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Bundesregierung für Desinteressierte: BPK vom 12. September 2022

Themen: Atomendlager der Schweiz, russischer Angriffskrieg gegen die Ukraine, Energiepreise, Bundeshaushalt 2023/Etat des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Pensionen von Polizisten, Grundsteuer, Entwurf eines Krankenhauspflege-Entlastungsgesetzes, kontrollierte Abgabe von Cannabis, Rüstungsexportkontrollgesetz, Medienberichte über den Transport von Uran in die Brennelementfertigungsanlage in Lingen, Deutscher Arbeitgebertag, Ernährungsnotfallvorsorge, Beerdigung von Queen Elisabeth II.

Themen/Naive Fragen:
00:00 Beginn
01:02 Schweizer Atommüllendlager
03:34 Hans zum Atommüllendlager
06:41 Tilo zum Atommüllendlager
09:27 Hans zum Atommüllendlager
10:48 Waffenlieferungen für die Ukraine
13:21 Lage in der Ukraine
15:06 VNG-Antrag
16:15 Gaskosten
17:23 Katastrophenschutzkürzung
19:09 Polizeipensionen
21:42 Grundsteuer
23:10 Nachreichung BMI zu Katastrophenschutz
25:26 Tilo zu Krankenhauspflege nach Kassenlage
27:18 Hans zu Krankenhauspflege nach Kassenlage
30:09 Tilo zu Krankenhauspflege nach Kassenlage
30:57 Cannabis-Legalisierung
36:21 Tilo zu Cannabis-Legalisierung
37:58 Rüstungsexporte
40:11 Hans zu russischer Uran-Lieferung
44:38 Tilo zu russischem Uran
45:59 Arbeitgebertag
47:25 Bundesreserve Getreide
48:21 Beerdigung der Queen

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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 12. September 2022:

VORS. BUSCHOW eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS’IN HOFFMANN sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

FRAGE GUBSER: Die Schweiz hat sich ja überraschend für einen Atomendlagerstandort nahe der Grenze zu Deutschland, südlich von Hohentengen, entschieden, obwohl genau dieser Standort noch vor ein paar Jahren als ungeeignet bezeichnet worden war. Erwartungsgemäß ist man dort „not amused“. Wie sieht es dazu auf Regierungsebene aus? Gibt es in Sachen Atomendlagerung oder Kompensation Forderungen von Deutschland an die Schweiz?

SRS’IN HOFFMANN: Vielen Dank für die Frage. Die Bundesregierung hat diese Entscheidung der Schweiz natürlich zur Kenntnis genommen. In dieser Sache ist ja das Bundesumweltministerium federführendes Ressort. Das Ministerium hat sich dazu bereit geäußert und wird diesen Vorschlag jetzt zunächst einmal genau prüfen. Die Bundesregierung schätzt es, dass es bisher eine gute Einbindung der deutschen Seite in den Auswahlprozess gegeben hat und hofft darauf, dass das auch fortgesetzt werden wird. Alles Weitere vielleicht vom Umweltministerium.

KÜBLER: Frau Hoffmann hat alles Wesentliche dazu bereits gesagt. Wir sind seit vielen Jahren gemeinsam mit der Schweiz in engem Austausch über deren Endlagersuche. Wir haben die „Expertengruppe-Schweizer-Tiefenlager“ eingerichtet. Wir haben nun diese Entscheidung zur Kenntnis genommen. Auch die Schweiz hat sich klar dafür ausgesprochen, diese Entscheidung wissenschaftsbasiert, partizipativ und aufgrund geologischer Kriterien anzugehen. Das ist so geschehen, wie auch wir in Deutschland das Standortauswahlverfahren betreiben. Das Verfahren ist dem der Schweiz recht ähnlich. Im nächsten Schritt wird unsere Expertengruppe nun diese Entscheidung der Schweizer Behörden auf Plausibilität prüfen.

FRAGE JESSEN: Sie sagten, dass die Expertengruppe bereits seit einigen Jahren arbeitet. Wie sind die bisherigen Erkenntnisse der Expertengruppe über die Endlagerfähigkeit dieser Region? Finden sich ähnliche mögliche Wirtsgesteine auch auf der deutschen Seite?

KÜBLER: Bereits seit 2006 sind wir bzw. diese Expertengruppe im Austausch mit den Schweizer Behörden. Das Standortauswahlverfahren in Deutschland läuft parallel. Wir sind aber noch nicht so weit wie die Schweiz; wir werden voraussichtlich erst im Jahre 2031 einen Endlagerstandort festlegen. Dazu führt Deutschland derzeit ein sehr umfangreiches, ebenfalls wissenschaftsbasiertes, partizipatives Standort¬auswahlverfahren durch, das dem Verfahren der Schweiz sehr vergleichbar ist. In drei Phasen soll der Standort ausgewählt werden. In der ersten Phase werden alle vorhandenen Daten zur deutschen Geologie gesammelt und ausgewertet. Auf dieser Basis werden dann in Phase zwei Standortregionen zur übertägigen Erkundung ausgewählt. Bereits jetzt haben wir festgestellt, dass salzhaltige Gesteine wie in Gorleben sich nicht für ein Endlager eignen, weswegen bereits eine Entscheidung gefallen ist, dass Gorleben als Endlager ausscheidet und zurückgebaut wird. Ob weitere geologische Formationen ausscheiden, wird nun in den nächsten Phasen entschieden. Bisher ist Ton noch nicht ausgeschieden. Ton liegt in der Region an der Grenze der Schweiz und Baden-Württembergs. Insofern gibt es bisher weder eine Festlegung auf dieses Gestein noch eine Ablehnung.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Die Anlage würde auf der Schweizer Seite praktisch direkt an der Grenze zu Deutschland liegen, in zwei Kilometer Entfernung. Kann man aus dieser Tatsache in irgendeiner Weise den Schluss ziehen, dass es sich hier um einen unterirdischen Tonkörper handelt, der gegebenenfalls sowohl von der Schweiz als auch von Deutschland genutzt werden könnte, wenn eine Eignung festgestellt wird, oder ist der Gedanke unsinnig?

KÜBLER: Der Gedanke ist natürlich nicht unsinnig, das ist ein guter Gedanke. Dennoch hat sich Deutschland anders entschieden: Deutschland hat sich entschieden, für seinen Atommüll ein eigenes Endlager zu konstruieren und nicht gemeinsam mit europäischen Partnern. Wir sind für unseren Müll verantwortlich. Das Endlager geht nicht auf deutsches Territorium über, es ist einige Kilometer entfernt. Lediglich die Oberflächenbauten rücken bis auf zwei Kilometer an die deutsche Grenze heran.

FRAGE JUNG: Was kann jetzt von deutscher Seite noch gegen diese Entscheidung getan werden? Klar: Die Expertengruppe kommt zusammen und könnte ja auch zur Einschätzung kommen, dass man die Entscheidung nicht für nachvollziehbar hält. Aber kann man jetzt rein rechtlich oder politisch irgendetwas machen, damit die Entscheidung auf Schweizer Seite revidiert wird?

KÜBLER: Es geht erst mal nicht gleich um die Revision einer Entscheidung von Schweizer Seite. Auch auf der Schweizer Seite gibt es viele Proteste gegen diesen Standort, gegebenenfalls auch Klagen. Das wagen wir von hier aus nicht zu beurteilen, das müssten Sie die Schweizer Kollegen fragen. Aber man hat ja schon in den Medien die erste Reaktion der betroffenen Gemeinden gehört, die dagegen natürlich erst einmal protestieren und diese Entscheidung ebenfalls überdacht wissen wollen. Wir haben unsere Expertengruppe, die diese geologiewissenschaftlichen Entscheidung der Schweizer Behörden nun auf Plausibilität und Wissenschaftlichkeit überprüft. Wir sind aber mit den Partnern dort seit langem im Austausch und wissen, dass dort eine wissenschaftsbasierte Entscheidung gefällt wurde. Aber die Plausibilität genau für diesen Standort überprüfen wir jetzt. Im Zuge der Entscheidung für ein Endlager an der deutschen Grenze, aber auch für die Errichtung der Oberflächenanlagen sowie der Brennelementeverpackungsanlage, die sehr nahe an die deutsche Grenze heranreichen und sowohl in der Bauphase als auch in der Phase des Betriebs auch die Gemeinden auf deutscher Seite stark belasten, geht es jetzt unter anderem darum, dass nun Zusagen über Ausgleichszahlungen für die regionale Entwicklung getroffen werden. Auch dazu sind wir mit den Schweizer Behörden im Einvernehmen. Dort gibt es bereits Ankündigungen, Ausgleichszahlungen zu leisten.

ZUSATZFRAGE JUNG: Habe ich es richtig verstanden, dass Sie jetzt eigentlich nichts Konkretes in der Hand haben, dieses Endlager zu verhindern? Das können nur die Schweizer selbst, korrekt?

KÜBLER: Da es immer Umweltverträglichkeitsprüfungen grenzüberschreitender Art gibt und wir uns die Entscheidung der Schweizer Behörden nun wissenschaftsbasiert angucken, werden wir nach Prüfung der Unterlagen entscheiden, ob ein solches Verfahren auch wirklich wissenschaftsbasiert gelaufen ist, die Entscheidung plausibel ist und ob wir gegen diese Entscheidung Argumente finden, die wir bei den Schweizer Behörden vorbringen werden oder eben nicht. Aber das ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht der Fall.

FRAGE JESSEN: Können Sie uns sagen, wann Sie von deutscher Seite mit dem Ergebnis der Plausibilitätsüberprüfung rechnen? Werden Sie uns das von sich aus aktiv mitteilen?

KÜBLER: Ich kann Ihnen noch nicht sagen, wann das sein wird. Es sind wirklich umfangreichste Unterlagen, die nun dieser Expertengruppe-Schweizer-Tiefenlager übergeben werden. Da kann ich Ihnen noch keinen Termin nennen. Da das Interesse von Ihnen, von den betroffenen Gemeinden, von der deutschen Bevölkerung weil wir auch in einem Standortauswahlverfahren sind groß ist, werden wir hier aktiv informieren, wenn wir hier zu einem Ergebnis gekommen sind.

FRAGE BUSCH: Russland scheint sich ja in der Ukraine gerade verstärkt auf Luftangriffe zu konzentrieren. Können Sie erklären, inwieweit die Waffen, die Deutschland jetzt schon geliefert hat oder noch liefern will, geeignet sind, um die Ukraine in der Abwehr dagegen zu unterstützen? Das Flugabwehrsystem IRIS-T ist ja wohl noch nicht geliefert worden. Haben die Ukrainer irgendeine Handhabe aus deutschen Waffenlieferungen, sich da zu verteidigen?

COLLATZ: Die Liste der Lieferungen kennen Sie, die umfasst ja auch Luftverteidigungssysteme. Wie bereits zuvor zu anderer Gelegenheit dargestellt fällt es mir schwer, hier etwas zu den Frontverläufen und zu den Ereignissen im Gefecht zu sagen. Da müssen Sie die ukrainische Seite fragen. Unsererseits ist es natürlich deutlich akzeptiert, dass die Ukrainer ihren Bedarf formulieren. Dieser Bedarf wird da gehen wir ganz fest von aus militärisch begründet sein. Insofern ist das, was wir in den Besprechungen mit der Ukraine an Lieferungen vereinbaren, schon ein Hinweis darauf, was die Ukraine gebrauchen kann und was sich nach deren Einschätzung im Gefecht auswirken wird.

FRAGE RATZ: Sie sagen, die Ukraine sollte ihren Bedarf formulieren. Das macht sie ja auch mit Blick auf Kampf- und Schützenpanzer. Da ist die Bundesregierung bislang eher zurückhaltend und sagt: „keine Alleingänge“. Daher die Frage an Frau Hoffmann: Wie weit gedenkt der Kanzler, dieses Thema bei den Alliierten USA und Frankreich proaktiv voranzubringen und sich dafür einzusetzen, dass man eben auch konzertiert Kampfpanzer westlicher Bauart liefert?

SRS’IN HOFFMANN: Die Bundesregierung ist mit ihren Verbündeten über die militärische Unterstützung der Ukraine permanent im Gespräch. Zuletzt hatten wir in der vergangenen Woche die Konferenz in Ramstein, die sich noch mal intensiv darüber ausgetauscht hat und bei der weitere Lieferungen angekündigt wurden. Es steht vollkommen außer Frage, dass Deutschland die Ukraine weiterhin militärisch auf sehr effektive und wirksame Weise unterstützen wird in enger Absprache mit den Verbündeten. Details dieser Absprachen kann ich jetzt hier natürlich nicht benennen.

FRAGE ELLERMANN: Wie bewertet die Bundesregierung nach den Meldungen über die Rückeroberungen in der Ukraine und den Rückzug russischer Truppen aus der Region Cherson die aktuelle Lage in der Ukraine? Gibt es da eine Neubewertung?

SRS’IN HOFFMANN: Wir bewerten hier die militärische Lage nicht. Das hat auch mein Kollege aus dem Verteidigungsressort schon gesagt. Wir beobachten das aber natürlich sehr genau, und wir sehen, dass der Mut und die Entschlossenheit der Ukrainer bei der Befreiung ihres Landes offenbar dazu geführt haben, dass Fortschritte gemacht worden sind. Wir sehen auch, dass die Unterstützung, die das ukrainische Militär von den Freunden und Verbündeten unter anderem auch von Deutschland erhält, offenbar seine Wirkung zeigt. Wir sind, wie ich eben schon gesagt habe, entschlossen, das auch fortzusetzen.

ZUSATZFRAGE ELLERMANN: Ändert diese Einschätzung etwas an der bisherigen Haltung der Bundesregierung, keine Kampfpanzer in die Ukraine zu liefern?

SRS’IN HOFFMANN: Wie gesagt: Wir sind über die umfassende Unterstützung hinaus, die wir ja auch mit schweren Waffen, mit Artillerie und Flugabwehr leisten, mit den Verbündeten in ständigem Gespräch. Aber der Bundeskanzler hat ja mehrfach gesagt: Es wird keine deutschen Alleingänge in dieser Sache geben.

FRAGE RATZ: Herr Säverin, können sie uns zum VNG-Antrag aktuell sagen, wo wir stehen, wann mit einer Entscheidung zu rechnen ist?

DR. SÄVERIN: Da gibt es keinen neuen Sachstand. Der Antrag ist am Freitag eingegangen und wird intensiv geprüft. Der Sachverhalt ist schwierig, aber es gibt noch keine Informationen, die ich hier darüber mitteilen könnte.

FRAGE JESSEN: Am Freitag sagten Sie ja auch, die Eigentumsverhältnisse von VNG eine EnBW-Tochter werden noch geprüft. EnBW rechnet mit Gewinnen in Milliardenhöhe. Wird diese Gewinnsituation mit ins Kalkül gezogen und berücksichtigt, wenn es um Bundeshilfe für die Tochtergesellschaft geht?

DR. SÄVERIN: Grundsätzlich gilt für diese Stabilisierungsmaßnahmen, dass die Unternehmen, die sie in Anspruch nehmen möchten, selbst einen Eigenbeitrag leisten müssen. Unter diesem Aspekt werden auch die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse geprüft, in denen VNG sich befindet.

FRAGE WACHS: Es gibt einen „BILD“-Leser, der hat ein Haus am Rand von Zwickau und hatte bisher eine Abschlagszahlung für Gas zum Heizen von 165 Euro im Monat. Ab dem 1. November sollen es 2286 Euro sein. Was soll dieser Mann ganz konkret jetzt tun?

DR. SÄVERIN: Die Frage kann ich nur schriftlich beantworten, weil wir uns den Sachverhalt angucken müssen und sehen müssen, was die Bundesregierung dazu sagen kann, weil es ein Einzelfall ist.

ZUSATZFRAGE WACHS: Was gibt es ganz grundsätzlich für Leute, die jetzt mit so viel höheren Absatzzahlen rechnen müssen, für Hinweise, wie die sich helfen können?

DR. SÄVERIN: Die Bundesregierung hat ein drittes Entlastungspaket vorgeschlagen und in die Diskussion gebracht. Wesentlicher Kern dieses Entlastungspakets ist, die Belastung der Haushalte, die durch die höheren Energiekosten eintritt, abzufangen. Wahrscheinlich muss man auch dieses Problem in diesem Zusammenhang sehen.

FRAGE VOLLRADT: Eine Frage ans BMI zum Thema Zivilschutz: Frau Dr. Wendt, die Ministerin sagte vor ein paar Monaten, dass nicht nur wegen der jüngsten Naturkatastrophen, sondern auch wegen des russischen Angriffskrieges der Bevölkerungsschutz in Deutschland dringend verstärkt werden müsse. Nun sind im aktuellen Haushaltsentwurf beispielsweise die Mittel für das BBK nicht etwa verstärkt, sondern um 112 Millionen Euro gekürzt worden. Wie können Sie das angesichts dieser Herausforderungen erklären?

DR. WENDT: Da geht es um konkrete Zahlen. Die Antwort auf die Frage muss ich nachreichen. Was die Ministerin gesagt hat, ist auch hinterlegt. Das kann ich Ihnen aber jetzt in den Einzelposten erst im Schriftlichen darstellen. Es ist aber definitiv so, dass der Bevölkerungsschutz, auch vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse, gestärkt wird.

ZUSATZFRAGE VOLLRADT: Also kann man mehr Schutz mit weniger Geld schaffen?

DR. WENDT: Ich muss mir die Zahlen noch einmal konkret anschauen. Dann können wir Ihnen das konkret beantworten.

FRAGE KRÜGER: Es geht um das Polizeigesetz und den Streit zwischen dem Bundesfinanzministerium und Frau Faeser über die Bezahlung von Polizistenpensionen beziehungsweise deren Anpassung, über den die Kollegen von der „Welt“ berichtet haben. Können Sie diesen Konflikt bestätigen? Gibt es Bemühungen, ihn zu lösen, und wie sieht das weitere Verfahren aus?

DR. WENDT: Die Bundesinnenministerin hat Ende April ihren Gesetzentwurf zur Wiedereinführung der Ruhegehaltsfähigkeit der Polizeizulage vorgelegt. Das ist ein wichtiges Vorhaben zur Wertschätzung der Polizei, das im Übrigen auch im Koalitionsvertrag vereinbart ist. Dem Gesetzentwurf zufolge sollen sich die künftigen Versorgungsbezüge der im Bundesdienst stehenden Polizistinnen und Polizisten um bis zu 160 Euro pro Monat erhöhen. Von der Regelung profitieren nicht nur Polizistinnen und Polizisten der Bundespolizei, sondern auch des BKA und der Polizei beim Deutschen Bundestag, aber auch Feldjäger der Bundeswehr sowie Beamtinnen und Beamte in vollzugspolizeilich geprägten Bereichen der Zollverwaltung, also all in all 56.000 Bedienstete. Über diesen Entwurf wird weiterhin mit dem BMF diskutiert. Weitere Einzelheiten kann ich dazu nicht mitteilen.

DR. KALWEY: Ich kann dazu nicht viel mehr sagen. Die Kollegin hat ja ausgeführt, worum es geht. Es ist eine regierungsinterne Abstimmung, zu der wir uns grundsätzlich nicht äußern.

ZUSATZFRAGE KRÜGER: Können Sie vielleicht beziffern, um wie viel Geld es da geht, und ob das im Bundeshaushalt bisher hinterlegt ist?

DR. WENDT: Im Jahr das Inkrafttreten des Gesetzes sind Mehrkosten in Höhe von ca. 15 Millionen Euro zu erwarten. In den folgenden fünf Jahren erhöht sich dieser Beitrag dann voraussichtlich um ca. 2,2 Millionen Euro pro Jahr.

DR. KALWEY: Im Grundsatz ist es so, dass Vorhaben in den Haushalt aufgenommen werden, sobald sie Etatreife erlangt haben. Das ist ein Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag, das umgesetzt werden soll.

FRAGE CLASMANN: Frau Kalwey, wie sieht es eigentlich aus, nachdem es bei der Abgabe der Grundsteuer-Feststellungserklärungen ja nach wie vor drunter und drüber geht? Wie hat sich die Quote der inzwischen eingereichten Erklärungen entwickelt? Ist die Frage einer möglichen Fristverlängerung schon geklärt beziehungsweise wann wird sie geklärt? Die Frist läuft ja Ende Oktober aus.

DR. KALWEY: Lassen Sie mich parallel zu der Quote suchen, ich habe die Zahl irgendwo hier. Der Minister hatte sich grundsätzlich dafür ausgesprochen, dass man eine Fristverlängerung in Erwägung ziehen könnte. Es ist aber eine Entscheidung, die von den Ländern ausgehen müsste, weil die Länder die Zuständigkeit für die Grundsteuererhebung und am Ende auch für die mögliche Fristverlängerung haben. Die Frist, die jetzt gesetzt wurde, wurde auch von den Ländern vorgegeben.

ZUSATZFRAGE CLASMANN: Würde das dann bundesweit verlängert? Da gibt es doch eine Absprache, oder macht dann jeder seins?

DR. KALWEY: Jetzt gibt es ja auch eine einheitliche Frist. Wenn die Länder sich auf eine Frist einigen könnten, wäre das natürlich sinnvoll. Aber am Ende müssen die Länder darüber entscheiden.

VORS. BUSCHOW: Weitere Fragen zu dem Thema sehe ich nicht. Dann wäre mein Vorschlag, dass Frau Kalwey in den nächsten Minuten die Zahl findet und Frau Wendt in der Zeit eine Nachlieferung zum Thema Zivilschutz macht.

DR. WENDT: Genau. Es geht noch einmal um die Behauptung, dass wir beim Zivilschutz gekürzt hätten. Freundlicherweise haben mir die Kollegen jetzt die Zahlen geschickt: Der geringere Ansatz in 2023 im Vergleich zu 2022 stellt keine Kürzung dar. Vielmehr haben wir in den Jahren 2020 bis 2022 Konjunkturprogramme gehabt, die Ende 2022 ausgelaufen sind. Ziel der Konjunkturprogramme war es, Beschaffungen für die öffentliche Verwaltung, also auch für den Bevölkerungsschutz vorzuziehen und sonstigen Beschaffungsbedarf zu realisieren. Es wurden beispielsweise für das THW Fahrzeuge und notwendige Spezialausrüstung beschafft. Im Vergleich zum für uns jetzt wieder relevanten Jahr 2019 weisen die Behördenhaushalte BBK und THW trotz der in 2023 geltenden Schuldenbremse einen deutlichen Zuwachs auf. Darüber hinaus erhält das BBK als eine von wenigen Behörden überhaupt im Jahr 2023 zusätzlich 146 Stellen. Das THW erhält zwar keine zusätzlichen Stellen, ist aber von der im Regierungsentwurf enthaltenen pauschalen Stellenkürzung ausgenommen. Insofern ist der Vorwurf, den Sie gemacht hatten, nicht haltbar.

VORS. BUSCHOW: Dann hören wir auch gleich die Nachreichung aus dem Finanzministerium zur Grundsteuer.

DR. KALWEY: Ich kann Ihnen zur zum Stand der eingereichten Erklärungen mitteilen, dass sich zum Stand 8. September die Zahl der abgegebenen Feststellungserklärungen auf ungefähr 6,2 Millionen erhöht hat. 584 000 Erklärungen wurden auf Papier eingereicht. Die Abgabenquote hat sich insgesamt auf knapp 18 Prozent erhöht.

FRAGE JUNG: Herr Gülde, mir geht es um den Entwurf Ihres Hauses für ein Krankenhauspflegeentlastungsgesetz. Da kam jetzt raus, dass Ihr Haus vorschlägt, dass der Bundesfinanzminister künftig detailliert mitbestimmen kann, wie Patienten im Krankenhaus versorgt werden. Wie kommen Sie darauf?

GÜLDE: Dass der Finanzminister mitbestimmen darf, wie Patientinnen und Patienten im Krankenhaus versorgt werden, kann ich verneinen. Das darf ja nicht mal unser Minister, das ist eine ärztliche Entscheidung. Grundsätzlich ist es so ich glaube, darauf zielt Ihre Frage ab –, dass natürlich Gesetzentwürfe auch in den Ressorts abgestimmt werden. Darum geht es auch in diesem Fall, und da wird natürlich auch der Finanzminister eingebunden.

ZUSATZFRAGE JUNG: Es geht aber doch um die Einzelheiten der neu geplanten Personalbemessung. Bei dieser Rechtsverordnung muss es ein Einvernehmen mit dem BMF geben. Das ist ja neu. Da geht es dann um die Festlegung, wie viele Pflegekräfte in Kliniken eingesetzt werden, was bedeutet, dass die Gesundheitsversorgung nach Kassenlage kommt. Das ist ein grundlegender Wandel.

GÜLDE: Nein, das ist kein grundlegender Wandel, sondern es war auch schon vorher tatsächlich so bei Gesetzentwürfen oder Verordnungsentwürfen, die auch andere Ressorts betreffen. Das sind natürlich Gesetze, die Finanzwirkung entfalten. Da ist es grundsätzlich so, dass dann auch die entsprechenden Ressorts zu beteiligen sind. Das ist wirklich keine Neuheit, und das wird eben auch in diesem Fall so gehandhabt.

FRAGE JESSEN: Dennoch, von der Systematik her: Sie sagten, es würde ja nicht so sein, dass der Finanzminister oder auch nur der Gesundheitsminister über die Pflege von Patienten mitbestimme. Faktisch ist es aber dennoch so, denn die Verordnung, an der Sie arbeiten, zielt ja letztlich darauf ab zu sagen: Welcher Pflegebedarf wird ermittelt? Daraus werden dann Minuten ermittelt, und das geht in den Personalschlüssel ein, und die Zeit, die zur Versorgung von Patienten zur Verfügung steht, ist ja substanziell für deren Versorgung. Diesen Kontext gibt es schon. Was Sie eben gesagt haben, heißt, dass auch in der Vergangenheit der Finanzminister schon mitbestimmen konnte, wenn es sich um Regelungen handelt, die Bundesgelder betreffen. Das war in der Vergangenheit auch schon so, hier geht es ja letztlich um die Finanzierung eines möglichen Mehrbedarfs von etwa 40 000 Pflegekräften oder mehr. 2,5 Milliarden Euro stehen im Raum. Diese Dimension war auch in der Vergangenheit schon immer mit dem Finanzressort zustimmungsbedürftig?

GÜLDE: Meine Ausführungen bezogen sich jetzt auf die Frage, ob die Minister, also der Finanzminister oder eben auch der Gesundheitsminister, Einfluss auf die Versorgung einzelner Patienten nehmen können. Das können sie tatsächlich nicht. Aber Gesetzentwürfe, die eine Finanzwirkung entfalten, betreffen dann gegebenenfalls eben die gesetzliche Krankenversicherung, und die betreffen möglicherweise auch die Steuerfinanzierung. Dass diese Entwürfe mit den Ressorts entsprechend geklärt werden, ist gesetzliche Praxis. Dazu gibt es tatsächlich keinen neuen Stand, das war auch vorher schon so der Fall. Diese Zuspitzung, wie Sie das jetzt sagen, dass die Minister irgendwie Einfluss auf die Versorgung einzelner Patienten hätten: Das kann ich so verneinen. Aber dass Gesetze, die eine bestimmte Wirkung entfalten, vorher zwischen den Ressorts verhandelt werden, das ist ganz normal.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Können Sie ausschließen, dass durch die Nichtzustimmung des Ressorts zu Personalschlüsseln, die Sie eigentlich für nötig halten, die Versorgung von Patienten im Ergebnis schlechter ausfallen wird, als wenn die Finanzierungswünsche und Schlüsselwünsche, die sie eigentlich haben, angenommen würden?

GÜLDE: Ich bitte um Verständnis, dass die Pflegepersonalbemessung in den Krankenhäusern zurzeit noch Gegenstand entsprechender Ausarbeitungen ist. Insofern kann ich an dieser Stelle solche Prozesse einfach nicht vorwegnehmen.

FRAGE JUNG: Frau Kalwey, freut sich denn der Finanzminister, dass er bei der Personalbemessung im Krankenhaus künftig ein Mitspracherecht hat?

DR. KALWEY: Ich kann nur noch einmal das unterstreichen, was der Kollege gerade schon gesagt hat, nämlich dass es ja durchaus nicht unüblich ist, dass in Verordnungen vorgesehen ist, dass diese im Einvernehmen mit anderen Ressorts getroffen werden. Ich kann Ihnen jetzt zu diesem einzelnen Vorgang nichts sagen. Das ist, wie Sie ja wissen, eine regierungsinterne Abstimmung. Sie sehen mir nach, dass ich mich jetzt nicht dazu äußere.

FRAGE KRÜGER: Es geht um die Pläne der Bundesregierung zur Legalisierung von Cannabis in Deutschland. Es gibt jetzt insgesamt drei Schriftstücke des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags, die im Auftrag eines Bundestagsabgeordneten erstellt worden sind. Darin kommt der Wissenschaftliche Dienst zu der Schlussfolgerung, dass die geplanten Regelungen mit Europarecht nicht vereinbar seien. Mich würde interessieren, wie Sie diese Hürden einschätzen und wie die möglicherweise umgangen werden. Soweit ich weiß, gab es ja zumindest schon bei den Grünen Überlegungen dazu, wie man mit diesen Problemen umgeht.

GÜLDE: Selbstverständlich prüfen wir diese Analyse des Wissenschaftlichen Dienstes und werden sie auch in unsere Überlegungen für die kontrollierte Abgabe von Cannabis zu Genusszwecken einbeziehen. Die neuen Cannabisregelungen müssen natürlich entsprechend auch rechtssicher sein, das ist keine Frage, und dafür suchen wir derzeit eine Lösung, die auch mit internationalem und mit EU-Recht vereinbar ist.

ZUSATZFRAGE KRÜGER: Könnten Sie kurz skizzieren, wie die aussehen kann?

GÜLDE: Nein, das kann ich noch nicht. Sie wissen, dass es im Juni dieses Jahres einen recht umfangreichen Konsultationsprozess gab, in dem die Einzelfragen zur kontrollierten Abgabe von Cannabis erörtert wurden. Das Ganze ist ein sehr komplexes Verfahren. Dazu haben sich ja in der Vergangenheit sowohl Bundesgesundheitsminister Lauterbach als auch der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Herr Blienert, geäußert. Es gibt viele Einzelfragen, die zu klären sind, angefangen mit der Frage, welche Läden Cannabis abgeben können, welche Höchstgrenzen es möglicherweise gibt, wie das verkehrsrechtlich geregelt wird oder wie Verstöße gegebenenfalls strafrechtlich geregelt werden. Es gibt natürlich auch Fragen, die sowohl das EU- als eben auch das Völkerrecht betreffen, und die sind zurzeit noch zu klären. Sie wissen das hat Herr Minister Lauterbach angekündigt , dass wir Eckpunkte dazu erarbeiten werden, die wir im Herbst, wenn alles glatt geht, vorstellen wollen. Dann werden wir natürlich auch zu solchen Fragen Stellung nehmen.

FRAGE CLASMANN: Der Knackpunkt, also einer der schwierigen Punkte, was das EU-Recht und einen möglichen Konflikt angeht, scheint mir ja der legale Anbau zu sein. Da wüsste ich jetzt gerne, weil ja die Idee war, dass man nicht das niederländische Modell wählen will, nach dem der Anbau ja nicht erlaubt ist, ob, wenn sich der Anbau als nach EU-Recht illegal entpuppen sollte und sich daran auf EU-Ebene auch nichts ändern lässt, man dann auf das ganze Projekt verzichtet oder im Notfall doch den niederländischen Weg geht.

Das würde wahrscheinlich das Auswärtige Amt oder das Wirtschaftsministerium betreffen: Will man gegebenenfalls versuchen, sich auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass der Anbau EU-weit legal wird?

GÜLDE: Ich würde vielleicht einfach einmal starten. – Sie wissen, dass im Koalitionsvertrag vereinbart wurde, eine kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken zu ermöglichen. Wie auch schon eingangs skizziert, wirft dass einige juristische Fragen auf, die noch zu klären sind. Insofern kann ich jetzt zu Einzelfragen wie beispielsweise der, wie mit dem Anbau von Cannabis verfahren wird, noch keine Stellung nehmen. Aber das Ziel bleibt halt eben, eine solche kontrollierte Abgabe an Erwachsene zu ermöglichen, und daran arbeiten wir zurzeit mit Hochdruck.

VORS. BUSCHOW: Können das Auswärtige Amt oder das Wirtschaftsministerium etwas ergänzen? – Das Wirtschaftsministerium schüttelt den Kopf.

WAGNER: Ich muss leider auch den Kopf schütteln. Ich habe dazu auch nichts zu sagen.

ZUSATZFRAGE CLASMANN: Wenn Sie den Kopf schütteln, dann hätte ich noch eine kurze Rückfrage: Heißt das, dass die Koalitionäre in ihrem Papier ein Wünsch-dir-was formuliert haben, bei dem sie diese Frage des EU-Rechts noch überhaupt gar nicht berücksichtigt haben?

GÜLDE: Zum Koalitionsvertrag selbst kann hier jetzt keine Stellung nehmen. Ich spreche hier für das Gesundheitsministerium. Grundsätzlich ist es aber tatsächlich so, dass das EU- wie auch völkerrechtliche Fragen aufwirft, zum Beispiel eben auch, dass das Suchtstoffübereinkommen der Vereinten Nationen in Betracht gezogen wird. Das haben wir in der Vergangenheit auch immer wieder deutlich gemacht. Ich meine, auch im letzten Interview des Ministers mit dem „SPIEGEL“ hat er eben auch noch einmal tatsächlich von EU- und Völkerrecht gesprochen. Dass das Fragen sind, die erörtert werden müssen, war uns also durchaus bewusst. Aber das sind halt eben auch noch Dinge, die derzeit noch zu klären sind, ja.

WAGNER: Mein Kopfschütteln bitte ich so zu interpretieren, dass ich einfach hier an dieser Stelle aus dem Stegreif nichts dazu sagen kann. Aber ich werde gerne etwas dazu nachreichen, wenn wir dazu etwas nachzureichen haben.

ZUSATZ CLASMANN: Das wäre nett, vor allem bezüglich der Frage, ob Sie sich dafür einsetzen, dass es EU-weit einen legalen Anbau geben soll.

FRAGE JUNG: Herr Gülde, wird sich die Bundesregierung denn für eine Änderung des UN-Abkommens, dieses Suchtabkommens, einsetzen? Das ist ja 50 Jahre alt. Das wird ja auch als archaisch angesehen. Auch andere Staaten wie Kanada und Uruguay haben eine Legalisierung, bekommen einfach jedes Jahr eine Rüge von dem Council, und das war es dann. Man könnte ja entweder aus diesem Abkommen austreten, es ändern oder einfach die Rügen ignorieren.

GÜLDE: Ja, aber auch dazu, Herr Jung, hat sich Herr Minister Lauterbach ja in der Vergangenheit geäußert. Er hat gesagt: Wir möchten gerne eine rechtssichere Lösung haben, die auch mit EU- und Völkerrecht vereinbar ist. – Insofern kann ich diesem Diskussionsprozess, der da möglicherweise auch noch ansteht, was das Suchtstoffübereinkommen anbelangt, hier jetzt nicht vorgreifen. Ich kann Ihnen jetzt auch noch nicht skizzieren, wie so eine Lösung entweder ohne eine Änderung oder mit einer Änderung dieses Übereinkommens dann tatsächlich aussehen kann. Aber dass man an einer Lösung dafür arbeitet, kann ich Ihnen zusichern, ja.

FRAGE AM ORDE: Frau Lambrecht hat gerade in ihrer Rede gefordert, dass im neuen Rüstungsexportgesetz kein deutsches Veto gegen Exporte gemeinsamer europäischer Rüstungsprojekte kommen werde. Ich wüsste gerne, wie das BMWK das sieht.

DR. SÄVERIN: Wie bereits mehrfach angekündigt, arbeiten wir intensiv an diesem Rüstungsexportkontrollgesetz. Wir sind ziemlich weit gekommen bei der Erarbeitung von Eckpunkten, die dann in die Ressortabstimmung eingebracht werden. Über Einzelheiten kann ich tatsächlich noch nichts sagen.

FRAGE: Aber die Richtung, die Frau Lambrecht einschlägt, ist ja eine ganz andere. Das steht ja auch nicht im Einklang mit dem Koalitionsvertrag, weil im Koalitionsvertrag der Satz steht, dass es begründungsbedürftig ist, wenn an Drittstaaten geliefert wird, also nicht an EU- oder NATO-Mitglieder. Frau Lambrecht hat jetzt gesagt, wenn Italien, Frankreich, Spanien oder ein anderer dieser europäischen Partner fände, dass man das liefern könne, dann stünde unsere Moral nicht höher als die der Partner. Das hört sich für mich nicht so an, als ob Frau Lambrecht damit für eine restriktivere Gangart plädieren würde, die ja im Kollisionsvertrag eigentlich vereinbart war.

DR. SÄVERIN: Die Rüstungsexportkontrollpolitik der Bundesregierung nimmt sehr stark in den Blick, dass wir einerseits Bündnisverpflichtungen innerhalb der NATO und der EU haben und dass andererseits eine große Einigkeit innerhalb der EU hinsichtlich dessen besteht, in welche Länder was exportiert werden darf. Es gibt eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und auch regelmäßige Absprachen, und es gibt dabei keine Alleingänge Deutschlands, sondern wir werden unsere Rüstungsexportkontrollpolitik und eben auch das Gesetz im europäischen Konzert und auch in Absprache mit den NATO-Partnern gestalten.

FRAGE JESSEN: Herr Kübler, hat das Ministerium Kenntnis über den russischen Frachter „Mikhail Dudin“, der sich mit dem möglichen Zielhafen Rotterdam im Ärmelkanal befindet? Umweltorganisationen gehen davon aus, dass sich an Bord des Schiffes Uran befindet, das zur Weiterverarbeitung in die Brennelementefabrik in Lingen im Emsland weitertransportiert werden soll. Haben Sie Kenntnis davon? Wäre unter den Bedingungen und Voraussetzungen des Ukrainekriegs überhaupt eine Lieferung und Bearbeitung russischen Urans in Deutschland zulässig?

KÜBLER: Wir haben davon Kenntnis. Unsere Behörde, das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung, BASE, hat den Transportweg nach Lingen genehmigt. Wir haben keine rechtliche Handhabe, den Transport von Uran aus Russland zu unterbinden, weil die von der EU erlassenen Sanktionsvorschriften im Hinblick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine die Einfuhr von Kernbrennstoffen in die EU wie auch von russischem Gas von den Einfuhrverboten ausnimmt. Insofern haben wir nur die Handhabe, den Transportweg, die Sicherheit des Transportwegs und die Sicherheit der Behälter als Grundlage dafür zu nehmen, einen Transport zu untersagen. Diese grundlegenden Transportbestimmungen hat das BASE geprüft, hat befunden, dass diese Transportwege aufgrund der eingehaltenen Sicherheitsanforderungen eingehalten werden, und musste daher diesen Transport bewilligen.

Dass wir solche Urantransporte wegen des russischen Angriffskrieg, aber auch insgesamt, nämlich wegen des deutschen Atomausstiegs, sehr kritisch sehen, können Sie sich denken. Wir sind immer dafür eingetreten, dass auch die Uranfabriken in Lingen und Gronau geschlossen werden. Das hat aber weder beim letzten noch bei diesem Mal Einzug in den Koalitionsvertrag gefunden.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Ist es aus Sicht Ihres Hauses in der Rolle der Atomaufsicht eigentlich nicht nur wünschenswert, sondern dringend geboten, dass die Genehmigung, wie Sie eben gesagt haben, nicht mehr stattfinden kann, sondern dass man „Nein, in der Gesamtlage genehmigen wir solche Transporte und damit dann auch die Möglichkeit der Weiterverarbeitung zu Brennstäben mit Uran aus russischen Quellen nicht mehr“ sagt?

KÜBLER: Es wäre zu prüfen gewesen, ob auch die Uranimporte unter die Sanktionsbestimmungen der EU hätten fallen können. Dies ist anders entschieden worden. So hat auch Deutschland keine Handhabe, diese Importe zu untersagen. Es liegt dann wirklich auch an dem Unternehmen in Lingen, das Uran für die Aufbereitung zu bestellen. Dafür ist ja Russland nicht der einzige Lieferant. Zum Beispiel Kanada wäre dafür auch eine Alternativmöglichkeit.

Im Übrigen möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass das Uran, das in Lingen und in Gronau aufbereitet wird, nicht für die deutschen Atomkraftwerke aufbereitet wird. In Deutschland werden keine Brennstäbe mehr eingebaut. Die Brennstäbe, die jetzt dort sind, laufen zu Ende, maximal bis Mitte April. Diese Brennstäbe sind meines Erachtens für die französischen AKWs gedacht. Aber Genaueres dazu kann Ihnen das Unternehmen in Lingen sagen.

FRAGE JUNG: Frau Hoffmann, setzt sich die Bundesregierung für eine Sanktionierung von russischem Uran ein, also auf EU-Ebene?

SRS’IN HOFFMANN: Ich kann dem, was der Kollege gesagt hat, jetzt hier nichts Neues hinzufügen. Die EU hat das, wie Sie wissen, anders entschieden. Wir sind ständig dabei, die Sanktionen zu überdenken und über eine Ausweitung von Sanktionen nachzudenken. Aber etwas Konkretes kann ich Ihnen jetzt zu dieser Frage nicht sagen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Wie sich die EU entschieden hat, ist ja klar. Aber Teil der EU ist die Bundesregierung, und Sie haben da einen gewichtigen Einfluss. Möchten Sie russisches Uran sanktionieren? Herr Wagner, wie steht die Außenministerin dazu?

WAGNER: Ich habe dem, was die Regierungssprecherin hier gerade gesagt hat, nichts hinzuzufügen. Wir prüfen in der Tat immer wieder, welche Maßnahmen wir noch weiter ergreifen können, sozusagen auch mit Blick darauf, welche Auswirkungen und Konsequenzen diese Maßnahmen haben. Das tun wir natürlich fortwährend. Dazu laufen die Gespräche in Brüssel.

FRAGE ELLERMANN: Noch eine kurze Frage zu dem morgen stattfindenden Arbeitgebertag. Da sind sowohl Bundeskanzler Scholz als auch Vizekanzler Habeck und Finanzminister Lindner dabei, zudem Frau Stark-Watzinger. Eine Frage an Frau Hoffmann: Was will die Bundesregierung beim Arbeitgebertag erreichen? Gibt es bestimmte Punkte, in denen Sie sich besondere Unterstützung von den Arbeitgebern wünschen?

SRS’IN HOFFMANN: Grundsätzlich kann ich den Gesprächen, die morgen geführt werden, und dem, was dort gesagt werden wird, hier an dieser Stelle nicht vorgreifen. Sie haben ja in den vergangenen Tagen sicher mitbekommen, wie sich Arbeitgeber und auch Verbände zur gegenwärtigen Wirtschaftssituation und zu den Schwierigkeiten geäußert haben, die durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine auch hier in Deutschland und in Europa entstehen. Ich gehe davon aus, dass das mit Sicherheit ein Thema sein wird. Aber, wie gesagt, ich kann dem konkret nicht vorgreifen.

FRAGE VOLLRADT: Es geht noch einmal um die Krisenvorsorge. Da hätte ich eine Frage zur Bundesreserve Getreide. Im Vergleich zu Zeiten des Kalten Krieges steht ja rund 60 Prozent weniger zur Verfügung, obwohl die Bevölkerung um ein Drittel zugenommen hat. Plant das Ministerium da langfristig eine Aufstockung Stichwort Zeitenwende , und wenn nicht, warum nicht?

HAUCK: Vielleicht zur Einordnung: Was Sie ansprechen, ist die Ernährungsnotfallvorsorge. Das sind Lebensmittel, die lange haltbar sind, die bevorratet werden, wie zum Beispiel Reis oder auch länger haltbares Getreide. Das ist ausschließlich für den Fall gedacht, wenn die Lebensmittelversorgung nicht mehr über den Markt möglich ist. Diesen Fall hatten wir in der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich noch nie.

Diesbezüglich kann ich Ihnen keinen neuen Sachstand geben.

FRAGE JUNG: Zur Beerdigung der Queen: Frau Hoffmann, ich gehe davon aus, dass der Bundespräsident vor Ort sein wird. Aber wird auch ein Regierungsvertreter, vielleicht Herr Scholz, nach London reisen?

SRS’IN HOFFMANN: Dazu kann ich im Moment nichts sagen. Wir kündigen die Termine in der Regel am Freitag an oder zwischendurch, wenn etwas anzukündigen ist.

ZUSATZFRAGE JUNG: Aber vielleicht können Sie uns einen kleinen Einblick geben, ob der Kanzler versucht, selbst dabei zu sein.

SRS’IN HOFFMANN: Das wäre sozusagen schon eine Ankündigung, wenn ich das jetzt täte. Das tue ich dann, wenn wir etwas anzukündigen haben.

FRAGE JESSEN: Ist der Bundesregierung bei der Überlegung von Reiseplänen die Bitte der britischen Regierung gewärtig, von Anreisen mit Privatjets abzusehen dazu gehören vielleicht auch Regierungsflieger , sondern per Linie anzureisen? Kennen Sie diesen Wunsch, diese Bitte?

SRS’IN HOFFMANN: Ich habe jetzt nicht darüber gesprochen. Aber ich gehe fest davon aus, dass das bekannt ist.

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