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Bundesregierung für Desinteressierte: BPK vom 1. Juli 2022

Themen: Kabinettssitzung (Entwurf des Bundeshaushalts 2023 und Finanzplan bis 2026, Formulierungshilfe für einen aus der Mitte des Deutschen Bundestages einzubringenden Entwurf eines Gesetzes zu den Protokollen zum Nordatlantikvertrag über den Beitritt der Republik Finnland und des Königreichs Schweden, Entwurf eines Gesetzes zu dem Umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA), Formulierungshilfe für einen Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Schutzes der Bevölkerung und insbesondere vulnerabler Personengruppen vor COVID-19), Termine des Bundeskanzlers (konzertierte Aktion, Reise nach Paris, Kabinettssitzung, Befragung der Regierung im Deutschen Bundestag, Sommerfest des Bundesverbandes Erneuerbare Energien, Grundsteinlegung für ein Batteriezellwerk in Salzgitter, Münchener Spitzengespräch der Deutschen Wirtschaft, Internationale Handwerksmesse), Angriff Russlands auf die Ukraine, Kritik der Kassenärztlichen Vereinigungen an der neuen Corona-Testverordnung, Sperrung der Website der Deutschen Welle in der Türkei, Gasversorgung in Deutschland, Interviewäußerungen des ukrainischen Botschafters Melnyk

Themen/Naive Fragen zu:
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0:40 Kabinettsthemen & Termine
18:38 Tilo zu CETA
20:00 Hans zu CETA
39:22 Melnyk und Bandera

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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 1. Juli 2022:

VORS. FELDHOFF eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt STS HEBESTREIT sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

STS HEBESTREIT: Ich beginne mit der Kabinettssitzung, die aufgrund der Gipfeltätigkeit der letzten Tage von Mittwoch auf den heutigen Freitag verschoben wurde.

Die Bundesregierung hat heute den Regierungsentwurf zum Bundeshaushalt 2023 und den Finanzplan bis 2026 beschlossen. Der Entwurf wird gleich im Anschluss durch Bundesfinanzminister Lindner hier vorgetragen werden. Insofern nur ein paar Eckpunkte:

Der Bundeshaushalt sieht Einnahmen und Ausgaben in Höhe von 445,2 Milliarden Euro vor. Ziel bleibt es, den aktuellen Herausforderungen entschlossen und zielgerichtet entgegenzutreten und ihre sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen abzumildern. Der Regierungsentwurf sieht vor, dass nach drei schwierigen Pandemiejahren die im Grundgesetz verankerte Kreditobergrenze wieder eingehalten wird, sowohl im Haushalt 2023 als auch im Planungszeitraum bis 2026. Das gewährleistet solide Finanzen und bildet die Grundlage, um auch zukünftig unerwarteten Herausforderungen entschieden begegnen zu können.

Außerdem stehen in den kommenden Jahren wichtige Zukunftsinvestitionen insbesondere in den Bereichen des Klimaschutzes, der Mobilität, der Digitalisierung, der Innovation sowie von Bildung und Forschung an. Haushalt und Finanzplan sehen daher Investitionen auf hohem Niveau vor. Diese Investitionen dienen der Modernisierung unseres Landes und stärken den Wirtschaftsstandort Deutschland.

Fragen gern später an den Bundesfinanzminister! Das Privileg habe ich selten.

Dann hat die Bundesregierung heute die Formulierungshilfe für einen aus der Mitte des Deutschen Bundestages einzubringenden Entwurf eines Gesetzes es ist immer noch nicht fertig zu den Protokollen zum Nordatlantikvertrag über den Beitritt der Republik Finnland und des Königreichs Schweden beschlossen. Es geht also um den NATO-Beitritt der beiden skandinavischen Länder. Damit ist das Verfahren für die Vorbereitung der Annahme der Beitrittsprotokolle eingeleitet. Die Bundesregierung setzt mit diesem Beschluss das deutliche Signal, dass sie den NATO-Beitritt der Republik Finnland und des Königreichs Schweden unterstützt und das hierfür notwendige Ratifikationsverfahren zügig umsetzen möchte.

Die Entscheidungen Finnlands und Schwedens, der NATO beitreten zu wollen, wurden in Folge der dramatisch veränderten Sicherheitslage in Europa gefällt. Wir sind davon überzeugt, dass die Sicherheit im gesamten euroatlantischen Raum durch den NATO-Beitritt beider Staaten gestärkt wird. Deshalb begrüßt die Bundesregierung diesen Schritt unserer skandinavischen Partner und Freunde ausdrücklich. Mit den beiden Ländern gewinnen wir zwei geschätzte und fähige Verbündete, die die Verteidigungsfähigkeit unserer Allianz zusätzlich stärken werden.

Die bevollmächtigen Vertreter der 30 NATO-Mitgliedstaaten werden die Beitrittsprotokolle zum Nordatlantikvertrag zeitnah unterzeichnen. Der NATO-Generalsekretär wird den Regierungen der Republik Finnland und des Königreichs Schweden die förmliche Einladung zum Beitritt übermitteln, sobald die Beitrittsprotokolle in allen 30 Mitgliedstaaten angenommen sind.

Des Weiteren hat das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf zur Ratifizierung des Freihandelsabkommens CETA beschlossen. Es geht um den Entwurf eines Gesetzes zu dem Umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommen zwischen Kanada und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten. Es stammt vom 30. Oktober 2016 und trägt den schönen englischen Namen Comprehensive Economic and Trade Agreement, kurz CETA.

Bisher erstreckt sich die vorläufige Anwendung von CETA seit dem 21. September 2017 nur auf solche Bereiche, die in den ausschließlichen Zuständigkeiten der Europäischen Union liegen. Von der vorläufigen Anwendung ausgenommen sind bisher unter anderem weite Teile des Investitionsschutzes sowie die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Investoren und Staaten. Mit dem Gesetz soll die Ratifikation in Deutschland erreicht werden, sodass perspektivisch, das heißt, sobald CETA von den anderen elf EU-Mitgliedstaaten, in denen eine Ratifikation noch aussteht, ratifiziert worden ist, die Handels- und Investitionsbeziehungen zwischen der Europäischen Union und Kanada auf Grundlage eines dauerhaft rechtssicheren, modernen und nachhaltigen Rahmens ausgebaut und intensiviert werden können. Eingebettet ist der Gesetzentwurf in ein heute von der Bundesregierung ebenfalls beschlossenes Eckpunktepapier „Handelspolitik“ der Bundesregierung, das wesentlich neue Elemente für eine neue Handelspolitik festschreibt. Neben CETA betreffen sie Bereiche der WTO, die EU-Handelsverträge im Allgemeinen, die Investitionsschutzabkommen sowie den Energiechartavertrag.

Auf dieser Grundlage wird sich die Bundesregierung parallel zum Gesetzgebungsverfahren unter anderem dafür einsetzen, noch weitere Präzisierungen bei bestimmten Investitionsstandards und Verbesserungen bei der parlamentarischen Beteiligung bei regulatorischer Kooperation zu erreichen. Das ist möglich, ohne dass das Abkommen selbst geändert werden muss, zum Beispiel durch für Gerichte bindende Begriffsauslegungen des Gemischten CETA-Ausschusses zu den materiellrechtlichen Investitionsschutzstandards. Unser Anliegen ist hierbei vor allem, ein Aushebeln des staatlichen Regulierungsrechtes durch missbräuchliche Klagen privater Unternehmen zu verhindern. Die Bundesregierung ist dazu bereits mit der Europäischen Kommission und der kanadischen Regierung in sehr konstruktivem Austausch.

Der Entwurf des Gesetzes wird nun dem Bundesrat zugeleitet. Er soll noch im Juli auch durch die Koalitionsfraktionen in den Bundestag eingebracht werden. Das parlamentarische Verfahren soll im Herbst abgeschlossen werden, wenn der Gemischte CETA-Ausschuss die Interpretationserklärung angenommen haben wird.

Auch im Kabinett war heute eine weitere Formulierungshilfe. Das Bundeskabinett hat heute den Entwurf einer vom Bundesgesundheitsminister vorgelegten Formulierungshilfe beschlossen, und zwar für das sogenannte COVID-19-Schutzgesetz. Hintergrund ist, dass einige für die Pandemiebekämpfung wichtige Regelungen und Verordnungsermächtigungen im Infektionsschutzgesetz über den Sommer bzw. im Herbst auslaufen und sich der Corona-ExperInnenrat unter anderem für Verbesserungen bei der Datenlage und zum Schutz vulnerabler Gruppen ausgesprochen hat. Damit wir gut und rechtzeitig vorbereitet in den Herbst und Winter gehen, ist es daher notwendig, den Rechtsrahmen zu diesen beiden Punkten in einem ersten Schritt zu überarbeiten. Dem dient die Formulierungshilfe als sogenanntes Trägergesetz, an das nach Fortsetzung der Gespräche weitere Inhalte angedockt werden. Wie Sie wissen, wird über die künftigen Regelungen zu etwaigen Coronainfektionsschutzmaßnahmen noch innerhalb der Bundesregierung beraten und sich dann auch eng mit den Ländern abgestimmt. Die Formulierungshilfe enthält erste Änderungen. Unter anderem diese:

Die Ermächtigungsgrundlagen für die Coronavirus-Impfverordnung und für die Testverordnung werden bis Ende des Jahres verlängert. Das heißt, dass Apotheker, Zahnärzte und Tierärzte weiterhin, nämlich genau bis April 2023, die Möglichkeit haben, Coronaimpfungen durchzuführen.

Der Infektionsschutz in Pflegeeinrichtungen wird zum Schutz vulnerabler Personengruppen ausgebaut. Die Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention beim RKI sollen sich künftig auch auf Einrichtungen der Pflege und Unternehmen der Eingliederungshilfe beziehen. Zudem sollen künftig Schutzstandards zur Infektionsprävention und Hygiene in diesen Einrichtungen ermöglicht werden.

Um das Pandemiemanagement zu optimieren, hatte der Corona-ExpertInnenrat eine bessere Datenlage zur Hospitalisierungsprävalenz und Bettenbelegung der Krankenhäuser gefordert. Nun sollen die Krankenhäuser verpflichtet werden, regelmäßig die Zahl der aufgestellten und belegten Betten elektronisch an das RKI zu melden. Außerdem ist eine verpflichtende anonymisierte Erfassung der auch negativen SARS-CoV-2-PCR-Testungen vorgesehen. Weitergehend als bisher sollen Sentinelstudien ermöglicht und das Abwassermonitoring ausdrücklich geregelt werden.

Soweit zum Kabinett. Da heute Freitag ist, fahre ich mit den Terminen des Bundeskanzlers für die nächste Woche fort.

Der Bundeskanzler wird zu Montag, den 4. Juli, Gewerkschaften, Wirtschaft und Politik zum Auftakt der sogenannten konzertierten Aktion ins Kanzleramt einladen. An der Auftaktsitzung, die um 14 Uhr beginnt, nehmen unter anderem die DGB- Vorsitzende Yasmin Fahimi, BDA-Präsident Rainer Dulger und die Bundesminister Habeck, Linder, Heil und Schmidt sowie Vorsitzende weiterer großer Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände teil. Professorin Schnitzer vom Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und auch Bundesbankpräsident Dr. Nagel werden teilnehmen.

Vielleicht noch ein paar Informationen zur Veranstaltung: Hohe Preissteigerungen insbesondere bei Energie und Nahrungsmitteln stellen ein ernstes soziales und wirtschaftlichen Problem dar. Die Verbraucherpreise lagen im Juni um 7,6 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Im Mai waren es sogar 7,9 Prozent. Die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland sind damit einer lange nicht gekannten Inflation ausgesetzt, die die Kaufkraft der meisten von uns unter Druck setzt. In dieser Ausnahmesituation hat der Bundeskanzler zur konzertierten Aktion eingeladen. Im Rahmen dieser Aktion werden die Teilnehmenden gemeinsam darüber sprechen, wie wir jetzt gut durch diese Zeit kommen. Ziel der konzertierten Aktion ist es, reale Einkommensverluste zu verhindern bzw. abzumildern und gleichzeitig das Risiko einer Preisspirale zu verhindern. Dazu benötigen wir auch ein gemeinsames Verständnis der makroökonomischen Lage und der sich daraus ergebenden Herausforderungen.

Konzertierte Aktion, der Begriff steht für die Einsicht, dass sich schwierige Probleme im Miteinander besser lösen lassen als im Gegeneinander. Der Kanzler selbst hat sie als „gesellschaftlichen Tisch der Vernunft“ bezeichnet. Sie soll ergebnisoffen geführt werden uns sich über mehrere Sitzungen erstrecken. Den historischen Vorläufer aus den späten 60er-Jahren haben sie alle gewärtig.

Am Montagabend wird der Bundeskanzler nach Paris reisen und dort mit dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron zusammenkommen. Das Gespräch findet im Rahmen eines gemeinsamen Abendessens statt. Der Bundeskanzler und Präsident Macron werden sich in Paris zu aktuellen internationalen, bilateralen und europapolitischen Themen austauschen. Eine Pressebegegnung ist nicht geplant.

Am Mittwoch, den 6. Juli, findet um 11 Uhr wie üblich unter der Leitung des Bundeskanzlers die nächste Sitzung des Kabinetts statt.

Am Nachmittag wird sich Bundeskanzler Scholz in der Zeit von 13 Uhr bis 14 Uhr in seiner dritten Regierungsbefragung in sechs Monaten den Fragen der Bundestagsabgeordneten im Plenum stellen. Wie bei der Regierungsbefragung üblich wird er zu Beginn einen kurzen einleitenden Vortrag zu einem aktuellen Thema halten. Daran schließen sich zunächst Fragen zu diesem und dann zu weiteren Themen an.

Am Mittwochabend nimmt der Bundeskanzler am Sommerfest des Bundesverbands Erneuerbare Energien in Berlin teil und hält dort die Eröffnungsrede. Dieser Termin ist presseöffentlich.

Am Donnerstag, den 7. Juli, nimmt der Bundeskanzler auf Einladung der Volkswagen AG an der Grundsteinlegung für das Volkswagenbatteriezellwerk in Salzgitter teil und hält dort die Festrede. Vor Beginn der Festveranstaltung wird der Kanzler bei einem Rundgang das Baugelände, die bereits bestehenden Labore und die Pilotlinie für die Batteriezellproduktion besichtigen.

Damit bin ich bei Freitag. Der Bundeskanzler nimmt am Freitag, den 8. Juli, am Münchener Spitzengespräch der Deutschen Wirtschaft teil. Das Gespräch mit den vier großen Wirtschaftsverbänden dient dem vertraulichen Austausch über aktuelle Fragen der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Gegen 16.30 Uhr stattet der Kanzler der Internationalen Handwerksmesse einen Besuch ab. Für 16.45 Uhr ist eine kurze Pressebegegnung geplant.

Jetzt habe ich, wenn ich darf, noch einen aktiven Teil.

Die Bundesregierung verurteilt den Raketenangriff des russischen Militärs auf ein ziviles Wohngebäude und auf ein Freizeitzentrum in der Region Odessa mit vielen Toten auf das Schärfste. Dies führt uns erneut auf grausame Art und Weise vor, dass der russische Aggressor den Tod von Zivilisten bewusst in Kauf nimmt. Das Vorgehen der russischen Seite, die hier erneut von Kollateralschäden spricht, ist menschenverachtend und zynisch. Auch die russische Bevölkerung muss dieser Wahrheit endlich ins Auge sehen.

Wir verurteilen auch den abscheulichen Angriff auf ein Einkaufszentrum in Krementschuk vor einigen Tagen erneut jetzt von dieser Stelle aus und entschieden. Das haben wir bereits am Rande des G7-Gipfels zum Ausdruck gebracht.

Angriffe auf Zivilistinnen und Zivilisten sind Kriegsverbrechen. Der russische Präsident Putin und die Verantwortlichen werden dafür zur Rechenschaft gezogen werden müssen.

FRAGE KÜSTNER (zur Formulierungshilfe für einen aus der Mitte des Deutschen Bundestages einzubringenden Entwurf eines Gesetzes zu den Protokollen zum Nordatlantikvertrag über den Beitritt der Republik Finnland und des Königreichs Schweden): Heißt das, dass in Anführungsstrichen nur noch der Bundestag zustimmen muss, damit das auf deutscher Seite durch ist, oder kommt das noch einmal zurück ins Kabinett? Wie ist das Verfahren?

STS HEBESTREIT: Das Kabinett ist damit durch. Das Kabinett hat bei der Formulierung geholfen, und das Parlament bringt es dann ein und kann es verabschieden. Das Gleiche passiert im Bundesrat.

ZUSATZFRAGE KÜSTNER: Unter anderem die USA und Großbritannien hatten für die Übergangsphase, in der Schweden und Finnland noch nicht NATO-Mitglieder sind, Sicherheitsgarantien abgegeben. Tut auch Deutschland das?

STS HEBESTREIT: Das hat der Bundeskanzler gestern in seiner Pressekonferenz in Madrid sehr eindeutig erklärt. Er hat es, meine ich, an anderer Stelle, als wir die Kabinettsklausur in Meseberg hatten Ende April oder Anfang Mai war das, glaube ich auch schon einmal getan. Sie ergibt sich auch ein wenig aus den Artikeln der Europäischen Union zum gegenseitigen Beistand.

FRAGE KÜRSCHNER: Sie sagten, das solle jetzt zügig umgesetzt werden. Wird das noch vor der Sommerpause passieren?

STS HEBESTREIT: Ich weiß, dass die Planung ist, dass die erste Lesung noch vor der Sommerpause aufgesetzt werden soll. Nächste Woche ist die letzte Parlamentswoche, wenn ich es richtig im Blick habe. Aber als Regierung kann ich mich dazu nicht wirklich äußern, weil es natürlich Angelegenheit des Bundestages, des Parlamentes ist, wie es das aufsetzt. Aber die Erwartung ist so.

FRAGE DR. RINKE: Herr Hebestreit, nach der Einigung auf dem NATO-Gipfel hat der türkische Präsident wieder Zweifel daran aufkommen lassen, ob er wirklich hinter dieser Entscheidung steht. Rechnen Sie daher damit, dass sich das Ratifizierungsverfahren der genannten 30 Länder doch länger hinziehen könnte, weil unter anderem die Türkei diese Ratifizierung verschleppen könnte?

STS HEBESTREIT: Nein. Ich denke, der NATO-Gipfel gestern hat auf beeindruckende Art und Weise gezeigt, wie eng das Bündnis zusammensteht. Wenn man sich überlegt, dass die Anträge im Mai gestellt wurden und jetzt, Ende Juni gestern war der 30. Juni schon angenommen sind, dann sieht man, wie schnell es gegangen ist. Insofern hoffen wir auf ein schnelles Ratifizierungsverfahren aller 30 NATO-Mitglieder.

VORS. FELDHOFF: Eine weitere Frage zum NATO-Gipfel an das BMVg. Herr Vollradt von der Wochenzeitung „Junge Freiheit“ fragt nach dem Beitrag der Bundeswehr an der vergrößerten NATO Response Force: Gibt es schon eine konkrete Planung, woher der deutsche Beitrag an der aufgestockten NATO Response Force stammen soll und wer federführend sein wird, zum Beispiel die Division Schnelle Kräfte oder die 1. Panzerdivision?

Stellt die 10. Panzerdivision weiterhin den nationalen Stab für alle deutschen Kräfte der NRF?

THIELS: Vielen Dank für die Frage. Wir stehen erst am Anfang der Planungen dazu. Sie wissen, dass wir uns selbstverständlich nicht erst seit gestern an den neuen Aufstellungen innerhalb der NATO beteiligen, auch was die sogenannte New Forces Model betrifft. Spätestens seit dem brutalen russischen Angriff auf die Ukraine stellt sich das Bündnis neu auf und hat das jetzt in Madrid alles umgesetzt. Wir werden eine mechanisierte Division mit zwei Kampftruppenbrigaden mit insgesamt ungefähr 15 000 Mann stellen, dazu 65 Flugzeuge und 20 Marineeinheiten. Das können unterschiedliche Marineeinheiten sein. Ich bitte auch, immer zu bedenken: Ein Flugzeug benötigt nicht nur einen, der es fliegt, sondern da ist auch immer noch das Personal dabei, das dafür sorgt, dass dieses Flugzeug überhaupt fliegen kann. Bei den Schiffen und Booten kommt es darauf an, wie groß sie sind. Eine Fregatte hat eine größere Besatzung als ein Minenjagdboot. Das muss entsprechend alles mit in die Gesamtsumme einkalkuliert werden.

Welche Einheiten am Ende ganz genau in diesem Modell, das bei uns intern „Division 2025“ heißt, gestellt werden, ist noch nicht völlig klar. Darüber sind wir im Moment in enger Abstimmung. Aber wir sind sehr guten Mutes, dass wir das mit den entsprechenden Ressourcen, die wir gerade zusammenstellen, hinbekommen werden. Insofern kann ich jetzt noch nicht die Details präsentieren dafür bitte ich um Verständnis , aber wir werden das hinkriegen.

FRAGE JUNG: Herr Hebestreit, Sie hatten es ja schon angedeutet: In Bezug auf CETA ist der Hauptkritikpunkt, dass wirtschaftliche Interessen von Investoren allem anderen unterzuordnen sind, auch der nationalen Gerichtsbarkeit. Ich haben Sie so verstanden, dass Deutschland das ändern möchte. Korrekt?

STS HEBESTREIT: Ja, das ist das Ziel. Das wird nicht im Zuge der Verträge geregelt, weil das eine abermalige Ratifizierung durch alle Beteiligten bedeuten würde, sondern dadurch, dass es Definitionsklarheit hinsichtlich der Begriffsauslegung gibt.

ZUSATZFRAGE JUNG: Vielleicht können Sie sagen, wie Sie das ändern wollen. Gilt das quasi nur für Deutschland, also für Investorenklagen gegen Deutschland, oder betrifft das dann ganz Europa?

STS HEBESTREIT: Es soll ganz Europa treffen. Ich habe ja hinzugefügt, dass die Bundesregierung auf der einen Seite dazu bereits in engen und guten Gesprächen mit der Europäischen Kommission ist, die natürlich dafür zuständig ist, als auch auf der anderen Seite mit der kanadischen Regierung, die unser Vertragspartner ist, in einem konstruktiven Austausch steht. Das würde ich so lesen, dass man eine gewisse Bereitschaft sieht, sich auf diese Klarstellung einigen zu können.

Wie gesagt, elf Länder haben es noch nicht ratifiziert. Wenn man das Abkommen an sich verändern würde, würde das einen neuen Rattenschwanz an neuen Ratifikationen nach sich ziehen müssen und das weiter verzögern. Das will man verhindern.

FRAGE JESSEN: Nach dem Abkommen sollen in Konfliktfällen Unternehmen internationale Schiedsgerichte anrufen können. Es gibt unter anderem von Gewerkschaften, aber auch von grünem Koalitionspartner Kritik, die sagen, diese Verfahren, die im Ergebnis bindend sind, wären langwierig und sehr teuer. Das könnten sich eigentlich nur Großunternehmen leisten. Das heißt, es wäre eine Regelung, die kleinere und mittlere benachteiligen würde. Was sagen Sie zu dieser Kritik?

STS HEBESTREIT: Wir sagen zu dieser Kritik, dass wir darauf insoweit reagieren, dass es eine Klarstellung geben soll und dass es nicht passiert, dass im Prinzip zwischen Unternehmen Unser Anliegen ist, ein Aushebeln des staatlichen Regulierungsrechts durch missbräuchliche Klagen privater Unternehmen zu verhindern. Ich glaube, das ist der Kern, um den es geht.

Ansonsten würde ich die an den Verhandlungen beteiligten Häuser gerne um Ergänzung bitten, wenn das Not tut.

DR. BARON: Ich kann das nur unterstreichen. Es wird natürlich für alle EU-Länder gelten. Der Sinn ist, das, was national vereinbart ist, in die europäische Ebene einzubringen und auf die kanadische Ebene zu bringen. Das läuft auch schon.

Konkret zu dem Punkt der Investitionsschutzabkommen: Es soll gerade das nationale Recht „right to regulate“ gestärkt werden. In Bezug auf die Investitionsabkommen soll dieser Missbrauch dadurch verhindert werden, dass man eine klarere Definition und eine klarere Eingrenzung erreicht, nämlich die Eingrenzung auf direkte Enteignung und Diskriminierung. Das ist bislang nicht so. Genau deshalb gab es oft diese sehr missbräuchlichen Klagen. Das soll in Zukunft verhindert werden.

Noch ein letzter Punkt: Auch die Europäische Kommission hat in der vorigen Woche ihren Review zu diesem Nachhaltigkeitskapitel für Handelsverträge vorgestellt, die gleichen Punkte hervorgehoben und deutlich gemacht, dass sie auch diese Punkte in alle künftigen Verhandlungen über Abkommen einbringt. Aktuell laufen ja auch Verhandlungen mit Neuseeland, sodass es sicher in Kürze erste konkrete Anwendungsfälle geben kann, wo diese neuen Standards der Kommission zur Anwendung kommen können.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Wenn ich Sie recht verstehe, richtet sich die Kritik nicht primär darauf, dass missbräuchlich geklagt werde, sondern es wird die Struktur kritisiert, dass sich nur Großunternehmen langwierige und sehr teure Prozesse werden leisten können. Nicht der Missbrauch sei also das Problem, sondern die Struktur von Zeitdauer und Kosten. Das ist, wie ich das verstehe, der Kern der Kritik. Was sagen Sie dazu, Herr Hebestreit?

STS HEBESTREIT: Dazu kann ich Ihnen inhaltlich nichts Zusätzliches bieten. Wenn die Fachabteilung dazu etwas sagen kann, gerne.

DR. BARON: Noch einmal: Genau deswegen soll der Anwendungsbereich eingeschränkt und vielleicht auch die Attraktivität dieser Verfahren verringert werden. Es gibt sie. Aber wenn der Anwendungsbereich klar eingeschränkt wird, stellen sich vielleicht nicht mehr Fragen, die wir heute gesehen haben.

FRAGE VITZTHUM: Herr Hebestreit, Sie sprachen von einer Präzisierung der parlamentarischen Beteiligung. Was heißt das? Wird bei einzelnen Punkten immer wieder das Parlament angerufen? Kann es immer wieder Einwände geben? Was bedeutet diese Einschränkung?

STS HEBESTREIT: Da müsste ich auch wieder das zuständige Ministerium bitten.

DR. BARON: Auch hier sollen die Verfahren gestärkt werden, dass auch Parlamente Rechte haben. Der Mechanismus, mit dem das passieren soll, ist auch hier dieser gemischte Ausschuss, der diese verbindlichen Auslegungshinweise geben soll. Es gab immer wieder Berichterstattung, dass es nur Protokollnotizen sein sollen. Das ist eben nicht so, denn Protokollnotizen wären nicht rechtlich verbindlich. Das „right to regulate“, also das Recht für die Entscheidungskompetenzen der EU-Parlamente und der Parlamente, soll eben konkret für CETA und in der Folge für künftige Abkommen als verbindliche Auslegung durch diesen Ausschuss festgelegt und natürlich gleich von Anfang an mitgedacht werden.

FRAGE: Ich habe die einfache und relativ erwartbare Frage, wie das Gesundheitsministerium auf den Brief der Kassenärzte reagiert, die die Bürgertests nicht mehr weiter abrechnen wollen. Wie reagiert man auf den Brief und vor allem auf die Inhalte oder die Problematik, die dort aufgeworfen wird?

KAUTZ: Zunächst muss man feststellen, dass die KVen Körperschaften des öffentlichen Rechts sind. Sie haben einen Verwaltungsauftrag bekommen. Wir gehen davon aus, dass sie diesen erfüllen werden. Der Bundesgesundheitsminister hat sich gestern bereits telefonisch mit dem Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung in Verbindung gesetzt. Diese Gespräche werden Anfang der Woche fortgesetzt. Wir sind davon überzeugt, dass wir eine gute Lösung finden werden.

VORS. FELDHOFF: Dann kommen wir zu den Terminen. Die Frage von Frau Ramseier vom Schweizer Fernsehen, ob der Kanzler zur Wiederaufbaukonferenz nach Lugano fährt, kann man mit Nein beantworten, weil die Konferenz als Termin nicht aufgeführt worden ist.

FRAGE HOENIG (zur konzertierten Aktion): Herr Hebestreit, Sie haben gesagt, Ziel sei es, reale Einkommensverluste abzumildern. Wie genau soll das aus Sicht des Kanzlers passieren? Welche Rolle sollen dabei aus Sicht des Kanzlers Einmalzahlungen statt dauerhafter Tariferhöhung spielen?

STS HEBESTREIT: Ich hätte jetzt fast gesagt: Schönen Dank für die Frage, weil sie mir die Gelegenheit gibt, darauf hinzuweisen, dass man solche Veranstaltungen ja macht, um am Ende zu Ergebnissen zu kommen und diese Ergebnisse nicht vorgibt. Ich habe auch gesagt, dass es eine Reihe von Veranstaltungen geben wird. Die nächsten Termine sind schon geplant. Insofern ist das am Montag eine Auftaktsitzung, bei der man sich einmal über die generelle Sicht auf die Lage verständigt. Es wird noch nicht darum gehen, miteinander konkrete Schritte zu vereinbaren, wie man der geschilderten Lage dann begegnen möchte.

Ich habe auch über die Einmalzahlungen gelesen. Dazu würde ich sagen: Man spricht über ein ganzes Bündel von Maßnahmen. Da könnten Einmalzahlungen ein Faktor sein, aber längt nicht der einzige. Auch dabei stellen sich gewisse Fragen, die man natürlich vorher erst beantworten muss. Das ist also eine Veranstaltung, die vor allem ins Arbeiten kommen soll, und deswegen möchte ich dem noch nicht vorgreifen.

FRAGE DR. RINKE: Die Frage zielt genau in dieselbe Richtung: Wird es bei dieser Auftaktsitzung, wie Sie sie beschreiben, überhaupt irgendwelche Ergebnisse geben? Wird es danach eine Pressekonferenz geben?

STS HEBESTREIT: Wenn ich richtig informiert bin, soll es am Ende eine Pressekonferenz, eine Presseinformation oder wie nennen wir das immer – eine Pressebegegnung mit verschiedenen Vertretern geben, also dem Bundeskanzler und wahrscheinlich einem Vertreter bzw. einer Vertreterin der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite. Ich habe es ja eben schon angedeutet: Am Montag sollen nicht konkrete Beschlüsse getroffen werden, die dann verkündet werden, sondern es geht eher um einen generellen Blick auf die aktuelle Lage, um in einen Diskussionsprozess zu kommen, um in den nächsten Wochen miteinander zu sprechen und langsam gemeinsam miteinander Ergebnisse zu vereinbaren.

FRAGE: Die Türkei hat unter anderem das Internetangebot der Deutschen Welle gesperrt. Wie beurteilen Sie den Vorgang?

Kann und wird sich die Bundesregierung für die Aufhebung der Sperrung einsetzen?

STS HEBESTREIT: Die Bundesregierung hat die Meldungen über die Sperrung der Website der Deutschen Welle und Voice of America in der Türkei mit Bedauern zur Kenntnis genommen. Es obliegt der Deutschen Welle als unabhängigem Sender, welche Konsequenzen sie daraus zieht. Sie hat ja auch bereits selbst rechtliche Schritte angekündigt.

Unsere Sorge um die Lage der Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei besteht fort. Die Bundesregierung steht dazu regelmäßig im kritischen Austausch mit unseren türkischen Gesprächspartnern und wird sich auch weiterhin für einen unabhängigen, faktenbasierten Journalismus in der Türkei einsetzen.

ZUSATZ: Der zweite Teil der Frage war, ob die Bundesregierung in dem konkreten Fall etwas unternehmen kann.

STS HEBESTREIT: Es steht im Augenblick – ich hatte gedacht, darauf hingewiesen zu haben – zunächst einmal der Rechtsweg offen, den die Deutsche Welle beschreiten kann und auch angekündigt hat, ihn zu beschreiten. Das gilt es abzuwarten.

FRAGE JESSEN: Ich habe eine Frage zum Thema Gaspreise. Es gibt mehrere Berichte, wonach die Bundesregierung plant, eine Gebühr für Gaskunden einzuführen. Das soll über die Bundesnetzagentur laufen. Ist das richtig? Können Sie das bestätigen?

STS HEBESTREIT: Nein, das kann ich nicht bestätigen.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Gibt es innerhalb der Bundesregierung und auch mit der Bundesnetzagentur dazu Gespräche?

STS HEBESTREIT: Auch dazu kann ich Ihnen nichts mitteilen.

DR. BARON: Ich kann die Berichterstattung auch nicht kommentieren. Ich kann Ihnen nur sagen, dass wir natürlich kontinuierlich unseren Instrumentenkasten prüfen. Natürlich muss die Vorsorge für den Winter gesichert sein. Natürlich prüfen wir immer alle Möglichkeiten und schauen auch, welche Instrumente die richtigen sind und ob der Instrumentenkasten gut gefüllt ist. Aber Entscheidungen hinsichtlich dieses Themas gibt es nicht. Wenn es Entscheidungen oder Beschlüsse gibt, würden wir natürlich darüber informieren.

FRAGE DR. RINKE: Frau Baron, die Befüllung der Gasspeicher nimmt weiter zu. Das Tempo hat aber in den letzten Tagen enorm abgenommen. Ich hätte ganz gerne gewusst, woran das genau liegt und ob Sie sich darauf einstellen, dass in den kommenden Tagen die Befüllung enden wird.

DR. BARON: Das ist zutreffend beobachtet. Die Bundesnetzagentur hat gerade – vor fünf Minuten habe ich es gesehen den Lagebericht veröffentlicht. Die Füllstände der Gasspeicher liegen aktuell bei rund 61 Prozent. Es ist richtig, dass das Tempo der Befüllung in den letzten Tagen zurückgegangen ist. Es geht weiter aufwärts das sieht man an den Zahlen , aber langsamer.

Wir haben ja darüber informiert, dass wir als Bundesregierung 15 Milliarden Euro zur Verfügung stellen, um die Gasspeicherfüllung weiter voranzutreiben. Das erfolgt über Trading Hub Europe und wird in diesen Tagen durch die Bundesnetzagentur weiter vorangetrieben. Man sieht aber natürlich an den Zahlen der Bundesnetzagentur, dass die Lage angespannt ist, dass die Ersatzbeschaffung weiter erfolgt. Die Ersatzbeschaffung am Markt wird natürlich umso schwieriger, je höher die Preise sind. Die Preise sind weiter auf einem hohen Niveau. Deshalb ist es umso wichtiger, dass es diese 15 Milliarden Euro der Bundesregierung gibt, um die Gasspeicherfüllung weiter voranzutreiben.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Verstehe ich es richtig, dass Sie trotz der Kürzungen durch die Pipeline Nord Stream 1 davon ausgehen, dass die Befüllung weitergehen kann?

DR. BARON: Aktuell ja. Aber wir alle wissen nicht, was passiert oder was nicht passiert. Deswegen können wir nur das tun, was wir mit der Ausrufung der Alarmstufe noch einmal deutlicher gemacht haben, dass es eben eines noch engeren Monitorings aller Akteure und einer noch engeren Beobachtung des Marktes bedarf. Genau das passiert ja.

VORS. FELDHOFF: In diesem Zusammenhang eine Frage von Frau Wolf von der „Rheinischen Post“ zum Thema Uniper: Gibt es aus den Gesprächen mit Uniper bereits einen neuen Stand?

DR. BARON: Ich kann bestätigen, dass die Bundesregierung mit Uniper in Gesprächen über Stabilisierungsmaßnahmen steht. Wir stehen mit allen Beteiligten im Austausch, und diese Gespräche dauern an. Ich möchte an dieser Stelle auch noch einmal daran erinnern das hat Uniper ja auch selbst bekannt gegeben , dass es für Uniper noch eine bestehende Kreditfazilität in Höhe von 2 Milliarden Euro gibt, die ja auch noch nicht gezogen wurde. Nichtsdestotrotz laufen die Gespräche über weitere Stabilisierungsmaßnahmen.

VORS. FELDHOFF: Frau Wolf hat gleich eine Nachfrage geschickt: Bringen die Turbulenzen bei Uniper die Versorgungssicherheit weiter in Gefahr, und rückt die Gasnotfallstufe damit näher?

DR. BARON: Wir spekulieren nicht, sondern wir agieren im Hier und Jetzt, und wir führen intensive Gespräche mit Uniper. Im Übrigen gelten für den Notfallplan Gas die gesetzlichen Vorgaben und Anforderungen.

FRAGE JENNEN: Uniper hat selbst gesagt, dass man mit der Bundesregierung im Gespräch darüber sei, dass der Staat letztendlich auch Anteile übernimmt. Ist das richtig? Wie könnte eine Größenordnung aussehen?

DR. BARON: Wir sprechen über Stabilisierungsmaßnahmen, und nähere Details kann ich aktuell nicht nennen.

FRAGE DR. RINKE: Frau Baron, können Sie uns sagen, was es die Unternehmen kostet, wenn die aktuellen Gaseinkaufspreise für sie nicht an die Kunden weitergegeben werden können? Von welchem Betrag pro Monat reden wir da?

DR. BARON: Das kann ich nicht seriös beziffern, da sich das ja von Vertrag zu Vertrag jedes Unternehmens unterscheidet, je nachdem, ob die Verträge an Spotmarkpreise oder an langfristige Lieferverträge gekoppelt sind. Das kann ich nicht pauschal beziffern.

FRAGE ROSSBACH: Können Sie denn dementieren, dass die Bundesregierung an einer Formulierungshilfe für eine Ermächtigungsgrundlage arbeitet, um die Preisanpassungsklausel jetzt doch schon zu ziehen?

DR. BARON: Ich bleibe dabei, dass wir immer schauen, ob der Instrumentenkasten so, wie er ist, gut gefüllt ist oder ob es weiterer Instrumente bedarf. Die Instrumente, die es im bestehenden Energiesicherungsgesetz schon gibt, haben ja klare Voraussetzungen, an die sie geknüpft sind. Wir hatten mit Ausrufung der Alarmstufe ja darauf hingewiesen, dass wir aktuell die Voraussetzungen für den Preisanpassungsmechanismus nach § 24 EnSIG nicht für gegeben ansehen. Nichtsdestotrotz bleibe ich bei der Formulierung, dass wir prüfen, wie gut der Instrumentenkasten gefüllt ist.

STS HEBESTREIT: Vielleicht kann ich etwas ergänzen. Der Bundeskanzler hat sich dazu gestern auch in Madrid geäußert. Er hat noch einmal deutlich gemacht, dass es das oberste Ziel der Bundesregierung ist, die Energieversorgung jederzeit gewährleisten zu können und sicherzustellen. Dann hat er darauf verwiesen, dass die Bundesregierung auch die Vorgängerbundesregierung in der Pandemie gezeigt hat, wie stark sie sein kann. Alles Weitere muss sich jetzt ergeben.

ZUSATZFRAGE ROSSBACH: Ich würde trotzdem gerne noch einmal nachfragen. Sie haben ja eben gesagt, dass man sich nach jetzigem Stand entschieden hat, die Klausel noch nicht zu ziehen. Aber der Stand hat sich ja spätestens durch die Notlage bei Uniper verändert. Welche Auswirkungen hat dieser Fall Uniper denn also jetzt auf die Sichtweise Ihres Hauses auf die Lage?

DR. BARON: Noch einmal: Die aktuelle Lage wird in den täglichen Berichten der Bundesnetzagentur beschrieben. Die Bundesnetzagentur hat darüber informiert, dass die Lage angespannt ist, aber die Ersatzbeschaffung am Markt weiterhin möglich ist, wenn auch zu hohen Preisen. Mit Uniper sprechen wir über Stabilisierungsmaßnahmen.

VORS. FELDHOFF: Dann habe ich eine Frage von Herrn Wiedemann von Energate. Die betrifft § 24 des Energiesicherungsgesetzes. Das BMWK hat ja beim Ausrufen der zweiten Stufe des Notfallplan Gas auf ein Inkrafttreten des § 24 zur Weitergabe gestiegener Kosten an Kunden verzichtet und eine Reform der Regelung angekündigt. Wie ist der Stand?

DR. BARON: Auch da wiederhole ich noch einmal das, was ich jetzt schon mehrmals sagte: Wir prüfen kontinuierlich die Instrumente, so, wie sie sind, und prüfen eben, ob der Instrumentenkasten so, wie er ist, gut gefüllt ist oder ob es da noch Nachbesserungen bedarf.

FRAGE DR. RINKE: Herr Hebestreit, die japanische Regierung hat heute alle Bürger des Landes aufgerufen, Strom zu sparen, weil einfach zu viel verbraucht wird, es extrem heiß ist und man auch dort Versorgungsengpässe fürchtet. Ich hätte ganz gerne gewusst, ob sich der Bundeskanzler einem solchen Appell für Deutschland anschließt.

STS HEBESTREIT: Ich glaube, der Bundeskanzler wurde unlängst danach gefragt, ob er direkt Hinweise dazu geben würde. Das hat er nicht getan. Gleichzeitig hat aber der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz doch relativ umfangreich eine große Kampagne gestartet, die das noch einmal deutlich macht, ohne dass man sich jetzt etwas vom Munde abspart, hätte ich fast gesagt. Jede Kilowattstunde, die man einspart, ist gut, und das möge jeder für sich selbst berücksichtigen. Wir merken gerade: Es wird schon massiv Gas eingespart. Wir liegen jetzt bei Füllständen, was die Gasspeicher angeht, wie wir sie lange nicht hatten, jetzt bei 61 Prozent. Gleichzeitig kennen Sie die weltpolitische Lage und wissen auch, was schon angekündigt worden ist. Insofern hilft das. Aber es geht jetzt kein genereller Appell oder Aufruf der Bundesregierung von dieser Stelle aus.

FRAGE NEHLS: Indirekt noch einmal zur Ukraine: Hat das Auswärtige Amt irgendwelche Rückschlüsse gezogen, was eine bemerkenswerte Äußerung des ukrainischen Botschafters Melnyk zu einer Bewertung des Nationalistenführers Stepan Bandera angeht? Das ist heute den Nachrichten zu entnehmen gewesen. Der hat in einem längeren Gespräch mit der Sendereihe „Jung & Naiv“ quasi die Holocaustbeteiligung jetzt im Allgemeinen formuliert bestritten und, wenn man so will, Bandera reingewaschen. Es gab schon Richtigstellungen aus Kiew. Es gab auch Fragen aus Polen. Gibt es irgendwelche Reaktionen in Ihrem Hause, sei es auch ein Up- oder Downgrading der Glaubwürdigkeit von Herrn Melnyk?

WAGNER: Gradings sind sozusagen nicht meine Rolle. Aber wir haben die Äußerungen von Botschafter Melnyk natürlich zur Kenntnis genommen. Sie haben ja selbst schon gesagt, dass es dazu auch eine Kommunikation des Außenministeriums der Ukraine gab, die klargestellt hat, dass es sich um die persönliche Meinung des Botschafters handelt, nicht die sozusagen offizielle Position der Ukraine.

ZUSATZFRAGE NEHLS: An Ihrem Umgang mit Herrn Melnyk, der ja ein vehementer sein dürfte, ändert das nichts, also an der Einschätzung dieser schillernden Botschafterpersönlichkeit?

WAGNER: Dem, was ich eben gesagt habe, habe ich nichts hinzuzufügen. Ich habe das, was Herr Melnyk da sozusagen in persönlicher Kapazität gesagt hat, nicht zu kommentieren.

 

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