatsächlich aus einer gemeinsamen Berechnung mit dem Bundesfinanzministerium. Ich nehme das, wie gesagt, jetzt gerne auf. Es tut mir leid, dass ich auf die Frage im Moment nicht antworten kann. Ich möchte aber darauf hinweisen, wie Herr Buschmann auch sagte, dass es sich dabei um eine Beispielberechnung handelt, wie sie vielleicht aussehen könnte. Dabei würde ich es auch erst einmal belassen. Das heißt also keinesfalls, dass das im Endeffekt die Zahlen sein werden, die so auch in Zukunft zu erwarten sind. Aber ich werde das, wie gesagt, gerne noch einmal nachreichen. Ich werde dazu Erkundigungen einholen.
ZUSATZFRAGE LEHMANN: Dann würde ich vielleicht gerne das Bundesfinanzministerium fragen, ob Sie diese Tabelle für belastbar halten und ob Sie die uns zur Verfügung stellen könnten.
STS HEBESTREIT: Ich glaube, ich kann etwas dazu sagen. Die Kollegin aus dem Justizministerium hat es ja schon gesagt: Offenbar handelt es sich um eine Beispielrechnung, die mit einer gewissen Vorsicht zu betrachten ist. „Off the top of my head“ gibt es einen Aspekt in diesem Maßnahmenpaket, in dem es um die Konzertierte Aktion und eine Freistellung von Steuern und Abgaben für einen möglichen Zuschlag, den der Arbeitnehmer einmalig zahlen könnte, geht. Der kann sich auf bis zu 3000 Euro belaufen. Dabei weiß man also auch nicht, ob ein Arbeitgeber das überhaupt zahlt und, wenn ja, in welcher Höhe. Aber dann wäre man schnell bei ganz anderen Summen. Da bitte ich noch um ein wenig Geduld – das habe ich ja anfangs und mittenmang auch noch zwei Male gemacht -, bis wir so weit sind. Es soll ja belastbar sein. Wir wollen nicht heute etwas verkünden und in zwei Wochen sagen müssen „Oh Gott, Frau Lehmann, es ist viel, viel mehr, als wir damals gedacht haben, und Sie können sich viel mehr freuen“ oder das Umgekehrte verkünden müssen, was noch ungünstiger wäre. Insofern gilt: Wenn es belastbar ist, dann sind wir die Letzten, die damit hinterm Berg halten wollen.
FRAGE SCHULZE: Ich habe noch eine Frage zur Gesamtfinanzierung. Im Papier gibt es den Satz, die engen finanziellen Spielräume erforderten es, dass alle Ressorts erhebliche Anstrengungen unternehmen. Wie ist dieser Satz denn zu verstehen? Heißt das, es muss an anderer Stelle noch gekürzt werden, damit die 65 Milliarden Euro tatsächlich voll werden?
STS HEBESTREIT: Ich glaube, hinsichtlich der 65 Milliarden Euro haben wir auch darauf verwiesen, dass einiges nicht haushälterisch niederschlägt. Das betrifft beispielsweise den Mechanismus mit der Strompreisbremse, der sozusagen rein auf Ebene der Energieunternehmen und des Energiekreislaufes abgerechnet werden wird. Ansonsten ist das, glaube ich, noch einmal eine Erinnerung an auch jedes Haus der Bundesregierung, dass die finanziellen Spielräume sowieso enger werden und mit diesem Maßnahmenpaket auch nicht größer geworden sind.
ZUSATZFRAGE SCHULZE: Heißt das aber, dass die Übergewinnsteuer, die nicht Übergewinnsteuer heißt, also die Abgabe der Energieanbieter, die vorhandenen Haushaltsspielräume und die gestiegenen Steuereinnahmen ausreichen werden, um auf die 65 Milliarden Euro zu kommen?
STS HEBESTREIT: Ohne mir die Kautelen zu eigen zu machen, die Sie jetzt untergeschoben haben, ist es so, dass der Bundesfinanzminister gestern klar gesagt hat, dass dieses Paket im Rahmen des Haushaltsrechts darstellbar ist, und davon gehen wir alle aus.
FRAGE GAVRILIS: Ich hätte eine Frage an das Bau- und Wohnministerium, aber auch an Herrn Hebestreit. Vielleicht stelle ich die Frage an Herrn Hebestreit zuerst, bis sich die Kollegin gesetzt hat. Strom- und Gassperren sollen durch Abwendungsvereinbarungen verhindert werden. Geben Sie mit diesem Satz das Versprechen, dass alle Menschen, die es am Ende nicht bezahlen können, trotzdem heizen können und trotzdem Licht zu Hause haben?
STS HEBESTREIT: Ich tue mich jetzt schwer damit, einen so weiten, umfassenden Satz, wie Sie ihn mir jetzt gerade in den Mund gelegt haben, einfach so zu bestätigen. Wichtig ist, dass diese Bundesregierung unter anderem ja auch durch die Ausweitung des Wohngelds und die Einführung eines Heizkostenzuschusses oder einer Heizkostenkomponente alles tut, um zu verhindern, dass Menschen ihre Wohnung aufgrund der gestiegenen Energiekosten verlieren; vielleicht so herum. Aber ich kann hier nicht in jedem Einzelfall – das muss man sich auch immer genau anschauen – ein Versprechen abgeben.
ZUSATZFRAGE GAVRILIS: Frau Steffen, es soll ein zweiter Heizkostenzuschuss kommen, der weit über dem ersten liegt. Können Sie eine Bilanz dessen abgeben, wer von den Berechtigten den ersten Heizkostenzuschuss bekommen hat und wie viele da noch auf ihr Geld warten?
STEFFEN: Wie viele jetzt im Einzelnen in den Ländern auf ihr Geld warten, kann ich nicht sagen. Am 2. September waren es 15 Bundesländer, die den Heizkostenzuschuss ausgezahlt haben. Von allen haben wir noch keine Rückmeldung erhalten.
Zum Heizkostenzuschuss 2: Es ist eigentlich ganz einfach. Die Voraussetzungen sind: Man muss zwischen Oktober 2022 und Dezember 2022 einen Monat lang Wohngeld erhalten haben. Das heißt, im Prinzip kann man all diejenigen, die vorher schon Wohngeld erhalten hatten, dazu zählen und diejenigen, die sich vielleicht kurz vorher angemeldet haben, für die das bei der Wohngeldbehörde auch abgewickelt wurde – das sind zwei oder drei Monate – und die Wohngeld erhalten, bekommen den Heizkostenzuschuss 2.
ZUSATZFRAGE GAVRILIS: Können Sie die Zahl vielleicht nachreichen, wer den Heizkostenzuschuss 1 bekommen hat?
STEFFEN: Das, denke ich, müssten Sie in den Ländern abfragen. Wir haben damals für den Heizkostenzuschuss 1 ja eine ungefähre Haushaltsanzahl von 710 000 Haushalten genannt. Dahinter verstecken sich dann aber noch deutlich mehr Einzelpersonen, die letztendlich davon profitieren. Es sind also 710 000 Haushalte gemeint. Dort müssten aber auch die Studierenden und Azubis, die im ersten Heizkostenzuschuss enthalten waren, abgedeckt sein. Wir gehen im Moment von rund 620 000 Haushalten aus, die Wohngeld beziehen.
FRAGE LANDWEHR: Ich habe eine Frage an das BMJ und auch an das Wirtschaftsministerium, und zwar zu der Insolvenzantragspflicht. Da steht „Erleichterungen“. Ich wollte Sie fragen, was das für Erleichterungen sind. Wird die also zeitweise wieder ausgesetzt, wie es auch in der Coronapandemie der Fall war? Für welche Unternehmen kommt das dann infrage? Das ist ja im Text auch schon ein bisschen beschrieben worden, aber können Sie dazu vielleicht schon ein bisschen mehr sagen?
DR. FUCHS: Ich übernehme das einmal. – Auch dazu, wie Herr Hebestreit am Anfang schon gesagt hat, haben noch keine Abstimmungen stattgefunden. Dafür werden auch die nächsten Tage abzuwarten sein. Wenn Regelungen vorgesehen sind, dann werden wir dazu auch bald entsprechende Verkündungen machen.
FRAGE DR. RINKE: Ich habe noch eine Frage an das Finanzministerium, und zwar zu einem Einzelpunkt der Verhandlungen. Frau Kalwey, es geht um die Mehrwertsteuer in der Gastronomie, die ja bei 7 Prozent bleiben soll. Da steht aber kein Ende der Maßnahme. Ist das also bis Jahresende befristet, oder soll das länger laufen? Können Sie das bitte aufklären?
DR. KALWEY: Dazu kenne ich jetzt leider, ehrlich gesagt, auch nur die Formulierung aus dem Papier. Ich müsste nachreichen, ob es ein konkretes Datum gibt.
ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Bleibt sie also unbefristet auf 7 Prozent gesenkt?
DR. KALWEY: Das müsste ich nachreichen. Da steht ja jetzt nur „verlängert“, ohne eine konkretere Angabe. Ich müsste noch einmal nachhören.
FRAGE JESSEN: Die Frage geht sowohl an das Klimaministerium als auch an Herrn Hebestreit. Die Maßnahmen zur Krisenbewältigung gleichen ja einem Jonglieren mit vielen Bällen. Manchmal fällt auch einer herunter. Mir geht es um den CO2-Preis, der eigentlich turnusmäßig Anfang 2023 und dann ein Jahr später nochmals hätte hochgesetzt werden sollen. Das wurde jetzt beides ausgesetzt. Herr Fratzscher vom DIW hat zum Beispiel gesagt, das sei für den Klimaschutz ein katastrophales Signal, eigentlich kontraproduktiv. Wer hat mit welcher Begründung für diese Aussetzung gesorgt?
STS HEBESTREIT: Das kann ich, glaube ich, relativ simpel beantworten, Herr Jessen. Die Bundesregierung bzw. die die Bundesregierung tragenden Koalitionsparteien haben das gestern in einer langen Sitzung miteinander beschlossen und danach auch eine Pressekonferenz gemacht und diesen Beschluss dargestellt. Es geht um 5 Euro, die ab dem 1. Januar auf den CO2-Preis aufgeschlagen worden wären. Dieser Aufschlag wird um ein Jahr verschoben. Das heißt, das ist nicht ausgesetzt, sondern wird auf das Jahr darauf verschoben. Allerdings verschiebt sich dann alles um ein Jahr.
Gleichzeitig muss man noch einmal daran erinnern, was man mit einer CO2-Bepreisung machen wollte oder will: Man möchte eine gewisse Lenkungswirkung erreichen, bei der Energiepreise vorsichtig steigen, um Bürgerinnen und Bürgern dann dazu zu bringen, entweder Energie zu sparen oder zu energiefreundlicheren Techniken überzuwechseln. Im Augenblick erleben wir eine ungeahnte Steigerung des Energiepreises, die wir uns alle nie haben vorstellen können. Insofern war die Entscheidung, diesen sehr, sehr hohen Preis, der schon von sich aus eine Lenkungswirkung erzeugt, nicht noch abermals mit diesen 5 Euro zu belasten.
Das ist also keine Absage an irgendwelche Klimaschutzambitionen, die diese Bundesregierung nach wie vor und so stark wie keine vor ihr hegt und verfolgt, sondern da ist der Punkt, dass Sie uns sonst vielleicht zu Recht heute die Frage gestellt hätten, wie wir denn einerseits versuchen, mit einer Strompreisbremse den Energiepreis zu senken, und ihn andererseits erhöhen, indem wir diese CO2-Umlage noch einmal erhöhen. Insofern ist das eine, wie wir finden, vertretbare Situation, die aufgrund des sehr, sehr hohen Energiepreises, den wir im Moment sowieso haben, klimaschutzmäßig keine schlimmen Auswirkungen haben wird.
ZUSATZFRAGE JESSEN: Ist es auch die Sichtweise des Klimaministers, dass sozusagen der gedachte Zweck der CO2-Preiserhöhung durch die Art der Preiserhöhung erfüllt wird, die wir jetzt schon haben? Sieht Herr Habeck das auch so?
DR. BARON: Ich kann den Worten von Herrn Hebestreit nichts hinzufügen. Es geht ja, wie gesagt, nicht um eine Aussetzung der Maßnahme, sondern um eine Verschiebung um ein Jahr, um eben für diese verschiedenen berührten Interessen, also die Sicherung der Solidarität in dieser Gesellschaft angesichts der hohen Preise und das Instrument des CO2-Preises, eine gute Lösung zu finden. Es geht ja, wie gesagt, um ein Verschieben um ein Jahr.
FRAGE VIEWEGER: Herr Hebestreit, ich komme noch einmal zur Frage der Verteilungswirkung. Um Herrn Fratzscher zu zitieren: Was sagen Sie zu dem Vorwurf, dass der größte Teil der 65 Milliarden Euro Besserverdienenden zugutekommt?
STS HEBESTREIT: Da ich noch gar keine Aufstellung darüber habe, wem wie was zugutekommt, kann ich mich dazu gar nicht äußern. Auch das sind wichtige Wortmeldungen, die wir aus der Wirtschaft, der Wissenschaft und von Verbänden in Reaktion auf das Entlastungspaket 3 jetzt erfahren. Es gibt viel Kritik, es gibt viel Lob, und das muss man sich jetzt genau anschauen. Die Experten können offensichtlich oft viel schneller als wir in der Verwaltung arbeiten, so dass sie schnell klare Meinungen haben. Wir müssen dabei erst einmal in die Ausgestaltung schauen und sind eigentlich recht zuversichtlich, da ein gutes und auch gerechtes Paket zusammengestellt bekommen zu haben, wie man ja in diesem Fall sagen muss. Alles weitere muss sich in den nächsten Tagen und Wochen klären, wenn wir zu den Details kommen.
ZUSATZFRAGE VIEWEGER: Kommen armutsgefährdete Menschen durch den Winter, wenn viele Maßnahmen ja auch erst im neuen Jahr greifen?
STS HEBESTREIT: Der Bundeskanzler hat es ja verschiedentlich gesagt. Er hat es in einen englischen Satz eingehüllt. Ich übersetze den für Sie einmal servicemäßig auf Deutsch: Niemand wird alleingelassen. – Es gibt eine Vielzahl von Maßnahmen, die die Bundesregierung ergriffen hat und ergreifen will. Der zweite Punkt ist: Viel, was die Kosten angeht, wird auch erst in den nächsten Wochen und Monaten tatsächlich wirksam werden. Die Heizperiode wird jetzt aller Voraussicht nach im Oktober beginnen. Dann gibt es etwas höhere Abschlagszahlungen; das stimmt. Sie haben alle mitbekommen, dass im September die Energiepreispauschale für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausgezahlt wird. Das sind ziemlich genau 300 Euro. Es gibt noch eine ganze Reihe anderer Hilfsmaßnahmen, die wir auf den Weg gebracht haben. Wir müssen auch immer wieder schauen, ob wir an irgendeiner Stelle nachschärfen müssen. Aber der erklärte Wille dieser Bundesregierung und der sie tragenden Parteien ist genau das, dass alle gut durch diesen Winter kommen.
FRAGE: Herr Hebestreit, gestern zirkulierte ein gemeinsamer Brief von Bundeskanzler Scholz und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron an Kurti, den Premierminister des Kosovos, und Vučić, Präsident von Serbien. Sie drängen auf eine schnelle Lösung in der Kosovofrage. Meine Frage ist: Können Sie uns ein bisschen dazu erzählen, was der Hintergrund ist? Warum kommt es jetzt zu diesem Brief? Welche Rolle werden eigentlich Herr Plötner und sein Amtskollege Bonne bei dem Normalisierungsprozess spielen?
STS HEBESTREIT: Die Sicherheit in Europa einschließlich der Stabilität auf dem Westbalkan ist sowohl für den französischen Staatspräsidenten Macron als auch für den deutschen Bundeskanzler Scholz von größter Bedeutung. Das haben Sie an verschiedenen Stellen und auch hier von mir schon gehört. Dazu gehört auch ihr starkes Engagement für die vollständige Normalisierung der Beziehungen zwischen Kosovo und Serbien.
Angesichts der jüngsten Spannungen haben sie beide ihre außenpolitischen Berater, also Jens Plötner und Emmanuel Bonne gebeten, den EU-Sonderbeauftragten Miroslav Lajčák bei seinen Bemühungen direkt zu unterstützen. Als ersten Schritt werden die beiden außenpolitischen Berater in Begleitung von Lajčák am 9. September Kosovo besuchen, um sich mit Ministerpräsident Kurti zu treffen, und Serbien, um sich mit Präsident Vučić zu treffen, um Optionen für Fortschritte im Dialog zu erkunden.
Über Briefe, die von öffentlichen Stellen an öffentliche Stellen geschickt werden, aber nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind, kann ich von dieser Stelle aus leider nichts sagen.
FRAGE: Ich habe eine Frage an das Bundesministerium der Verteidigung zur deutschen militärischen Präsenz im indopazifischen Raum. Welches Ziel haben Sie mit dem sogenannten Rapid Pacific 2022 erreicht? Wie wurde das von anderen Ländern im indopazifischen Raum aufgenommen? Will Deutschland seinen militärischen Einsatz in der Region ausweiten? Welche Einsätze und Aktivitäten sind konkret von der Bundeswehr in naher Zukunft geplant?
COLLATZ: Sehr gerne, Danke! Zunächst einmal gab es ja im letzten Jahr bereits die Präsenz der Fregatte „Bayern“ im selben Raum, und das folgte dem gleichen Zweck, dem auch jetzt das „rapid deployment“ dient, nämlich die Indo-Pazifik-Leitlinien der Bundesregierung weiter mit Leben zu erfüllen. Wie Sie wissen, haben wir ja einige Eurofighter-Kampfflugzeuge in die Region verlegt und führen dort mit unseren Partnern gemeinsame Übungen durch. Das ist gegen keine Partei gerichtet, sondern soll eben die Interoperabilität und auch die Geschlossenheit der Partnerschaft in der Region stärken. Das ist auch das Ziel, das wir verfolgen und das wir bereits jetzt als erreicht ansehen. Wir werden ja weiterhin Übungen vor Ort durchführen. Aber das ist der Hintergrund und das Ziel der Veranstaltung.
FRAGE STEINER (zum Entlastungspaket 3): Meine Frage richtet sich an Herrn Hebestreit. Der Eindruck für uns alle hier im Raum ist heute, glaube ich, ein bisschen verwirrend. Ich glaube, Kollege Rinke hat es vorhin erwähnt: Wir waren, glaube ich, alle davon ausgegangen, dass es Vorarbeiten seitens der Ministerien gab, auf deren Grundlage dann am Wochenende beraten wurde. Jetzt ist das aber heute, konservativ geschätzt, alles etwas im Ungefähren. Bis wann rechnen Sie denn damit, dass Sie diese Ungefährheiten alle auflösen können, respektive gibt es Punkte, bei denen Sie uns schon sehr bald eine Klärung nahezubringen zu können hoffen?
STS HEBESTREIT: Vielleicht komme ich erst einmal zu dem vorderen Teil ihrer Einschätzung oder Äußerung: Natürlich hat es intensive Vorarbeiten in den Häusern gegeben. Trotzdem muss alles so politisch vereinbart werden, dass dann auch infolge dieser politischen Einigung Veränderungen innerhalb der einzelnen Konzepte nötig sind. Solange diese Veränderungen nicht komplett durchgearbeitet sind, können wir hier nicht belastbare Aussagen machen. Deswegen habe ich ganz am Anfang vorausgeschickt, um Ihre Verwirrung nicht unnötig groß werden zu lassen, dass zum jetzigen Zeitpunkt die Pressekonferenz ist vor ziemlich genau 24 Stunden nach 22 Stunden Verhandlung zu Ende gegangen vieles noch im Ungefähren sein muss, eben nicht, weil wir es nicht sagen wollen, sondern weil wir es erst einmal genau eruieren müssen, bevor wir dann Aussagen treffen.
Zum zweiten Teil Ihrer Frage das war jetzt ein langer Anlauf , ab wann wir das denn sagen können, würde ich sagen: Das muss jetzt vergleichsweise schnell geschehen, ohne dass ich mich auf einen einzelnen Zeitpunkt festnageln lassen möchte. Aber wenn wir sagen, wir wollen durch diesen Winter kommen: Viele der Maßnahmen müssen ja schon im Dezember, im Januar, in Kraft getreten sein. Hier muss unter Hochdruck und mit großer Eile, aber auch mit der nötigen Gründlichkeit, vorgegangen werden. Denn nichts ist blöder als wenn man sich dann noch sehr früh korrigieren muss.
Insoweit sind wir mit öffentlichen Aussagen zum jetzigen Zeitpunkt noch zurückhaltend. Aber Sie können sicher sein, dass wir in dem Moment, wo es Belastbares gibt, das auch hier auf Ihre Fragen hin verkünden werden.
ZUSATZFRAGE STEINER: Dann noch eine technische Nachfrage: Das, was Herr Buschmann getwittert hat, ist Ihnen sicherlich bereits zur Kenntnis gekommen. Ich würde gern einfach wissen, ob das Teil der Unterlagen vom Wochenende war oder ob das etwas ist, was nicht im Kreis der Beteiligten, bei denen Sie ja zumindest zugegen waren, glaube ich, vorhanden war.
STS HEBESTREIT: Ich darf dazu sagen, dass ich nicht Teil der Koalitionsverhandlungen oder des Koalitionsausschusses bin und insoweit auch nicht über alle möglichen oder nicht möglichen Unterlagen verfüge.
Ich glaube allerdings, wenn ich zu diesem Papier, das Herr Buschmann getwittert hat, gefragt werde: Ich glaube nicht, dass der Justizminister das selber ausgerechnet hat. Insofern gehe ich davon aus Beispielrechnung , dass so etwas womöglich auch da Teil der Diskussionsgrundlagen gewesen ist.
FRAGE GAVRILIS: Vielleicht fällt meine Frage auch da hinein: Gestern hatte ja der Bundeskanzler Besuch von dem ukrainischen Ministerpräsidenten, der zuvor Deutschland angeboten hatte, Atomstrom aus der Ukraine nach Deutschland zu liefern. Hat er dieses Angebot auch der Bundesregierung gemacht, und wie ist die Antwort ausgefallen?
STS HEBESTREIT: Das war ein Gespräch unter vier Augen. Da habe ich bisher kein gründliches Debriefing bekommen. Sie haben über eine ganze Bandbreite von Themen gesprochen.
Ansonsten würde ich sagen, dass wir all diese Fragen erst einmal im Lichte der weiteren Entwicklung betrachten. Wir haben das Angebot zur Kenntnis genommen.
ZUSATZFRAGE GAVRILIS: Ist denn die Bundesrepublik grundsätzlich bereit, Atomstrom aus der Ukraine zu importieren?
STS HEBESTREIT: Ich glaube, das ist eine ganz schwierige Frage, die ich nicht aus der hohlen Hand beantworten kann. Grundsätzlich ist die Bundesregierung im Augenblick dabei, dieses Land sicher durch den kommenden Winter zu führen, in enger Absprache mit unseren europäischen Partnerinnen und Partnern.
Im Augenblick exportieren wir sehr viel Strom nach Frankreich, weil dort im Augenblick etwa nur ein Drittel aller Atomkraftwerke am Netz ist. Diese Art der Solidarität gibt es natürlich auch anderweitig. Aber ich kann mich jetzt nicht dahingehend äußern insbesondere, wenn man jetzt in die Ukraine und auf die dortige Situation der Atomkraftwerke blickt , dass man damit rechnet.
FRAGE DR. RINKE: Herr Hebestreit, noch einmal eine generelle Frage zur Versorgungslage. Der Bundeskanzler hat sich ja in den letzten Tagen sehr optimistisch gezeigt, dass man durch den Winter kommt. Das ist letztlich auch mit sinkenden Gaspreisen an den Märkten und dem Hinweis unterlegt worden, dass die Speicher voll sind und im Winter genutzt werden können.
Jetzt sehen wir heute aber genau das Gegenteil, nämlich einen drastischen Anstieg des Gaspreises, nachdem Nord Stream 1 von den Russen ja weiterhin nicht beliefert wird. Deswegen habe ich die Frage, ob der Bundeskanzler aufgrund dieser neuen Entwicklung und dieses drastischen Anstiegs immer noch fest davon überzeugt ist, dass Deutschland gut durch den Winter kommt.
STS HEBESTREIT: Herr Rinke, da gibt es aus meiner Sicht keinen neuen Stand. Es ist eines der Szenarien, mit denen wir haben rechnen müssen.
Gut ist, dass wir mit der Speicherung vehement vorankommen. Wir sind jetzt bei über 85 Prozent. Das ist ein Ziel, das wir uns eigentlich erst für Oktober gesetzt haben. Gut ist auch, dass wir auch von anderer Stelle Gas beziehen können. Es bleibt dabei, dass es schwierig ist, auf Energielieferungen aus Russland zu vertrauen.
Dass die aktuell von Ihnen angesprochenen Verwerfungen am Markt natürlich massiv eine Reaktion und auch die gewollte Reaktion auf die Ankündigung von Gazprom sind, die Gasversorgung aus angeblich technischen Gründen nicht weiter aufrechtzuerhalten, ist, glaube ich, Teil der Strategie des russischen Staatspräsidenten. Davon sollte man sich aber nicht Bange machen lassen.
ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Ich möchte es noch einmal anders formulieren: Auch ohne russisches Gas ist die Versorgung im Winter sichergestellt?
STS HEBESTREIT: Das ist eine so allumfassende Aussage, die ich mir ungern in den Mund legen lassen möchte. Aber wir sind gut vorbereitet und tun alles, damit wir gut durch den Winter kommen, unabhängig von der Frage, ob und wie viel Gas aus Russland nach Deutschland strömt.
Das heißt aber nicht, dass wir nicht auch große Herausforderungen vor uns haben, und wir alle versuchen müssen, so viel Gas wie möglich zu sparen. Wir haben insgesamt schwere Monate vor uns. Das sollten wir alle nicht vergessen.
FRAGE HASELRIEDER: Die Bundesregierung hatte im Koalitionsvertrag versprochen, erheblich mehr in die Schiene als in die Straße zu investieren. Nach dem aktuellen Haushaltsentwurf soll jetzt aber in die Schiene nur etwa halb so viel investiert werden wie in den Neubau von Straßen. Wieso kommen Sie diesem Versprechen aus dem Koalitionsvertrag hier nicht nach?
STS HEBESTREIT: Da darf ich Sie auf die Ressortzuständigkeit verweisen. Ich möchte gern das Verkehrsministerium und das Finanzministerium dazu bitten, die für den Haushalt gemeinsam zuständig sind.
LAUER: Wir können im Haushalt immer nur die Mittel einstellen, die wir unmittelbar in dem Haushaltsjahr verbrauchen können. Das heißt, manchmal sind in einem Haushaltsjahr Planungskosten enthalten, die natürlich geringer als Baukosten ausfallen. Entsprechend gibt es aber keinerlei
Wir können also nicht bestätigen, dass es einen Mindereinsatz von Mitteln für die Schiene als für die Straße gibt. Der Unterschied hat damit zu tun, dass es unterschiedliche Planungs- oder Baukosten gibt.
ZUSATZFRAGE HASELRIEDER: Aber ist es von der Signalwirkung nicht verheerend, wenn man sagt, man will erheblich mehr investieren, und auf dem Papier ist es dann ungefähr die Hälfte?
LAUER: Die Koalition hat sich dafür ausgesprochen, wesentlich mehr in die Schiene zu investieren. Das Entlastungspaket ist ja auch noch einmal ein Zeichen dafür. Da wurden ja noch einmal 500 Millionen Euro mehr für die Schiene vorgesehen. Die Bundesregierung und auch das BMDV sind sich einig, dass die Schiene hier ein großer Hebelfaktor ist, gerade um die Erreichung der Klimaziele voranzubringen.
Die Antwort auf Ihre Frage ist also: Nein. Es ist so, dass wir mehr Geld in die Schiene als in die Straße investieren. Es gibt dann eben haushälterische Punkte, die dazu führen, dass es Unterschiede gibt zwischen Planungskosten, die ich einstelle, die geringer ausfallen, und Baukosten. Wenn ich eine große Summe X einstelle, die nicht in einem Jahr abgerufen werden kann, habe ich dann eben Haushaltsreste. Das möchten wir vermeiden.
FRAGE LANDWEHR: Ich habe eine Frage an das BMWK. Es geht um die Transportbranche und die Versorgungssicherheit. Die Branche sagt selbst, dass sie mit für die Versorgung des Landes zuständig ist und alles macht. Gleichzeitig leidet sie sehr unter gestiegenen Gas- und Dieselpreisen und fordert seit über einem halben Jahr konkretere Hilfen, vor allem vom BMWK. Die letzte Forderung war ein LNG-Rettungsschirm. Da möchte ich Sie fragen: Ist das in der Diskussion bei Ihnen? Gibt es also einen Rettungsschirm für die Branche oder nicht?
DR. BARON: Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass wir ja im April dieses Jahres gemeinsam mit dem Finanzministerium einen Rettungsschirm für die vom russischen Angriffskrieg in der Ukraine besonders betroffenen Unternehmen vorgestellt haben, bestehend aus verschiedenen Elementen, aus Krediten, aus Bürgschaftsprogrammen, aus einem Zuschussprogramm für die energieintensive Industrie und als viertem Element aus einem Programm für Margining-Kosten am Strommarkt.
Dieses Instrument existiert also. Natürlich ist es zielgerichtet ausgestaltet. Beispielsweise das Kreditprogramm und das Bürgschaftsprogramm gelten für alle Branchen. Insofern existieren dort Mittel, die branchenoffen gestaltet sind.
Zum Zweiten der Verweis auf das gestrige Entlastungspaket: Auch da gibt es einen Passus für Unternehmen mit Blick auf die bestehenden Programme, diese zum einen bis Jahresende zu verlängern und zum anderen zu schauen, ob gerade bei dem Punkt Energiekostenintensität noch einmal Erweiterungen möglich sind. Bislang ist da sozusagen die Definition an die europäischen Klima- und Umweltbeihilfeleitlinien, die sogenannten KUEBLL-Leitlinien, geknüpft. Dabei geht es jetzt darum, noch einmal zu sehen, ob Erweiterungen möglich sind.
Abschließend kann ich jetzt die Frage nicht beantworten, welche das dann sind. Ich kann Ihnen aber sagen: Etwas Bestehendes gibt es, und das Entlastungspaket adressiert natürlich auch, besonders betroffene Unternehmen doch noch einmal zu prüfen und zu schauen, wo vielleicht bestehende Instrumente noch nicht ausreichend sind.
FRAGE SCHULZE: Zum Abbau der kalten Progression: Soll sie anhand der Eckwerte erfolgen, die der Finanzminister im August vorgestellt hat? Oder gab es dazu gestern noch keine Einigung?
STS HEBESTREIT: Mir liegen da keine anderen als die vom Finanzminister bisher vorgestellten vor. Wie haben wir das genannt? Inflationsbekämpfungsgesetz oder so etwas.
Aber auch das wird sich jetzt im Vollzug zeigen müssen. Dafür wird es eine Gesetzesgrundlage geben, und das wird dann der Bundestag entscheiden.
ZUSATZFRAGE SCHULZE: Das heißt, die Regierung möchte es mit den Eckwerten in den Bundestag geben, die vorliegen?
STS HEBESTREIT: Jetzt muss ich sagen: Das hat gestern ja nicht die Regierung entschieden, sondern die die Regierung tragenden Koalitionsparteien. Da setze ich jetzt ein.
Ein nächster Schritt ist, dass es eine Ressortabstimmung innerhalb der Bundesregierung gibt. Dann gibt es einen Gesetzentwurf dazu. Der kommt nach dem „Struckschen Gesetz“ in den Bundestag, und am Ende gibt es ein Ergebnis.
FRAGE: Ich habe noch eine Frage an das Gesundheitsministerium. Herr Gülde, es sind ja für diese Woche die angepassten Omikron-Impfstoffe angekündigt. Vielleicht können Sie uns einen aktuellen Stand geben? Sind die ersten Dosen schon da? Rechnen Sie damit, dass es schon in dieser Woche die ersten Impfungen mit diesen angepassten Impfstoffen geben kann?
GÜLDE: Herr Mayer, ich muss ganz offen gestehen: Mir liegen jetzt nicht die konkreten Lieferzahlen vor. Sie wissen, das geht ja direkt an die Länder bzw. an die Leistungserbringer, also an den pharmazeutischen Großhandel, der das dann an die Ärzteschaft und die Impfzentren weitergibt.
Wir haben den Impfstoff in dem Sinne jetzt nur beschafft. Wir liefern ihn nicht selbstständig aus, sondern das machen tatsächlich die Hersteller selbst, dann über den pharmazeutischen Großhandel.
Insofern kann ich Ihnen jetzt noch keinen Zwischenstand dazu geben. Wir gehen aber davon aus, dass in dieser Woche die ersten Impfungen erfolgen können.