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Bundesregierung für Desinteressierte: BPK vom 11. November 2015

Wer ist der Boss? ▼ BPK vom 11. November 2015

Naive Fragen/Themenübersicht:
BND überwacht auch Deutsche
– die Bundesregierung entscheidet, wen der BND ausspionieren soll. Trägt also der Außenminister die Arbeit des BND mit, wenn dieser deutschen Diplomaten ausspioniert? (11:05 min)
– können Sie ausschließen, dass irgendwelche anderen deutschen Diplomaten vom BND ausspioniert werden oder wurden? (11:50 min)
– Herr Schäfer, wie hat das AA die heutige Nachricht aufgenommen? (16:10 min)
– können Sie der Öffentlichkeit sagen, wen der BND wirklich nicht ausspioniert? (16:10 min)
– was für organisatorische Defizite waren das damals im BND? sind die mittlerweile behoben? (22:05 min)
– war im speziellen Bericht von Herrn Graulich fürs Kanzleramt schon Hinweise auf die heutige Enthüllung? (23:15 min)

Chaos in der Flüchtlingspolitik
– reicht dem Innenminister aktuell die Zahl der Syrer in Deutschland? ist das Boot für ihn voll? (58:50 min)
– wie kann ein Syrer nach Deutschland kommen, ohne einfliegen zu dürfen und ohne einen anderen EU-Staat betreten zu haben? (58:55 min)
– ist der geplante Halt im Familiennachzug ein Reputationsschaden für Deutschland (1:00:55 min)
– wie kommt der Innenminister auf den Multiplikator Faktor 4 beim Familiennachzug? (1:06:20 min)

Deutsche Propaganda (ab 1:26:30 min)
– Herr Schäfer, können wir diese „Aufklärungskampagnen“ im arabischen Raum, in Afghanistan, auf dem Westbalkan mal zu sehen bekommen?
– Frau Merkel sprach davon, dass bei Propaganda noch mehr gemacht werden müsse. Meint Sie damit mehr Geld?
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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 11. November 2015: 

SRS’IN WIRTZ: Das Kabinett hat heute mit einer Schweigeminute für Altkanzler Helmut Schmidt begonnen.

In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen einen organisatorischen Hinweis mit auf den Weg geben, und zwar liegt ab heute im Bundeskanzleramt ein Kondolenzbuch aus. Zugang zu diesem Kondolenzbuch gibt es jeweils werktags von 9 bis 18 Uhr, und zwar über die Wache im Bundeskanzleramt, Willy-Brandt-Straße 1. Das Kondolenzbuch wird bis nächsten Mittwoch, also bis einschließlich 18. November, ausliegen. Was die Sicherheitsvorkehrungen anbelangt, ist es so, dass das Gleiche gilt, was für die Sicherheitsvorkehrungen beim Tag der offenen Tür gilt: Die Bitte, einerseits nicht zu große Taschen mitzubringen, aber auch einen Personalausweis bzw. Pass mit sich zu führen, da dieser gegebenenfalls nachgefragt wird. So viel zu diesem organisatorischen Hinweis.

Im Kabinett wurde weiterhin ein Gesetzentwurf auf Vorlage des Bundesjustizministeriums beschlossen. Bei diesem Gesetzentwurf – der Begriff VG WORT wird Ihnen alles etwas sagen – ging es darum, das Recht solcher Verwertungsgesellschaften zu novellieren und auch eine entsprechende EU-Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.

Konkret ging es darum, das nationale Recht der Verwertungsgesellschaften mit EU-Recht zu harmonisieren. Im Detail steht im Gesetzentwurf unter anderem etwas dazu, wie Lizenzeinnahmen an Komponenten, Musiker, Plattenlabel und Verlage sowie die Lizenzierung von Musikern an Sender und Internetdienste verteilt werden. Darüber hinaus regelt der Gesetzentwurf das Verhältnis der Verwertungsgesellschaften zu den Rechtsinhabern genauso wie das Verhältnis zu Nutzern und zu anderen Verwertungsgesellschaften. Das also wurde heute im Kabinett beschlossen.

Dann gab es wie jeden Mittwoch im Kabinett einen Bericht zu der aktuellen Flüchtlingssituation in Deutschland. Wie jeden Mittwoch gibt es einen Schwerpunkt. Dieser lag dieses Mal auf dem Ehrenamt. In diesem Zusammenhang hat Bundesfamilienministerin Schwesig noch einmal darauf hingewiesen, dass das Ehrenamt in Deutschland insgesamt sehr stark ausgeprägt ist und damit auch den Dank an diese vielen ehrenamtlichen Helfer verbunden. 23 Millionen Menschen waren in Deutschland schon ehrenamtlich engagiert, bevor diese Herausforderungen in Bezug auf die Flüchtlinge auf uns zugekommen sind. Angesichts der Not, die jetzt viele Flüchtlinge hierhertreibt, ist es so, dass immer mehr Menschen sich diesem ehrenamtlichen Engagement anschließen.

In diesem Zusammenhang hat die Bundesregierung verschiedene Projekte aufgesetzt, um das auch zu unterstützen. Das BMFSFJ hat unter anderem 10.000 zusätzliche Stellen im Bundesfreiwilligendienst geschaffen. Dies sollen Stellen sein, die einen Flüchtlingsbezug haben. Es ist so, dass diese Stellen nicht nur für deutsche Bürgerinnen und Bürger angeboten werden, sondern auch für Flüchtlinge, die sich ihrerseits selbst in der Flüchtlingshilfe engagieren können.

Darüber hinaus gibt es im BMFSFJ das Bundesprogramm „Willkommen bei Freunden“ und das Projekt „Demokratie leben“.

Bundesbildungsministerin Wanka hat beschrieben, welche Projekte ihr Haus auf den Weg gebracht hat. Das ist zum einen das Programm „Einstieg Deutsch“, bei dem zusammen mit dem Deutschen Volkshochschul-Verband dafür gesorgt wird, dass bis zu 3.200 Menschen geschult werden. Diese freiwilligen Ehrenamtlichen können dann ab März 2016 entsprechende Kurse geben, um fremden Menschen dabei behilflich zu sein, Deutsch zu lernen. Dann gibt es das Programm „Lesestart für Flüchtlingskinder“. Auch damit sollen ehrenamtliche Kräfte unterstützt werden, die dann in Erstaufnahmeeinrichtungen mit und für Flüchtlingskinder lesen.

Darüber hinaus wird in rund 400 Kommunen ein Koordinator für Bildungsangebote für Flüchtlinge finanziert und das Programm „Kultur macht stark“ für junge Flüchtlinge geöffnet.

Bundesinnenminister de Maizière hat außerdem auch noch einmal hervorgehoben, wie viele verschiedene Organisationen des Bevölkerungsschutzes in der Flüchtlingshilfe mit großartigem Einsatz tätig sind, allen voran das Deutsche Rote Kreuz, aber auch alle anderen: das THW, die Johanniter-Unfall-Hilfe, die freiwilligen Feuerwehren, der Malteser Hilfsdienst, der Arbeiter-Samariter-Bund, die DLRG. Alle diese Gesellschaften und viele andere, die ich jetzt hier nicht genannt habe, engagieren sich großartig in der Flüchtlingshilfe. Dafür gebührt ihnen der Dank der Bundesregierung.

Das Gleiche gilt natürlich für all jene, die nicht in irgendwelchen Vereinen, Organisationen organisiert sind, sondern sich selbst und eigenständig für Flüchtlinge einsetzen.

So viel zu den Themen im Kabinett.

FRAGE WONKA: Frau Wirtz, auf welcher Rechtsgrundlage könnte ein deutscher Spitzendiplomat wie Herr Haber vom Bundesnachrichtendienst abgehört oder telekommunikationsmäßig kontrolliert werden?

SRS’IN WIRTZ: Herr Wonka, Sie wissen, dass diese Vorgänge, um die es geht bzw. über die verschiedene Medien berichtet haben, Gegenstand der Dinge sind, die die Bundesregierung, wenn überhaupt, mit dem PKGr und den entsprechenden Gremien im Bundestag bespricht und die entsprechenden Gremien informiert. Das ist auch in diesem Fall so.

Sie wissen auch, dass im entsprechenden Untersuchungsausschuss im Bundestag eine Taskforce gebildet worden ist, um solche Fragen, die sich in diesem Zusammenhang stellen, aufzuklären. Insofern möchte ich darauf verweisen, dass sich diese zuständigen Gremien im Bundestag um die Aufklärung bemühen und ich das hier nicht in aller Öffentlichkeit diskutieren kann.

ZUSATZFRAGE WONKA: Aber genau so habe ich ja nicht gefragt, dass Sie nicht antworten können. Ich versuche es noch einmal: Frau Wirtz, gibt es eine Rechtsgrundlage für den BND, um sagen wir es einmal so einen deutschen Institutionenvertreter abzuhören?

SRS’IN WIRTZ: Ich verstehe Ihre Frage, und ich verstehe auch den Versuch, nach den rechtlichen Grundlagen zu fragen. Aber ich möchte mich trotzdem in diesem ganzen Zusammenhang, der heute in den Medien besprochen wurde, nicht weiter darauf einlassen, sondern sagen, dass im Grunde genommen genau diese Gegenstände das sind, was praktisch die Bundesregierung gegenüber den parlamentarischen Gremien äußert und dass auch dort praktisch die Aufklärung erfolgt.

ZUSATZFRAGE WONKA: Letzter Versuch: Herr Dr. Schäfer, müssen deutsche Diplomaten Angst haben, nicht nur von der NSA, sondern eventuell auch von einem anderen Nachrichtendienst abgehört zu werden, sodass Freunde Freunde abhören?

DR. SCHÄFER: Ich glaube, deutsche Diplomaten wissen, dass sich andere für ihre Tätigkeiten, für das, was sie denken, schreiben und tun, interessieren und treffen entsprechende Vorkehrungen, dass das, was nicht nach außen getragen werden soll, auch genau da bleibt, wo es hingehört.

FRAGE: Herr Dr. Schäfer, haben Sie denn Erkenntnisse darüber, dass ein deutscher Diplomat durch den BND abgehört worden ist?

DR. SCHÄFER: Ich nicht. Aber ich glaube, die Antwort darauf wäre die gleiche, die Frau Wirtz Herrn Wonka gerade gegeben hat.

ZUSATZFRAGE: Es heißt, dass auch der französische Außenminister Laurent Fabius durch den BND abgehört worden ist. Sehen Sie die Möglichkeit, dass das in irgendeiner Art und Weise die Beziehungen zwischen Herrn Steinmeier und Herrn Fabius betreffen könnte?

DR. SCHÄFER: Das glaube ich nicht. Aber die beiden werden sich aller Voraussicht nach übermorgen in Paris sehen. Dann wird es so sein wie immer, dass sie sich sehr freundschaftlich begrüßen und gemeinsam die Herausforderungen anpacken, wegen derer sie sich treffen. Dabei wird es um Syrien, die Ukraine, das Normandie-Format gehen. Es ist auch ein Besuch beim Fußball-Länderspiel bzw. Freundschaftsspiel Deutschland gegen Frankreich geplant. Ich kann nicht ausschließen, dass am Rande all der förmlichen Sitzungen auch über andere Dinge gesprochen wird. Aber das weiß ich natürlich nicht, weil das in der Zukunft liegt.

FRAGE JUNG: Herr Dr. Schäfer, wenn ich die BND-Arbeit richtig verstanden habe, entscheidet die Bundesregierung, wen der BND ausspionieren soll. Kann es also sein, dass die Bundesregierung dem BND gesagt hat: Diesen Diplomaten spioniert ihr aus? Das heißt, auch der Außenminister trägt diese Arbeit des BND mit? Gibt es vielleicht berechtigte Zweifel an der Arbeit des Diplomaten vonseiten des Außenministers?

DR. SCHÄFER: Vonseiten des Außenministers ganz sicher nicht. Herr Haber war bis vor Kurzem unser Botschafter in Ägypten und hat dort ganz hervorragende Arbeit geleistet.

Ansonsten kann ich nur sagen, dass das Auswärtige Amt das allergrößte Vertrauen in die Arbeit von Herrn Haber hat.

ZUSATZFRAGE JUNG: Frau Wirtz, können Sie ausschließen, dass irgendwelche anderen deutschen Diplomaten vom BND ausspioniert werden?

SRS’IN WIRTZ: Ich kann Ihnen sagen, dass es durchaus in der Vergangenheit schon Presseveröffentlichungen in diesem Zusammenhang gab und dass zu diesen Presseveröffentlichungen, zu dem komplexen Sachverhalt, der sich vermutlich dahinter verbirgt, die Bundesregierung selbstverständlich im Kontakt mit dem BND ist und dafür sorgt, dass dieser Sachverhalt, der sich hinter diesen Medienberichten verbirgt, umfassend aufgeklärt wird. Deshalb möchte ich jetzt hier nichts ausschließen oder bestätigen, sondern ich kann Ihnen nur sagen, dass dieser Sachverhalt vollständig aufgeklärt wird. Ich kann Ihnen sagen, dass es im Grunde genommen das geht ja auch in die Richtung der Frage, die Sie Herrn Schäfer eben gestellt haben so ist, dass im Auftragsprofil des BND selber sozusagen die politische Ausspähung von Partnerstaaten nicht vorgesehen ist.

FRAGE BLANK: Eine ganz grundsätzliche Frage: Vor etwa genau einem Jahr hat ein früherer Jurist des BND vom Funktionsträgerprinzip, nach dem der BND arbeiten würde, berichtet. Könnten Sie erläutern, wie das Kanzleramt zu diesem Funktionsträgerprinzip ich nehme an, Ihnen ist geläufig, um was es dabei geht steht? Demnach können auch deutsche Staatsangehörige abgehört werden, wenn sie bestimmte Funktionen in internationalen Organisationen oder Firmen einnehmen? Steht das Kanzleramt hinter diesem Prinzip oder wird das neu überdacht? Gehört das vielleicht zu dem, was Sie eben angesprochen haben?

SRS’IN WIRTZ: Ich möchte mich zu einzelnen operativen Details dessen, wie der BND arbeitet, jetzt hier nicht auslassen. Aber ich kann Ihnen sagen, dass der ganze Sachverhalt, über den wir eben gesprochen haben, mit dem BND durch die Bundesregierung aufgeklärt wird und dass, wenn es sozusagen Schritte oder organisatorische Defizite gibt, die abzustellen sind oder umorganisiert werden müssen, natürlich entsprechend diese Konsequenzen gezogen werden.

ZUSATZFRAGE BLANK: Es war schon verstanden, dass Sie zu diesem speziellen Fall nichts sagen können, und deswegen ging die Frage ja auch ins Allgemeine. Steht das Kanzleramt hinter diesem Funktionsträgerprinzip oder ist das infrage gestellt?

SRS’IN WIRTZ: Nun ist ja auch das Funktionsträgerprinzip ein Detail der operativen Tätigkeit des BND. Deshalb kann ich dazu hier keine weiteren Äußerungen machen.

FRAGE HELLER: Herr Dr. Schäfer, gab es in jüngster Zeit in den letzten Tagen irgendwelche diplomatische Interventionen von Staaten oder Organisationen, die den Hintergrund in diesen Medienberichten haben, die wir ansprechen?

DR. SCHÄFER: Nicht, dass mir das bekannt wäre.

FRAGE WONKA: Frau Wirtz, Herr Schindler hat, glaube ich, noch knapp zwei Jahre bis zur Pensionierung. Genießt er derzeit als BND-Präsident das uneingeschränkte Vertrauen der Bundesregierung?

SRS’IN WIRTZ: Herr Wonka, ich sehe im Moment keinerlei Veranlassung, mit Ihnen über irgendwelche Personalien zu spekulieren. Er hat das

ZURUF WONKA: Ich wollte nicht spekulieren!

SRS’IN WIRTZ: Herr Wonka, ich war noch nicht fertig. Dann lassen Sie mich doch einmal zu Ende reden.

Noch einmal: Ich sehe keinerlei Veranlassung, über irgendwelche Personalfragen zu spekulieren. Und Herr Schindler genießt das Vertrauen der Bundesregierung.

DR. SCHÄFER: Einfach nur der Vollständigkeit halber, Herr Heller, und weil ich vollständig und umfassend auf Ihre Frage antworten will: Vorgestern ist mir bekannt geworden, dass der Sprecher des griechischen Außenministers und des griechischen Außenministeriums, soweit mir bekannt ist, im Angesicht von damals also vorgestern in Athen bekannten Medienberichten um Aufklärung gebeten hat. Das hat er aber öffentlich getan. Das ist alles, was mir dazu einfällt.

FRAGE JUNG: Herr Dr. Schäfer, könnten Sie kurz ausführen, wie Ihr Haus die Nachricht von heute eigentlich aufgenommen hat? Wie läuft das intern ab?

Frau Wirtz, können Sie der Öffentlichkeit eigentlich sagen, wen der BND wirklich nicht ausspioniert? Gibt es irgendwen, den der BND garantiert nicht ausspioniert?

SRS’IN WIRTZ: Das fällt mir jetzt schwer, weil die (Liste der) Namen derer vermutlich so lang ist, dass allein das schon den zeitlichen Rahmen hier sprengen würde.

ZUSATZ JUNG: Es gibt ja Bevölkerungsgruppen.

SRS’IN WIRTZ: Journalisten.

ZUSATZFRAGE JUNG: Wenn deutsche Diplomaten schon ausspioniert werden, woher wissen wir, dass deutsche Journalisten zum Beispiel auch hier im Raum – nicht ausspioniert werden?

SRS’IN WIRTZ: Na ja, hier im Raum braucht der BND uns bestimmt nicht auszuspähen, weil die Pressekonferenz in vielen Redaktionen übertragen wird. Da kann sich, glaube ich, der BND die Arbeit sparen.

VORS. DR. MAYNTZ: Aber nicht zum BND! Nur einmal, um das klarzumachen.

SRS’IN WIRTZ: Auch das. Aber das ist ein anderes Thema. Das wollen wir hier nicht weiter erörtern.

Ich kann Ihnen hier keinerlei klare Listen derer geben, die nicht ausgespäht werden, weil ich, wie gesagt, denke, dass der Umfang der Liste derer, die nicht ausgespäht werden, einfach viel zu lang wäre. Insofern bleibt mir nur das, was ich eben schon auf die Frage geantwortet habe. Wenn man jetzt nämlich sozusagen die Medaille wieder umdreht und fragt, wer ausgespäht wird, sind das alles die Fragen, die praktisch in den parlamentarischen Kontrollgremien beantwortet werden müssen und die dort auch behandelt werden. Ich kann nur noch einmal sagen, dass die politische Aufklärung von Partnerstaaten oder entsprechenden internationalen Organisationen nicht in das Auftragsprofil des Bundesnachrichtendienstes gehört.

VORS. DR. MAYNTZ: Herr Wonka mit der letzten Frage. Herr Schäfer hatte noch etwas zu sagen?

DR. SCHÄFER: Herr Jung hatte eine Frage gestellt, auf die ich noch nicht geantwortet hatte. Er wird ganz böse, wenn ich sie nicht beantworte.

SRS’IN WIRTZ: Er schaltet den BND ein.

DR. SCHÄFER: Ich bin nicht in der Lage, Ihnen zu sagen, Herr Jung, wie die Mitarbeiterschar in der Zentrale des Auswärtigen Amtes oder den Auslandsvertretungen auf diese Nachricht von ARD oder RBB reagiert hat. Ich kann Ihnen sagen, dass das Thema heute Morgen ganz kurz in der Direktorenrunde um 9 Uhr zur Sprache gekommen ist. Ich hatte wegen der Agenda des Ministers keine Gelegenheit, heute Morgen mit ihm zu sprechen und seine persönlichen Befindlichkeiten dazu abzufragen. Aber ich glaube, wie gesagt, nicht, dass irgendjemand im Auswärtigen Amt erwarten würde, vom BND abgehört zu werden. Nur: Das Auswärtige Amt und seine Mitarbeiter sind sich des Umstands bewusst, dass es von vielen Seiten, insbesondere von Nachrichtendiensten von anderen Staaten, ein großes Interesse daran gibt, zu erfahren, was wo wie von wem gedacht wird. Es ist sozusagen Teil unserer beruflichen DNA, das bei allem, was wir tun und wie wir kommunizieren, in Rechnung zu stellen.

FRAGE WONKA: Frau Wirtz, gilt für die Bundeskanzlerin noch ihre Feststellung „Ausspionieren unter Freunden geht gar nicht“?

Wenn dieser Satz noch gilt, wovon ich zunächst einmal jetzt ausgehe, was hat dann die Bundeskanzlerin unternommen, als sie in den letzten vier Wochen Bescheid wusste, dass beispielsweise ein deutscher Diplomat durch den BND ausgespäht worden sein sollte? Was hat sie als Kanzlerin unternommen, um ihrem Wort Glaubwürdigkeit zu vermitteln?

SRS’IN WIRTZ: Erst einmal: Wie Sie ganz richtig annehmen, gilt das Diktum der Kanzlerin.

Zweitens habe ich ja eben schon ausgeführt, dass der Sachverhalt, der hinter diesen verschiedenen Pressemeldungen steht, insgesamt aufgeklärt wird, in dieser Aufklärung und auch in der Forderung nach effizienter Aufklärung natürlich auch das Kanzleramt involviert ist und dass nach entsprechenden Erkenntnissen die entsprechenden parlamentarischen Ausschüsse und Gremien unterrichtet werden.

ZUSATZFRAGE WONKA: Aber Regierungshandeln hat sich daraus nicht ergeben?

SRS’IN WIRTZ: Was macht denn das Kanzleramt? Ist das nicht auch Regierungshandeln?

ZUSATZ WONKA: Ich weiß ja nicht, was das Kanzleramt in der Sache unternommen hat.

SRS’IN WIRTZ: Es geht zunächst einmal, wenn es um solche Sachverhalte geht, um eine lückenlose Aufklärung des Sachverhalts. Das ist durchaus eine Aufforderung und Forderung des Kanzleramtes gewesen. Deshalb geht es jetzt darum, diesen Sachverhalt lückenlos aufzuklären und dann, wenn sich irgendwelche Defizite daraus geben, diese entsprechend zu beheben. Das sehe ich schon als Regierungshandeln an.

FRAGE VON MALLINCKRODT: Ich kann mich ganz kurz der Frage anschließen. Noch einmal zurück zu dem Satz von vor zwei Jahren: Sie sagen, der gilt nach wie vor, aber eben nicht absolut, sondern nur unter bestimmten Bedingungen. Könnten Sie den Satz vielleicht doch noch einmal im Lichte der neuesten Erkenntnisse aktualisieren?

SRS’IN WIRTZ: Nein, das fällt mir schwer. Der Satz als solcher und das Diktum der Kanzlerin gelten. Jetzt gibt es Sachverhalte, die Anlass dazu gegeben haben, aufzuklären, was beim Geheimdienst, beim Bundesnachrichtendienst abgelaufen ist, wie sozusagen die Abläufe dort waren. Deshalb geht es darum, so es dort Defizite gibt, diese aufzuklären und dann entsprechende Schlüsse zu ziehen. Insofern steht der Satz der Bundeskanzlerin nach wie vor. Das ist auch der Anspruch, der dahinter steht.

FRAGE JUNG: Frau Wirtz, Sie sprechen gerade davon, Defizite aufzuklären. Vor einem halben Jahr hat Herr Seibert hier gesessen und hat verkündet, dass organisatorische Defizite festgestellt worden sind. Können Sie kurz ausführen, was das für organisatorische Defizite im BND waren, ob sie mittlerweile behoben worden sind und was das zur Folge hat?

SRS’IN WIRTZ: Herr Jung, man muss hier zwei verschiedene Sachverhalte auseinanderhalten. Es geht einmal um die eigene Aufklärung des BND, und in dem anderen Fall, wo Sie zu Recht auf die Pressemitteilung von Herrn Seibert aus dem April verweisen, ging es um die Frage, inwieweit es eine Zusammenarbeit mit der NSA gegeben hat. Das sind ja zwei verschiedene Sachverhalte, die wir auseinanderhalten müssen. Was diese Aufklärung anbelangt, haben wir als Bundesregierung im Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Berichts von Dr. Graulich, der ja vor zwei Wochen vorgestellt worden ist, deutlich gemacht, welche organisatorischen Maßnahmen damit einhergehen. Die haben wir auch in der Pressemitteilung vor zwei Wochen, vor zehn Tagen ich weiß nicht mehr genau, wann es war entsprechend veröffentlicht.

ZUSATZFRAGE JUNG: Ich habe noch eine Frage zu Herrn Graulich. Dieser hat dem Kanzleramt einen speziellen Bericht gegeben, in dem noch mehr als in dem Bericht steht, den die Abgeordneten bekommen haben. Ist davon auszugehen, dass das, was wir heute gelernt haben, schon in dem Bericht stand und Sie das schon

SRS’IN WIRTZ: Entschuldigung, Herr Jung, aber das ist sozusagen das, was ich am Anfang gesagt habe. Wir müssen hier zwei Dinge auseinanderhalten.

ZURUF JUNG: Die BND-Arbeit und die BND-Arbeit.

SRS’IN WIRTZ: Genau. Es gibt eine Bezugsgröße. Das ist praktisch das, was Herr Graulich im Zusammenhang mit der NSA aufgeklärt hat und wozu wir einen vollständigen Bericht vorliegen haben. Es gibt andere Sachverhalte, die sich auf die eigene Arbeit des BND beziehen. Diese beiden Sachverhalte müssen wir auseinanderhalten.

ZUSATZ JUNG: Aber es geht doch jeweils um die Arbeit des BND.

SRS’IN WIRTZ: Richtig.

FRAGE HELLER: Herr Dimroth, Sie haben es sicherlich schon einmal genannt. Mich würde in Verbindung mit dem Komplex Dublin einmal interessieren: Wie viele von den nach Deutschland kommenden Flüchtlingen sind eigentlich zuvor schon einmal in einem anderen EU-Land registriert worden? Wie ist da die Grundgesamtheit?

Mich würde zum Zweiten interessieren vielleicht kann auch die Sprecherin des Vizekanzlers helfen , ob es im Kabinett angemeldet Gesprächsbedarf zu dieser Veränderung im Umgang mit syrischen Flüchtlingen unter dem Stichwort „Dublin“ gegeben hat.

Drittens. Frau Wirtz, wenn ich mir den Zeitablauf anschaue, täuscht der Eindruck, dass sich im Kurs in der Flüchtlingspolitik der Kanzlerin die Veränderung von einem klaren Willkommen bis heute zu einer Dominanz des Wortes Begrenzung ergeben hat?

SRS’IN WIRTZ: Ich fange einmal mit dem Kabinett an. Weil die Kollegin aus dem Bundeswirtschaftsministerium nicht dabei sein konnte, sage ich kurz dazu etwas:

Im Kabinett hat diese Frage keine Rolle gespielt und ist dort nicht diskutiert worden.

Zu dem ganzen Komplex Dublin-III-Verordnung: Es ist so, dass wir im Grunde genommen eine europäische Rechtsordnung haben, die eben auch Dublin-III umfasst. Darauf, dass diese Dublin-III-Verordnung und die Regeln, die sich im europäischen Asylrecht in diesem Zusammenhang stellen, gelten, auch nach wie vor Geltung haben, hat beispielsweise auch ein Eckpunktepapier verwiesen, auf das sich der Koalitionsausschuss am 6. September 2015 geeinigt hat und auch da noch einmal betont hat, dass Dublin-III grundsätzlich gilt.

Jetzt ist es so, dass diese Dublin-III-Verordnung eine Möglichkeit vorsieht das sogenannte Selbsteintrittsrecht , die es ermöglicht, von den grundsätzlich geltenden Regelungen, dem grundsätzlich geltenden Mechanismus im Zusammenhang mit Dublin-III abzuweichen und ein Selbsteintrittsrecht gegenüber diesen Flüchtlingen wahrzunehmen.

Es ist so, dass das BAMF – das kann Herr Dimroth gleich noch einmal konkreter ausführen – im August dieses Jahres von diesem Selbsteintrittsrecht Gebrauch gemacht hat und das BMI jetzt zu der grundsätzlichen Geltung von Dublin-III zurückkehrt. Das ist im Grunde das, was rechtlich-faktisch verwaltungstechnisch passiert ist. Das hat nichts damit zu tun, dass sich in irgendeiner Form die politische Richtung geändert hat und sich die Willkommenskultur oder Ähnliches in Deutschland verändert hätte.

Herr Dimroth kann das sicherlich noch einmal besser im Detail ausführen und konkreter machen.

DR. DIMROTH: Vielen Dank; jedenfalls kann ich den Versuch unternehmen.

Es richtig, dass, wie gerade Frau Wirtz ausgeführt hat und wie Sie auch alle wissen, seit August das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge von dem in der Dublin-Verordnung vorgesehenem sogenannten Selbsteintrittsrecht zugunsten hier ankommender syrischer Flüchtlinge Gebrauch gemacht hat. Diese Praxis – jetzt zitiere ich; was, sage ich Ihnen gleich – „diente dem Zweck, bestehende verfahrensökonomische Engpässe auszugleichen. Ziel der vorübergehenden Grenzkontrollen ist es, bei derzeitigem Zustrom nach Deutschland wieder zu einem geordneten Verfahren bei der Einreise und der Durchführung von Asyl zurückzukehren. Zu geordneten Verfahren gehören auch die Registrierung in dem zuständigen Mitgliedstaat sowie gegebenenfalls die Durchführung von Rücküberstellung nach der Dublin-Verordnung.“

Das war ein Zitat aus der Beantwortung einer schriftlichen Frage, die von der Bundesregierung Anfang Oktober beantwortet wurde.

Zu der Frage Zahlen, Herr Heller: Es ist so, dass wir selbstverständlich davon ausgehen, dass sich grundsätzlich alle Mitgliedstaaten an die rechtlichen und humanitären Verpflichtungen, die gelten, halten. Dazu gehört eben auch das, was in der Dublin-Verordnung steht. Danach sind eben alle Mitgliedstaaten verpflichtet, ankommende Schutzsuchende ordnungsgemäß zu registrieren.

Wir nehmen wahr, dass dies nicht in allen Fällen geschieht, sodass eine zahlenmäßige Prognose für die Zukunft, in wie vielen Fällen bei syrischen Flüchtlingen zukünftig nunmehr ein solcher sogenannter EURODAC-Treffer, also ein klarer Nachweis, dass in einem anderen Mitgliedstaat bei Ersteintritt in die Europäische Union registriert wurde, festzustellen ist, sich – Stand heute nicht in Zahlen valide prognostizieren lässt.

VORS. DR. MAYNTZ: Kann das Wirtschaftsministerium ergänzen?

MOITEAUX: Wir kommentieren regierungsinterne Beratungen grundsätzlich nicht.

ZUSATZFRAGE HELLER: Nur, damit ich das richtig verstehe: Frau Wirtz, Sie sagen: An der Linie der Kanzlerin, an der Willkommenskultur hat sich nichts geändert und es ist nicht so, dass die Begrenzung im Vordergrund steht und damit ein Kurswechsel stattgefunden hat.

Herr Dimroth, Sie sagen, Sie haben keine Zahlen. Sie sagen, Vereinbarung ist, dass so vorgegangen wird, registriert wird. Dazu, wie es tatsächlich ist, haben Sie kein Zahlenmaterial. Sie haben nur die Vermutung bzw. die Beobachtung, dass bei vielen die Registrierung vorher in einem anderen EU-Staat nicht vorgenommen wurde.

SRS’IN WIRTZ: War das eine Frage an mich?

ZUSATZ HELLER: Ja, das erste. Sie hatten das etwas indirekt gesagt. Hat sich bei der Kanzlerin in ihrem Kurs von Willkommen zu Begrenzung etwas verschoben?

SRS’IN WIRTZ: Nein, das hat es nicht. Ich kann Ihnen sagen ich hatte gehofft, dass ich das eben zum Ausdruck gebracht hatte , dass es darum geht, dass es europäisches Recht gibt. Dieses europäische Recht ist vielleicht nicht nur vielleicht, sondern sicherlich in einigen Punkten korrekturbedürftig. Die Bundeskanzlerin hat bei verschiedenen Gelegenheiten immer wieder angemerkt, dass es gerade im Zusammenhang mit der Dublin-III-Verordnung Korrekturbedarf gibt, weil eben dieser Verteilungsmechanismus und das Solidarprinzip, das ja eigentlich auch in Europa gilt und Ausdruck dieser europäischen Regelung sein sollte, so nicht greift. Deshalb gibt es europäische Regelungen, die reformbedürftig sind. Aber sie gelten und sie sind nicht aufgehoben. Jetzt gab es nur diese Dublin-III-Verordnung. Da gibt es eben einen Punkt, den man wahrnehmen kann, nämlich das Selbsteintrittsrecht, bei dem es eine entsprechende Entscheidung des BAMF gab. Diese Entscheidung ist jetzt wiederum neu getroffen worden, sodass man zu einer anderen Praxis zurückkehrt. Aber nichtsdestotrotz gilt das europäische Asylrecht.

DR. DIMROTH: Wenn ich ergänzen darf: Das galt natürlich die ganze Zeit. Wir haben versucht, das immer sehr deutlich zum Ausdruck zu bringen, auch wenn die Rezeption teilweise war, dass die Dublin-Verordnung ausgesetzt wird. Das war zu keinem Zeitpunkt der Fall, sondern die Dublin-Verordnung selbst sieht eben gerade das Instrument des sogenannten Selbsteintritts vor, von dem im Übrigen auch in einem anderen Kontext Gebrauch gemacht wird. Beispielsweise finden, wie Sie vielleicht wissen, keinerlei Rücküberstellungen nach Griechenland statt und daran wird sich auch nichts ändern , weil dort bestimmte Standards aus unserer Sicht nicht in der Art in den Asylverfahren eingehalten werden, dass eine Rücküberführung dorthin zumutbar wäre.

Insofern kann ich das nur noch einmal unterstreichen: Es ist eine zeitmäßige Aussetzung in Form der Ausübung des Selbsteintrittsrechts für hierher kommende syrische Flüchtlinge gewesen, insbesondere aus verfahrensökonomischen Gründen, von denen man letztlich im Zuge der Wiedereinführung temporärer Grenzkontrollen Abstand nimmt, um mehr Ordnung in die Prozesse zu bekommen und wieder zu dem ganz normalen, im geltenden Recht vorgesehenen Grundsatz zurückkehrt und prüft, ob ein sogenannter Dublin-Fall vorliegt, also ein entsprechender Treffer in den dafür etablierten europäischen Datenbanken generiert werden kann, um dann selbstverständlich nicht in Form eines Automatismus eine Rückführungs- oder Zurückweisungsentscheidung zu treffen, sondern um dann selbstverständlich im Rahmen einer Ermessensprüfung in jedem Einzelfall zu entscheiden, ob eine Rücküberführung stattfindet.

Herr Heller, das wird sicher nicht alle Flüchtlinge betreffen. Es wird sicher auch keine verschwindend geringe Zahl sein. Sie fragten vorhin in Ihrer ersten Frage nach einer Prognose. Die habe ich mit einer entsprechenden Begründung verneint.

In Ihrer zweiten Frage hatten Sie nach Zahlen aus der Vergangenheit gefragt. Die gibt es. Ich könnte, wenn wir kurz „unter drei“ gehen, eine Zahl aus der vergangenen Woche nennen. Ich möchte deswegen „unter drei“ gehen, weil das natürlich sozusagen nur eine Momentaufnahme ist, um Ihnen aber jedenfalls eine Größenordnung mit auf den Weg zu geben.

VORS. DR. MAYNTZ: Wir sind jetzt „unter drei“.

(Es folgt ein Teil „unter drei“)

VORS. DR. MAYNTZ: Dann kehren wir zurück zu „unter eins“.

FRAGE WONKA: Herr Dimroth, Sie verwiesen gerade auf verfahrensökonomische Gründe, die zu dieser pauschalen Bewertung von Flüchtlingsfällen geführt hat. Nun hat Herr Weise gestern in der Unionsfraktion und in der SPD-Fraktion nach Aussagen von Teilnehmern erklärt, dass zum Ende des Jahres eine Million unerledigter Anträge bei den Entscheidern lägen. Können Sie mir vor dem Hintergrund die Logik Ihres Handelns erklären? Wenn wir nach Herrn Weise zum Ende des Jahres eine Million Rückstau haben, welche Leute sollen dann eine verschärfte Einzelfallprüfung durchführen? Stehen die, die jetzt dazu kommen, vorn oder stehen die hinten an? Wie denkt sich das der Minister?

Die zweite Frage in dem Zusammenhang: Gestern wurde erklärt, der Bundesinnenminister erteilt nun einmal in der Woche vor den Fraktionsspitzen Bericht. Können Sie mir sagen, wieso das nicht der Flüchtlingskoordinator der Regierung, sondern der Innenminister macht und ob er dazu bereit ist?

DR. DIMROTH: Vielen Dank! Zu der ersten Frage: Um das noch einmal ganz klar zu machen: Es findet keine verschärfte Einzelfallprüfung statt, sondern es findet der Abgleich mit einer dafür etablierten und funktionierenden europäischen Datenbank statt. Es ist zunächst kein besonders großer Verwaltungsaufwand, der dadurch produziert wird. Ein gewisser Verwaltungsaufwand resultiert dann, wenn man dieses Verfahren, das ich beschrieben habe, durchläuft, weil es immer eine Einzelfallprüfung voraussetzt. Der erste Schritt ist jedenfalls ohne Aufwand, jedenfalls ohne nennenswerten. Das weitere Verfahren produziert dann einen gewissen Aufwand. Das ist so.

Ich hatte vorhin ja ausgeführt, dass letztlich die Entscheidung, zu dem Dublin-Verfahren in vollem Umfang zurückzukehren, im Zuge der Wiedereinführung der Grenzkontrollen eingeführt worden ist. Davon hat sich das Bundesinnenministerium, wie auch mehrfach erläutert und erklärt, insgesamt einen gewissen Zuwachs an Ordnung in dem ganzen Verfahren versprochen. Genau ein Baustein, um zu mehr Ordnung in diesem ganzen Verfahren zu kommen, ist auch, dass für alle ohne Ansehung des Herkunftslandes die geltenden europäischen Regelungen zur Geltung gebracht werden.

Ein Punkt ist auch wichtig, nämlich dass wir seit Wiedereinführung der Grenzkontrollen insgesamt auch ein gutes Stück an Hoheit in den Verfahren zurückgewonnen haben, insbesondere was die Registrierung betrifft, sodass nunmehr ein Zeitpunkt gekommen ist, wo man sinnvollerweise sagen kann: Eine Binnendifferenzierung bei der Frage, ob wir geltendes europäisches Recht anwenden, ist nicht mehr geboten.

Zu Ihrer zweiten Frage, ob möglicherweise jemand anderes dort hätte adressiert werden müssen: Sie müssen die Frage denjenigen stellen, die offensichtlich diese Einladung ausgesprochen haben. Ich kann Ihnen nur sagen, dass das möglicherweise in der Tonalität etwas überhöht dargestellt wurde. Es gibt regelmäßig – das ist auch gute Tradition und sehr sinnvoll – in Sitzungswochen einen Austausch des zuständigen Innenministers mit Vertretern der zuständigen Arbeitsgruppen der Koalitionsparteien. Im Rahmen dieses regelmäßig stattfindenden Austausches hat man nun vereinbart, dass man, ebenso wie beispielsweise im Kabinett, regelmäßig auch den Tagesordnungspunkt Flüchtlinge besprechen will. Das ist alles, was hinter dieser, wie gesagt, in der Sprache vielleicht etwas überhöhten Zitierung oder Berichtspflicht des Bundesinnenministers steckt. Es ist nicht mehr und nicht weniger, dass man vereinbart hat, gemeinsam bei den ohnehin stattfindenden etablierten regelmäßigen Treffen, die sehr viel Sinn machen, nunmehr immer auch den Tagesordnungspunkt Flüchtlinge zu besprechen.

ZURUF WONKA: Also eigentlich in der Sache nichts Neues, weil es ja schon praktiziert wird!

DR. DIMROTH: Na ja, Sie können sich denken, dass in diesen Kreisen in den vergangenen Wochen dieses Thema ohnehin immer eine Rolle gespielt hat. Aber ähnlich wie im Kabinett hat man sich halt darauf verständigt, dass man nunmehr einen ständigen Tagesordnungspunkt Flüchtlingspolitik bespricht.

FRAGE BLANK: Frau Wirtz, die Frage, die sich nach den Ereignissen von gestern und der vergangenen Tage aufdrängt, ist: Wenn wir von dem 21. Oktober ausgehen, an dem Dublin wieder anders angewandt wird, wann ist denn Frau Merkel und wann Herr Altmaier informiert worden?

Herr Dr. Schäfer, wann wurde denn Herr Steinmeier darüber informiert, dass man jetzt neu vorgeht?

SRS’IN WIRTZ: Ich habe ja gerade ausgeführt, dass vom Grundsatz her die Anwendung europäischen Rechts nichts ist, was in irgendeiner Form irgendeinen der Kabinettsmitglieder überrascht hätte. Sondern man hat sich auch – das habe ich ja gerade vorgetragen – im Koalitionsausschuss am 6. September explizit darauf verständigt, dass vom Grundsatz her diese Dublin-III-Verordnung gilt.

Diese Frage, die Herr Dimroth jetzt ausgeführt hat, betrifft vor allem eine Verwaltungspraxis durch das BAMF. Das hat der Bundesinnenminister in seiner Ressortverantwortlichkeit getan und das ist dann auch ein Fakt, über den das Bundeskanzleramt, die Bundeskanzlerin, der Koordinator nicht im Einzelnen informiert werden muss.

DR. SCHÄFER: Ich vermute, dass Außenminister Steinmeier, wie viele andere auch, davon in der gestrigen Fraktionssitzung der SPD-Fraktion erfahren hat.

ZUSATZFRAGE BLANK: Wenn ich davon ausgehe, dass das jetzt das Verfahren mit Einzelfallprüfungen ist, das in der vergangenen Woche von Herr Seibert dementiert worden ist, dann verstehe ich nicht, warum das sozusagen Bringen Sie Aufklärung da hinein!

Noch einmal eine Nachfrage zu dem Ersten: Die Kanzlerin ist nicht am 21., 22. und 23. informiert worden, sondern in der vergangenen Woche, als die Dreier-Gespräche über das neue Verfahren waren?

SRS’IN WIRTZ: Nein, nein. Ich glaube, jetzt müssen wir ein paar Sachen auseinanderhalten. Es sind absolut zwei verschiedene Sachverhalte; das kann sicherlich Herr Dimroth gleich noch einmal kurz ausführen.

Ich habe gesagt, dass in den Eckpunkten im Koalitionsausschuss, und zwar am 6. September, niedergelegt worden ist, dass grundsätzlich europäisches Recht, die Dublin-III-Verordnung gilt. Jetzt haben wir eben auch schon ausgeführt – Herr Dimroth und ich auch , dass diese Dublin-III-Verordnung das sogenannte Selbsteintrittsrecht vorsieht. Dieses Selbsteintrittsrecht hat praktisch das BAMF in seiner Verwaltungspraxis über einen bestimmten Zeitraum – vom 25. August bis zum 21. Oktober – aufgegriffen. Jetzt nimmt es dieses Selbsteintrittsrecht nicht mehr in vollem Umfang so wahr wie in diesem Moratorium, das Herr Dimroth gerade genannt hat. Das ist die Sachlage. Das ist etwas, was das BAMF anbelangt und konkret in der Ressortzuständigkeit des Bundesinnenministers liegt.

ZUSATZFRAGE BLANK: Noch einmal ganz zur Sicherheit: Altmaier und die Kanzlerin sind darüber nicht informiert worden?

SRS’IN WIRTZ: Nein. Das ist in der Ressortverantwortlichkeit des BMI gelaufen. Das ist auch kein Faktum, über das im Einzelnen das Kanzleramt oder die Bundeskanzlerin persönlich informiert werden müsste.

DR. DIMROTH: Wenn ich vielleicht klarstellend hinzufügen darf, dass nicht zwei Dinge durcheinandergeraten: Das, worüber letzte Woche diskutiert wurde, betrifft, wenn man so will, die Begründetheitsprüfung, also wie tief schaue ich in die Begründetheit eines vorgebrachten Schutzgrundes? Mache ich das wie bisher bei den Syrern, indem ich ein schriftliches Verfahren durchlaufe, an dessen Ende grundsätzlich die Anerkennung als Flüchtling steht? Darüber gab es letzte Woche Irritationen; die sind ausgeräumt.

Wenn wir über das Dublin-Verfahren reden, sind wir, wenn man so will, bei der Zuständigkeit. Ist die Bundesrepublik Deutschland überhaupt zuständig für die Durchführung eines Asylverfahrens? Nach geltendem europäischen Recht ist sie das nicht, wenn ein anderer europäischer Mitgliedstaat entsprechend einen dort ankommenden Flüchtling registriert hat.

Das sind also zwei Ebenen, die zugegebenermaßen thematisch natürlich irgendwie eine gewisse Nähe haben, wo aber doch fachlich ein großer Unterschied dazwischen liegt.

FRAGE LANGE: Ich möchte noch einmal die Frage des Kollegen Wonka aufgreifen. Herr Dimroth, mir ist immer noch nicht ganz klar, warum die Anwendung des Selbsteintrittsrechts für syrische Flüchtlinge aufgehoben wurde. Neben dem verfahrenstechnischen Teil wurde uns von ihrem Haus hier am 26. August mitgeteilt, es sei auch die anerkennenswert drastische humanitäre Lage in Syrien, die eben zur Anwendung dieses Rechts geführt habe und man könne den Syrern schlichtweg solch ein Verfahren nicht zumuten. Nach meinem Kenntnisstand hat sich an der Lage in Syrien nichts geändert. Also warum? Ich verstehe es nicht.

DR. DIMROTH: Ich hatte zu Beginn die Beantwortung eine schriftliche Frage der Bundesregierung zitiert, wo ganz klar im Fokus der Begründung für die zwischenzeitliche Ausübung des Selbsteintrittsrechts auf verfahrensökonomische Engpässe rekurriert wurde. Das war auch der tragende Grund, warum man dieses Verfahren eine Zeit lang so, wie von mir beschrieben, durchgeführt hat.

Ich hatte auch ausgeführt, dass wir inzwischen ein gutes Stück bei den Fragen Verfahrenseffektivierung, Verfahrensdauer und all diesen Punkten weiter sind, wenn auch noch lange nicht so weit, wie wir sein wollen. Wir sind jedenfalls doch ein gutes Stück weiter, sodass dieses tragende Argument der verfahrensökonomischen Engpässe nicht mehr in dieser Breite jedenfalls trägt, sodass man zu der Entscheidung gekommen ist, letztlich im Zuge der Wiedereinführung der Grenzkontrollen und der damit verbundenen Intention, insgesamt mehr Ordnung in die Verfahren zu bekommen und auch hier das geltende Recht, das im Grundsatz für alle jederzeit geltende Recht, wieder voll zur Anwendung zu bringen.

ZUSATZFRAGE LANGE: Entschuldigung, das war nicht die Frage. Ich kann es auch gerne alles vorlesen. Hier in der Regierungspressekonferenz am 26. August hieß es – ich glaube, das waren sogar Sie selber : „Es gibt für die Anwendung dieses Selbsteintrittsrechts zweierlei Gründe.“ Der eine Grund waren verfahrenstechnische Sachen und der andere Grund war die schlimme Lage in Syrien. Dieser Grund besteht ja weiterhin. Was hat an dieser Stelle ein Umdenken bei Ihnen im Ministerium gebracht?

DR. DIMROTH: Ich hatte ja gerade ausgeführt, dass aus unserer Sicht jedenfalls einer der beiden Gründe tragend ist. Dieser stellt sich heute anders als Ende August dar. Wenn einer von zwei Gründen für eine Entscheidung sich schon einmal anders darstellt, muss die Entscheidung im Lichte dieser Veränderung nicht fortdauernd gleich bleiben.

FRAGE DR. DELFS: Ich hätte eine Verständnisfrage. Diese Rückkehr zu dem normalen vollständigen Dublin-Verfahren scheint im Grunde genommen von der Sache her gar nicht so viel Unterschied zu machen. Die Rückkehrzahlen oder die Rückführungszahlen sind ja offenbar sehr gering.

Was hat den Minister bewogen, trotzdem wieder dieses Verfahren im vollen Umfang anzuwenden, wenn es doch eigentlich in der Sache offenbar gar nichts bringt?

Eine dritte, eher kommunikative Frage: Es ist seit Tagen immer wieder so, dass im Grunde genommen aus dem Bundesinnenministerium irgendwelche Maßnahmen bekannt werden, die schon ein bisschen älter sind, die man nicht kannte, die auch viele gar nicht kennen und immer insbesondere in der SPD ganz gereizt darauf reagiert wird. Haben wir in den nächsten Tagen noch weiter Überraschungen zu erwarten? Kommen noch irgendwelche anderen Maßnahmen, die man jetzt auch nicht kannte und wo auf einmal auch herauskommt, dass sie eigentlich auch schon geändert wurden, es aber nur keiner wusste?

DR. DIMROTH: Zu Ihrer ersten Frage: Ich habe hier nicht gesagt – nicht, dass ich falsch verstanden werde , dass das nichts bringt. Das waren Ihre Worte. Ich habe gesagt: Es wird sicher längst nicht alle zu uns kommenden Flüchtlinge betreffen, und es wird auch keine verschwindend geringe Zahl von Menschen betreffen, sondern es wird eine Zahl sein, die dazwischen liegt. Das ist deutlich ein Unterschied zu: das bringt nichts.

Ehrlich gesagt kann ich Ihre Grundsatzfrage nicht ganz nachvollziehen. Die Entscheidung, geltendes europäisches Recht zur Anwendung zu bringen, bedarf eigentlich im normalen Ablauf keinerlei gesonderten Begründung, sondern sollte der Regelfall sein. Genau zu diesem Regelfall ist man jetzt wieder zurückgekehrt.

ZUSATZ DR. DELFS: Vorher wurde doch ausdrücklich erklärt, dass man nicht mehr in vollem Umfang dieses Verfahren anwendet. Dann müsste man doch umgekehrt, wenn es doch wieder voll angewandt wird, logischerweise das auch erklären.

DR. DIMROTH: Das war das Bemühen meiner diversen Ausführungen, die ich sozusagen auf Fragen Ihrer Kolleginnen und Kollegen unternommen habe. Wir sind ein gutes Stück weiter. Wir sind mit der Wiedereinführung der Grenzkontrollen ein gutes Stück weiter, was die Ordnung in den Prozessen anbetrifft. Es erschließt sich nicht, warum man auf Dauer von dem europäischen geltenden Recht – was ja im Ergebnis dann bedeutet, dass nach Durchführung einer Einzelfallprüfung im Einzelfall Menschen in ein anderes europäisches Mitgliedsland, ja nicht in ihr Herkunftsland, zurückgeführt werden – nicht Gebrauch machen sollte.

VORS. DR. MAYNTZ: Die Frage nach der Kommunikation und den weiteren Überraschungen?

DR. DIMROTH: Ich hatte zu Beginn meiner Ausführungen hier auf eine Beantwortung einer schriftlichen Frage der Bundesregierung verwiesen, die Anfang Oktober erfolgt ist. Insofern gab es durchaus Möglichkeiten, das schon ein Stück weit wahrzunehmen. Aber gehen Sie davon aus, dass Sie, wenn sozusagen wesentliche Änderungen oder wesentliche Dinge im Zusammenhang mit der Flüchtlingsthematik anstehen, in einem geordneten Verfahren darüber in Kenntnis gesetzt werden.

FRAGE SIEBERT: Erst einmal eine technische Bitte: Haben Sie zu der Beantwortung der schriftlichen Frage eine Drucksachennummer parat? Das würde die Arbeit erleichtern.

Die eigentliche Frage: Was ich jetzt nicht mehr verstehe ist, warum sich die Rückkehr zu einem rechtsförmigen, ordentlichen Handeln in Sachen Dublin-III-Verordnung sozusagen im Bereich der Ressortzuständigkeit befindet und sozusagen keine große Sache ist, die Rückkehr zur rechtsförmigen Handhabung der Einzelfallprüfung von syrischen Flüchtlingen aber offensichtlich die Ressortkompetenzen überschreitet und für große Aufregung innerhalb des Kabinetts sorgt einschließlich des Rückpfiffs an den Innenminister am Freitagabend. Frau Wirtz oder Herr Dimroth, vielleicht können Sie einmal differenzieren, wie diese vergleichbaren einfachen Entscheidungen im Sinne einer Rückkehr zum geltenden Recht so unterschiedlich angesehen werden?

SRS’IN WIRTZ: Ich kann gerne anfangen; vielleicht möchte Herr Dimroth dann ergänzen.

Ich sehe da schon zwei unterschiedliche auch vom Gewicht unterschiedliche Vorgänge und Sachverhalte. Das, was wir in der letzten halben Stunde ausgeführt haben, ist in der Tat eine Frage, die geltendes europäisches Recht betrifft, und alle sind sich einig, dass dieses geltende europäische Recht auch weiter gelten soll. Da gibt es auch das habe ich eben gesagt sicherlich Reformbedarf, und die Frage ist natürlich auch, inwieweit man die europäische Solidarität auch in diese rechtlichen Grundlagen einarbeiten kann. Vom Grundsatz her gilt aber europäisches Recht, und insofern ist das praktisch nur eine Norm damit wären wir wieder beim berühmten Selbsteintrittsrecht , die angewendet wurde und jetzt eben in der Verwaltungspraxis nicht weiter angewendet wird. Das ist das eine.

Bei dem anderen das hat Herr Dimroth eben ja auch schon angeführt geht es um die materielle Prüfung, die materielle Berechtigung von Flüchtlingen, hier zu sein, und vor allem um die Frage, mit welchem Status sie hier sind nämlich entweder nach Artikel 16 a des Grundgesetzes, nach der Genfer Flüchtlingskonvention oder mit subsidiärem Schutz. Daran knüpfen sich in der Sache ja durchaus unterschiedliche Rechtsfolgen. Insofern sind auch die Verfahren, wie man dorthin kommt nämlich einmal nur mit Anhörung und einmal in dem schriftlichen Verfahren , unterschiedliche. Nun war es so, dass in diesem ganzen Kontext, also als besprochen und beschlossen wurde auch mit dem BMI , dass man die Verwaltungspraxis hier ändert, eine politische Einigung fiel, die am vergangenen Donnerstag von den drei Parteivorsitzenden getroffen worden ist. Das heißt, an diesen verschiedenen Status wurden nach dieser Vereinbarung der drei Parteivorsitzenden auch unterschiedliche Folgen geknüpft, und dann hat das natürlich eine ganz andere Auswirkung auch eine politisch andere Auswirkung , als wenn wir die Verwaltungspraxis in der Form umsetzen, dass europäisches Recht wieder klar angewendet bzw. weiter ohne diese spezielle Norm, die das Selbsteintrittsrecht vorsieht, angewendet wird; das hat ja andere Konsequenzen auch politisch andere Konsequenzen.

ZUSATZ SIEBERT: In einem Fall werden die Leute wieder rausgeschmissen und im anderen Fall bekommen sie eine Einzelfallprüfung in Deutschland.

SRS’IN WIRTZ: Es geht nicht darum, irgendjemanden rauszuschmeißen. Es geht im Grunde darum, europäische Mechanismen weiter in Gang zu halten, europäisches Recht weiter anzuwenden, und es geht nicht darum, irgendjemanden rauszuschmeißen. Die Europäische Union hat sich auf bestimmte rechtliche Grundsätze geeinigt, deshalb gilt die Dublin-III-Verordnung. Das, und nur das, hat die Bundesregierung bzw. in diesem Fall das BMI als federführendes Ressort dann auch in der Verwaltungspraxis umgesetzt.

ZUSATZFRAGE SIEBERT: Habe ich das richtig verstanden: Sie möchten, dass das europäische Recht, so wie es die ganze Zeit gilt, wieder angewendet wird, dass aber das deutsche Recht, das vorübergehend nicht Anwendung findet nämlich die gesetzlich vorgeschriebene Einzelfallprüfung im Falle eines Antrags auf Flüchtlingsschutz in Deutschland , auch weiterhin keine Anwendung findet?

SRS’IN WIRTZ: Na ja, aber die Konsequenzen sind doch andere. Sagen wir es einmal so: Bei den syrischen Flüchtlingen geht der Verzicht auf die Anhörung ja mit einem höheren Schutzstatus einher. Das heißt, in dem Moment, in dem man praktisch eine direkte Anhörung macht, hat man dann die Möglichkeit, einen niedrigeren Schutzstatus zu verleihen, nämlich den subsidiären Schutz. Das hat doch unterschiedliche Konsequenzen.

ZUSATZ SIEBERT: Die eine Praxis ist rechtsförmig, die andere ist die Aussetzung der Rechtsförmigkeit. Die Einzelfallprüfung

VORS. DR. MAYNTZ: Wir sind jetzt bei einer Stunde und können jetzt nicht noch große Dialoge führen.

ZUSATZ SIEBERT: Wir können an den Stellen, an denen es heikel wird, auch aufhören, darüber zu diskutieren, aber ich finde es jetzt interessanter

SRS’IN WIRTZ: Nein, lieber Herr Siebert, es geht hier wirklich nicht darum

ZUSATZ SIEBERT: Nein, das ging jetzt an Herrn Mayntz, nicht an Sie, Frau Wirtz.

VORS. DR. MAYNTZ: Ist auch angekommen.

SRS’IN WIRTZ: Ich habe versucht, Ihnen rechtlich darzulegen soweit ich das kann , dass es praktisch um zwei verschiedene Sachverhalte geht. Man kann nur deshalb auf die Anhörung verzichten, weil man syrischen Flüchtlingen einen höheren Schutzgrad zugesteht. Im Sinne der Flüchtlinge ist das eine gute Errungenschaft. Insofern sind das zwei ganz unterschiedliche Sachverhalte.

ZUSATZ SIEBERT: Im Sinne der Flüchtlinge ist es ja auch gut, in Deutschland ein Verfahren zu haben und nicht in Griechenland. Aber ich beende jetzt meine Versuche.

VORS. DR. MAYNTZ: Ja, weil jetzt alle anderen auch noch vier Nachfragen haben. Herr Dimroth, bitte.

DR. DIMROTH: Ich habe die Drucksache nicht dabei, aber ich kann Ihnen sagen, dass das die Beantwortung einer Anfrage von MdB Singhammer vom 9. Oktober war. Die Drucksache lässt sich aber sicherlich unproblematisch nachreichen, wenn ich wieder im Büro bin (redaktionelle Anmerkung: Drucksache des Deutschen Bundestags 18/6403); das ergibt sich jetzt aus den mir hier vorliegenden Dokumenten nicht.

FRAGE JUNG: Zunächst einmal eine Verständnisfrage an Herrn Dimroth, um das einmal deutlich zu hören: Reicht dem Innenminister aktuell die Zahl der Syrer in Deutschland, will er also eigentlich gar keine Syrer mehr in Deutschland haben? Reicht es jetzt, ist für ihn jetzt das Boot an Syrern in Deutschland voll?

Frau Wirtz, um einmal zu den Vorteilen der Dublin-Regelung für Deutschland zu kommen: Wie kann ein Syrer jetzt eigentlich noch nach Deutschland kommen, ohne einfliegen zu dürfen oder einen anderen EU-Staat betreten zu haben?

DR. DIMROTH: Ich kann auf eine Reihe von öffentlichen Äußerungen des Bundesinnenministers dazu verweisen, zu denen sich in den jüngeren Tagen auch keine Meinungsänderung ergeben hat, und kann Ihre Frage, wenn Sie sie so zugespitzt stellen, mit Nein beantworten. Dem Bundesinnenminister ist völlig bewusst und er hat auch keine Intention, daran etwas zu ändern , dass die geltenden Regelungen des Flüchtlingsschutzes keine Obergrenze kennen. Insofern stellt sich diese Frage wie von Ihnen formuliert ohnehin nicht. Die Rückkehr zu geltenden europäischen Regelungen lässt sich meiner Meinung nach auch nicht so deuten wie von Ihnen in Ihrer Frage intendiert.

SRS’IN WIRTZ: Was die Frage anbelangt, wie Flüchtlinge nach Deutschland kommen, wenn man Dublin III anwendet: Dublin III wird derzeit nicht konsequent von allen europäischen Staaten angewandt, aber es ist durchaus ein Bestreben, dieses europäische Recht wieder anzuwenden. Sie wissen, dass es auch in der Vergangenheit verschiedene Möglichkeiten für syrische Flüchtlinge gab, nach Deutschland zu kommen zum Beispiel über Kontingente und ähnliches mehr. Im Moment sind wir aber einfach nur an der Stelle, dass europäisches Recht, das die ganze Zeit galt es ist sozusagen von einer einzelnen Regelung Gebrauch gemacht worden , auch weiter gilt.

ZUSATZFRAGE JUNG: Die Kontingente sind ja ausgeschöpft. Wie kann dieses Jahr noch ein Syrer nach Deutschland kommen, ohne einzufliegen und ohne einen anderen EU-Staat zu betreten?

Herr Schäfer, ich habe noch eine Frage zum Familiennachzug. Sie haben in den letzten zwei, drei Monaten ja immer wieder betont, dass es ja eine einmalige Sache auf der Welt sei, dass Deutschland den Familiennachzug anbietet bzw. auf jeden Fall zulässt. Ist es jetzt aus Sicht des Auswärtigen Amtes eigentlich ein Reputationsschaden, dass Deutschland jetzt auch damit aufhört, anstatt zum Beispiel die anderen europäischen Länder von dieser Großzügigkeit zu überzeugen?

SRS’IN WIRTZ: Erstens: Es gilt europäisches Recht. Zweitens muss es darum gehen, dass auch innerhalb der Europäischen Union die europäische Solidarität mit den Menschen, die auf der Flucht sind, noch weiter verstärkt wird und dass es da auch geeignete Verfahren geben muss, damit die Verteilungsmechanismen innerhalb von Europa besser funktionieren. Des Weiteren muss es darum gehen, die Dublin-III-Verordnung entsprechend zu ändern, weil sie eben nicht so funktioniert, wie das vorgesehen ist. Außerdem gibt es immer noch die Möglichkeit der Kontingente. Aber jetzt geht es erst einmal darum zu sagen: Wir wenden europäisches Recht an. Die Bundesregierung versucht auf den verschiedenen Ebenen auch, im Sinne der europäischen Solidarität für ganz Europa Lösungen zu finden; denn die Frage der Flüchtlinge ist eine Herausforderung, die ganz Europa angeht und nicht nur Deutschland.

DR. DIMROTH: In der Frage, wie syrische Flüchtlinge nach Deutschland kommen, hilft ein Blick auf die Landkarte und auf die bekannten Migrationsströme.

DR. SCHÄFER: Zum Familiennachzug: Es gibt keinen Stopp des Familiennachzugs, deshalb gibt es auch keinen Anlass, sich für irgendetwas zu rechtfertigen oder gar einen Reputationsverlust zu befürchten. Vielmehr gibt es die an dieser Stelle von mir in diesem und im vergangenen Monat schon sehr häufig angesprochenen Schwierigkeiten, Kapazitäten an den einschlägigen Auslandsvertretungen bereitzustellen, um einem gewissen Nachfragedruck von Angehörigen einer Kernfamilie von syrischen Flüchtlingen in einem überschaubaren Zeitraum Folge zu leisten.

Das gibt mir Anlass einfach nur, weil die Debatte über das Thema Familiennachzug über das Wochenende sehr heiß gelaufen ist , vielleicht nur einen kleinen Beitrag zur Versachlichung dieser Diskussion zu leisten, indem ich versuche das ist nicht so ganz einfach , Ihnen aus statistischen und vielleicht auch soziologischen Gründen einfach einmal Zahlen zu nennen. Im letzten Quartal, für das Daten verfügbar sind, also von August bis Oktober, sind bei uns jenseits von 400.000 Menschen etwa 450.000 Menschen angekommen. Bei den im Zusammenhang mit Familiennachzug erteilten Visa komme ich für das letzte Quartal, für das Zahlen verfügbar sind das ist der Zeitraum von Juli bis September dieses Jahres , etwa auf eine Zahl das ist ein bisschen schwierig, man muss da ein bisschen mit Annahmen operieren, weil es eben auch Türken, Libanesen oder Jordanier gibt, die über diese Auslandsvertretungen Familiennachzug betreiben von an die 6.000. Wenn Sie diese beiden Zahlen gegenüberstellen, mögen Sie die Dimension ermessen 6.000 im Vergleich zu 450.000; das sind etwa 1,3 Prozent.

Das bedeutet, ein Stopp des Familiennachzuges löst nicht ein Problem der Einreise von Flüchtlingen aus den vielen Gebieten, aus denen die Menschen zu uns kommen. Richtig ist aber, dass eingereiste Flüchtlinge in dem Moment, in dem sie bei uns einen bestimmten Status erreicht haben, nach den geltenden Regeln über die ja am vergangenen Donnerstag auch gesprochen worden ist einen Anspruch auf Nachzug von Teilen ihrer Familie, der sogenannten Kernfamilie, haben könnten, was in der Folge und in der Zukunft womöglich Zahlen auslösen könnte, die über das hinausgehen, was wir zurzeit haben und was ich Ihnen dargestellt habe.

ZUSATZFRAGE JUNG: Herr Dimroth, der Innenminister hat in diesem Zusammenhang ja von einer Multiplikation mit vier gesprochen. Können Sie einmal ausführen, wie er darauf kommt und welche Erkenntnisse ihn darauf bringen? Denn solche Zahlen höre ich ansonsten eigentlich nur von der AfD die dann vielleicht nicht mal vier, sondern mal fünf sagt, aber im Grunde ist das die gleiche Denke.

DR. DIMROTH: Herr Steiner hatte hier in der letzten Regierungspressekonferenz auch danach gefragt. Es ist so, dass es letztlich zunächst einmal genau so ist, wie Herr Schäfer es gerade ausgeführt hat. Richtig belastbare Zahlen im Sinne von Statistiken gibt es in diesem Kontext nicht. Es gibt aber sehr wohl Schätzungen von Experten, so unter anderem von dem ehemaligen Präsidenten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, der von genau diesem Faktor drei bis vier ausgegangen ist. Die Frage, wie viele nun tatsächlich davon Gebrauch gemacht haben, ist ja auch noch einmal von der Frage zu trennen, wie viele potenziell anspruchsberechtigt sind und erst recht von der Frage, wie viele derjenigen, die anspruchsberechtigt sind, auch erfolgreich von diesem Anspruch Gebrauch machen konnten; das ist dann sicherlich noch einmal eine dritte Kategorie.

Insofern kann ich das, was Herr Schäfer gesagt hat, nur unterstützen. Es gibt dazu in dem Sinne sicherlich keine abschließende statistische Betrachtung, aber es gibt Expertenauffassungen unter anderem die von mir gerade zitierte.

DR. SCHÄFER: Herr Jung, wenn Sie erlauben, kann ich versuchen, da vielleicht nur ein bisschen zur Versachlichung beizutragen. Ich glaube, ich kann Herrn Dimroth da nur zustimmen: Wir haben bei den Menschen, die zu uns kommen, letztlich keine hinreichenden Informationen darüber, was tatsächlich ihr Familienstand ist, was ihre soziale Situation ist und was ihr Alter ist. Aus diesen Informationen ergibt sich aber eine ganze Menge. Wenn von Multiplikatoren und von Kernfamilie die Rede ist, dann geht es doch im Wesentlichen um den Tatbestand von jungen und vielleicht auch älteren verheirateten Männern, die womöglich mit dem Ziel hierherkommen, ihre Frau und ihre Kinder nachzuziehen. Das ist doch aber nur ein Teil vielleicht ein bemerkenswerter, vielleicht ein erheblicher, ich weiß es nicht; aber jedenfalls nur ein Teil der Flüchtlinge, die zu uns kommen. Auch da will ich versuchen, zur Versachlichung der Debatte beizutragen. Ich will Ihnen die Details der statistischen Annahmen, die dahinerstehen, ersparen, aber wenn man versucht, aus der Zahl der Personen, die in Deutschland bereits einen bestimmten Status erworben haben, und der Zahl der sich daraus ergebenden Anträge auf Familiennachzug, einen Multiplikator herzuleiten, dann kommt man auf eine Zahl, die dramatisch unter der ist, von der Herr Dimroth gerade gesprochen hat.

FRAGE REIBLE: Frau Wirtz, Sie haben uns ja dargelegt, dass die Rückkehr zum geordneten Dublin-Verfahren eigentlich nur ein reiner Verwaltungsakt sei. Würde die Bundesregierung denn nicht sagen, dass das auch eine politische Dimension hat? Schließlich hat es, als am 26. August bekannt wurde, dass das Verfahren vorerst nicht angewendet wird, eine riesengroße Debatte nach sich gezogen, ob das jetzt ein falsch verstandenes Zeichen an die Flüchtlinge oder an die anderen EU-Länder ist. Es wurde damals sogar vom BAMF getwittert, dass für Syrer dieses Verfahren ausgesetzt ist. Warum spielen Sie das jetzt so herunter? Sehen Sie die politische Dimension da nicht, hat dieser Vorgang keine politische Dimension?

SRS’IN WIRTZ: Sie müssen selber beurteilen, wie Sie die Dimension dieses Vorgangs sehen. Ich kann Ihnen nur noch einmal deutlich machen und ich glaube, das ist keine große politische Sensation , dass die Bundesregierung sagt: europäisches Recht soll in Deutschland gelten, die Dublin-III-Verordnung soll gelten. Das ist das, was faktisch Konsens ist. Ich würde mich jetzt aber nur wiederholen. Insofern sehe ich die Tatsache, dass man sagt, dass europäisches Recht gilt und auch weiterhin gelten soll auch in diesem Kontext , jetzt nicht als besonders aufsehenerregend.

DR. DIMROTH: Wenn ich ergänzen dürfte: Wenn Sie die Tatsache, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bei der damaligen Entscheidung einen entsprechenden Tweet abgesetzt hat, zur Grundlage nehmen, daraus ein besonders politisches Gewicht dieses Vorgangs zu entnehmen, dann kann ich dieser Einschätzung jedenfalls nicht folgen. Ich bin mir sicher, dass jedenfalls zu geeigneten Zeitpunkt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auch über die Rückkehr zu der geordneten Verfahrensweise wieder einen Tweet absetzen wird. Insofern werden dann ja sozusagen die Verhältnisse wieder gewahrt. Aber auch bei dem damaligen Vorgang hat es keinen formalen Beschluss oder Ähnliches gegeben, der diese Verfahrenspraxis geändert hätte. Insofern kann ich sozusagen schon Ihren Ausgangspunkt gehobene Bedeutung des Vorgangs, weil Tweet durch BAMF nicht teilen.

ZUSATZFRAGE REIBLE: Herr Dimroth, ist denn im Lenkungsausschuss im Innenministerium über eine Rückkehr zum geordneten Verfahren gesprochen worden?

DR. DIMROTH: Ehrlich gesagt kann ich Ihnen das nicht genau sagen, weil ich nicht dabei war; ich gehe aber davon aus. Im Übrigen hat der Lenkungsausschuss getagt, während wir hier sitzen, sodass ich sehr stark davon ausgehe, dass nicht zuletzt wegen der breiten Berichterstattung von gestern und heute darüber gesprochen worden ist.

ZUSATZFRAGE REIBLE: Ich meinte natürlich bevor die Entscheidung getroffen worden ist.

DR. DIMROTH: Dass diese grundsätzliche Maßgabe, dass wir mit der Wiedereinführung von Grenzkontrollen auch einen Mehrgewinn an Ordnung subsumieren und dazu eben auch die Einhaltung und die Anwendung der europäischen Regeln gehört, die tragende Auffassung des BMI in diesem ganzen Prozess ist, hatte ich jetzt mehrfach dargestellt und auch anhand einer zitierten Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage dargetan.

FRAGE BAUMANN: Eine Frage an das Innenministerium: In welchem Fall muss denn jetzt eigentlich Österreich damit rechnen, dass Flüchtlinge aus Syrien, die über Österreich gekommen sind, wieder zurückgeschickt werden?

DR. DIMROTH: Ganz grundsätzlich gilt, dass wir hier nicht für abstrakte Rechtsauskünfte sitzen; insofern würde ich mich auch in diesem Fall jetzt nicht dazu bemühen wollen, geltendes europäisches Recht zu subsumieren. Ich kann nur noch einmal darauf verweisen: Deutschland ist dauerhaft auf der Grundlage der für alle EU-Mitgliedstaaten geltenden sogenannten Dublin-Verordnung verfahren und tut das zukünftig auch; nunmehr wird aber nicht mehr von dem dort vorgesehenen Ausnahmetatbestand der Wahrnehmung des sogenannten Selbsteintrittsrechts Gebrauch gemacht, sondern das geregelte Verfahren durchgeführt. Ich kann auch nur noch einmal wiederholen, dass wir davon ausgehen, dass sich selbstverständlich auch alle anderen EU-Mitgliedstaaten an die geltenden Regelungen von Dublin halten.

FRAGE JOLKVER: Gestern hat Herr Steinmeier in einer öffentlichen Diskussion beklagt, dass sich die griechische Regierung dagegen wehrt, auf der Landseite Griechenlands Hotspots in Form von größeren Lagern zu errichten. Was unternehmen das Auswärtige Amt oder das Innenministerium, um die griechische Regierung von der Notwendigkeit solcher Hotspots zu überzeugen? Ist die Errichtung solcher Hotspots in Form von Flüchtlingslagern überhaupt denkbar, bevor sich die EU zu einer Quote durchringt?

SRS’IN WIRTZ: Ich fange einmal kurz an, und dann können die Kollegen ergänzen. Sie wissen, dass die Einrichtung von Hotspots in der Tat nicht nur im Interesse der Bundesregierung, sondern auch im Interesse der europäischen Staats- und Regierungschefs ist und dass man sich auf die Einrichtung von Hotspots verständigt hat. Ich kann Ihnen sagen, dass es morgen ein informelles Treffen des Europäischen Rats gibt, zu dem Donald Tusk eingeladen hat. Auch in diesem Zusammenhang wird wieder darüber gesprochen werden, wie weit der Ausbau dieser Hotspots vorangeschritten ist, und es wird dort sicherlich auch weitere Gelegenheit geben, darauf hinzuwirken, dass das, was vereinbart ist, auch eingerichtet wird.

DR. SCHÄFER: Ich kenne den O-Ton so nicht und ich war gestern in der Körber-Stiftung auch nicht dabei, Herr Jolkver. Ich nehme an, dass Herr Steinmeier das nicht ganz so gesagt hat, wie Sie es verkürzt darstellen, aber das lasse ich einmal soweit stehen.

Dabei war ich allerdings, als Herr Steinmeier vor zwei Wochen in Athen war. Da war das Thema Flüchtlinge ein großes vielleicht das größte der gesamten Beratungen mit dem Ministerpräsidenten, mit dem Staatspräsidenten und mit dem Außenminister. Die Botschaft des Bundesaußenministers war dort gegenüber allen Gesprächspartnern die gleiche: Wir sind uns sehr bewusst, welche riesigen Herausforderungen auf Griechenland wegen der Flüchtlingskrise und wegen des Umstandes zugekommen sind, dass es gewissermaßen zufällig auf der Route derjenigen Menschen liegt, die sich aus dem Nahen und Mittleren Osten, dort in Not geraten, auf den Weg gen Zentraleuropa machen. Die Zahlen sprechen für sich und sind einfach gigantisch. Das gilt umso mehr, als Griechenland ein Staat ist, der wegen der Wirtschafts- und Finanzkrise eine schwierige Zeit durchmacht und Reformen umsetzen muss. Diese doppelte Belastung ist deshalb eine, die es erforderlich macht, Griechenland unter die Arme zu greifen.

Es ist die Position der Bundesregierung, das ist die Position des Außenministers und das ist im Übrigen auch die Position der Europäischen Union, dass Griechenland und auch andere Länder wie Italien, die ganz besonders von diesen Flüchtlingsströmen betroffen sind, europäische Hilfe in Anspruch nehmen können und auch bekommen sollen. Dazu gehören ja gerade diese Hotspots. Alles, was da vereinbart worden ist auch die Einrichtung von Hotspots , ist ausdrücklich und explizit mit der Zustimmung der griechischen Regierung und des griechischen Ministerpräsidenten passiert. Auch Deutschland hat sich bereiterklärt und hat das auch nicht nur in Worten, sondern auch bereits in Taten getan , den Griechen dabei tatkräftig unter die Arme zu greifen. Wir haben nicht nur humanitäre Hilfe bereitgestellt, um den Griechen dabei zu helfen, den Flüchtlingen einen menschenwürdigen Aufenthalt in Griechenland zu ermöglichen, sondern wir sind auch sehr aktiv dabei und das geschieht mit Mitteln des Auswärtigen Amtes , den Griechen EURODAC-Erfassungsgeräte zur Verfügung zu stellen ein nächster Lot wird in den nächsten Tagen in Athen übergeben werden , die die Griechen in die Lage versetzen, genau das zu tun, worüber wir hier jetzt seit über einer Stunde miteinander reden, nämlich europäische Regeln einzuhalten, im Land des Erstaufschlags dieser Flüchtlinge die Registrierung vorzunehmen und auf dieser Grundlage dann eben die Regeln, die in Europa gelten, dann tatsächlich umzusetzen.

DR. DIMROTH: Ich kann mich im Prinzip nur dem anschließen, was Herr Schäfer bezüglich der Bedeutung, der Wichtigkeit der Bemühungen der Bundesregierung zur Erreichung dieses in Europa gemeinsam verabredeten Ziels und bezüglich der mannigfaltigen Unterstützungsangebote Deutschlands, die aus dem BMI heraus in Richtung Griechenland ergangen sind, gesagt hat. Insoweit kann ich nur darauf verweisen, dass auch der Bundesinnenminister nicht müde wird, über seine Kanäle, über seine Kontakte und auf seinen Gesprächsebenen vor allem mit den griechischen Partnern darum zu werben, dass diese Maßnahmen auch umgesetzt werden.

ZUSATZFRAGE JOLKVER: Herr Schäfer, haben Sie für mich eine Zahl? Wie groß könnte diese Hilfe aus den EU-Töpfen für Griechenland oder Italien pro Flüchtling sein?

DR. SCHÄFER: Ich glaube, die Gespräche darüber laufen. Ich bin jetzt nicht in der Lage, Ihnen eine Zahl oder eine Anzahl von Nullen zu nennen. Ich glaube aber, die Dimension der Herausforderung für einen durch die Finanz- und Wirtschaftskrise geschwächten griechischen Staat ist allen Beteiligten nicht nur in Berlin, sondern auch in Brüssel sehr klar. Deshalb ist es klar, dass es um substanzielle Hilfe für die griechischen Partner geht.

FRAGE DR. VON MALLINCKRODT: Ich habe eine Frage zum Familiennachzug und auch zum Dublin-Verfahren. Jetzt haben wir ja sehr mühsam herausgearbeitet, dass diese Verwaltungsvorgänge letztendlich faktisch zumindest momentan Herr Schäfer hat es gerade für 2015 ausgeführt relativ geringen Einfluss oder Auswirkungen auf den Familiennachzug haben. Das Dublin-Verfahren betrifft das genauso. Herr Dimroth, Sie hatten gesagt, es seien damals sozusagen verfahrensökonomische Engpässe gewesen, die zu dem angewendeten Verfahren geführt haben. Diese Engpässe bestehen ja unbestritten immer noch seit August sind weiterhin sehr, sehr viele Flüchtlinge gekommen, im Oktober noch einmal mehr als im September.

Meine Frage an Frau Wirtz und Herrn Dimroth mit der Bitte um eine kurze Antwort: Muss die Bundesregierung nicht langsam auch einmal sagen, dass das auch eine Art des Signalsetzens ist? Man hat vorher Signale gesetzt; versucht man jetzt nicht, auch durch diese Maßnahmen die ja keineswegs irgendwelche verfahrenstechnischen Automatismen sind, vielmehr werden sie ganz bewusst gesetzt; die Frage ist dann auch: Warum jetzt? ein Signal zu setzen und zu sagen: Wir können vielleicht irgendwann nicht mehr oder sind irgendwann überfordert?

DR. DIMROTH: Ich kann zunächst nur noch einmal sagen, dass die Rückkehr zur Anwendung geltender Regelungen per se nicht signalbehaftet sein sollte, sondern eigentlich der Normalzustand. Ich kann auch noch einmal darauf verweisen, dass sich die Situation für uns, was die verfahrensmäßige Belastung anbetrifft, Ende Oktober dieses Jahres deutlich anders darstellt als noch im August dieses Jahres, und zwar aufgrund einer Vielzahl von ergriffenen Maßnahmen, aufgrund beispielsweise des Kabinettsbeschlusses, der dem BMI in operativer Hinsicht sehr stark eine Struktur zur Verfügung gestellt hat, um die tagtäglichen Probleme abzuarbeiten was in Zusammenarbeit aller betroffenen Ressorts sehr gut funktioniert und aufgrund dessen, dass wir mit den Ländern gemeinsam dabei sind, eine große Registrierungslücke sukzessive zu schließen.

Selbstverständlich ich hatte es vorhin gesagt sind wir noch nicht beim Idealzustand; dieses Bild will ich hier nicht einmal versuchen zu malen. Es ist aber ein gutes Stück weit wieder Ordnung in das Verfahren gebracht worden, und das ist gut und wichtig. Als eine stützende Maßnahme ist eben noch einmal die Rückkehr zu dem, was in Europa gemeinsam verabredet ist, eigentlich nur eine logische Konsequenz.

SRS’IN WIRTZ: Sie haben um eine kurze Antwort gebeten. Ich kann Ihnen sagen: In Europa gilt europäisches Recht, und das ist das, was wir ausgeführt haben.

FRAGE TOWFIGH NIA: Ich möchte noch einmal zum Syrien-Konflikt zurückkommen. Herr Dr. Schäfer, Stichwort Wiener Konferenz am Samstag: Der Außenminister will ja auch daran teilnehmen. Mit welchen Erwartungen geht er in diese Gespräche?

Ich möchte auch Bezug nehmen auf eine Äußerung des Außenministers gestern bei der Konferenz der Körber-Stiftung, in der er Iran einer destruktiven Haltung bezichtigt hat. Sehen Sie solche provokativen Äußerungen als förderlich an, was die diplomatischen Bemühungen um eine Deeskalation im Syrien-Konflikt angeht? Es hat auch den Anschein, dass der Ton der Bundesregierung gegenüber Iran seit den Wiener Nuklear-Verhandlungen viel schärfer geworden ist. Worte wie „destruktive Haltung“, Worte wie „fehlendes Vertrauen“, oder Äußerungen wie die, dass der Iran eine nationale Sicherheitsbedrohung für Deutschland sei, fallen immer wieder. Hat sich da etwas an der Rhetorik geändert, auch was die Beziehungen mit Iran angeht?

DR. SCHÄFER: Vielleicht zunächst einmal zu den Erwartungen des Außenministers: In der Tat plant Herr Steinmeier, am Samstag nach Wien zu reisen. Nach derzeitigen Planungen ist dort nach dem Treffen am vorvorletzten Freitag in der Tat das zweite Treffen in einer größeren Runde mit allen Welt- und Regionalmächten sowie Vertretern Europas geplant, um Wege zu sondieren, wie man aus diesem schrecklichen Syrien-Konflikt herauskommen und vielleicht über Waffenstillstände in Richtung einer politischen Lösung gehen könnte.

Zunächst einmal möchte ich sagen: Es ist schon ein gutes Ergebnis, dass es aller Voraussicht nach zu dieser zweiten Sitzung kommen wird und dass sich bereits in den nächsten Tagen hohe Beamte der Staaten und Institutionen zusammensetzen, um auszuloten, welche Schnittmengen, welche Lösungsansätze mehrheitsfähig und damit umsetzbar werden könnten, sodass wir da einen Prozess haben, in dem sozusagen von unten nach oben all die vielschichtigen und multidimensionalen Fragen, die es gibt, auf den Tisch kommen und miteinander gerne auch kontrovers diskutiert werden, um auf diese Art und Weise auszuloten, was es für Chancen gibt, endlich diesem schrecklichen Konflikt ein Ende zu bereiten.

Damit beschreibe ich dann auch die Erwartungen des Außenministers, der nicht davon ausgeht, dass es am Samstag auf wundersame Weise zu einem Durchbruch kommen wird, sondern der der festen Überzeugung ist, dass das Miteinander-Reden der Protagonisten und der wichtigen Spieler, die ja alle mindestens politisch die meisten auch militärisch vor Ort im Einsatz sind, ein ganz wichtiger Schritt ist, um überhaupt eine Lösung möglich zu machen.

Zu Ihrem Vorhalt zu den Beziehungen oder Äußerungen gegenüber dem Iran möchte ich sagen: Die Bundesregierung und allen voran der Außenminister hat im Laufe des gesamten Jahres 2015 davor auch schon immer wieder darauf hingewiesen und ist dafür mindestens in der ersten Hälfte des Jahres oder bis zu den Wiener Vereinbarungen auch heftig kritisiert worden , dass nach seiner Überzeugung eine Lösung des Syrien-Konflikts ohne eine Beteiligung des Iran nicht möglich ist. Damit meint er ein Doppeltes: Damit meint er, dass der Iran Teil des Problems des Syrien-Konfliktes, aber auch Teil einer Lösung werden müsste, um überhaupt eine nachhaltige Lösung in Gang bringen zu können. Wir sind heute, im November des Jahres 2015, in einer Situation, die völlig anders ist als etwa zuzeiten der Lausanne-Verhandlungen, der Vorbereitungen der Wiener Vereinbarungen in der Schweiz Ende März/Anfang April. Damals waren wir und war Herr Steinmeier gewissermaßen noch einsamer Rufer in der Wüste mit seiner Forderung, dass man die Iraner auch an internationalen Gesprächen zur Beilegung des Syrien-Konflikts beteiligen möge. Inzwischen ist das Common Sense. Das ist ein riesiger Schritt vorwärts, und wir begrüßen es außerordentlich, dass es vor fast zwei Wochen in Wien zu einer Begegnung gekommen ist, an der auch der iranische Außenminister teilgenommen hat.

Nun ist zu lesen, dass die iranische Delegation ihre Teilnahme an Wien II, also an den Gesprächen und Verhandlungen, die in drei Tagen in Wien stattfinden sollen und hoffentlich auch stattfinden werden, infrage gestellt hat. Wir hoffen und wünschen uns sehr und fordern die iranische Regierung auch dazu auf , dass sich die iranische Regierung solchen Gesprächen nicht entzieht; denn es gibt keine Alternative dazu, zwischen all denjenigen, die ihre Stakes in Syrien geltend gemacht haben, miteinander zu reden. Nur so kann es überhaupt gelingen, diesen furchtbaren Bürgerkrieg einem Ende zuzuführen.

FRAGE JUNG: Herr Schäfer, noch einmal zurück zum Thema Flüchtlinge bzw. zur Aufklärungskampagne im arabischen Raum, in Afghanistan und auch auf dem Balkan: Frau Chebli hatte vor zwei Wochen oder letzte Woche gesagt, dass die Kampagnen schon seit Längerem liefen und wir auch gerne nähere Informationen bekommen könnten, wenn wir die haben wollen. Deshalb meine Frage: Kann das Auswärtige Amt uns einmal alle Aufklärungskampagnen vorlegen und mitteilen, wie Sie die Menschen vor Ort über die Bleibechancen hier in Deutschland informieren?

Frau Wirtz, die Kanzlerin hat in der Bürger-Fragerunde am 26. Oktober in Nürnberg von Propaganda gesprochen und gesagt, dass da mehr gemacht werden müsse mehr Propaganda. Heißt das, da muss mehr Geld reingesteckt werden?

SRS’IN WIRTZ: Um es kurz zu machen: Ich kann mich jetzt nicht an eine entsprechende Äußerung der Kanzlerin mit dieser Wortwahl erinnern.

ZUSATZ JUNG: Das wurde doch festgehalten.

SRS’IN WIRTZ: Ich kann mich daran nicht erinnern, insofern kann ich das jetzt nicht kommentieren.

DR. SCHÄFER: Ich jedenfalls halte mich an das Wort Aufklärungskampagne. Ich glaube, wir haben uns bisher mit Informationen darüber, was in verschiedenen Ländern vonseiten der deutschen Botschaften und Auslandsvertretungen getan wird, nicht zurückgehalten, sondern wir haben das auch Ihnen gegenüber auf Nachfrage und auch ohne Nachfrage sehr aktiv kommuniziert und machen das selbstverständlich auch weiter.

FRAGE BLANK: Herr Dimroth, gibt es schon konkrete Einzelheiten, wann und wo der Trauerstaatsakt für Altkanzler Schmidt stattfindet?

DR. DIMROTH: Nein, dazu kann ich Ihnen noch keine Einzelheiten mitteilen. Dem BMI ist wie bei vergleichbaren Anlässen in der Vergangenheit die Federführung übertragen worden. Die Planungen und insbesondere die Abstimmungen mit den Angehörigen laufen jetzt. Sobald Näheres zu Zeit, Ort und Ablauf bekannt ist, werden wir Sie über eine entsprechende Pressemitteilung informieren.

FRAGE: Eine Frage an das Wirtschaftsministerium zum Vergaberecht gegebenenfalls könnten das Arbeits- und das Gesundheitsministerium ergänzen : Inwieweit werden durch die Modernisierung des Vergaberechts Leistungserbringer im Gesundheitswesen, insbesondere Reha-Einrichtungen, betroffen? Die Reha-Einrichtungen versuchen gerade ja, das abzuwenden oder zu verhindern.

MOITEAUX: Können Sie konkretisieren, auf welche Änderungen Sie sich beziehen?

ZUSATZ: Ich glaube, es geht um das Modernisierungsgesetz.

MOITEAUX: Genau, das Gesetz kenne ich natürlich, aber ich würde gerne wissen, welchen Aspekt Sie jetzt konkret aufgreifen.

ZUSATZ: Ich vermute, die Ausschreibungspflicht.

VORS. DR. MAYNTZ: Ich möchte anregen, dass Sie das bilateral klären ich glaube, das Interesse hier im Saal ist begrenzt.

 

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