Totale Tranparenz? ► BPK vom 8. September 2017
Themen: Termine der Bundeskanzlerin (Eröffnung des Internationalen Friedenstreffens von Sant’Egidio in Münster, Kabinettssitzung, Eröffnungsveranstaltung der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt am Main, Empfang des Scheichs von Katar, Empfang des französischen Premierministers), Besprechung der Bundeskanzlerin mit Kommunen zur Luftqualität in Städten, Russlands Großmanöver „Zapad“, Besuch von Soldaten auf dem NATO-Stützpunkt Konya durch Bundestagesabgeordnete, Berichterstattung über Sicherheitslücken in der Software für die Sammlung von Wahldaten, geplantes Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien, Verhandlungen mit der Türkei über einen Beitritt zur Europäischen Union, Abkommen über Migration zwischen Deutschland und Ägypten, Festnahme von Deutschen in der Türkei, Giftgasangriff in Syrien im April, Zahl der Gefährder, angebliche Kritik Deutschlands an der mangelnden Bekämpfung der Steuerflucht innerhalb der EU
Naive Fragen zu:
Merkel auf der IAA (ab 2:25 min)
– Nur zum Verständnis: Es herrscht auch Vertrauensverlust in die Autoindustrie im Kanzleramt? (ab 5:40 min)
Emir von Katar bei Merkel (ab 13:00 min)
– wenn sich die Kanzlerin mit dem Vertreter aus Katar trifft Katar ist ja Großaktionär oder Hauptaktionär von VW , wird es mit dem Katarer auch um die Probleme bei VW gehen?
– Werden wir dem Emir Fragen stellen können? Wird es einen Pressetermin geben, Herr Seibert?
– Thema errorfinanzierung: Auf welchem Stand ist die Bundesregierung da bei Katar, Herr Schäfer? Ist Katar aus der Sicht der Bundesregierung ein finanzieller Unterstützer von den Taliban, von Kaida. Die gleiche Frage richtet sich an das Entwicklungsministerium; denn Herr Müller hatte sich schon einmal dezidiert dazu geäußert. (ab 14:50min)
– hat die Bundesregierung eigene Erkenntnisse über eine errorfinanzierung durch Katar?
NATO/Russland-Manöver (ab 17:00 min)
– haben die Russen auch bei den Cyberplanspielen in Estland einen Beobachterstatus? (ab 18:38 min)
– Sie fordern das ja von den Russen auch. Dann wäre das ja nur fair.
Abgeordnetenbesuch in Konya (ab 22:27 min)
– wie bewertet die Bundesregierung, dass Journalisten die Abgeordneten nicht begleiten dürfen? (ab 27:30 min)
– Die Bundesregierung ist ja auch ein Freund der Pressefreiheit. Das ist ein hohes Gut. Dann würde ich erwarten, dass Sie sich auch dafür einsetzen, dass Journalisten die Abgeordneten begleiten können.
Hackbare Bundestagswahl (ab 29:14 min)
– Der Bundeswahlleiter hat ja davon gesprochen, dass das Update bzw. die Problemlösung in Arbeit ist. Ist davon auszugehen, dass das bis zum Wahltag abgeschlossen ist? (ab 36:33 min)
– Sind BMI und Kanzleramt, Herr Seibert, froh, dass es diese Hacker gibt, die auf die möglichen Manipulationen aufmerksam gemacht haben, dass sie die Öffentlichkeit und auch die Bundesregierung sensibilisieren? Sind Sie den Hackern dankbar?
Flüchtlingsdeal mit Ägypten (ab 45:10 min)
– möchte die Bundesregierung dieses MoU veröffentlichen, aber die Ägypter nicht? (ab 48:04 min)
– das Problem ist ja, dass die Bundesregierung mit einer Diktatur einen Vertrag eingeht, von dem wir nur von Ihnen hören. Wir wissen ja nicht, was darin steht. Sie können uns ja alles erzählen. Wenn Sie sagen, dass es keine großen Geheimnisse gebe, welche kleinen Geheimnisse sollen das denn sein?
Polen/Reparationen (ab 52:25 min)
– die polnische Regierungschefin hat den Anspruch ihres Landes auf Kriegsreparationen noch einmal bekräftigt. Sie hat gesagt: „Meiner Überzeugung nach stehen Polen Kriegsreparationen zu, und der polnische Staat hat das Recht, sie zu fordern.“ Es soll irgendwie um 840 Milliarden Euro gehen. Hat die Bundesregierung einen Kommentar dazu?
G20 (ab 1:06:40 min)
– „DIE ZEIT“ berichtet, dass gegen 95 Polizisten wegen möglicher Straftaten im Rahmen der G20-Einsätze ermittelt wird, und dass es 78 Verfahren allein wegen Körperverletzung im Amt gibt. Wie viele Bundespolizisten sind davon betroffen? (ab 1:10:57 min)
„Gefährder“-Zahlen (1:17:00 min)
– Ich wollte Herrn Dimroth an die Gefährderzahlen erinnern, die uns Herr Plate am Montag präsentieren oder nachreichen wollte.
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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 8. September 2017:
STS SEIBERT: Guten Tag, meine Damen und Herren! Zu den öffentlichen Terminen der Bundeskanzlerin in der kommenden Woche:
Diesen Sonntag findet das Internationale Friedenstreffen von Sant’Egidio in Münster statt. Darüber hatten wir hier schon berichtet; deswegen erwähne ich es nur noch einmal kurz. Die Bundeskanzlerin wird bei der Eröffnung dieses Treffens in Münster um 16.30 Uhr eine Rede halten.
Am Mittwoch um 9.30 Uhr, zum üblichen Zeitpunkt, findet die Kabinettssitzung unter der Leitung der Bundeskanzlerin statt.
Am Donnerstag, den 14. September, nimmt sie in Frankfurt am Main an der Eröffnungsveranstaltung der Internationalen Automobilausstellung teil. Das ist die 67. IAA. Die Bundeskanzlerin wird dort gegen 10.40 Uhr eine Rede halten und zu aktuellen Fragen der Automobilindustrie in Deutschland Stellung beziehen. Anschließend folgt ein Messerundgang.
Für den kommenden Freitag kann ich noch zwei internationale Gäste im Bundeskanzleramt ankündigen. Zunächst wird die Bundeskanzlerin den Scheich von Katar, Tamim bin Hamad al-Thani, empfangen und anschließend den französischen Premierminister, Édouard Philippe. Wir werden zu beiden Besuchen Details des Besuchsprogramms und genauere Zeiten Anfang der kommenden Woche bekannt geben.
FRAGE: Ich habe eine Frage zur IAA: Die Kanzlerin hat ja angedeutet, dass es da eine Gelegenheit geben könnte, mit den ausländischen Automobilherstellern noch einmal über ihre Beteiligung an den Softwareupdates und auch über den Fonds für die Kommunen zu sprechen. Gibt es einen bestimmten Termin, an dem dieses Gespräch stattfindet, oder hat sie im Vorhinein schon Signale bekommen, dass sich die internationalen Hersteller da bewegen?
STS SEIBERT: Ich kann Ihnen jetzt erst einmal nur das ankündigen, was ich hier angekündigt habe. Weitere Details des Besuchsprogramms der Bundeskanzlerin, mögliche Gesprächskontakte müssen wir dann am Tag der IAA sehen.
FRAGE WONKA: Herr Seibert, unterliegen denn bestimmte Automobilhersteller einer gewissen Vermeidungsstrategie beim Messerundgang der Kanzlerin, oder wird sie offen den Kontakt beispielsweise zu VW und seinen Produkten suchen?
STS SEIBERT: Ich kann Ihnen jetzt nicht sagen, an welchen Ständen die Bundeskanzlerin bei ihrem Messerundgang haltmachen wird; das werden wir sehen. Sie hat sich in den vergangenen Tagen immer wieder ganz klar zu der Bedeutung der deutschen Automobilindustrie bekannt. Wir wollen starke, leistungsfähige, innovative und zukunftsfähige Automobilkonzerne, weil wir wissen, dass sie schon derzeit 800.000 Menschen in Deutschland Arbeit geben, und zwar gute Arbeit. Das ist die Haltung der Bundeskanzlerin. Deswegen wird sie sicherlich keinen Bogen um irgendwelche Unternehmen machen. Es ist bekannt, dass Unternehmen schwere Fehler begangen haben, dass sie schuld sind an einem Vertrauensverlust, der bei den Autofahrern, bei den Konsumenten, im Markt eingetreten ist, und dass es die Aufgabe der Automobilkonzerne, die das betrifft, ist, dieses Vertrauen wiederherzustellen.
Die Bundeskanzlerin hat gerade erst in dieser Woche ein Treffen mit den Gesamtbetriebsratsvorsitzenden der führenden deutschen Autokonzerne und dem Chef der IG Metall abgehalten. Auch dabei waren natürlich die Belegschaften der Autokonzerne vertreten, in denen solche Fehler begangen wurden.
ZUSATZFRAGE WONKA: Kann man sagen wenn ich das richtig verstanden habe , das ist also dann kein IAA-Eröffnungsbesuch wie jeder andere?
STS SEIBERT: Es gibt derzeit Themen in der Automobilindustrie, die ganz Deutschland diskutiert, die von großer politischer, von großer wirtschaftlicher und von großer umweltpolitischer Bedeutung sind. Das sind Themen, die wir in dieser Dringlichkeit in den vergangenen Jahren nicht hatten. Diese Themen werden natürlich auch den Besuch der Bundeskanzlerin prägen. Sie werden natürlich auch in ihrer Rede eine wichtige Rolle spielen.
FRAGE JUNG: Herr Seibert, Sie sagten gerade, dass es einen Vertrauensverlust im Markt gibt. Einen Vertrauensverlust im Kanzleramt gibt es nicht. Richtig?
STS SEIBERT: Herr Jung, Sie können sich jetzt wirklich das Vergnügen machen, ganz viele Interviews der Bundeskanzlerin aus den letzten drei Wochen, sage ich einmal, nachzulesen, nachzusehen und die Mediatheken der Sender durchzuforsten. Da werden Sie sehr viele Äußerungen finden, bei denen die Bundeskanzlerin ganz persönlich sagt, sie ist enttäuscht, sie ist stocksauer das sind Worte, die da gefallen sind , und das heißt, das Kanzleramt.
ZUSATZFRAGE JUNG: Ich habe viele von ihren Sachen gesehen. Sie spricht auch von Betrug. Das tun Sie nicht. Sie sprechen wieder von schweren Fehlern. Ist das jetzt wieder eine andere Wortstrategie?
STS SEIBERT: Nehmen Sie alle Interviews der Bundeskanzlerin, alle öffentlichen Äußerungen und alle Pressekonferenzen der letzten drei Wochen zusammen, dann werden Sie genau wissen, wie die Bundesregierung und die Bundeskanzlerin persönlich zu diesem Thema stehen, und das ist deutlich.
ZUSATZFRAGE JUNG: Nur zum Verständnis: Es herrscht auch Vertrauensverlust in die Autoindustrie im Kanzleramt?
STS SEIBERT: Das ist doch ganz offensichtlich.
FRAGE: Herr Seibert und Herr Strater, es gab heute ein Interview des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Kretschmann in der „FAZ“, in dem er den Vorwurf erhoben hat, der Diesel-Gipfel Anfang dieser Woche sei seitens der Bundesregierung schlecht vorbereitet gewesen. Reagieren Sie darauf?
STS SEIBERT: Zunächst einmal sind wir in einem Prozess. Es gab ein erstes Nationales Forum Diesel im August. Es gab jetzt eine erste Begegnung der Vertreter der Bundesregierung mit den Vertretern, mit den Oberbürgermeistern im Wesentlichen, der am stärksten betroffenen Kommunen. Es gab ein Treffen mit den Gesamtbetriebsräten. Alle diese Treffen werden fortgesetzt. Bei keinem ist schon der Endpunkt erreicht. Natürlich sind wir in einem Prozess. Es sind verschiedene Foren eingerichtet, in denen jetzt an der Konkretisierung, an der Präzisierung dessen gearbeitet wird, was uns helfen soll, dieses Thema gut zu bearbeiten.
Das Gesamtziel der Bundesregierung ist, Fahrverbote zu vermeiden, natürlich auch dafür zu sorgen, dass Schadstoffgrenzwerte eingehalten werden, natürlich dafür zu sorgen, dass das Vertrauen der Autofahrer wiederhergestellt wird, und natürlich dafür zu sorgen, dass wir bei alledem und mit allen diesen Schwierigkeiten eine leistungsstarke, zukunftsfähige Automobilindustrie behalten. Das sind die vier verschiedenen Aufgaben, die das leiten, was wir in diesem Prozess verfolgen, der, wie gesagt, noch fortgesetzt wird. Künftige Treffen sind ja schon angekündigt.
Auch zu den nächsten Runden wird natürlich der baden-württembergische Ministerpräsident wieder eingeladen werden, weil es wichtig ist, dass die baden-württembergische Landesregierung die Regierung eines Landes mit einer so wichtigen Automobilindustrie ihre Haltung auch bei solchen Treffen einbringt.
STRATER: Ich habe das gar nicht groß zu ergänzen. Der Regierungssprecher hat das Wesentliche gesagt. Vielleicht nur so viel: Das Ziel ist ja auch, nachhaltige Mobilität zu sichern und pauschale Fahrverbote zu vermeiden, den Schadstoffausstoß zu senken und eine moderne Mobilität zu ermöglichen. Mit dem Diesel-Gipfel und den Entscheidungen haben wir einen wichtigen Schritt gemacht, um die Luftqualität in deutschen Städten zu verbessern, und ein Maßnahmenpaket geschnürt, das zur deutlichen Reduzierung von Schadstoffen führt. Die Maßnahmen, die aus den bisherigen Gesprächen verabredet wurden, sind Ihnen bekannt.
ZUSATZFRAGE: Herr Seibert, verstehen Sie denn, wie Herr Kretschmann zu der Einschätzung kommen kann, dass der Gipfel schlecht vorbereitet gewesen sei?
STS SEIBERT: Ich habe jetzt das Interview von Herrn Kretschmann nicht weiter zu kommentieren. Jeder nächste Gipfel kann noch besser werden.
FRAGE WONKA: Ich wüsste gern, welche Bundesminister der Automobilindustrie auf der IAA ihre persönliche Wertschätzung durch persönliche Anwesenheit näherbringen, ob es da einen Massenauftrieb der Bundesregierungsmitglieder gibt oder ob die Kanzlerin die Einzige ist, die nach Frankfurt zum offiziellen Messerundgangbesuchstermin geht.
DR. SCHÄFER: Ich weiß nicht genau, ob „Massenauftrieb“ bei Bundesministerin das richtige Wort ist, Herr Wonka.
ZUSATZ WONKA: Okay, das ziehe ich zurück.
DR. SCHÄFER: Das kenne ich eher aus der Landwirtschaft. – Ich glaube, dass auch Herr Gabriel in der nächsten Woche zur IAA nach Frankfurt geht.
VORS. FELDHOFF: Der Verkehrsminister sicher auch, Herr Strater?
STRATER: Er ist auch anwesend, genau.
VORS. FELDHOFF: Umwelt?
HAUFE: Nein, nicht anwesend.
VORS. FELDHOFF Wirtschaft?
DR. BARON: Frau Zypries wird auf der IAA sein und dort auch die New Mobility World besuchen.
VORS. FELDHOFF: Gibt es sonst noch jemanden, der zur IAA fährt? – Ich sehe keinen.
ZUSATZFRAGE WONKA: Dann hätte ich nur noch eine Ergänzung, nämlich ob die Umweltministerin demonstrativ nicht hingeht oder ob sie einfach nicht hineingepasst hat.
HAUFE: Die Umweltministerin wird sich sicherlich demonstrativ zu dem äußern, was auf der IAA zu sehen ist.
ZUSATZFRAGE WONKA: Dass sie nicht hingeht, ist also ein demonstrativer Akt?
HAUFE: Das habe ich nicht gesagt.
FRAGE DR. ZWEIGLER: Herr Seibert, zu der angekündigten Rede der Kanzlerin auf der IAA: Wird das ein Grußwort sein, wie es die letzten Jahre möglicherweise dort gehalten worden ist, oder dürfen wir uns auch darauf vorbereiten, dass sie die Hersteller auffordern wird, größere Anstrengungen für sauberere Dieselabgase zu unternehmen, beispielsweise auch bei Euro 5, Euro 4 die Hardware nachzurüsten? Wird es eine solche Aufforderung geben?
STS SEIBERT: Erstens kann ich mich nicht erinnern, dass die Reden der Bundeskanzlerin zu IAA-Eröffnungen jemals reine Grußworte waren. Zweitens möchte ich Sie bitten, die Rede am Donnerstag abzuwarten.
FRAGE LANG: Herr Seibert, Sie erwähnten das Treffen mit den Gesamtbetriebsräten im Kanzleramt. Ich hätte gerne gewusst, ob das Thema Austausch von Hardware, um die Fahrzeuge sauberer zu machen, dabei auch eine Rolle gespielt hat. – Danke.
STS SEIBERT: Es haben die Maßnahmen eine Rolle gespielt, die im Moment in der Diskussion sind, um möglichst rasch konkrete Ergebnisse bei der Schadstoffminderung zu erreichen. Darüber hinaus ging es in dem Gespräch um die mittel- und langfristige Zukunft der deutschen Automobilindustrie und um den sehr komplexen Übergang aus der derzeitigen Situation und den derzeitigen Antriebsmodellen in die Zukunft. Beides war Thema.
FRAGE JUNG: Um vielleicht einmal den Bogen zu einem anderen Termin zu spannen: Herr Seibert, wenn sich die Kanzlerin mit dem Vertreter aus Katar trifft Katar ist ja Großaktionär oder Hauptaktionär von VW , wird es mit dem Katarer auch um die Probleme bei VW gehen?
STS SEIBERT: Wir werden sicherlich Anfang der Woche noch etwas mehr zu dem Treffen mit dem Emir von Katar sagen können. Meine Vermutung, Stand heute, wäre, dass es ganz im Wesentlichen um die Spannungen in der Region gehen wird.
ZUSATZFRAGE JUNG: Werden wir dem Emir Fragen stellen können? Wird es einen Pressetermin geben, Herr Seibert?
STS SEIBERT: Ich habe gesagt, dass ich Details zu den beiden Besuchen Anfang der Woche genauer bekannt geben kann.
FRAGE DR. DELFS: Auch noch einmal zu Katar, Herr Seibert: Die Kanzlerin hatte ja im TV-Duell auf eine Frage von Herrn Strunz, glaube ich, gesagt, dass sie die WM-Vergabe an Katar nicht besonders gut finde. Wird sie diese Botschaft auch dem Scheich am Freitag übermitteln? Werden die WM und auch die Bedingungen, unter denen sie vorbereitet wird, überhaupt Thema sein?
STS SEIBERT: Sie wollen immer, dass ich Ihnen noch zu führende Gespräche schon vorab übermittele. Diese Fähigkeit habe ich nicht, das tut mir leid. Was die Bundeskanzlerin im TV-Duell gesagt hat, das steht. Ansonsten wiederhole ich meine Einschätzung, dass es bei dem Gespräch mit dem Emir von Katar im Wesentlichen um die Spannungen in dieser Region gehen wird, die ohnehin schon an Spannungen nicht arm ist.
FRAGE JUNG: Ich möchte zum Thema Terrorfinanzierung kommen. Auf welchem Stand ist die Bundesregierung da bei Katar, Herr Schäfer? Ist Katar aus der Sicht der Bundesregierung ein finanzieller Unterstützer von ISIS, von den Taliban, von Al-Qaida. Die gleiche Frage richtet sich an das Entwicklungsministerium; denn Herr Müller hatte sich schon einmal dezidiert dazu geäußert.
DR. SCHÄFER: Als der deutsche Außenminister das letzte Mal vor einigen Monaten im Zuge der Krise in der Region war, war er auch in Katar. Er hat damals für die Bundesregierung Ideen vorgebracht und Vorschläge gemacht, die die Transparenz von Finanzierungsmodellen erhöhen sollten. Diese Vorschläge sind damals auf beiden Seiten, sowohl auf katarischer Seite als auch auf der Seite der Koalition, die gegen Katar agiert, sehr positiv aufgenommen worden. Wir wissen, dass Katar, aber auch andere Staaten in der Golfregion bei der Frage der Transparenz von Finanztransaktionen noch aufzuholen haben, aber dieser Frage in den letzten Jahren nicht nur im Zuge der Krise, aber gerade im Zuge der Krise sehr viel größere politische Aufmerksamkeit in der Region zugewandt worden ist. Da hat es Fortschritte gegeben, die aus unserer Sicht noch nicht ausreichend sind. – Vielleicht so weit erst einmal.
SIMON: Ich habe für das BMZ zu diesem Thema aktuell nichts hinzuzufügen.
ZUSATZFRAGE JUNG: Herr Schäfer, hat die Bundesregierung eigene Erkenntnisse über eine Terrorfinanzierung durch Katar?
DR. SCHÄFER: Wenn das so wäre, wären das Informationen, die ich Ihnen nicht offenlegen würde; denn das sind natürlich nachrichtendienstliche Informationen.
FRAGE JOLKVER: Herr Flosdorff, gestern hat Ministerin von der Leyen in Tallinn gesagt, sie erwarte, dass an dem weißrussisch-russischen Manöver „Zapad“ über 100 000 Soldaten teilnehmen werden. Die Russen nennen die Zahl von 12 700 Soldaten. Wie kommt die Ministerin auf die Zahl von über 100 000 Soldaten?
FLOSDORFF: Das sind Schätzungen, die in der NATO kursieren, aber auch Beobachtungen, die in den Anrainerstaaten vorgenommen werden, die da über enge Kontakte verfügen. Das ist die Basis.
ZUSATZFRAGE JOLKVER: Welche Möglichkeit hat denn die Bundesregierung, die Beobachter durchzusetzen, falls es dazu kommt, dass es mehr als 13 000 Soldaten sind, wie es von der OSZE vorgeschrieben ist? Was hat Russland eigentlich zu befürchten, wenn sich herausstellt, dass die Zahl der Soldaten diese Grenze deutlich übersteigt?
FLOSDORFF: Die beste Möglichkeit wäre natürlich, wenn Russland nicht nur Deutschland, sondern auch der NATO oder allen Staaten, die unmittelbar davon betroffen sind, einen großzügigen Beobachterstatus einräumen und dort auch maximale Transparenz an den Tag legen würde. Es ist ein hohes Gut, dass im Sinne der vertrauensbildenden Maßnahmen und auch auf Basis der Vereinbarungen, die wir haben, dort gegenseitige Einblicke ermöglicht werden. Das wäre natürlich die beste Basis.
FRAGE JUNG: Herr Flosdorff, haben die Russen auch bei den Cyberplanspielen in Estland einen Beobachterstatus?
FLOSDORFF: Sie meinen, im Rahmen der NATO-EU-Übungen? – Das kann ich Ihnen hier nicht sagen. Das muss ich Ihnen nachreichen. Ich weiß nicht, wer da
ZUSATZFRAGE JUNG: Sie fordern das ja von den Russen auch. Dann wäre das ja nur fair.
FLOSDORFF: Ja, gut, es gibt da klare Regeln, auf die man sich verständigt hat. Ich weiß nur, dass vonseiten der EU und der NATO größter Wert darauf gelegt wird, dass es da viel Transparenz und vertrauensbildende Maßnahmen gibt. Wenn es diese Regeln gibt, gehe ich davon aus, dass sie eingehalten werden. Das wird natürlich vonseiten der EU und auch vonseiten der NATO gesteuert. Ich bitte um Verständnis, dass ich Ihnen jetzt hier nicht genau dazu Auskunft geben kann.
ZUSATZFRAGE JUNG: Aber das reichen Sie nach?
FLOSDORFF: Ja, das reiche ich Ihnen gerne nach.
FRAGE LANGE: Herr Flosdorff, ich hätte gerne gewusst: Was droht denn den Russen, wenn sie die Vereinbarungen des Wiener Dokuments nicht einhalten? Ich glaube, diese Frage war noch offen. Gibt es Sanktionsmöglichkeiten? Was sagt eigentlich das Verhalten der Russen über diese OSZE-Vereinbarung aus? Ist es vielleicht an der Zeit, dieses Dokument einmal neu zu verhandeln, auch was den Punkt Alarmübung angeht? Wenn ich das richtig verstanden habe, wird oft auch gesagt: Wir machen jetzt eine Alarmübung. Dann gilt die 13 000er-Grenze nicht. – Gibt es also da einen Novellierungsbedarf? – Danke.
FLOSDORFF: Ich glaube, ich bin der falsche Ansprechpartner für Sie. Ich spreche hier für das Verteidigungsministerium, für die Bundeswehr und nicht dafür, was im Rahmen völkerrechtlicher Vereinbarungen möglich ist oder nicht möglich ist. Ich habe ja gesagt, was wünschenswert ist, nämlich dass volle Transparenz von allen Seiten herrscht, dass begründete Zweifel ausgeräumt werden und dass möglichst auch auf provozierendes Verhalten verzichtet wird und wir zu einem vertrauensbildenden Konsens kommen.
ZUSATZFRAGE LANGE: Sie können sich ja als NATO-Mitglied äußern, ob diese Regelung noch wirkungsvoll ist.
FLOSDORFF: Ich habe Ihnen das gesagt, was ich Ihnen sagen kann. Ich werde hier nicht über meine Rolle hinausgehen.
FRAGE JOLKVER: Es gibt unterschiedliche Meldungen über die Beobachter bei diesem Manöver. Angeblich sollen einige für eine gewisse Zeit, für ein paar Stunden, dabei sein dürfen. Sind auch deutsche Beobachter dabei?
FLOSDORFF: Sie sagen es schon ganz richtig: einige, man weiß nicht genau, wer, und für ein paar Stunden. Sie wissen sicherlich sehr genau das kann man auch nachlesen , welche Kriterien und welche Möglichkeiten der Kontrolle es gibt. Das richtet sich danach, welche Übungen angemeldet sind. Je nachdem, was für eine Übung Sie anmelden, gibt es Rechte und erweiterte Möglichkeiten, Beobachtungen vorzunehmen und zu kontrollieren. Wenn Sie das in einem kleineren Rahmen anmelden, dann sind die Möglichkeiten deutlich eingeschränkter, und die Transparenz ist nicht mehr in dem Maße gegeben, wie es gegeben wäre, wenn man so etwas in einem größeren Volumen anmeldet.
ZUSATZFRAGE JOLKVER: Fahren denn die Deutschen hin oder nicht? Das habe ich nicht verstanden.
FLOSDORFF: Ich weiß, dass dort auch Nationen eingeladen sind. Ich sage nur: Es kommt nicht darauf an, ob jemand dort ist, sondern welche Möglichkeiten der Kontrolle diejenigen haben, die dort anwesend sein können.
FRAGE: Nach langem Hin und Her findet heute letztendlich die Reise nach Konya statt. Mehrere Bundestagsabgeordnete werden heute in Konya sein. Aus den Reihen derjenigen, die dorthin reisen werden, hieß es, das könnte ein erster Schritt sein, um Druck aus dem Kessel zu nehmen, dass es dadurch zwischen Deutschland und der Türkei zu einer Normalität kommen könnte und dass die Türkei jetzt einen Weg zur Rückkehr zu westlichen Werten einschlagen könnte. Wie ist denn die Bewertung der Bundesregierung?
DR. SCHÄFER: Nach dem Besuchsplan der NATO-Delegation mit den sieben deutschen Bundestagsabgeordneten sollten sie vor 22 Minuten gelandet sein. Das heißt, wenn alles nach Plan läuft, dann dürfte die von den Abgeordneten des Deutschen Bundestages zu Recht gewünschte, ja geforderte Begegnung mit den dort in Konya tätigen deutschen Soldaten möglich sein und jetzt unmittelbar beginnen.
Wir begrüßen es ausdrücklich, dass es gelungen ist, dass diese Reise stattfinden konnte. Sie alle wissen, dass das eine ziemlich schwere Geburt gewesen ist. Unser Dank gilt ausdrücklich dem Generalsekretär der Vereinten Nationen und seiner Stellvertreterin, Frau Gottemoeller, die diese Delegation für die NATO begleitet.
ZUSATZ: Der NATO meinen Sie, nicht der Vereinten Nationen.
DR. SCHÄFER: Habe ich Vereinte Nationen gesagt? – Der NATO, absolut. – Unser Dank gilt dem Generalsekretär der NATO und seiner Stellvertreterin, Frau Gottemoeller, die die deutschen Abgeordneten dort begleitet. Wir sind froh, dass dies gelungen ist und dass die türkische Regierung es zugelassen hat, dass dieser Besuch stattfinden kann. Die Kontroversen um diese Frage kennen Sie ja zur Genüge.
Ehrlich gesagt, teile ich Ihren Optimismus über die politische Bedeutung dieser Reise nicht so ganz. Ich würde mich freuen, wenn es so wäre, wie Sie sagen, dass diese Besuchserlaubnis eine Chance wäre, wieder zu einem konstruktiven Dialog über all die Themen zu kommen, die uns einen, uns aber in der letzten Zeit vielleicht auch entzweit haben. Ich würde mir wünschen, dass es wo wäre. Ich bin nur nicht ganz so sicher wie die Quellen, die Sie gerade zitiert haben.
FRAGE JESSEN: Herr Schäfer, der Besuch findet statt, die Begegnung wohl auch. Das ist gut. Gleichwohl ist es ein Besuchsrecht zweiter Klasse, sozusagen im Schlepptau der NATO. Ist zu befürchten, dass das ein Modell wird, dass gesagt wird: „Na ja, wenn ihr unbedingt wollt, dürft ihr die schon besuchen, aber nicht eigenständig auf Augenhöhe, sondern wirklich immer nur als Tender unter dem NATO-Schirm“? Das wäre ja ein Paradigmenwechsel.
DR. SCHÄFER: Das ist jetzt Ihre Bewertung. Ich würde sagen: Besuch ist Besuch. Das ist schon einmal ganz gut. Dass die NATO hier beteiligt ist, hat in der Tat damit zu tun das haben Sie angedeutet , dass das im bilateralen Verhältnis für uns nicht so einfach gewesen ist angesichts der Erfahrungen in und mit Ýncirlik. Wie das jetzt weitergeht, das werden wir sehen.
Ich glaube, dass Sie recht haben, dass das so, wie das jetzt angelegt worden ist, auch mit dem politischen und diplomatischen Aufwand, den das für ganz viele Beteiligte gebracht hat, natürlich keine dauerhaft tragfähige Lösung ist, sondern dass wir da immer Möglichkeiten finden müssen und auch finden wollen. Eine neue Bundesregierung wird das nach den Wahlen sicherlich mit der NATO, mit dem Deutschen Bundestag und mit der türkischen Regierung aufnehmen, ob es da Möglichkeiten gibt, Regelungen zu finden, die politisch etwas geschmeidiger sind als das, was wir in den letzten Monaten erlebt haben.
ZUSATZFRAGE JESSEN: Können Sie nachvollziehen, wenn es Stimmen vor allem von Abgeordneten gibt, die sagen, es sei ein Stück weit entwürdigend, wenn das Besuchsrechts des Parlaments sozusagen nur auf dem Umweg wahrgenommen werden könne?
DR. SCHÄFER: Nein, das kann ich Ich weiß nicht, wer so etwas gesagt hat. Aber das kann ich nicht so gut nachvollziehen. Wie gesagt: Besuch ist Besuch. Die Gelegenheit, mit deutschen Soldaten, in diesem Falle NATO-Diensten auf den AWACS-Flugzeugen, zu sprechen, ist genauso wertvoll, als wenn der Besuch auf eine andere Art und Weise zustande gekommen wäre. Jeder, auch im Deutschen Bundestag, kennt die Umstände, unter denen es uns, der Bundesregierung, gelungen ist, diese Reise möglich zu machen. Das war der Wunsch des Deutschen Bundestages an die Bundesregierung. Diesem Wunsch haben wir entsprochen. Wir haben es tatsächlich hinbekommen, das zu machen, mit all den Schwierigkeiten, die ja sehr öffentlich deutlich geworden sind.
FRAGE JUNG: Herr Schäfer, wie bewertet die Bundesregierung, dass Journalisten die Abgeordneten nicht begleiten dürfen?
DR. SCHÄFER: Das bewertet die Bundesregierung überhaupt nicht.
ZUSATZFRAGE JUNG: Das wollen Sie nicht bewerten?
DR. SCHÄFER: Nein. Muss ich das bewerten?
ZUSATZ JUNG: Ja, das wäre doch schön.
DR. SCHÄFER: Ja, ja. Aber ich meine, Ýncirlik, Konya und auch andere Orte, nicht nur in der Türkei, sind sicherheitsrelevante Punkte. Wenn die türkische Regierung oder das türkische Militär der Überzeugung ist, dass das, was da zu sehen ist, vielleicht für deutsche oder andere Journalisten nicht geeignet ist, dann müssen wir das respektieren. Ich bin ganz sicher, dass die deutschen Abgeordneten, die da mit auf Reisen sind jedenfalls der eine oder andere von ihnen , genügend Gelegenheit bekommen werden, ihre Beobachtungen in Konya und ihre Erlebnisse mit den deutschen Soldaten der geschätzten deutschen Öffentlichkeit mitzuteilen. Da bin ich ziemlich zuversichtlich.
ZUSATZ JUNG: Die Bundesregierung ist ja auch ein Freund der Pressefreiheit. Das ist ein hohes Gut. Dann würde ich erwarten, dass Sie sich auch dafür einsetzen, dass Journalisten die Abgeordneten begleiten können.
DR. SCHÄFER: Wir setzen uns dafür ein, dass Journalisten ihre Arbeit in Deutschland und in der Türkei so gut und so umfassend machen können wie nur irgend möglich. Wir setzen uns überall dafür ein. Der Fall Türkei ist das beste Beispiel dafür, dass deutsche Journalisten so arbeiten können, wie das in Deutschland unter dem Schutzmantel von Artikel 5 des Grundgesetzes möglich ist. Ich glaube, es gibt niemanden in diesem Raum, der das in Abrede stellt.
FRAGE STEMPFLE: Meine Frage geht an Herrn Dimroth. Glauben Sie, dass mit den Updates bei der anfälligen Wahlsoftware das Problem jetzt gelöst ist? Das geschieht ja wohl in Zusammenarbeit mit dem BSI. Aber Hacker können ja auch auf Updates reagieren. Haben Sie das Gefühl, dass das Vertrauen durch diese Updates wiederhergestellt ist und dass es dann bei der Bundestagswahl funktioniert?
DR. DIMROTH: Vielen Dank für die Frage. – Zunächst einmal möchte ich darauf hinweisen, dass für diese und gleichgelagerte Fragen ganz grundsätzlich der Bundeswahlleiter der zuständige Ansprechpartner für Sie ist. Nichtsdestotrotz will ich gerne etwas dazu sagen.
Es ist völlig richtig, dass das, was Gegenstand von Berichterstattungen insbesondere gestern war, nicht nur dem Bundeswahlleiter seit Längerem bekannt ist, nämlich dass es mindestens bei einer der eingesetzten Standardsoftware durchaus relevante IT-Sicherheitsprobleme gibt. Richtigerweise ist das BSI sehr frühzeitig in diesen Prozess eingebunden gewesen.
Ich glaube, vor die Klammer gezogen ist zunächst einmal entscheidend, was der Bundeswahlleiter selbst gestern gesagt hat, nämlich dass das amtliche Endergebnis und dessen Richtigkeit in keiner Weise, auch nicht durch die Diskussion um die eingesetzten Softwarelösungen, in Gefahr wäre. Es ist sichergestellt das ist aus den Worten des Bundeswahlleiters zu entnehmen , dass wir keine Sorge haben müssen, dass das amtliche Endergebnis in irgendeiner Form Manipulationen zugänglich wäre. Ich glaube, das ist erst einmal das Entscheidende.
Das BSI nimmt nichtsdestotrotz sehr ernst, dass die eingesetzte Software offensichtlich doch nennenswerte IT-Sicherheitslücken aufgewiesen hat, und hat entsprechende Empfehlungen ausgesprochen, beispielweise über die von Ihnen angesprochenen Updates, aber auch über IT-sicherheitsadministrative Maßnahmen, beispielsweise die Vergabe von Passwörtern auch das war ja Gegenstand der Berichterstattung , ein hinreichendes Maß an IT-Sicherheit zu gewährleisten.
Wir gehen davon aus, dass diese Hinweise über den Bundeswahlleiter an die Landeswahlleiter und dann auch an die betroffenen Kommunen kommuniziert und dort auch ernst genommen und umgesetzt werden. Das BSI steht selbstverständlich mit seiner überbordenden Kompetenz in Fragen der IT-Sicherheit weiterhin dem Bundeswahlleiter zur Verfügung, sollten weitere Fragestellungen aufkommen. Nichtsdestotrotz ist es bei der IT-Sicherheit wie bei anderen Sicherheitsfragen auch: Eine absolute Sicherheit, was die IT-Sicherheit betrifft, kann es auch hier nicht geben.
Noch einmal: Ich denke, entscheidend, was die Frage der Richtigkeit und der Belastbarkeit eines Wahlausgangs an sich angeht, sind die Worte des Bundeswahlleiters, wonach das amtliche Endergebnis durch entsprechende analoge Parallelprüfsteine, die in dem Verfahren etabliert sind, in keiner Weise gefährdet ist. Ich glaube, das ist das Entscheidende.
Noch einmal: Selbstverständlich wäre es auch bei vorläufigen Ergebnissen höchst unschön, wenn es hier zu Fehlern käme. Deswegen unterstützt das BSI bei der Frage der IT-Sicherheit, wo es kann. Dabei gab es Probleme. Die Probleme, die gestern beschrieben waren, sind allerdings länger bekannt. Gegenmaßnahmen sind ergriffen. Sollte es zu weiteren Erkenntnissen in diesem Bereich kommen, stehen wir gerne zur Verfügung.
FRAGE JORDANS: Sie sagen, es gebe keine absolute Sicherheit bei der IT. Aber hier scheint es sich ja um ganz eklatante Anfängerfehler gehandelt zu haben. Wie kann es denn sein, dass diese nicht früher öffentlich gemacht wurden und am Ende erst von einer Hackergruppe?
DR. DIMROTH: Wie gesagt, das BSI ist schon seit dem Frühjahr in diesen Prozess einbezogen. Das, was gestern berichterstattet wurde, war dem BSI schon vorher bekannt. Es bedurfte sozusagen nicht der Pressberichterstattung von gestern, um diesbezüglich die Sensibilitäten zu wecken.
Noch einmal: Das BSI ist schon seit dem Frühjahr dieses Jahres in diesen Prozess einbezogen. Bestimmte der genannten Schwachstellen sind mit entsprechenden Gegenmaßnahmen behoben. Noch einmal: Auch die so will ich das nennen IT-Sicherheitsadministration ist hier zu erwähnen. Denn es nützt ja nichts, wenn Sie die beste, die IT-sicherste Software, die man sich denken kann, haben, wenn dann diejenigen, die mit dieser Software umgehen, in der Administration schlichtweg IT-Sicherheitsvorgaben missachten, beispielsweise bei der Passwortvergabe oder -verwaltung. Auch dazu sind entsprechende Hinweise erfolgt.
Es ist ja das durchgehende Betreiben des Bundesinnenministers und insbesondere auch des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik, immer wieder bei allen beteiligten Stellen um Sensibilität zu werben, und zwar sowohl in der öffentlichen Verwaltung in diesem Fall also insbesondere in den betroffenen Kommunen, für die der Bund ebenso wenig wie für die Landeswahlleiter keine unmittelbare Zuständigkeit hat, wie Sie sich in unserem föderalen System denken können als auch genauso in der Wirtschaft, insbesondere dort in der sogenannten kritischen Infrastruktur. Aber auch darüber hinaus ist es das Betreiben, immer wieder über das bestehende ernstzunehmende Bedrohungspotenzial zu informieren, es aber nicht dabei zu belassen, diesen Sensibilisierungsansatz zu fahren, sondern eine Reihe von Informationsangeboten zu unterbreiten.
Ich kann jedem und jeder immer nur empfehlen, sich auf der BSI-Website auch wirklich up to date zu halten. Im Übrigen gibt es dort auch für den Privatnutzer eine Reihe von sehr wertvollen Hinweisen und auch durchaus technische Hilfeleistungen, also Pages, Updates und all das.
Insofern ist das ein weiterer Vorgang, wo wir nur sagen können: Alle müssen ein Bewusstsein darüber bilden, wie wichtig IT-Sicherheit in Bezug auf digitale Verfahren ist. Das gilt natürlich auch für die hier eingesetzte Software. Unser Eindruck ist, dass das hier auch erkannt ist und entsprechende Maßnahmen ergriffen wurden.
ZUSATZFRAGE JORDANS: Kurze Nachfrage: Sieht das Bundesinnenministerium bzw. die Bundesregierung die Sicherheit der Wahl als ein Thema der nationalen Sicherheit an?
DR. DIMROTH: Die Kategorie der nationalen Sicherheit ist keine, in der wir denken oder aus der bestimmte Konsequenzen folgen. Dass die Richtigkeit eines Ergebnisses einer Bundestagswahl ein immens hohes Gut ist, steht, glaube ich, außer Zweifel. Deswegen hatte ich ja auch nicht ohne Grund zunächst sozusagen vor die Klammer gezogen darauf hingewiesen, dass der Bundeswahlleiter, der die verantwortliche Stelle ist, für mich jedenfalls nachvollziehbar dargelegt hat, dass das amtliche Endergebnis der Bundestageswahl das ist das Entscheidende, auf dem dann entsprechende Mandatszuweisungen wie die Verteilung von Überhangmandaten etc. erfolgt in keiner Weise, was seine Richtigkeit anbetrifft, in Rede steht oder gefährdet ist. Ich glaube, das ist das tatsächlich Entscheidende.
Nichtsdestotrotz: Auch der Weg dahin sollte so sicher wie möglich sein. Das ist auch ein hohes Gut. Deswegen ist es so, wie ich es gerade beschrieben habe, dass insbesondere die kompetente Stelle innerhalb der Bundesregierung, was die IT-Sicherheit solcher Verfahren betrifft das BSI , hier sehr eng einbezogen ist.
FRAGE JUNG: Herr Dimroth, ich habe es noch nicht verstanden. Der Bundewahlleiter hat ja davon gesprochen, dass das Update bzw. die Problemlösung in Arbeit ist. Ist davon auszugehen, dass das bis zum Wahltag abgeschlossen ist?
DR. DIMROTH: Das wäre jedenfalls wünschenswert. Technisch ist das, soweit ich das verstanden habe, vom BSI zumindest angeboten, sodass das jetzt schlichtweg eine Umsetzungsfrage ist. Es ist also nicht mehr eine Frage, ob es entsprechende Pages oder eben Updates gibt; diese sind entsprechend entwickelt und vorhanden. Jetzt sind eben alle Beteiligten noch einmal: es ist eben in Deutschland mitnichten so, dass das eine zentrale Stelle innerhalb der Bundesverwaltung wäre, sondern das betrifft eben die Wahlleiter bis hin zu den einzelnen Kommunen , die jeweiligen Verantwortlichen berufen, diese Maßnahmen sowohl auf Softwareebene als auch auf der von mir gerade beschriebenen Managementebene nachzuhalten.
ZUSATZFRAGE JUNG: Sind BMI und Kanzleramt, Herr Seibert, froh, dass es diese Hacker gibt, die auf die möglichen Manipulationen aufmerksam gemacht haben, dass sie die Öffentlichkeit und auch die Bundesregierung sensibilisieren? Sind Sie den Hackern dankbar?
DR. DIMROTH: Noch einmal: Das BSI ist ja nicht erst seit der Berichterstattung von gestern und entsprechenden Veröffentlichungen von sogenannten White Hackern auf dieses Thema aufmerksam geworden, sondern ist sehr viel früher einbezogen gewesen. Ganz grundsätzlich ist es immer hilfreich, wenn kompetente Dritte sei das ein Privathacker oder sei es, wie hier ja auch einbezogen, der Chaos Computer Club dort vorliegende Erkenntnisse, was die Sicherheit von bestimmten öffentlich relevanten Verfahren betrifft, mit uns teilen. Das ist absolut begrüßenswert und nehmen wir nicht nur zur Kenntnis, sondern ernst und versuchen, entsprechende Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Ob es immer wünschenswert ist, das zunächst Medien mitzuteilen und dann vielleicht den öffentlichen Stellen, lasse ich einmal dahingestellt.
STS SEIBERT: Ich kann mich Herrn Dimroth nur vollkommen anschließen.
FRAGE MINGUEZ: Ich habe eine Frage zu Katalonien. Wie Sie wissen, Herr Seibert, haben die politischen Spannungen zwischen Katalonien und Madrid in den letzten Tagen zugenommen. Die Separatisten in Katalonien bestehen darauf, am 1. Oktober eine Volksbefragung abzuhalten. Haben Sie Verständnis für die katalanische Regierung und für die Separatisten?
Zweite Frage. Hat die katalanische Regierung versucht, Kontakt mit Frau Merkel oder einem anderen Mitglied der deutschen Regierung aufzunehmen, um ihre politische Haltung zu erklären?
STS SEIBERT: Zu Ihrer ersten Frage nach dem Verständnis: Ich würde ganz gerne an das erinnern, was die Bundeskanzlerin mehr oder weniger vor zwei Jahren zu diesem Thema schon gesagt hat, als sie eine Pressekonferenz mit dem spanischen Ministerpräsidenten Rajoy gegeben hat: Die Bundesregierung hat ein großes Interesse daran, dass die Stabilität in Spanien erhalten bleibt. Deshalb ist es wichtig, dass in allem die Rechtsstaatlichkeit das heißt natürlich: die spanische Verfassung eingehalten wird.
Das war vor zwei Jahren die Haltung der Bundeskanzlerin, und das ist noch heute als die Haltung der Bundeskanzlerin und der Bundesregierung gültig.
Darüber hinaus ist es aus unserer Sicht eine innerspanische Angelegenheit, die ich aus gebotener Zurückhaltung nicht weiter kommentiere werde.
Dann komme ich zu Ihrer zweiten Frage: Ich kann Ihnen, ehrlich gesagt, über Kontakte mit der katalanischen Regionalregierung nicht berichten. Ich weiß nicht, ob das Auswärtige Amt mehr dazu sagen kann.
DR. SCHÄFER: Wir haben ein Generalkonsulat in Barcelona, das natürlich das ist seine Aufgabe in seinem Amtsbezirk dazu gehört nun einmal Katalonien Beziehungen mit der Regionalregierung pflegt. Darüber hinaus kann ich von nichts mit der Hauptstadt Berlin berichten.
FRAGE PAUL: Herr Seibert, das Außenministertreffen gestern war aus deutscher Sicht im Hinblick auf einen deutschen Wunsch, die Beitrittsgespräche mit der Türkei abzubrechen, ein durchschlagender Erfolg. Bleibt es ungeachtet dieser Erfahrung dabei, dass die Kanzlerin das auch auf Gipfelebene zum Thema machen will oder ist sie jetzt kuriert?
STS SEIBERT: Ihre Bewertung des Außenministertreffens lasse ich jetzt einfach einmal dahingestellt sein.
Zu dem Thema an sich: Die Worte der Kanzlerin aus dem TV-Duell darauf beziehen Sie sich ja stehen für sich. Die Frage nach einem Beitritt der Türkei steht derzeit überhaupt nicht im Raum. Faktisch ist es ja auch so, dass die Verhandlungen zurzeit ruhen. Es ist keine Eröffnung weiterer neuer Kapitel in irgendeiner Weise in Sicht.
Für uns in der Bundesregierung ist es wichtig, dass die EU eine gemeinsame Haltung hat. Es ist im Übrigen bei diesem Thema auch unumgänglich, dass eine gemeinsame Haltung eingenommen wird, denn Verhandlungen beenden kann man nur in Einmütigkeit. Deswegen streben wir an, dass zunächst beim Europäischen Rat im Oktober die Staats- und Regierungschefs der EU genau über dieses Thema, über die künftigen Beziehungen zur Türkei, sprechen. Das heißt auch, dass man darüber berät, ob man die Beitrittsverhandlungen suspendiert oder beendet.
ZUSATZFRAGE PAUL: Wie wird das formal vor sich gehen? Wird es einen deutschen Antrag, eine deutsche Bitte geben, das Thema auf die offizielle Tagesordnung zu setzen, auch im Hinblick auf die Überschrift „Abbruch oder Nicht-Abbruch der Beitrittsverhandlungen“?
STS SEIBERT: Der Oktober ist ja noch ein bisschen hin. Die Tagesordnung von Europäischen Räten wird durch den Präsidenten des Europäischen Rates, Donald Tusk, bestimmt, natürlich in Konsultationen mit den Mitgliedstaaten. Dazwischen liegt noch eine Bundestagswahl. Deswegen würde ich jetzt nicht gerne über die Tagesordnung sprechen.
Aus unserer Sicht ich glaube, dass es auch andere europäische Regierungen gibt, die das sinnvoll und wichtig finden ist das eines der Themen bei diesem Europäischen Rat im Oktober. Wie das dann organisiert wird, kann ich Ihnen heute noch nicht sagen.
FRAGE JESSEN: Herr Seibert, es gibt die Auffassung, dass es einen Unterschied im Signal zwischen Abbruch von Verhandlungen und dem Suspendieren von Verhandlungen gibt. Der Unterschied wird so gefasst: Abbruch von Verhandlungen sei ein politisches Signal gegen die gesamte Türkei, während die Suspendierung ein Signal sei, das sagt: Wir wollen nur mit Erdoðan nicht weitermachen. Das ist ein substanzieller Unterschied. Kann sich die Bundesregierung dieser Unterscheidung anschließen oder ist es sogar ihre eigene Auffassung?
STS SEIBERT: Ich glaube, diese Unterscheidung ist ohnehin wichtig. Wenn wir hier in den vergangenen Wochen berechtigte Kritik an der Politik der Türkei formuliert haben, dann ist das natürlich immer eine Auseinandersetzung mit der Politik der türkischen Regierung. Ich glaube, man muss grundsätzlich sagen das betrifft natürlich auch andere Länder , dass wir hier nicht das türkische Volk zum Adressaten unserer Äußerungen haben, sondern die türkische Regierung, mit der wir umgehen: der türkische Staatspräsident, der Ministerpräsident und seine Minister. Das, finde ich, muss man einmal grundsätzlich unterscheiden.
Diese andere Interpretation, die Sie da vornehmen, muss ich Ihnen überlassen.
FRAGE JORDANS: Eine Frage an das Auswärtige Amt, die am Mittwoch schon gestellt wurde. Eine Rundmail habe ich in der Zwischenzeit nicht bekommen und deshalb frage ich noch einmal: Wann veröffentlichen Sie das MoU zum Thema Migration mit Ägypten?
DR. SCHÄFER: Ich glaube nicht, dass das zur Veröffentlichung bestimmt ist.
ZUSATZFRAGE JORDANS: Ich frage auch deshalb, weil die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung heute im Zusammenhang mit ägyptischen Internetsperren gesagt hat:
„Der freie und ungehinderte Zugang zu Informationen für alle ist eine wesentliche Voraussetzung für ein funktionierendes Staatswesen …“
Jetzt bemühen sich die Medien in Berlin um ungehinderten Zugang zu Informationen, und Sie sagen: Nein, bei uns nicht.
DR. SCHÄFER: Das ist jetzt wirklich eine ziemlich schlagwortartige Diskussion, die Sie mir da aufdrängen, Herr Jordans. Selbst in einem demokratischen, rechtsstaatlichen Staatswesen wie Deutschland gibt es Informationen, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Wenn irgendjemand meint, der „The Circle“ gelesen hat, dass totale Transparenz das Glück der Menschheit bedeutet es gibt dazu gerade einen aktuellen Film mit Emma Watson und Tom Hanks , dann kann ich nur sagen: Wenn das Ihre Haltung sein sollte, ist das Ihre; unsere ist es nicht.
Unsere Einschätzung ist: Natürlich muss es Transparenz geben; natürlich müssen Informationen verfügbar sein. Aber doch noch nicht alles für alle und überall und jederzeit.
ZUSATZ JORDANS: Es geht mir nicht um Ihre Privatinformationen. Es geht um einen Vertrag, den die Bundesregierung mit einem anderen Land abgeschlossen hat.
DR. SCHÄFER: Absolut!
ZUSATZFRAGE JORDANS: Können Sie wenigstens sagen, warum Sie uns das nicht sagen können?
DR. SCHÄFER: Ich prüfe das gerne noch einmal. Es gibt an dieser Vereinbarung überhaupt keine großen Geheimnisse. Worum es geht, ist, dass wir Ägypten darin unterstützen wollen, dass das Land dabei Hilfe annimmt, mit Flüchtlingen umzugehen und Migration zu managen, und zwar auf der Grundlage unserer europäischen Werte. In diesem Zusammenhang ist zwischen beiden Regierungen vereinbart worden, dass es dazu gemeinsame Projekte geben soll. Wir sind dabei zurzeit in einer Identifikationsphase; das wird noch ein bisschen dauern. Es gibt überhaupt keinen Grund anzunehmen, dass wir das verheimlichen wollen. Sondern selbstverständlich stehen wir Rede und Antwort für die Umsetzung dieser Vereinbarung mit der ägyptischen Seite.
STS SEIBERT: Wenn ich das noch kurz sagen darf: Ich habe im Übrigen Ende August hier ziemlich ausführlich einzelne Elemente dieser deutsch-ägyptischen Vereinbarung vorgetragen – vom Stipendienprogramm für Ägypter in Deutschland bis zur Zusammenarbeit bei der Schleuserbekämpfung, wirtschaftliche Zusammenarbeit, Unterstützung ägyptischer Bildungssektor usw. Es ist nicht so, dass wir nur eine Überschrift geliefert hätten.
FRAGE JUNG: Herr Dr. Schäfer, möchte die Bundesregierung dieses MoU veröffentlichen, aber die Ägypter nicht?
DR. SCHÄFER: Das weiß ich, ehrlich gesagt, nicht genau. Es gibt eine gemeinsame Vereinbarung, dass das eben zurzeit nicht geschieht. Aber es gibt auch gar keinen Grund für Verschwörungstheorien oder die Annahme, dass es dabei irgendwelche unlauteren Geheimnisse gibt. Herr Seibert hat genau wie ich vorgestern schon über dieses MoU berichtet. Das setzen wir jetzt um, und das geschieht in voller demokratischer Transparenz.
STS SEIBERT: Das hat uns, wenn ich das in Ergänzung zu Herrn Dr. Schäfer noch hinzufügen darf, auch nie davon abgehalten, auch an dieser Stelle Kritik am Zustand der Presse- und Medienfreiheit in Ägypten zu üben. Das haben wir hier auch immer getan. Das ist nicht durch die Tatsache eingeschränkt, dass wir mit Ägypten eine Migrationspartnerschaft, eine Zusammenarbeit im Migrationsbereich, für sinnvoll und richtig erachten – übrigens auch im Interesse der Flüchtlinge und Migranten.
DR. SCHÄFER: Ich kann das übrigens ausdrücklich unterstreichen. Herr Jordans hat ja schon darauf hingewiesen, dass die ägyptische Regierung jeden Internetzugang zur Website von Human Rights Watch gesperrt hat. Sie haben darauf hingewiesen, Herr Jordans, dass die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung das schon kritisiert hat. Das machen wir uns ausdrücklich zu eigen.
ZUSATZFRAGE JUNG: Herr Dr. Schäfer, das Problem ist ja, dass die Bundesregierung mit einer Diktatur einen Vertrag eingeht, von dem wir nur von Ihnen hören. Wir wissen ja nicht, was darin steht. Sie können uns ja alles erzählen. Wenn Sie sagen, dass es keine großen Geheimnisse gebe, welche kleinen Geheimnisse sollen das denn sein?
DR. SCHÄFER: Jetzt haben Sie wieder das Wort „Diktatur“ in den Mund genommen. Sie meinen die Republik Ägypten, wie ich annehme?
ZUSATZ JUNG: Welche Terminologie Sie benutzen, ist mir egal, Herr Dr. Schäfer.
DR. SCHÄFER: Aber Sie sind doch hier, um Fragen zu stellen, und nicht, um Behauptungen aufzustellen.
ZUSATZ JUNG: Dass das eine Diktatur ist, ist keine Behauptung.
DR. SCHÄFER: Das ist keine Behauptung?
ZUSATZ JUNG: Nein.
DR. SCHÄFER: Aber ist auch keine Frage, oder?
ZUSATZ JUNG: Nein.
DR. SCHÄFER: Nein? Okay! Lassen wir das.
ZUSATZ JUNG: Es geht um die kleinen Geheimnisse, die Sie nicht nennen wollen.
DR. SCHÄFER: Es gibt weder große noch kleine Geheimnisse.
ZURUF JUNG: Dann machen Sie es öffentlich, Herr Dr. Schäfer!
DR. SCHÄFER: Ich habe Ihren Wunsch verstanden. Aber auch das ist keine Frage, sondern das ist jetzt eine Forderung. Wir sind hier jetzt in der Regierungspressekonferenz. Da werden Fragen gestellt, da werden keine Forderungen aufgestellt, und da werden auch keine Behauptungen verkündet.
VORS. FELDHOFF: Entschuldigung, dass ich Sie beide unterbreche. Das ist hier keine Diskussionsveranstaltung zwischen Ihnen beiden. Ich glaube, der Wunsch, den Herr Jung hat, ist verstanden worden. Das zögerliche Ansinnen von Herrn Dr. Schäfer ist auch verstanden worden. Belassen wir es erst einmal dabei und schauen, ob sich die Bundesregierung in den nächsten Tagen anders entscheidet.
FRAGE WONKA: Herr Seibert, ich wüsste gerne, wie lange Angela Merkel jetzt noch als Bundeskanzlerin Termine für die Zukunft annimmt. Gibt es da einen Zeitpunkt, an dem man sagt „Nein, das muss der Nachfolger oder die Nachfolgerin machen“, oder planen Sie Zusagen und Terminvergaben schon weit ins nächste Jahr hinein?
STS SEIBERT: Da kommt es uns doch sehr zupass, Herr Wonka, dass wir hier die schöne Gewohnheit haben, immer am Freitag der Vorwoche die Termine der kommenden Woche anzukündigen. Bei der bleibe ich. Deswegen lohnt es sich mindestens freitags immer, hierherzukommen, aber montags und mittwochs auch.
ZUSATZFRAGE WONKA: Was aber keine Antwort auf die Frage ist, weil die Termine, die Sie am Freitag vorstellen, Wochen und Monate im Voraus geplant werden. Deshalb ist meine Frage: Gibt es Terminzusagen von Angela Merkel als Bundeskanzlerin für das nächste Jahr, oder übt sie sich in demokratischer Selbstbescheidung und sagt „Das muss der Nachfolger oder die Nachfolgerin oder die jetzige Amtsinhaberin erst nach der nächsten Wahl entscheiden“?
STS SEIBERT: Selbstverständlich blickt die Bundeskanzlerin wie sicherlich auch alle anderen Mitglieder der Bundesregierung mit der nötigen demokratischen Demut auf den 24. September.
ZUSATZFRAGE WONKA: Was heißt das als Antwort auf meine Frage?
STS SEIBERT: Dass ich Ihnen hier keine öffentlichen Termine der Bundeskanzlerin für das Jahr 2018 nennen kann.
FRAGE JUNG: Herr Seibert, die polnische Regierungschefin hat den Anspruch ihres Landes auf Kriegsreparationen noch einmal bekräftigt. Sie hat gesagt: „Meiner Überzeugung nach stehen Polen Kriegsreparationen zu, und der polnische Staat hat das Recht, sie zu fordern.“ Es soll irgendwie um 840 Milliarden Euro gehen. Hat die Bundesregierung einen Kommentar dazu?
STS SEIBERT: Zunächst einmal: Es gibt keine offizielle Anfrage der polnischen Regierung zu diesem Thema. Die Ministerpräsidentin selbst hat ja gesagt, es müsse dazu jetzt erst einmal eine Klärung oder Einigung im polnischen Parlament geben, und dann wolle man sich offiziell dazu äußern. Diese offizielle Äußerung in dieser Frage liegt nicht vor.
Dessen ungeachtet haben wir von dieser Stelle aus vielfach zu Protokoll gegeben: Deutschland steht zu seiner Verantwortung für den Zweiten Weltkrieg, und daran kann auch in Zukunft überhaupt kein Zweifel bestehen. Deutschland hat in erheblichem Umfang Reparationen für allgemeine Kriegsschäden geleistet, auch an Polen, und es leistet immer noch in großem Umfang Ersatz für die Folgen des NS-Unrechts.
Es ist allen erinnerlich, dass Polen im August 1953 verbindlich und mit Wirkung für ganz Deutschland auf weitere Reparationszahlungen verzichtet hat und dass Polen das nachfolgend mehrfach bestätigt hat. 1970 und 2004 sind Daten, die einem da einfallen. Es gibt also aus Sicht der Bundesregierung gar keinen Anlass, an der völkerrechtlichen Wirksamkeit des Reparationsverzichts von 1953 zu zweifeln. Damit ist diese Frage aus unserer Sicht rechtlich wie politisch abschließend geregelt.
Aber ich sage noch einmal, und das sage ich vor allem auch vor dem Hintergrund, dass der 1. September ja nun erst wenige Tage her ist, also der Tag, an dem Deutschland Polen überfallen hat, und das war der Beginn des vom nationalsozialistischen Deutschland angezettelten Zweiten Weltkriegs und der Beginn unfassbarer Verbrechen gerade gegenüber unseren polnischen Nachbarn: Wir Deutschen dürfen und werden nie vergessen, was gerade Polen im Namen unseres Volkes angetan worden ist. Das wird uns sicherlich auch immer leiten. Dass Deutsche und Polen vor dem Hintergrund dieser Geschichte heute zu einem solch guten nachbarschaftlichen Verhältnis gefunden haben und einander als Freunde und Nachbarn ansehen, ist ein Glück, und das können wir gar nicht hoch genug schätzen.
FRAGE PAUL: Herr Seibert, gibt es noch eine gemeinsame Linie bzw. Haltung der Bundesregierung im Hinblick auf Sanktionen gegenüber Russland wegen der Ukraine, oder hat der Bundesaußenminister diese Linie nach Wahrnehmung der Kanzlerin spätestens in dieser Woche verlassen?
STS SEIBERT: Nein, es gibt eine Haltung der Bundesregierung; ich glaube, Frau Demmer hat am Mittwoch eigentlich auch schon alles Erforderliche dazu gesagt. Die besteht, und die leitet unsere Politik gegenüber Russland. Unsere Politik ist ja eine Politik dessen, für den Ukraine-Konflikt eine friedliche politische Lösung zu finden, und zwar in engster Zusammenarbeit zwischen Bundeskanzlerin und Außenminister.
Diese Sanktionen sind kein Selbstzweck; das haben wir immer wieder betont. Sie sind eine Reaktion auf erstens die völkerrechtswidrige Annexion der Krim und zweitens die durch russische Destabilisierung sozusagen entstandene Lage in der Ostukraine. Diese Sanktionen sollten so lange bestehen bleiben, wie die Gründe bestehen, aus denen sie einmal verhängt worden sind. Wir arbeiten im Minsker Prozess und im Normandie-Format daran, dass wir uns diesen Gründen nähern, dass wir alles tun, diese Gründe auszuräumen, und dass wir ein Klima schaffen, in dem wir dabei Fortschritte machen. Die Fortschritte sind das wissen alle Beteiligten bisher bescheiden, was nicht heißt, dass dies nicht ein wichtiger und fortzusetzender Prozess ist.
ZUSATZFRAGE PAUL: Heißt das, die Kanzlerin ist mit der Meinungsäußerung des Bundesaußenministers einverstanden, dass bereits die Stationierung einer Beobachtertruppe der UN an der Frontlinie ich sage das jetzt einmal mit meinen Worten; Herr Dr. Schäfer kann mich ja korrigieren ausreichen würde, um eine komplette Neubewertung des Sanktionsmechanismus einzuleiten?
STS SEIBERT: Wir halten uns an das, was in Minsk vereinbart worden ist, und das sieht ganz klare Maßstäbe für die Ausräumung der Gründe, aus denen die Sanktionen verhängt worden sind, vor. Eine völlige Sanktionsaufhebung steht überhaupt nur bei einer völligen Umsetzung des Minsker Maßnahmenpakets zur Debatte, und dazu zählt wesentlich mehr. Dazu zählt die Rückgabe der Kontrolle über die russisch-ukrainische Grenze an die Ukraine. Dazu zählt der Austausch der Gefangenen, der leider auch nicht vollständig durchgeführt worden ist. Dazu zählt auch das ist ganz wichtig der Abzug der nicht ukrainischen Truppen. Alles, was uns auf diesem Weg voranbringt das will ich noch sagen , ist zu begrüßen.
DR. SCHÄFER: Ich finde es lieb, dass Sie nicht nur beim Regierungssprecher Haltungsnoten der Bundeskanzlerin für den Außenminister abfragen, sondern auch mir die Gelegenheit zu geben, noch zwei Sätze zu sagen. Vielen Dank dafür.
Ich will Ihnen sagen, dass all das, was Herr Seibert gesagt hat, auch im Auswärtigen Amt und beim Außenminister auf Zustimmung trifft. Was wir da in den letzten Tagen gesehen haben, ist die Auflösung einer total zugemauerten, verbarrikadierten politischen Situation hinsichtlich der Lage in der Ostukraine. Die Ukrainer und die Russen sind das müssen wir als Normandie-Doppel Deutschland und Frankreich eingestehen in den letzten Monaten und Jahren, ehrlich gesagt, nicht vorangekommen. Noch nicht einmal ein Waffenstillstand, noch nicht einmal der Punkt 1 der Minsker Vereinbarungen vom 12. Februar 2015, ist umgesetzt worden.
Die Ukrainer verlangen mit unterschiedlichem Inhalt seit Jahren eine solche Internationalisierung des Konfliktes unter Beteiligung der Vereinten Nationen. Die Idee eines Blauhelmeinsatzes kommt aus Kiew. Dass sich der russische Präsident dem Grunde nach auf diese ukrainische Idee eingelassen hat, ist vom deutschen Außenminister für die Bundesregierung begrüßt worden. Darüber gibt es innerhalb der Bundesregierung auch null Dissens.
Nun gibt es zwei Entwürfe für eine Resolution des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, einen russischen Entwurf und inzwischen auch einen ukrainischen Entwurf, der offensichtlich entstanden ist, nachdem die Sache jetzt politisch wieder in Bewegung geraten ist. Wenn man beide Entwürfe übereinander legt, stellt man fest: Das eine hat mit dem anderen wenig bis gar nichts zu tun, außer dass das Instrument einer Resolution des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen und das Instrument des Einsatzes von bewaffneten Blauhelmen das Gleiche ist.
Wir das habe ich auch vorgestern schon gesagt, und wenn ich „wir“ sage, dann meine ich damit ausdrücklich nicht nur den Außenminister und das Auswärtige Amt, sondern die Bundesregierung begrüßen, dass es jetzt Bewegung gibt. Wir begrüßen ausdrücklich, dass es eine neue Chance gibt, einen Waffenstillstand sicherzustellen und darüber hinaus vielleicht auch die anderen Punkte der Minsker Vereinbarung umzusetzen oder jedenfalls der Umsetzung näherzukommen.
Was jetzt in den nächsten Wochen in New York passieren wird, das wissen wir noch nicht. Aber ich kann Ihnen versichern: Es hat bereits gestern intensive Kontakte der Bundesregierung und des Auswärtigen Amtes mit unseren französischen Partnern und auch mit unseren amerikanischen Partnern gegeben. Wir sind uns in der grundsätzlichen Einschätzung, dass das ein Weg sein könnte, voranzukommen, einig. Jetzt wollen wir sozusagen den Russen und dem russischen Präsidenten die Gelegenheit geben, zu zeigen, dass das nicht nur ein Bluff ist, sondern dass er das ernst meint. Wenn er es ernst meint, dann muss er bereit sein, über seine Vorschläge für eine solche Resolution des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen zu verhandeln und dabei Dinge zuzugestehen, die aus unserer Sicht aus Sicht Deutschlands, Frankreichs und sicherlich auch der Vereinigten Staaten von Amerika wichtig wären. Daran sind wir jetzt.
Es ist jetzt zu früh dafür, zu sagen, dass das nichts wird. Das wäre auch kein vernünftiger politischer Ansatz. Wenn es neue Vorschläge gibt, dann muss man sie testen, und das werden wir jetzt mit dem russischen Präsidenten tun. Vielleicht ist es ja so da erlaube ich mir, ein ganz klein bisschen Optimismus zu verbreiten , dass die Vollversammlung der Vereinten Nationen immer eine Gelegenheit dafür war, große Diplomatie möglich zu machen, weil die handelnden Personen in New York vor Ort sind. Das haben wir bei der Syrien-Krise auch immer wieder erlebt, dass immer wieder Dynamik aufkam, weil die Entscheidungsträger an einem Ort zusammen waren. Heute haben wir den 8. September. Die Vollversammlung wird in etwa zwei Wochen beginnen. Jetzt haben wir zwei Wochen Zeit, das aufzubauen, und vielleicht gibt es eine Chance, im Ukraine-Dossier in New York in den nächsten Wochen voranzukommen.
FRAGE: Herr Seibert, ich muss doch noch einmal auf die Frage der Sanktionen zurückkommen, und zwar auf die Sprachregelung, die Sie jetzt gebraucht haben, und das war auch der Satz von Frau Demmer am Mittwoch: Eine völlige Aufhebung der Sanktionen ist nur bei völliger Umsetzung des Minsker Abkommens denkbar. – Wenn ich mich richtig entsinne, hieß es früher immer, eine Aufhebung der Sanktionen ohne das Wort „völlige“ sei nur bei vollständiger Umsetzung des Minsker Abkommens möglich. Heißt das jetzt im Umkehrschluss, dass die Kanzlerin bei Fortschritten im Minsker Prozess bereit ist, über eine schrittweise Aufhebung oder über eine Liberalisierung der Sanktionen nachzudenken?
STS SEIBERT: Ich habe jetzt wirklich keine weitere Feinanalyse meiner Worte anzubieten. Wir arbeiten für die vollständige Umsetzung des Minsker Abkommens, und an diesem Minsker Abkommen halten wir ohne Abstriche fest. Wir sind uns doch alle einig, dass wir derzeit sehr wenige Fortschritt oder vielleicht sogar gar keinen Fortschritt bei der Umsetzung dieses Abkommens sehen. Das heißt, wir müssen uns doch jetzt erst einmal darauf konzentrieren, dass wir Fortschritte erreichen, bevor wir über irgendwelche Sanktionsaufhebungen sprechen können.
Es gibt Vorschläge; das hat Herr Schäfer gerade gesagt. Jeder Vorschlag, der dazu dienen kann, uns auf diesem Weg voranzubringen, ist willkommen. Es wird also jetzt zu prüfen sein, ob der jüngste Vorstoß des russischen Präsidenten dabei hilfreich sein kann. Dabei sind die Details, glaube ich, wichtig. Er hat auch gerade gesagt: Es gibt natürlich noch Fragen, die die Normandie-Partner in diesem Zusammenhang an Russland haben. Darauf sollten wir uns jetzt konzentrieren. Ich kann nur sagen: Für uns gilt die vollständige Umsetzung des Minsker Abkommens als das Ziel, und wir machen auch keine Abstriche an ihm.
ZUSATZFRAGE: Wäre das aber nicht sozusagen ein Bonbon für Moskau, wenn Sie jetzt „Ja, wir sind bereit, über eine schrittweise Aufhebung der Sanktionen nachzudenken, wenn es Fortschritte gibt“ sagen würden? Dann gäbe es ja wohl auch seitens des russischen Präsidenten sozusagen mehr Bereitschaft, einen Kompromiss einzugehen.
STS SEIBERT: Wenn man sich die historische Entstehung des Konflikts in der Ostukraine anschaut, dann, glaube ich, kann es nicht um Bonbons gehen.
ZURUF: (ohne Mikrofon; akustisch unverständlich)
STS SEIBERT: Nein, ich weiß, was Sie meinen. Es geht darum, dass es Jahre nach Ausbruch dieses Konflikts, der von außen entzündet wurde, eine verzweifelte Lage der Menschen in der Ostukraine gibt. Deren humanitäre Situation ist viel, viel schlechter, als sie es je vorher war. Jetzt geht es darum, dass man daran endlich etwas ändert. Die Vorschläge, sozusagen die notwendige Roadmap, liegen auf dem Tisch. Das ist das Minsker Abkommen. An dem halten wir ohne Abstriche fest. Wir sind dankbar für oder, sagen wir einmal, begrüßen jeden Vorschlag, der uns der Umsetzung wenigstens der nächsten Schritte dieses Abkommens näherbringt. Das ist die Situation, in der wir gerade sind.
DR. SCHÄFER: Man kann vielleicht noch hinzufügen, und ich bin sicher, dass Herr Seibert auch damit einverstanden ist, dass die Vorschläge von russischer Seite, wie sie jetzt auf dem Tisch liegen, jedenfalls so nicht auf unsere Zustimmung stoßen können; denn es ist schwer vorstellbar, dass die Vereinten Nationen mit den Separatisten über die Zusammensetzung einer solchen Delegation verhandeln. So etwas hat es bei den Vereinten Nationen noch nie gegeben, dass die Rebellen, die die Souveränität eines Staates in Zweifel ziehen, mit verhandeln dürfen. Auch die Frage des Bewegungsspielraums einer solchen Blauhelmmission und damit des politischen Zwecks Geht es sozusagen nur um die Festigung der Kontaktlinie, oder geht es darum, die Bewegungsfreiheit der zivilen Beobachtermission im gesamten Separatistengebiet sicherzustellen? sowie die Frage der Sequenzierung Wann kann eine solche Blauhelmmission den Einsatz antreten, nach dem Eintreten eines Waffenstillstandes oder um einen solchen Waffenstillstand herbeizuführen? sind ganz wichtige Fragen, bei denen es noch sehr viel Verhandlungsmaterie gibt, weil es da eben zurzeit überhaupt keine Übereinstimmung gibt.
FRAGE JESSEN: Herr Dimroth, jetzt ist die Antwort auf die Kleine Anfrage der Grünen zum G20-Polizeieinsatz da. In der Vergangenheit ist mit der Zahl von 20 000 eingesetzten Polizisten operiert worden. Jetzt waren es offenbar wohl doch mehr als 30 000. Das sind 50 Prozent mehr. Wie kommt diese große Differenz zustande? Was sagt das über die Aussage aus, dass in Hamburg alles an Polizei aufgeboten worden war, was in Deutschland verfügbar war? Wusste man da eigentlich nicht so genau, wie viele Kräfte man tatsächlich hatte?
DR. DIMROTH: Zunächst einmal ist es doch erfreulich, dass der zwischenzeitlich möglicherweise von bestimmten Seiten, jedenfalls bewusst herbeigeführte Eindruck, dass sich die Bundesregierung hier ihrer parlamentarischen Auskunftspflicht verweigert, damit wohl endgültig zerstreut sein dürfte. Das ist ja, wie Sie jetzt vielleicht auch sehen konnten, Herr Jessen, eine sehr umfangreiche Kleine Anfrage, wie auch so viele andere, die insbesondere das BMI über die gesamte Legislaturperiode hinweg erreicht haben und die umfänglich und auch fristgerecht zu beantworten wir natürlich selbstverständlich in vollständige Anerkennung des parlamentarischen Fragerechts immer bemüht sind. Letzteres ist in diesem Fall leider nicht gelungen, aber jetzt ist die Antwort da. Insofern ist das ja schon einmal eine positive Nachricht.
Was die Zahlen anbetrifft: Die Zahlen, die Sie aus der Antwort auf die Kleine Anfrage wiedergeben, sind richtig. Ich kann Ihnen jetzt sozusagen keine Genese dessen anbieten, was von wem auch immer zwischendurch dazu kommuniziert wurde. Entscheidend ist ja aber ohnehin, dass wir verbindlich letztlich ohnehin immer nur über die eingesetzten Bundeskräfte Auskunft geben können.
Auch dazu vielleicht noch eine Bemerkung, weil gestern Abend in einer nicht ganz irrelevanten deutschen Abendnachrichtensendung insinuiert worden war, dass man sich hier jetzt sozusagen aus der Verantwortung ziehe, was die Sicherheitslage vor Ort anbetrifft: Es war immer klar und ist auch immer ganz klar kommuniziert worden, dass für die Sicherheit des Gipfels und auch die Sicherheit vor Ort letztlich natürlich die Hamburger Behörden zuständig sind. So ist es nun einmal in unserer föderalen Sicherheitsarchitektur. Das heißt aber mitnichten, dass wir hier bundesseitig sozusagen keinerlei Rolle innegehabt hätten. Das Gegenteil ist der Fall. Es gab ja eben eine Reihe von Unterstützungsleistungen durch den Bund und auch eine Reihe von Bundessicherheitsbehörden, die personell vor Ort vertreten waren, die in das Einsatzkonzept eingebunden waren und die ihrerseits natürlich auch ein Sicherheitskonzept hatten, das eng mit den Hamburgern abgestimmt war. Dass dieser Eindruck, dass man jetzt auf Grundlage der Beantwortung dieser Anfrage den Schluss zieht, dass man Hamburg bei der Frage der Verantwortung jetzt sozusagen alleine im Regen stehen lässt, jedenfalls aus unserer Sicht völlig unzutreffend ist, ist mir also vielleicht auch noch einmal wichtig zu sagen.
Natürlich gibt es auch eine Verantwortung der Bundeskräfte, die vor Ort waren. Es ist aber, noch einmal gesagt, unserer föderalen Sicherheitsarchitektur geschuldet, dass für Polizeieinsätze zur Absicherung solcher und vergleichbarer Veranstaltungen eben selbstverständlich die Bundesländer in diesem Fall eben das Bundesland der Freien und Hansestadt Hamburg konkret die Verantwortung haben.
ZUSATZ JESSEN: Die Frage war ja aber, wie zu erklären ist auch das BMI hat ja der Zahl 20 000 nie widersprochen , dass es sein kann, dass offenbar doch bei keinem bei wem auch immer ein Überblick auch nur über die annähernd richtige Größenordnung der eingesetzten Polizeikräfte vorhanden war.
DR. DIMROTH: Was die Genese der kommunizierten Zahlen anbetrifft, muss ich gestehen, erwischen Sie mich auf dem falschen Fuß. Ich müsste nachreichen, ob und wann das tatsächlich eine Zahl war, die von uns im Vorlauf genannt worden ist. Ich will das gar nicht bestreiten, ich weiß es nur schlichtweg aus der Erinnerung nicht. Im nächsten Schritt kann ich Ihnen dann sicherlich auch eine Erklärung dafür anbieten.
Sie hatten ja auch noch nachgefragt, ob sich dadurch sozusagen der Eindruck perpetuiert oder perpetuieren lässt, dass sozusagen alles an Polizei, was in Deutschland verfügbar war, in Hamburg war. Ich glaube, das lässt sich an dieser Stelle schon jetzt sagen: Das ist sicherlich mitnichten der Fall; denn auch an anderen Stellen gab es in den Tagen von Hamburg natürlich sicherheitsrelevante Vorkommnisse, und natürlich war dort auch entsprechend Vorsorge dafür getroffen worden, dass hinreichend Polizei vor Ort war.
Was dieses Zahlenthema angeht, bitte ich, wie gesagt, um Verständnis. Das reiche ich gerne nach. Das kann ich jetzt aus dem Kopf nicht sagen.
FRAGE JUNG: Herr Dimroth, „DIE ZEIT“ berichtet, dass gegen 95 Polizisten wegen möglicher Straftaten im Rahmen der G20-Einsätze ermittelt wird, und dass es 78 Verfahren allein wegen Körperverletzung im Amt gibt. Wie viele Bundespolizisten sind davon betroffen?
DR. DIMROTH: Das weiß ich auch nicht auswendig. Das kann ich auch gern versuchen herauszufinden und nachzureichen.
FRAGE JESSEN: Ich würde vielleicht Herrn Schäfer bitten, ein kurzes Update im Hinblick auf die in der Türkei inhaftierten Deutschen und die Betreuungssituation zu geben.
DR. SCHÄFER: Es hat ja gestern schon eine Agenturmeldung aus türkischen Quellen gegeben. Ich kann sie dem Grunde nach bestätigen.
Die zweite Person, die letzte Woche in Antalya festgenommen worden war, ist aus dem Polizeigewahrsam entlassen worden. Gegen die Person ist eine Ausreisesperre verhängt worden, sie kann also nicht nach Deutschland zurückkehren. Es hat heute Morgen in unserem Konsulat in Antalya ein Treffen mit dem Betroffenen und seinem Anwalt gegeben. Wir werden natürlich diesen Deutschen weiter konsularisch betreuen und müssen abwarten, ob das in diesem Fall genauso läuft wie in den anderen Fällen, dass es ewig braucht, bevor irgendwann eine Entscheidung der zuständigen Strafprozessbehörden über die Eröffnung eines Verfahrens oder eben nicht erfolgt.
Es trifft auch zu, was gestern schon in Agenturen berichtet worden ist, dass eine deutsche Staatsangehörige jetzt tatsächlich vor Gericht steht, und zwar wegen Vorwürfen, die mit Terrorismus im Zusammenhang stehen. Ich glaube, die Information von heute Morgen ist, dass das Verfahren eröffnet, aber dann gleich wieder auf den November vertagt wurde. Das heißt, auch da haben wir eine Situation, in der eine Deutsche monatelang warten muss und nicht ausreisen darf.
In diesem Fall, glaube ich, ist die Person aber nicht in Haft, sondern hat eine Ausreisesperre und muss sich in der Türkei aufhalten, um den weiteren Fortgang des Verfahrens abzuwarten. Auch hier geht es um Vorwürfe im Zusammenhang mit Terrorismus.
ZUSATZFRAGE JESSEN: Dass Sie innerhalb der Türkei auf freiem Fuß war, war ja, glaube ich, Resultat einer frühen Intervention des Auswärtigen Amtes.
Gleichwohl: Stimmt es, dass es beim Prozessauftakt keine konsularische Beobachtung seitens Deutschland gab? Wäre es nicht sinnvoll gewesen, das sozusagen auch als demonstrativen Akt doch zu tun?
DR. SCHÄFER: Das weiß ich nicht genau. Das müsste ich nachfragen. Das kann ich gern nachreichen. Ich glaube, die türkischen Behörden und die türkische Regierung wissen sehr wohl, wie wichtig uns all diese Verfahren sind. Dass wir grundsätzlich auch solche Verfahren beobachten, das ist völlig klar. Wenn das nicht der Fall gewesen sein sollte, dann hätte das höchstens personelle oder andere Fragen. Ich glaube, das Verfahren ist nicht in Ankara geführt worden, sondern irgendwo im Osten der Türkei. Das ist weit weg. Das ist dann schon sehr aufwändig. Aber das heißt nicht, dass wir einen solchen Aufwand scheuen würden nicht, dass Sie das falsch verstehen.
FRAGE LANGE: Ich habe noch eine Frage zu dem Giftgasangriff in Syrien vom April. Die Frage geht an das Auswärtige Amt und vielleicht an den Regierungssprecher. Die UN haben jetzt ermittelt, dass Assad für diesen Angriff verantwortlich ist. Haben Sie diesen Bericht der UN mittlerweile prüfen können? Schließen Sie sich diesem Bericht an? Ich frage auch deshalb, weil ja damals vom Auswärtigen Amt gefordert worden war, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Also wie ist da der Sachstand?
DR. SCHÄFER: Herr Lange, ich glaube, es macht Sinn, das einfach in zwei Sätzen in den richtigen Kontext zu stellen. Der Bericht, der vor einigen Tagen publiziert wurde, ist der Bericht einer Sonderuntersuchungskommission des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen. Darüber hinaus gibt es eine vom Sicherheitsrat in Auftrag gegebene Untersuchung über die Verantwortlichen von Giftgasangriffen in Syrien. Wir erwarten eigentlich, dass im kommenden Monat im Oktober der Sicherheitsrat über die Untersuchungen unterrichtet werden wird. Es gab für die Bundesregierung keinen ernsten Zweifel daran auch vor dem Bericht, der vorgestern veröffentlicht worden ist , dass in Syrien flächendeckend von fast allen jedenfalls von vielen Seiten schreckliche Kriegsverbrechen begangen worden sind und auch weiter begangen werden. Es gab auch keinen ernsten Zweifel daran, dass die syrische Regierung oder das syrische Militär auch nicht davor zurückschrecken, gegenüber der eigenen Bevölkerung Giftgas einzusetzen.
Wir haben diese und andere Einrichtungen der Vereinten Nationen dabei unterstützt, Beweise zu sichern, die irgendwann, wenn das einmal politisch möglich ist, gegen Verantwortliche ins Spiel gebracht werden können, damit den Opfern Genugtuung widerfahren kann, damit der Gerechtigkeit gedient werden kann dadurch, dass die Verantwortlichen für solche furchtbaren Kriegsverbrechen eines Tages vor Gericht gestellt werden können.
Für die Bundesregierung kann ich sagen: Wir warten jetzt mit großer Aufmerksamkeit und auch einiger Spannung ab, was die Untersuchungskommission des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen an Ergebnissen zutage fördert. Dann ist es am Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und insbesondere an denjenigen im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, die sich da bisher jeder Art von Zugeständnis der Verantwortung von irgendjemandem in den Weg gestellt haben, dafür Rede und Antwort zu stehen, welche Folgen das haben muss. Dass es aus Sicht der Bundesregierung nicht angeht, dass die Täter ungeschoren davonkommen und dass die politisch Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden, davon können Sie ausgehen, Herr Lange.
FRAGE JUNG: Ich wollte Herrn Dimroth an die Gefährderzahlen erinnern, die uns Herr Plate am Montag präsentieren oder nachreichen wollte.
DR. DIMROTH: Wir gehen derzeit aufgrund der entsprechenden Meldungen der Bundesländer auf Grundlage der Ihnen bekannten Kriterien davon aus, dass es rund 700 Gefährder aus dem Bereich des islamistischen Terrorismus gibt, für den Bereich der politisch motivierten Kriminalität rechts 30 und für den Bereich der politisch motivierten Kriminalität links 4 solcher Gefährder.
FRAGE STEMPFLE: Ich habe eine Frage an das Finanzministerium: Es gibt heute die Meldung, dass Deutschland andere Länder kritisiert, dass sie nicht genügend gegen Steuerflucht tun würden. Da werden drei Länder genannt, Frankreich unter anderem. Da seien die Verhandlungen auf einem Tiefststand. Können Sie das bestätigen? Was tut Deutschland, damit die EU insgesamt gegen Steuerflucht mehr unternehmen kann?
KOLBERG: Sie beziehen sich da auf Draht-Berichte. Wir äußern uns bekanntlich nicht zu internen Berichten. Generell kann man sagen, dass die Beschlüsse des BEPS-Projekts für alle Staaten verpflichtend sind. Außerdem haben G20 und OECD einen Überwachungsprozess eingerichtet, durch den die Fortschritte bei der Umsetzung überprüft werden. Dieser Prozess hat jetzt begonnen. Ein erster Fortschrittsbericht wurde von der OECD für den G20-Gipfel in Hamburg vorgelegt. Weitere werden folgen. Der Fortschrittsbericht zeigt, dass die Umsetzung der BEPS-Empfehlung bislang auf einem guten Weg ist. Aber natürlich gilt es weiterhin für eine konsistente Umsetzung der BEPS-Empfehlung einzutreten.
FLOSDORFF: Ich habe noch den Nachtrag für Herrn Jung.
Meine Kollegen im Ministerium haben noch einmal recherchiert. Es hat wohl mehrfach Angebote der NATO an Russland gegeben, an Übungen der NATO, die natürlich im kleineren Maßstab stattgefunden haben das waren aber in den letzten Jahren größere Übungen , teilzunehmen und das zu beobachten. Russische Stellen haben auch gern von diesem Angebot Gebrauch gemacht. Sie haben in den letzten Jahren drei größere Manöver der NATO beobachtet.
Wenn Sie aber Details zu bestimmten einzelnen Übungen haben wollen, wenden Sie sich bitte an die Pressestellen der NATO und der EU. Sie sind gern bereit, Ihnen diese Fragen zu beantworten.
FRAGE JUNG: Die Frage war, ob jetzt russische Beobachter bei dieser NATO-Cyber
FLOSDORFF: Das sagte ich ja gerade. Die Angebote sind generell von der NATO gemacht. Wenn Sie jetzt zu einzelnen Übungen Fragen haben, dann bitte ich Sie, sich einfach an die Pressestellen der NATO und der EU zu wenden. An die haben sich meine Kollegen in der Zwischenzeit auch gewendet. Sie sind auch gern bereit, Ihre Fragen zu beantworten.
Das ist jetzt keine offizielle Auskunft. Ich kann Ihnen das jetzt nur nachrichtlich überbringen. Ich kann Ihnen nur sagen, dass gegenüber Russland diese Angebote gemacht worden sind und sie gern von Russland angenommen werden auch außerhalb der geltenden Regeln, Margen und Normen. Umgekehrt ist das leider nicht der Fall.