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Bundesregierung für Desinteressierte: Komplette BPK vom 19. Dezember 2016

Weihnachtsverbot?! ► BPK vom 19. Dezember 2016

Themen: Regierungsbildung im Libanon, Vorschlag des BMUB zur Verringerung der Stickstoffdioxidbelastung, Interviewäußerung der Bundesarbeitsministerin im Zusammenhang mit dem Armuts- und Reichtumsbericht, Rückführung von ausreisepflichtigen afghanischen Staatsangehörigen nach Afghanistan, sogenannte Fake News in sozialen Netzwerken, Terroranschläge in der Türkei, Unterrichten von Weihnachtsbräuchen an der deutsch-türkischen Schule Istanbul Lisesi, mögliche italienische Staatshilfen für eine italienische Bank, angekündigte Vertragsverlängerung des Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn, Äußerungen des Bundeswirtschaftsministers im Zusammenhang mit einer mögliche Kürzung des Kindergeldes für in Deutschland lebende EU-Ausländer mit im Ausland lebenden Kindern

Naive Fragen zu:
Libanons neue Regierung (ab 0:30 min)
– hat die Kanzlerin Herrn Hariri schon gratuliert? (2:15 min)
– Hat Herr Steinmeier irgendetwas mitgeteilt?

Verringerung der Stickstoffdioxidbelastung (ab 3:40 min)
– Welche Kommunen, welche große Städte fordern Sie auf? Können Sie die benennen? (13:20 min)

Armutsbericht der Bundesregierung (ab 14:50 min)
– ist die Kanzlerin der Meinung, dass Menschen mit höherem oder sehr hohem Einkommen mehr Einfluss in der deutschen Demokratie haben als ärmere Menschen? (16:25 min)
– Frau Daldrup, was versteht die Ministerin unter „Refeudalisierung“? Ist das etwas Schlechtes?

Abschiebungen nach Afghanistan (ab 17:25 min)
– Die EU hat sich verpflichtet, in den ersten sechs Monaten maximal 50 unfreiwillige Rückkehrer pro Maschine auszufliegen. Ab wann enden diese ersten sechs Monate? (20:47 min)

Facebook/Fake News (ab 22:00 min)
– es ist jetzt auch von einer Art Prüfstelle die Rede, die Propagandaseiten aufdecken und kennzeichnen soll. Trauen Sie sich das als BPA-Leiter zu? Oder macht man da den Bock zum Gärtner? (29:14 min)

„Weihnachtsverbot“ an Istanbuler Schule (ab 30:20 min)
– 35 deutsche Lehrer sollen da arbeiten, die von Deutschland entsandt worden seien und auch durch deutsche Steuermittel bezahlt werden. Können Sie uns sagen, wie viel Geld da drinsteckt? (ab 42:00 min)
– Die Lehrer dort sollen nicht erst seit Neuestem mit den Zuständen an der Schule unzufrieden sein. Hat das Auswärtige Amt schon vor dem jetzigen Fall Kontakt zu den deutschen Lehrern an dieser Schule gehabt?
– Aus Ihren vorigen Äußerungen ist mir nicht ganz klar geworden, ob Sie der Meinung sind, dass das Kulturabkommen, das man mit den Türken geschlossen hat, gebrochen wird. Denn in dem Abkommen steht, dass die Vermittlung deutscher Kultur Teil des Abkommens ist.

 

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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 19. Dezember 2016:

DR. SCHÄFER: Guten Tag, meine Damen und Herren, ich würde Ihnen gerne Folgendes sagen:

Die Bundesregierung begrüßt, dass sich die libanesischen Parteien gestern, am 18. Dezember, auf ein neues Kabinett unter der Führung des neuen Premierministers Saad Hariri geeinigt haben. Nach den Präsidentschaftswahlen am 31. Oktober, die ja nach vielen Anläufen endgültig erfolgreich durchgeführt werden konnten, ist diese zügige Regierungsbildung ein neuerliches, ermutigendes Signal – sowohl an die eigene, die libanesische Bevölkerung, wie an die internationalen Partner des Libanon. Wir sind zuversichtlich, dass die staatlichen Institutionen in Beirut nun rasch und voll umfänglich ihre Arbeit aufnehmen können und das Land seinen Weg der politischen Einigkeit weiter gehen wird.

Große Herausforderungen stehen vor der neuen libanesischen Regierung. Die größte ist seit Längerem schon, das Land in einer Region stabil zu halten, die wahrlich in Unordnung geraten ist, und ein friedliches Zusammenleben der Menschen verschiedener Religionen und Kulturen möglich zu machen.

Wir werden den Libanon auf seinem Weg der Stabilität weiterhin sehr aktiv begleiten, unter anderem mit wirklich umfangreicher Unterstützung für die hunderttausenden von syrischen Flüchtlingen im Libanon. Unser Beitrag für den Libanon für diesen Zweck allein beträgt seit 2012 knapp 700 Millionen Euro. Wir wünschen der neuen libanesischen Regierung viel Glück und eine glückliche Hand bei ihren großen Aufgaben. Vielen Dank.

FRAGE JUNG: Herr Seibert, hat die Kanzlerin Herrn Hariri schon gratuliert?

STS SEIBERT: Nein, das ist noch nicht geschehen. Wenn es geschieht, würde ich Sie dann auch informieren.

ZUSATZFRAGE JUNG: Wann ist das geplant?

STS SEIBERT: Sie werden informiert, wenn ich über Glückwünsche oder sonstige Mitteilungen der Kanzlerin zu berichten habe.

ZUSATZFRAGE JUNG: Hat Herr Steinmeier irgendetwas mitgeteilt?

DR. SCHÄFER: Ich weiß nicht, ob Sie es verfolgt haben, Herr Jung. Herr Steinmeier war Anfang Dezember für zwei Tage im Libanon und hat mit allen Vertretern der libanesischen Staatsführung auch mit dem damals designierten Ministerpräsidenten Hariri sehr intensiv gesprochen: dem Parlamentspräsidenten, dem Staatspräsidenten, dem Außenminister sowie mit Vertretern der Zivilgesellschaft und anderen Politikern wie dem damals noch amtierenden Ministerpräsidenten. Deshalb hatten wir ein ganz gutes Bild über das, was da kommen würde, und hatten uns darauf eingestellt, dass die Regierungsbildung bald gelingen könnte.

Ob jetzt, hier und heute, vielleicht schon ein Glückwunschtelegramm an den libanesischen Außenminister herausgegangen ist oder nicht, weiß ich nicht zu sagen. Ich glaube, Herr Jung, da kommt es aber auch wirklich auf eine Stunde nicht an.

FRAGE KREUTZFELDT: Ich habe eine Frage an das Verkehrsministerium, und zwar hat gestern das Bundesumweltministerium einen neuen Entwurf für eine Verordnung bekanntgemacht, die es den Kommunen ermöglichen würde, Dieselfahrzeuge oder andere Fahrzeuge mit hohem Stickstoffoxidausstoß tage- oder streckenweise auszuschließen. Mich würde interessieren, was das dafür hauptsächlich zuständige Verkehrsministerium von dieser Initiative hält.

HILLE: Ich habe dieses Thema an dieser Stelle selber schon mehrfach kommentiert, und auch der Minister hat sich dazu an verschiedensten Stellen geäußert. Ich glaube, unsere Position ist hinlänglich bekannt.

Schon heute das ist die aktuelle Rechtslage haben die Städte die Möglichkeit, unter gegebenen Voraussetzungen Fahrverbote für Fahrzeuge zu erlassen. Neue Möglichkeiten, um Einfahrverbote in Städte zu erlassen, halten wir nicht für zielführend und für den falschen politischen Ansatz. Wir setzen stattdessen auf die Förderung der E-Mobilität. Gerade im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs gibt es verschiedene Förderprogramme. Unter anderem unterstützen wir die technologieoffene Forschung und Entwicklung mit 30 Millionen Euro jährlich für Projekte von Städten, Gemeinden und Landkreisen und anderen kommunalen Akteuren zum Aufbau von Elektromobilität vor Ort. Dabei geht es beispielsweise um die Beschaffung von Elektrogelenkbussen oder aber auch um die Möglichkeiten der Einrichtung von Carsharing-Services mit E-Autos. Es gibt einen Elektrotaxiaktionsplan bis hin zu E-Mobilitätskonzepten für ganze Landkreise.

ZUSATZFRAGE KREUTZFELDT: Eine Nachfrage dazu an Herrn Haufe. Herr Haufe, wenn es diese Möglichkeiten für Fahrverbote schon gibt, warum fordert Ihr Ministerium dann so eine vollkommen unsinnige neue Verordnung?

HAUFE: Uns haben mehrere Kommunen und auch die Bundesländer aufgefordert, dies zu tun. Herr Hille hat zu Recht auf die Möglichkeiten hingewiesen, Verbote auszusprechen. Scheinbar gibt es bei den Kommunen unterschiedliche Auffassungen, wie sie diese Verbote einsetzen können. Möglicherweise sind sie ihnen vielleicht zu umständlich, zu kompliziert. Wir haben die Aufforderung bekommen, die Partikelverordnung so zu ändern, dass Autos, die einen hohen Stickoxidausstoß haben, entsprechend einfacher aus bestimmten Regionen, die sehr hohe Stickoxidwerte aufweisen, herausgenommen werden können.

Diese Praxis ist sicherlich auch deswegen für Kommunen interessant, weil das, wie Sie das in Bezug auf die Umweltzonen wissen, mit einem Set an Ausnahmeregelungen verbunden ist. In den Medien stand ja auch immer wieder, wir würden damit Anwohner, Lieferfahrzeuge, Handwerker ausschließen und Fahrverbote für diese verhängen. Genau das ist nicht der Fall, denn die Verordnung sieht so, wie sie jetzt schon ist, genau für den täglichen Wirtschaftsverkehr, für alle Menschen, die auf ihr Fahrzeug angewiesen sind, Ausnahmen vor, um eben keine Mobilitätseinschränkungen vorzunehmen. Sie ist letztlich eine Verordnung, die dazu dient, sehr gezielt Fahrzeuge, die sehr hohe Emissionen aufweisen, in bestimmte Gebiete nicht einfahren zu lassen.

Das ist die eine Situation. Ich möchte an dieser Stelle ganz kurz auf die Problematik hinweisen. Sie haben ja gesagt, dass wir etwas Unsinniges vorschlagen.

ZUSATZ KREUTZFELDT: Das hat Ihr Kollege nahegelegt.

HAUFE: Ich habe den Äußerungen von Herrn Hille gar nicht entnommen, dass er dieses Wort benutzt hat. Ich sehe es auch nicht so, dass unser Gespräch in so einer Art und Weise verläuft, sondern durchaus konstruktiv ist.

Ich möchte noch einmal die Dimension des Problems darlegen. Es ist ein Problem, das nicht kleiner, sondern zunehmend größer wird. Es gibt seit 2010 dauerhafte Grenzwertüberschreitungen beim Stickoxid. Mindestens 80 Städte sind betroffen, teilweise über 80 Städte. Die Hälfte aller Messstationen in Bereichen mit sehr viel Verkehr weisen Grenzwertüberschreitungen auf. Wir stehen vor einer entscheidenden Phase des Vertragsverletzungsverfahrens, weil eben dieser Zustand schon so lange andauert.

Die Realemissionen von Stickoxiden gehen einfach nicht zurück. Es gibt etwa 400 000 Menschen in Deutschland, die dauerhaft von solchen hohen Belastungen betroffen sind. Wir haben es klar mit einem gesundheitsschädlichen Stoff zu tun. Es ist eine Frage des öffentlichen Gesundheitsschutzes, die wir hier klären. Dementsprechend ist es unsere Aufgabe, Vorschläge zu unterbreiten, um bei diesem schon Jahre andauernden Problem voranzukommen. Das vielleicht noch einmal als einen wichtigen Punkt, worüber wir hier eigentlich reden.

FRAGE STEINER: Herr Haufe, Sie hatten gerade gesagt, Sie seien aufgefordert worden. Ich würde der Klarheit halber gerne wissen: Von wem ist Ihr Ministerium aufgefordert worden, in diesem Bereich etwas zu ändern?

Herr Hille, dieses Plädoyer, dort etwas zu ändern, klang gerade recht überzeugend. Überzeugt Sie das auch?

HAUFE: Die Umweltministerkonferenz hat in diesem Jahr einstimmig beschlossen, dass die Plakettenverordnung verbessert und erweitert werden soll, wie ich es auch dargelegt habe. Dieser Nachdruck ist auch nach wie vor da. Mehrere Länder fordern uns dazu regelmäßig auf, und das tun auch große Städte.

HILLE: Ich habe unsere Position zu dem Thema gerade dargelegt. Ich fand sie, offen gesagt, auch ganz überzeugend.

Ich darf noch auf zwei Dinge hinweisen. Herr Haufe verweist auf die Umweltministerkonferenz. Ich verweise auf die Verkehrsministerkonferenz. Bei der letzten Verkehrsministerkonferenz wurde über das Thema „blaue Plakette“ und „Einfahrverbote“ diskutiert, und man hat sich deutlich gegen die blaue Plakette und solche Einfahrverbote ausgesprochen.

Auch wenn ich es gerade nur mit einem Ohr im Vorbeigehen gehört habe: Der Bundeswirtschaftsminister hat sich zu dem Thema auch geäußert. Das hörte sich nicht danach an, dass er diesen Vorschlag für den besten hält.

FRAGE SIEBERT: Herr Haufe, Sie sagten, dieser Zustand dauere schon so lange an. Können Sie sagen, wie lange das Verfahren läuft? Wie lange dauert dieser Zustand an?

HAUFE: Die Grenzwertüberschreitungen in der Höhe, wie es sie gibt, verzeichnen wir seit 2010. Das Vertragsverletzungsverfahren mit der ersten Stufe müsste 2012, 2013 eröffnet worden sein. Das genaue Jahr muss ich nachreichen; das kann ich nicht aus dem Kopf sagen.

FRAGE KREUTZFELDT: Zwei Fragen zu dem Thema. Zum einen hätte ich gerne diesen Widerspruch aufgeklärt. Wenn Herr Hille sagt, dass die Kommunen bereits die Möglichkeit haben, solche Fahrverbote zu erlassen, und Herr Haufe sagt, dass die Kommunen dringend neue Möglichkeiten brauchen, weil das bisher eben nicht klappt, wüsste ich gerne, ob man faktisch aufklären kann, was stimmt.

Zweitens. Ich war eben auch in der Pressekonferenz mit Herrn Gabriel. Er hat es zwar nicht rundweg abgelehnt, aber mangelnde Begeisterung für den Vorschlag habe ich auch aus seinen Worten herausgehört. Ich würde darum gerne einmal hören, Herr Haufe, ob Ihr Haus das vorher schon mehr oder weniger mit anderen befreundeten Ministerien abgestimmt hat.

HILLE: Ich wiederhole noch einmal, was ich gerade schon gesagt habe: Nach aktuell geltender Rechtslage haben die Kommunen die Möglichkeit, entsprechende Einfahrverbote zu erlassen. Ich erspare Ihnen, die dazu grundlegenden Gesetze zu zitieren und würde Ihnen empfehlen, einfach einen Blick in das Gesetz zu werfen. Dort ist das klar geregelt.

HAUFE: Wir diskutieren über das Thema schon sehr lange. Diesen Entwurf haben wir noch nicht in die Ressortabstimmung gegeben, und deswegen haben wir ihn auch noch nicht mit anderen Ministerien besprochen.

FRAGE JUNG: Herr Haufe, eine Nachfrage, basierend auf die Frage von Herrn Steiner: Welche Kommunen, welche große Städte fordern Sie auf? Können Sie die benennen?

HAUFE: Ganz offiziell tut das zum Beispiel München.

ZUSATZFRAGE JUNG: Welche noch?

HILLE: Auch die haben, wenn ich das ergänzen darf, bereits auf die aktuell geltende Rechtslage hingewiesen, genauso wie das Land Baden-Württemberg.

ZUSATZFRAGE JUNG: Herr Haufe, welche Kommunen und Städte noch?

HAUFE: Stuttgart zum Beispiel. Fragen Sie die Kommunen. Das sind die Kommunen, die in Deutschland eine sehr hohe Einwohnerzahl und eine sehr hohe Verkehrsdichte haben. Diese sind von diesem Problem betroffen.

FRAGE KREUTZFELDT: Eine letzte Frage, ohne dass ich zu sehr ins Detail gehen will: Herr Hille, Sie sagen, dass es die Rechtslage schon gibt. Mir ist bisher nicht bekannt, dass man Dieselfahrzeuge an irgendeinem äußeren Kennzeichen von anderen Fahrzeugen unterscheiden kann, geschweige denn, was für eine Norm sie erfüllen oder ob sie die Grenzwerte tatsächlich einhalten, die sie im Labor eingehalten haben. Wie soll es denn technisch funktionieren, dass ein Diesel ausgeschlossen wird? Woran sieht denn der Polizist, ob es ein Diesel ist?

HILLE: Schon heute haben die betroffenen Städte die rechtlichen Möglichkeiten, Fahrverbote unter entsprechenden Voraussetzungen zu erlassen.

ZUSATZFRAGE KREUTZFELDT: Aber wie? Können Sie einmal sagen, wie sie das machen können? Wie können sie ein Dieselfahrzeug ausschließen, wenn es als ein Diesel überhaupt nicht zu erkennen ist?

HILLE: Schauen Sie in die dafür einschlägigen Gesetze. Wie der Vollzug vor Ort geregelt ist, ist auch Sache der zuständigen Behörden vor Ort. Die rechtlichen Grundlagen dafür bestehen.

ZUSATZ KREUTZFELDT: Das überzeugt mich jetzt nicht.

HILLE: Das habe ich auch nicht erwartet.

FRAGE DR. KAIN: Ich wüsste gerne von Herrn Seibert und Frau von Tiesenhausen, ob die Bundeskanzlerin und der Bundesfinanzminister die Befürchtung von Andrea Nahles teilen, dass es in Deutschland eine „Refeudalisierung“ gibt. Falls ja, wie gedenken Sie, diesbezüglich Abhilfe zu schaffen?

VON TIESENHAUSEN-CAVE: Ich sehe mich jetzt nicht in der Lage, diese Interviewäußerung, glaube ich, der Bundesarbeitsministerin zu kommentieren; das tut mir leid.

STS SEIBERT: Ich werde auch einzelne Interviews hier nicht kommentieren. Sie wissen, dass wir an der Arbeit zu einem Armuts- und Reichtumsbericht sind. Das ist ja der Hintergrund der ganzen Diskussion. Dieser Bericht wird in einem sehr aufwendigen und auch sehr transparenten Verfahren unter Beteiligung von zahlreichen Wissenschaftlern unter Abhaltung von Symposien erarbeitet. Er wird dann in der Bundesregierung beschlossen oder besprochen und im Frühjahr, soweit ich weiß, an die Öffentlichkeit gegeben. Ich denke, dass es reicht, dann über Einzelheiten des Berichts zu sprechen.

Richtig ist: Wir begrüßen es das war ja auch unsere gemeinsame Absicht , dass wir in diesem Bericht einmal auch über hochvermögende, reiche Menschen in Deutschland berichten, dass wir auch Wissen über sie Gutachten und Studien, die den privaten Reichtum in Deutschland bewerten in den Bericht einbeziehen.

FRAGE JUNG: Herr Seibert, ist die Kanzlerin der Meinung, dass Menschen mit höherem oder sehr hohem Einkommen mehr Einfluss in der deutschen Demokratie haben als ärmere Menschen?

Frau Daldrup, was versteht die Ministerin unter „Refeudalisierung“? Ist das etwas Schlechtes?

STS SEIBERT: Der Grundgedanke unserer Demokratie ist, dass jeder Bürger gleiche Rechte, gleiche Pflichten und gleichen Wert hat.

ZUSATZFRAGE JUNG: Das ist Idee?

STS SEIBERT: Dieser Idee hängt die Bundesregierung natürlich auch an. Das ist die Grundlage unserer Arbeit.

DALDRUP: Ich kann nur auf das verweisen, was die Ministerin gesagt hat. Das ist ja sehr prägnant im Interview, und im Interview hat sie sich dazu eingelassen. Die Interpretation ihrer Äußerung überlasse ich Ihnen gerne selbst.

FRAGE DOHR: Eine Frage an das Innenministerium im Nachgang zur Abschiebung von Flüchtlingen nach Afghanistan vorvergangene Woche. Jetzt wird der eine oder andere Einzelfall bekannt, konkret zum Beispiel der von Herrn (akustisch unverständlich). Es gibt Initiativen aus Bayern, die auf ihn aufmerksam machen. Zumindest nach Aussagen seiner Unterstützer wirkt er ja wie ein Musterbild, was Integration angeht. Er war hier seit Jahren geduldet. Wie landet so einer auf dieser Liste? Er hat sich dem ja entzogen, indem er untergetaucht ist. Landen jetzt hauptsächlich Menschen auf dieser Liste, die seit Jahren geduldet sind?

DR. PLATE: Sie wissen wahrscheinlich, dass die Zusammenstellung der Menschen, die letzten Endes für diesen Flug vorgesehen war, aus den jeweiligen Bundesländern gekommen ist, was ja auch die Zuständigkeit der Länder ist. Wenn es sich bei dem Fall, der mir so im Einzelnen nicht bekannt ist, um einen Fall aus Bayern handelt, müssten Sie die bayerischen Behörden fragen, was sozusagen dazu geführt hat, dass dieser konkrete Fall auf die Liste gekommen ist.

Auch dazu will ich allerdings sagen: Mit Blick auf den Datenschutz bezweifle ich, dass Sie sozusagen zitierfähig sehr konkrete Dinge von den Kolleginnen und Kollegen aus Bayern erfahren. Aber Sie können es ja gerne versuchen.

ZUSATZFRAGE DOHR: Abseits vom konkreten Fall, ganz allgemein: Was sind denn die Kriterien dafür, dass Menschen auf solche Listen kommen?

DR. PLATE: Das ist einfach: Die Kriterien sind, ob eine Person vollziehbar ausreisepflichtig ist und dass es kein Abschiebehindernis gibt. Es handelt sich um die Umsetzung des geltenden Rechts.

ZUSATZFRAGE DOHR: Ich beziehe mich jetzt wieder auf den konkreten Fall. Der Fall ist ja bei der Härtefallkommission in Bayern anhängig. Ein laufendes Verfahren ist kein Hindernis, um auf so eine Liste zu kommen?

DR. PLATE: Das kann ich so pauschal nicht beantworten. Ich kenne diesen konkreten Fall nicht. Wenn Sie wissen wollen, warum die Bayern welche Fälle vorschlagen, vorgeschlagen haben oder künftig vorschlagen werden, müssten Sie sich tatsächlich an die Bayern wenden.

Maßstab ist, weil es um eine Durchsetzung der sogenannten vollziehbaren Ausreisepflicht geht, dass eine vollziehbare Ausreisepflicht und kein Abschiebehindernis bestehen. Das sind sozusagen Rechtskriterien.

ZURUF DOHR (ohne Mikrofon; akustisch unverständlich)

DR. PLATE: Ich kann das nicht kommentieren. Ich kenne den konkreten Fall nicht.

FRAGE CHILAS: Herr Dr. Schäfer, können Sie uns den Begriff „sicherer Drittstaat“ erläutern? Ist das ein ungeteilter, einheitlicher Begriff oder ein geteilter, uneinheitlicher Begriff, der sicher Ausnahmen zulässt, so zum Beispiel Regionen, Gemeinden oder gar Straßenzüge?

DR. SCHÄFER: Ich fürchte, dass ich Ihre Frage, wenn ich sie beantworten würde, ultra vires beantworten würde. Das Auswärtige Amt hat mit den einschlägigen Angelegenheiten des Rechts und seiner Umsetzung in diesem Fall des Asylrechts nur am Rande zu tun und leistet allenfalls Amtshilfe. Aber meine Amtshilfe würde sich jetzt nicht darauf beziehen, dass ich das für Sie auslege. Ich muss Sie bitten, sich an das Innenministerium zu wenden.

DR. PLATE: Der Begriff „sicherer Rechtstaat“ ist gesetzlich in § 26a des Asylgesetzes geregelt, der auf eine Anlage verweist, in der genau steht, welche Staaten das sind. Damit ist, glaube ich, alles gesagt.

FRAGE JUNG: Herr Plate, eine Lernfrage zu dem EU-Afghanistan-Abkommen. Die EU hat sich verpflichtet, in den ersten sechs Monaten maximal 50 unfreiwillige Rückkehrer pro Maschine auszufliegen. Ab wann enden diese ersten sechs Monate?

DR. PLATE: Das kann ich, ehrlich gesagt, für die gemeinsame Erklärung der EU nicht beantworten; dazu müssten Sie sich an die EU-Stellen wenden. Es gibt aber eine vergleichbare gemeinsame Erklärung zwischen Deutschland und Afghanistan. Ich bin mir jetzt, ehrlich gesagt, aus dem Stand nicht mehr ganz sicher, von welchem Tag die datiert, aber da die Erklärung auch den Passus enthält, dass die Zusammenarbeit nach dieser Erklärung am Tag der Unterzeichnung, glaube ich, beginnt, müsste man dann von diesem Tag der Unterzeichnung ausgehend diese Monate draufrechnen. Dazu haben wir damals, an dem Tag, ja auch eine Pressemitteilung herausgegeben. Die würde man bei uns finden, und dann müssen Sie da sechs Monate draufrechnen. Auswendig weiß ich jetzt, ehrlich gesagt, nicht, welcher Tag das ganz genau war.

ZUSATZFRAGE JUNG: Ist dieses bilaterale Abkommen schon einsehbar?

DR. PLATE: Klar, das habe ich ja auch mehrfach schon herumgeschickt ich kann es Ihnen gerne auch noch einmal schicken, wenn Sie möchten.

ZUSATZ JUNG: Ja.

FRAGE: An das Justizministerium: Unterstützt Herr Maas die sehr konkreten Vorschläge von Herrn Oppermann, was Schiedsstellen bei Facebook und anderen sozialen Netzwerken angeht, die Fake News korrigieren sollen?

Herr Seibert, was denkt die Kanzlerin darüber? Welche Möglichkeiten sieht sie, das rechtlich noch in dieser Legislaturperiode zu bewerkstelligen?

DR. SCHOLZ: Vielen Dank. Der Minister hat sich zu diesem Thema auch geäußert. Ich möchte vielleicht die Gelegenheit nutzen, noch einmal in bestimmten Bereichen für etwas Klarstellung zu sorgen.

Uns geht es um strafbare Inhalte im Netz. Das betrifft etwa Volksverhetzung oder die öffentliche Aufforderung zur Begehung von Straftaten, das betrifft aber auch die Straftatbestände Beleidigung, üble Nachrede oder Verleumdung, sodass man sich hier auch in dem unter dem Stichwort Fake News diskutierten Bereich bewegt. Personen, die solche strafbaren Inhalte verbreiten, müssen strafrechtlich verfolgt werden, und solche Inhalte müssen auch so schnell wie möglich aus dem Netz verschwinden. Darum geht es uns, und damit befassen wir uns auch seit längerer Zeit sehr intensiv, nicht erst aktuell in den letzten Wochen oder Tagen, als es um die Debatte um sogenannte Fake News ging.

Der Minister hat das am Wochenende auch noch einmal ganz deutlich gemacht und hat auf die Aufgaben des Rechtsstaats, aber auch auf die Verantwortung der Portalbetreiber hingewiesen. Er hat noch einmal deutlich gesagt:

„Die Meinungsfreiheit endet da, wo das Strafrecht beginnt. Verleumdung und üble Nachrede sind nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt. Das muss die Justiz auch im Netz konsequent verfolgen. Bei übler Nachrede und Verleumdung einer Person des öffentlichen Lebens droht eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren. Das sollte jedem klar sein, der versucht, mit solchen Lügen politische Debatten zu manipulieren. Den rechtlichen Rahmen sollten wir konsequent ausschöpfen.“

Im Hinblick auf die Betreiber sozialer Netzwerke hat er weiter gesagt:

„Facebook verdient auch mit Fake News sehr viel Geld. Wer im Netz Milliardengewinne erzielt, der hat auch eine gesellschaftliche Verantwortung. Strafbare Verleumdungen müssen umgehend nach Meldung gelöscht werden, und für die Nutzer muss es einfacher werden, einen Beitrag als gefälscht zu melden.“

Wir haben auch immer gesagt, dass wir, soweit es um strafbare Inhalte und die Frage der Löschung geht, die Ergebnisse eines externen Monitorings abwarten wollen, die Anfang des Jahres vorliegen werden, und dass wir, wenn dann immer noch zu wenig Inhalte gelöscht werden, auch rechtliche Konsequenzen ziehen werden. Auch dazu hat sich der Minister noch einmal geäußert und hat deutlich gemacht, dass wir sehr konkret prüfen, ob wir soziale Netzwerke für nicht gelöschte strafbare Inhalte auch haftbar machen können. Natürlich müssen wir am Ende auch über Bußgelder nachdenken, wenn andere Maßnahmen nicht greifen. Der Minister hat auch deutlich gemacht, dass wir mehr Transparenz brauchen und uns durchaus vorstellen können, soziale Netzwerke zu verpflichten, in bestimmten Zeitabständen öffentlich darüber zu berichten, wie viele Beschwerden zu strafbaren Einträgen es gegeben hat und wie die Betreiber damit umgegangen sind.

Das vorangestellt, sind wir uns, glaube ich, einig mit dem, was Herr Oppermann im Interview geäußert hat. Ich bitte um Verständnis, dass ich natürlich die Aussagen von Herrn Oppermann hier nicht kommentieren oder bewerten kann, aber es besteht Einigkeit, dass eine Entscheidung über gesetzliche Maßnahmen zur Bekämpfung von strafbaren Inhalten erst nach Auswertung des Monitorings Anfang des nächsten Jahres getroffen wird. Ich hoffe, das beantwortet Ihre Frage.

STS SEIBERT: Der Kollege aus dem Justizministerium hat das alles jetzt ja eigentlich schon sehr richtig eingeordnet. Wir sind uns in der Bundesregierung alle völlig einig: Die grundgesetzlich geschützt Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut, aber sie ist nicht schrankenlos, und auch die sozialen Netzwerke sind keine rechtsfreien Räume; die Gesetze gelten offline wie online.

Es ist darauf hingewiesen worden: Es gibt eine ganze Reihe von Straftatbeständen im Strafgesetzbuch. Die Bundesregierung prüft natürlich fortlaufend, mit welchen Maßnahmen wir diesem Phänomen der Fake News vielleicht sollte man auch einfach Lügen sagen und auch der Hassrede im Netz effektiv begegnen können. Das tut das Bundesjustizministerium. Wenn es konkrete Vorschläge gibt, werden die in der Bundesregierung besprochen. Einen Zeitplan kann ich Ihnen nicht nennen.

FRAGE STEINER: Herr Scholz, wenn ich es richtig in Erinnerung habe es liegt mir gerade nicht vor , hat Herr Maas das Ganze auch mit einer Aufforderung an die zuständigen Stellen Richter etc. verbunden, auch entsprechend verfolgend tätig zu sein. Das signalisiert ja schon, dass er auch mit diesem Teil aktuell nicht gerade zufrieden ist. Hat er dafür irgendeine Datengrundlage?

DR. SCHOLZ: Ich glaube, die Stelle, die Sie meinen, kann ich noch einmal vorgetragen. Er hat gesagt: „Das muss die Justiz auch im Netz konsequent verfolgen.“ Das habe ich nicht zu interpretieren, diese Aussage steht für sich. Ich kann Sie vielleicht darauf hinweisen, dass wir in den letzten Monaten schon eine ganze Reihe von strafrechtlichen Verurteilungen zur Kenntnis genommen haben, bei denen es beispielsweise um volkshetzende Äußerungen auf Facebook oder die öffentliche Aufforderung zu Straftaten ging und Personen zu Geldstrafen, aber durchaus auch zu Freiheitsstrafen verurteilt worden sind.

ZUSATZFRAGE STEINER: Um das besser zu verstehen: Soziale Netzwerke als Spezifikum zu behandeln, ist der Rechtssystematik ja zumindest bisher fremd. Da geht es im Regelfall um Diensteanbieter im Netz, und zwar unabhängig davon, ob man sie als soziale Netzwerke oder anders benennt. Wo würden Sie da eine Grenze ziehen? Ist das Kriterium der Marktbeherrschung tatsächlich eines, das Sie sich zu eigen machen würden, oder müsste das nicht unabhängig von der Frage, ob das auf Facebook stattfindet, genauso zum Beispiel auch für das VW-Fahrer-Forum gelten?

DR. SCHOLZ: Ich bin mir jetzt nicht ganz sicher, aber ich glaube, ich habe in meinen Äußerungen eben das Unternehmen Facebook gar nicht genannt; vielmehr habe ich von Betreibern von sozialen Netzwerken, von entsprechenden Plattformen gesprochen. Von daher machen wir uns sicherlich nicht Gedanken in Bezug auf ein einzelnes Unternehmen.

FRAGE JUNG: Herr Seibert, es ist jetzt auch von einer Art Prüfstelle die Rede, die Propagandaseiten aufdecken und kennzeichnen soll. Trauen Sie sich das als BPA-Leiter zu? Oder macht man da den Bock zum Gärtner?

STS SEIBERT: Würden Sie den zweiten Teil Ihrer Frage noch einmal genauer erklären?

ZUSATZ JUNG: Man könnte ja auch argumentieren, dass das BPA nicht Nachrichten verbreitet oder für diese Nachrichten zuständig ist.

STS SEIBERT: Ich wollte es nur einmal hören. Die Aufgaben des Bundespresseamtes sind bekannt.

ZUSATZFRAGE JUNG: Sie möchten nicht mehr haben?

STS SEIBERT: Die entwickeln sich ständig.

FRAGE: Mich würde interessieren, was das Auswärtige Amt zum angeblichen Verbot der Ausübung oder des Unterrichtens von Weihnachtsbräuchen an der Deutsch-Türkischen Schule in Istanbul sagt.

DR. SCHÄFER: Das freut mich, dass Sie das interessiert; ich antworte gerne darauf.

Ich würde, wenn wir über die Türkei sprechen, aber gerne damit beginnen wir haben uns dazu gestern schon öffentlich geäußert, ich möchte das aber ausdrücklich noch einmal tun , dass wir angesichts der erneuten Welle von Terroranschlägen, die auch über das Wochenende wieder über die Türkei hereingebrochen sind, an der Seite der Türkei stehen. Diesmal war es ein Anschlag auf einen Bus in Kayseri, wo mehr als ein Dutzend türkische Sicherheitskräfte ums Leben gekommen sind.

Jetzt aber zu Ihrer konkreten Frage. Um das vielleicht einfach einmal in den Kontext zu stellen: Es geht hier um eine Partnerschaft zwischen Deutschland und der Türkei, die eine jahrhundertelange Tradition hat. Die Schule, über die wir hier sprechen, ist eine Schule nach türkischem Recht, eine türkische öffentliche Schule, an der ich glaube, mindestens schon seit vor dem Zweiten Weltkrieg deutsche Lehrer arbeiten. Da gibt es lange Jahrzehnte einer sehr fruchtbaren, sehr engagierten und, ich glaube, auch sehr erfolgreichen interkulturellen deutsch-türkischen Kooperation.

Dass heute, während wir hier miteinander sprechen, fast drei Dutzend deutsche Lehrer an dieser Schule ihren Dienst tun, erfolgt auf der Grundlage einer Regierungsvereinbarung zwischen Deutschland und der Türkei vom Ende der 50er-Jahre. Das heißt, wir haben es fast mit sechs Jahrzehnten einer sehr modernen, einer interkulturell angelegten Bildungskooperation zwischen Deutschland und der Türkei zu tun, und nur ein kurzer Blick auf die Absolventen dieser Schule zeigt, wie sinnvoll und wie erfolgreich das ist. Im vergangenen Jahr haben an dieser Schule über 120 Abiturienten das deutsche Abitur in deutscher Sprache abgelegt, und in der langen Reihe von türkischen Ministerpräsidenten aus den letzten Jahrzehnten gibt es mindestens drei, die mir auf die Schnelle aufgefallen sind, die ihre Schulbildung an dieser Schule genossen haben.

Ich sage das zu Beginn meiner Ausführungen, weil ich angesichts der Welle, die durch die deutschen Medien gestern Nachmittag waren es eher die sozialen Medien, heute Morgen dann auch der Blätterwald geschwappt ist, einfach nur einmal darauf hinweisen möchte, mit was für einer Institution, mit welchen Traditionen, vielleicht auch mit welchen Erfolgen wir es bei dieser Bildungs- und Kulturkooperation zu tun haben.

Nun zur konkreten Sache: Wir haben gestern ja die Öffentlichkeit wissen lassen, dass wir nicht recht und nicht gut verstehen konnten und auch überrascht darüber waren, dass von der Leitung dieser Schule offenbar die Maßgabe ausgegeben wurde, im schulischen Kontext nicht über Weihnachten zu reden, nicht Weihnachtslieder zu singen und die Thematik zu besprechen. Das ist aber doch kein „Weihnachtsverbot“. Ich habe in einigen Zeitungen gelesen ich weiß nicht, ob Sie diese Zeitungen auch gelesen haben : „Ärger um Weihnachtsverbot“. Niemand in der Türkei verbietet irgendjemandem, Weihnachten zu feiern; jedenfalls wäre mir das nicht auffällig geworden, und schon gar nicht im Kontext dessen, worüber wir jetzt sprechen. Vielmehr gab es und gibt es wahrscheinlich an dieser deutschen Schule Diskussionen darüber, in welcher Weise in dem überwiegend in deutscher Sprache abgehaltenen Unterricht sozusagen über deutsche Traditionen und Bräuche gesprochen wird.

Wir haben ein Interesse daran und wünschen uns auch ich glaube, das ist auch in unserer gestrigen Stellungnahme ganz gut zum Ausdruck gekommen , dass es einen fruchtbaren, ertragreichen und für beide Seiten nützlichen interkulturellen Dialog zwischen Deutschland und der Türkei an dieser Schule gibt. Dazu gehört es natürlich auch, dass man über die Bräuche des jeweiligen anderen miteinander spricht und diskutiert und die auch im Unterricht behandelt.

Wir haben gestern bereits gesagt, dass es Gespräche an der Schule, mit der Leitung der Schule, zwischen türkischen und deutschen Verantwortlichen geben soll. Ich kann Ihnen hier und heute sagen, dass diese Gespräche bereits stattgefunden haben und dass ich sehr zuversichtlich bin, dass auch die Schule Ihnen in Kürze mitteilen kann, dass hoffentlich die Missverständnisse ausgeräumt sind und dass selbstverständlich auch im Unterricht auch im Unterricht, der von deutschen Lehrern an dieser traditionsreichen Schule gegeben wird über deutsche Weihnachtsbräuche gesprochen werden kann.

ZUSATZFRAGE: Wird dann auch das Chorkonzert im deutschen Konsulat stattfinden?

DR. SCHÄFER: Das Chorkonzert war für den 13. Dezember geplant; heute haben wir den 19. Dezember. Daran mögen Sie ermessen, dass das eher schwierig sein dürfte.

FRAGE DOEMENS: Es gab doch ziemlich massive Kritik von Politikern aller Parteien also von der Linkspartei über die Grünen bis auch zur Union an diesem Vorgang in Istanbul, und es gab auch öfter den Hinweis, dass sich daran zeige, wie problematisch doch die Türkeipolitik dieser Bundesregierung und der Deal mit der Türkei in der Flüchtlingsfrage sei, weil dadurch eine gewisse Abhängigkeit von der Türkei geschaffen werde. Können Sie das auch sehen? Halten Sie es für problematisch, dass wir möglicherweise gegenüber der Türkei in solchen Fragen nicht offen genug auftreten können, weil wir da eben gebunden sind?

Zweitens. Wie beurteilt die Bundeskanzlerin den Vorgang?

STS SEIBERT: Wir haben es jetzt ja ausführlich gehört: Es gibt offenbar Gesprächsbedarf an und mit der Schule. Gespräche wurden bereits geführt. Das ist sehr gut, denn uns liegt, wie auch Herr Schäfer es gerade gesagt hat, sehr daran, dass die jahrzehntelange sehr gute, erfolgreiche Arbeit an dieser deutsch-türkischen Begegnungsschule fortgesetzt werden kann, und zu dieser Arbeit gehört natürlich, dass die deutschen Lehrerinnen und Lehrer in ihrem Unterricht auch die Freiheit haben, das Thema Weihnachten aufgreifen zu können. Das ist im Übrigen kulturelles Grundwissen. Dass das im Respekt vor allen anderen Religionen geschieht, ist dabei auch eine Selbstverständlichkeit und dort sicherlich immer eingehalten worden.

Jetzt bin ich sehr dafür, dass wir von den Vorkommnissen an einer einzigen Schule, die möglicherweise mit ein paar Gesprächen auch wieder harmonisch geklärt werden können, nicht zu einer Debatte über die gesamte Türkeipolitik der Bundesregierung oder gar das EU-Türkei-Flüchtlingsabkommen, das bei Ihnen dann ja gleich schon wieder mitspielt, kommen. Wir können darüber gerne sprechen, ich sehe allerdings keine Verbindung, und ich sehe auch nicht, dass wir in dieser Sache in irgendeiner Weise gehemmt wären, das zu formulieren, was Überzeugung der deutschen Bundesregierung ist.

DR. SCHÄFER: Herr Doemens, wenn Sie erlauben, ergänze ich noch ein paar Sätze.

ZUSATZ DOEMENS: Gerne.

DR. SCHÄFER: Erstens vielleicht noch einmal zum Thema „Weihnachtsverbot“. Ich bin in den letzten Tagen nicht in Istanbul gewesen, aber ich bin mir sicher: Wenn man durch die Innenstadt von Istanbul geht, dann sieht man überall Anzeichen von Weihnachten Lichter, Kugeln, Tannenbäume, all das, was wir auch in unseren Einkaufspassagen sehen. Das vielleicht nur noch einmal zum Thema „Weihnachtsverbot“ in der Türkei.

Zweiter Punkt. Wir haben nicht die geringsten Anhaltspunkte dafür, dass es ein Mikro-Mikro-Mikromanagement des türkischen Präsidenten gäbe, der sich in Angelegenheiten der Istanbul Lisesi, der deutsch-türkischen Schule in Istanbul, eingemischt hätte. Wer das auch in der laufenden Medienberichterstattung insinuiert, der hat womöglich bessere Informationen, als sie dazu bis dato dem Auswärtigen Amt vorgelegen haben.

Drittens. Das ist ja schon eine ganz interessante Koalition an Türkeikritikern, die sich da gestern herausgeschält hat, sozusagen von Markus Söder bis Sevim Daðdelen. Vielleicht ist das als solches auch schon Aussage genug.

FRAGE JOLKVER: Herr Schäfer, ich habe zwei kurze Fragen zu der Faktenlage.

Erste Frage: Wer ist der Absender der Mail, auf die sich die dpa am Sonntag berufen hat? Zuerst klang es so, als sei diese Mail von der türkischen Verwaltung der Schule gekommen. Wenn man genauer liest, ist es wohl ein deutscher Lehrer gewesen, der die Kollegen darüber informiert hat.

Zweite Frage: Wer genau hat das Konzert abgesagt? Ist das auf Betreiben der türkischen Schulleitung oder auf Betreiben des deutschen Kollegiums geschehen?

DR. SCHÄFER: Ich glaube, wir sprechen in der Tat über eine Mail, die von dem Leiter der deutschen Abteilung der Schule versandt worden ist, ganz offensichtlich nach von mir im Detail nicht nachgeprüften Gesprächen, die er mit der türkischen Schulleitung dieser Schule geführt hat.

Was das Chorkonzert angeht, so ist es, soweit ich informiert bin, so, dass dieses Konzert abends hätte stattfinden sollen. Das ist also nicht Teil des Unterrichts, sodass natürlich jeder Schüler der deutschen Schule wie auch jeder andere Gast des Generalkonsulats zu dieser Veranstaltung ohne Beeinträchtigung seiner schulischen Verpflichtung hätte gehen können. Es ist für eine angemessene Vertretung des Chors dieser Schule aber erforderlich gewesen, dass man das während der Schulzeit übt. Ich glaube, an dieser Frage der Notwendigkeit der Befreiung der Schüler vom Unterricht zur Vorbereitung auf das Konzert haben sich innerhalb des Kollegiums, vielleicht auch innerhalb der Führung der deutschen Schule, die Geister etwas geschieden.

ZUSATZFRAGE JOLKVER: Waren das jetzt die deutschen Lehrer oder waren das die türkischen Lehrer?

DR. SCHÄFER: Ich bin nicht im Detail darüber informiert, wer nun tatsächlich die Nichtbefreiung vom Unterricht entschieden hat. Ich gehe davon aus, dass das eine Entscheidung ist, die in der Führung dieser deutschen Schule getroffen worden ist.

FRAGE JUNG: Herr Schäfer, 35 deutsche Lehrer sollen da arbeiten, die von Deutschland entsandt worden seien und auch durch deutsche Steuermittel bezahlt werden. Können Sie uns sagen, wie viel Geld da drinsteckt?

DR. SCHÄFER: Ich vermute, das ist eine Summe im niedrigen einstelligen Millionen-Euro-Bereich pro Jahr. Wir haben zum Glück ein mit den Bundesländern sehr breit aufgestelltes Programm der Entsendung von Lehrern ins Ausland. Die allermeisten von denen aber nicht alle arbeiten an deutschen Schulen im Ausland; das sind dann Privatschulen. Es gibt aber viele Beispiele dafür, dass auch deutsche entsandte Lehrer in Institutionen von Partnerländern tätig sind. Wir sind sehr glücklich darüber, dass es viele Lehrer gibt, die bereit sind, dieses Abenteuer auf sich zu nehmen, in einem interkulturellen Umfeld ihrer Arbeit nachzugehen, Kinder zu schulen und zu unterrichten, und wir sind dankbar dafür, dass wir mit den Bundesländern sehr engagiert und sehr erfolgreich zusammenarbeiten, damit die Hunderte ich glaube sogar Tausende von Lehrern, die Jahr für Jahr überall in der Welt, überall dort, wo wir deutsche Schulen haben, ihrer Arbeit nachgehen können und wir auf diese Art und Weise dazu beitragen, dass die deutsche Sprache Verbreitung findet und wir überall Multiplikatoren finden, die Interesse an Deutschland haben und die eine deutsche Hochschulzugangsberechtigung haben. Viele von denen kommen dann zum Glück zu uns, um bei uns zu studieren, und das ist ganz sicher ohne dass ich Ihnen Zahlen nennen kann an dieser Stelle auch so. Ich hatte gesagt: Es waren im vergangenen Jahr über 120 Absolventen, die ein deutsches Abitur gemacht haben. Ich würde darauf wetten ohne dass ich es weiß , dass eine hohe Zahl, ein hoher Prozentsatz von denen Interesse daran hat und das vielleicht auch schon in die Tat umgesetzt hat , bei uns hier in Deutschland zu studieren, um dann ein Leben lang am Dialog und Austausch mit dem Partnerland teilzuhaben.

ZUSATZFRAGE JUNG: Die Lehrer dort sollen nicht erst seit Neuestem mit den Zuständen an der Schule unzufrieden sein. Hat das Auswärtige Amt schon vor dem jetzigen Fall Kontakt zu den deutschen Lehrern an dieser Schule gehabt?

Aus Ihren vorigen Äußerungen ist mir nicht ganz klar geworden, ob Sie der Meinung sind, dass das Kulturabkommen, das man mit den Türken geschlossen hat, gebrochen wird. Denn in dem Abkommen steht, dass die Vermittlung deutscher Kultur Teil des Abkommens ist.

DR. SCHÄFER: Ich weiß positiv, dass unser Generalkonsul, Herr Birgerlen, und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Generalkonsulats mit allen deutschen Entsandten, die in Istanbul im Einsatz sind, in sehr engem und regem Austausch stehen. Das hat auch viel damit zu tun, dass die Lage in der Türkei und auch in Istanbul nicht einfach ist, zum Beispiel wegen der leider vermehrt und auch in der vergangenen Woche wieder aufgetretenen Anschläge. Sie erinnern sich vielleicht: Vor einer Woche hatten wir auch in Beþiktaþ, gar nicht weit entfernt vom Generalkonsulat, zwei Selbstmordanschläge auf türkische Sicherheitskräfte.

Das heißt, es gibt sowieso einen engen Austausch, um sich etwa in Fragen der gemeinsamen Bemühungen um Sicherheit eng auszutauschen. Nicht nur in diesem Kontext, sondern auch darüber hinaus haben die Kollegen am Generalkonsulat, die sich mit den kulturellen Beziehungen beschäftigen, täglichen darauf würde ich wetten Kontakt mit den entsandten deutschen Lehrern. Es gibt sie ja nicht nur an dieser Schule, sondern auch an der parallel laufenden privaten Schule in Istanbul. Ich bin ganz sicher, dass Befindlichkeiten, die es dort von dem einen oder anderen geben mag, mit unseren Kollegen am Generalkonsulat intensiv besprochen werden.

Was das Kulturabkommen angeht, habe ich anders als Sie den Text nicht zur Hand. Angesichts der von mir dargestellten Entwicklungen hoffe und denke ich, dass es gelungen ist, die Missverständnisse, die gestern aufgekommen sind, aus der Welt zu schaffen und insbesondere zu ermöglichen, dass auch über deutsche Bräuche sicherlich nicht nur über Weihnachtsbräuche gesprochen, geredet und Unterricht erteilt werden kann. Ich denke, dass das absolut im Sinne von Buchstaben und Geist des deutsch-türkischen Kulturabkommens ist.

ZUSATZ JUNG: Ich zitiere Artikel 12 dieses Vertrages:

„Die Vertragsparteien werden bemüht sein, sich gegenseitig dabei zu unterstützen, ihren Völkern die Kenntnis der Kulturgüter des anderen Landes zu vermitteln.“

DR. SCHÄFER: Das ist kein Widerspruch zu dem, was ich gesagt habe. Ich bin absolut dafür. Ich hoffe, Sie auch.

FRAGE MÜLLER-THUM: Herr Schäfer, haben Sie irgendwelche Hinweise von anderen deutschen Schulen darauf, dass das mehr ist als ein Einzelfall an einer Schule, oder von westlichen Verbündeten, die mutmaßlich ebenfalls Weihnachtsbräuche vermitteln? Haben Sie irgendetwas gehört?

DR. SCHÄFER: Nein. Solche Anhaltspunkte liegen mir in keiner Weise vor.

FRAGE STEINER: Herr Schäfer, Sie sprachen gerade von den Gesprächen, sagten aber nicht, wer miteinander gesprochen hat. Mich würde interessieren, wer diese Gespräche dort geführt hat. War es ein Vertreter der Botschaft?

Eine zweite Frage, an Herrn Seibert: Herr Wonka ist heute nicht da, sonst würde er die Frage sicherlich gern stellen. Gehört für die Kanzlerin Weihnachten zu Deutschland?

DR. SCHÄFER: Die Frage scheint mir so wichtig zu sein, dass ich Herrn Seibert gern den Vortritt lasse.

STS SEIBERT: Unbedingt ja.

DR. SCHÄFER: Meine Antwort auf Ihre Frage lautet, dass das von Anfang an eine Angelegenheit gewesen ist, die im Grunde die Schule angeht. Ich jedenfalls habe mich schon gestern Abend und heute Morgen darüber gewundert, welches Aufsehen diese Geschichte, die eine einzelne Schule betrifft, gefunden hat nicht nur bei Ihnen in der veröffentlichten Meinung, sondern auch bei Politikern in Deutschland, die sich bemüßigt gesehen haben, sofort eine Meinung dazu zu äußern.

Sie ist genau da geregelt worden, wo sie hingehört, nämlich an dieser Schule in Istanbul, zwischen den Vertretern der Türkei, das heißt der Führung dieser Schule von türkischer Seite, und dem deutschen Zweig. Genau dahin gehört das, finde ich.

FRAGE BUSCHOW: Herr Schäfer, dazu habe ich eine Lernfrage. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, sagen Sie: In der Schule wird man jetzt eine Lösung für dieses Problem finden und sich, beruhend auf Freiwilligkeit, darauf verständigen, wie man über deutsche Sitten und Bräuche redet. Aber wenn dort ein deutsches Abitur abgelegt wird, muss es doch auch Lehrpläne geben.

Deswegen die Lernfrage: Mit wem ist das abgestimmt? Wer auf Bundesebene ist zuständig? Normalerweise ist das in Deutschland Ländersache. Solche Lehrpläne, die man mit der türkischen Seite aushandelt und wonach ein deutsches Abitur abgelegt wird, umfassen zwar bestimmt nicht Weihnachten im Konkreten. Aber umfassen sie nicht doch Geschichtliches, Kulturelles aus Deutschland?

DR. SCHÄFER: Sie stellen eine Frage, die so viel Detailtiefe hat, dass ich Ihnen am liebsten vorschlagen würde, dass wir die Lehrpläne aller 16 Bundesländer vornehmen, um zu schauen, ob in der 11., 12. und 13. Klasse, wo es sie noch gibt, oder vielleicht in der 9. und 10. Klasse zur Weihnachtszeit intensiv über Weihnachten gesprochen wird und ob man gemeinsam singt. Ich bin nicht ganz sicher, ob Sie dabei überall fündig würden. Aber ich wünsche Ihnen viel Spaß bei der Suche.

Zu Ihrer konkreten Frage: Zuständig für die Auslandsschulen in Deutschland und damit auch für die Entsendung der deutschen Lehrer ist das Bundesverwaltungsamt. Dort gibt es eine Zentralstelle für das Auslandsschulwesen. Sie sitzt in Köln und betreibt das unter Aufsicht und auf Bitte des Auswärtigen Amtes.

Es gibt eine sehr gedeihliche, sehr vorteilhafte und sehr vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Bundesländern. Die Bundesländer sind sehr tatkräftig mit uns gemeinsam mit dem Bundesverwaltungsamt und mit dem Auswärtigen Amt dabei, sicherzustellen, dass die Standards für die Lehrpläne und die Standards für die Abnahme eines deutschen Abschlusses, des deutschen Abiturs, das ja Zugang zum deutschen Hochschulsystem bietet, den hohen Anforderungen entsprechen, wie sie in allen 16 Bundesländern vorherrschen. Dazu gibt es eine Arbeitsteilung zwischen den Bundesländern, die sich bestimmte Regionen oder bestimmte Schulen vornehmen und sicherstellen, dass diese Niveaus dort gehalten werden.

Im Übrigen haben wir es hier wie auch überall sonst bei deutschen Schulen im Ausland mit der Situation zu tun, dass wir natürlich die Hoheitsrechte und die Souveränität unserer Partner und Gaststaaten anerkennen müssen. Eine deutsche Schule im Ausland muss beides erfüllen: die hohen deutschen Standards und die Standards im Gastland. Diese Schule steht natürlich unter der Aufsicht des türkischen Bildungsministeriums. Deshalb sind türkische Lehr- und Bildungspläne umzusetzen. Aber natürlich ist seit vielen Jahrzehnten durch unsere vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den türkischen Partnern an der Schule und im Ministerium auch sichergestellt, dass die deutschen Anforderungen für die Ablegung des Abiturs in vollem Umfang erfüllt werden.

FRAGE: Eine Frage an das Finanzministerium: Teilt der Bundesfinanzminister die Auffassung des Wirtschaftsweisen Christoph Schmidt, der heute in einem Zeitungsinterview vor italienischen Staatshilfen für die Bank Monte dei Paschi di Siena warnt und meinte, die Restrukturierung der Bank solle nach den verabredeten Regeln erfolgen, sprich: die Gläubiger der Bank müssten zu ihrer Rettung beitragen und nicht die Steuerzahler? Danke.

VON TIESENHAUSEN-CAVE: Wir haben hier schon öfter Fragen zu einzelnen italienischen Banken bekommen. Ich werde das Interview jetzt nicht kommentieren, auch weil ich es nicht komplett gelesen habe.

Ich sage nur ganz generell: Die Verantwortlichen in Italien wissen, was zu tun ist. Das hat der Minister auch schon gesagt. Er hat auch sein Vertrauen zum Ausdruck gebracht, dass die Regelungen, die gefunden werden, im Einklang mit europäischen Regeln stehen. Mehr habe ich dazu heute nicht zu sagen.

FRAGE WACKET: Ich habe eine Frage zum Thema der Vertragsverlängerung von Rüdiger Grube bei der Deutschen Bahn. Mir ist noch nicht klar, warum man in diesem Fall gegen die Corporate-Governance-Grundsätze verstößt. Was macht diesen Fall so besonders, dass man diesen Weg wählen muss?

HILLE: An wen richtet sich die Frage?

ZUSATZ WACKET: Das Verkehrsministerium ist federführend im Aufsichtsrat. Die Frage kann aber auch gern der Regierungssprecher beantworten.

HILLE: Am Freitag hat sich die Kollegin Moosmayer an dieser Stelle zu dem Thema schon geäußert. Ihren Ausführungen habe ich hier nichts hinzuzufügen.

ZUSATZ WACKET: Ich meine, die Kollegin war nicht richtig darüber informiert, dass zum einen der Aufsichtsrat selber mitgeteilt hat, dass er sich an die Corporate Governance-Grundsätze halten will und deswegen weil das so vorgesehen ist erst im Januar den Vertrag verlängern kann, dass man aber zum anderen dagegen verstößt, weil Herr Grube die Altersgrenze überschritten hat. Das verstehe ich nicht.

HILLE: Wenn ich es richtig sehe, ist bisher noch keine Entscheidung gefallen. Sie haben selber gesagt, dass der Aufsichtsrat im Januar wieder tagen wird. Sie werden daher sicherlich verstehen, dass ich solche Fragen bis dahin nicht kommentieren kann.

ZUSATZ WACKET: Sorry, das ist einfach nicht korrekt. Denn die Mitteilung des Aufsichtsrates ist gewesen: Man werde den Vertrag im Januar verlängern. Man habe es nur nicht im Dezember machen können, weil man sich an die Corporate-Governance-Regeln halte.

Die Corporate-Governance-Regeln sind, wie auch im Geschäftsbericht der Deutschen Bahn niedergelegt: Nach 65 grundsätzlich keine Verlängerung. Das ist doch ein offenkundiger Widerspruch.

HILLE: Diesen Widerspruch sehe ich nicht. Der Aufsichtsrat wird sich im Januar, wie Sie gerade richtig gesagt haben, mit dieser Personalie beschäftigen. Dann können wir zu dem Thema gern noch einmal sprechen.

FRAGE DOHR-GRILL: Ich habe eine Frage an das Finanzministerium und das Familienministerium. Es geht um die Forderung von SPD-Chef Gabriel, das Kindergeld für EU-Ausländer, die hier arbeiten, zu kürzen, wenn die Kinder nicht in Deutschland leben. Mich würde die Einschätzung des Familienministeriums interessieren, wie sinnvoll das ist.

Herr Gabriel argumentiert mit einem massenhaften Missbrauch oder einer Einwanderung in unsere Sozialsysteme. Teilen Sie diese Auffassung? Würden Sie es für sinnvoll und vor allem für durchsetzbar halten?

Wenn ich es richtig verstehe, hat sich das Finanzministerium dazu schon geäußert und gesagt, dass die EU-Kommission kürzlich schon eine Entscheidung getroffen habe, die dieser Änderung eigentlich entgegenstehe. Man werde dies aber noch einmal prüfen wollen. Was kann man denn dann eigentlich noch prüfen? Läuft die Prüfung, und wie lang wird sie wohl dauern?

HERB: Ich beginne und würde direkt an Frau Tiesenhausen weitergeben. Denn die Zuständigkeit für das Kindergeld liegt allein beim Bundesfinanzministerium.

VON TIESENHAUSEN: Dann beginne ich mit Ihrer ersten Frage. Wir freuen uns, dass wir für eine Neuregelung des Kindergeldes nun auch die Unterstützung des Bundeswirtschaftsministers finden. Im vergangenen Jahr konnte ja über dieses Thema noch keine Einigung im Ressortkreis erreicht werden.

Damit dürfte sich dann wohl auch die Frage der europarechtlichen Bewertung geändert haben. Sie wissen ja, dass für die europarechtlichen Bewertungen innerhalb der Bundesregierung das BMWi zuständig ist. Wir werden jetzt auf die Kollegen zugehen und uns in dieser Frage noch einmal ganz genau mit den Kollegen unterhalten. Wenn wir eine andere Einschätzung haben sollten, dann würden wir auch schnell einen entsprechenden Vorstoß in diese Richtung vorlegen.

Sie kennen den Kontext. Dieses Thema ist schon länger diskutiert worden und war sehr prominent Gegenstand der Gespräche mit Großbritannien, um den Brexit zu verhindern. Dazu ist es dann ja nicht gekommen. Die Briten haben sich anders entschieden. Bundesfinanzminister Schäuble hat schon früh Sympathie für eine Indexierung des Kindergelds zum Ausdruck gebracht. Dabei geht es darum, dass das Kindergeld an das Preisniveau im Heimatland des Kindes angepasst wird. Wenn wir hier jetzt europarechtlich grünes Licht bekommen, dann kann ein solcher Vorschlag auch vorgelegt werden.

ZUSATZFRAGE DOHR-GRILL: Ich habe eine kurze Nachfrage, vielleicht an das Wirtschaftsministerium. Frau von Tiesenhausen spricht von einer offensichtlichen Meinungsänderung. Sehen Sie das auch so? Woher kommt die?

DR. AUDRETSCH: Wir freuen uns erst einmal über die konstruktiven Aussagen des Finanzministeriums, die ich jetzt gerade zu meiner Linken vernommen habe. Wenn das Finanzministerium offen in Gespräche mit dem Bundeswirtschaftsministerium über Möglichkeiten eintreten will, dann sind wir natürlich sehr bereit, diese Gespräche mit dem Bundesfinanzministerium an dieser Stelle auch zu führen.

Wir haben als Bundeswirtschaftsministerium das hat der Minister vorhin auch hier in der Pressekonferenz schon ausgeführt die Rechtsauffassung, dass es dafür Möglichkeiten gibt. Es ist völlig klar, dass es da Regelungen bedarf, die sowohl primärrechtlich als auch sekundärrechtlich europarechtskonform sind, und wir sind der Auffassung, dass das möglich ist. Darüber in konstruktive Gespräche mit dem Finanzministerium zu kommen – da können wir uns nichts Besseres vorstellen.

FRAGE MÜLER-THUM: Frau Herb, ich würde doch gerne noch einmal auf Sie zurückkommen, jenseits der Frage, ob Sie zuständig sind. Es geht nämlich auch um die Frage, ob Gabriel für alle SPD-Kabinettskollegen spricht. Also würde ich gerne einmal hören, was Frau Schwesig von der Idee hält und ob sie die auch gut findet.

Frau von Tiesenhausen, können Sie uns vielleicht einmal kurz erklären, über wie viele Fälle wir vermutlich reden? Gibt es bei Ihnen interne Berechnungen darüber, ob eine solche Änderung der bisherigen Praxis eventuell dazu führen könnte, dass die Kinder in Zukunft vielleicht eben nicht mehr im Heimatland, sondern in Deutschland sind, was „mehr Kita-Plätze, mehr Schulplätze etc.“ heißen würde.

HERB: Ich kann das jetzt wirklich nicht en détail ausführen. Die Ministerin hatte sich dazu schon einmal geäußert ich glaube, im Februar und gesagt, dass es ein gangbarer Weg wäre, dass das Kindergeld angepasst wird. Aber auch damals musste man innerhalb der Bundesregierung darüber beraten, wie man jetzt weiter verfahren wird.

VON TIESENHAUSEN-CAVE: Zu den Zahlen das sind Zahlen, die von der Bundesagentur für Arbeit kommen kann ich Ihnen sagen, dass es im November 2016 rund 188 000 Fälle in Deutschland gab, in denen für Kinder, die im EU-Ausland leben, Kindergeld gezahlt wird. Sie müssen allerdings auch berücksichtigen, dass bei der Zahlung deutschen Kindergelds eventuell vergleichbare Zahlungen im Ausland angerechnet werden. Das heißt beispielsweise, dass, wenn in einem Land ein Kindergeldsatz in Höhe von, sage ich jetzt einmal, 100 Euro besteht, dann aus Deutschland nur der Differenzbetrag zum deutschen Satz gezahlt wird. Ich kann Ihnen deswegen kein Gesamtvolumen nennen und sagen, um wie viel Geld es sich handelt. Ich kann Ihnen nur die Zahl der Fälle nennen. Das sind 188 000 im November 2016 gewesen.

ZUSATZFRAGE MÜLER-THUM: Gibt es bei Ihnen Berechnungen darüber, ob eine eventuelle Regeländerung dazu führen könnte, dass die Kinder dann bald eben nicht mehr im Heimatland sind, sondern

VON TIESENHAUSEN-CAVE: Dazu ist mir nichts bekannt.

FRAGE: Frau von Tiesenhausen, wissen Sie, in welche Länder dieses Geld in diesen 188 000 Fällen fließt? Haben Sie mehr Details darüber vorliegen?

VON TIESENHAUSEN-CAVE: Es gibt eine Statistik der BA, eine super umfangreiche Excel-Tabelle, die aber auf meinem Handy ist. Ich kann sie Ihnen gerne weiterleiten. Da können Sie dann alles im Detail nachschauen.

VORS. DR. MAYNTZ: Dann gibt es noch zwei Nachlieferungen, die eine vom Innenministerium.

DR. PLATE: Ich mache es ganz schnell, um Ihnen die Arbeit zu ersparen, selbst in unseren Pressemitteilungen zu blättern: Der 2. Oktober war das Datum der Unterzeichnung der deutsch-afghanischen Erklärung.

HILLE: Auch im Sinne der Arbeitserleichterung mache ich noch die Anmerkung, Herr Wacket, zu den Corporate-Governance-Grundsätzen der Deutschen Bahn: In den Regeln steht, dass die Altersgrenze grundsätzlich 65 Jahre beträgt. Der Jurist weiß, dass „grundsätzlich“ bedeutet, dass in begründeten Ausnahmefällen Ausnahmen möglich sind.

FRAGE WACKET: Deswegen ging es in der Frage ja um den Grund. Was ist der begründeter Ausnahmefall? Warum ist das eine Ausnahme? Warum muss man da eine machen?

HILLE: Grundsätzlich sind Ausnahmen möglich, und von dieser Möglichkeit wird in diesem Fall Gebrauch gemacht. Sie kennen die Wettbewerbssituation, in der sich die Bahn befindet, und damit ist alles gesagt.

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