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Bundesregierung für Desinteressierte: Komplette BPK vom 11. Oktober 2017

Nudging für Merkel ► BPK vom 11. Oktober 2017

Themen: Lage in Katalonien, Treffen des Europäischen Rats in Brüssel, Prozess gegen Meşale Tolu in der Türkei, Familiennachzug für Angehörige von Flüchtlingen aus Syrien und dem Irak, Korruptionsvorwürfe gegen Airbus, Völkermord an den Herero und Nama, Welt-Adipositas-Tag, NATO-Operation „Enhanced Forward Presence“, Ukraine/Sonderstatusgesetz, Medienberichte über geplanten Export von U-Booten an Israel, Medienbericht über Verfehlung der deutschen Klimaziele, Presseberichte über Überlegungen hinsichtlich der Aufstockung der Ausbildungstruppe in Afghanistan, Strategie der Bundesregierung „Wirksam regieren“, Berufung von Jan Hecker als außenpolitischer Berater der Bundeskanzlerin

Naive Fragen zu:
Katalonien (ab 2:28 min)
– Herr Gabriel hat gesagt, eine einseitige Ausrufung der katalanischen Unabhängigkeit wäre unverantwortlich. Welche Art von Ausrufung wäre verantwortlich? (7:00 min)

Deutsche Gefangene in der Türkei (ab 7:50 min)
– zum Beginn des Prozesses gegen Frau Tolu: Können Sie uns sagen, wer daran von deutscher Seite konkret teilnimmt? (ab 10:05 min)
– Mich würde einmal interessieren, ob das kleine Kind von Frau Tolu immer noch mit ihr in Untersuchungshaft ist.
– Läuft der deutsch-türkische Justizdialog noch, und, wenn ja, an welchem Punkt ist er jetzt angelangt?
– nur zum Verständnis gefragt: Die „Süddeutsche Zeitung“ schreibt heute, dass Mitarbeiter des deutschen Konsulats Frau Tolu jede Woche besuchen. Stimmt das? Seit wann wird sie also wöchentlich besucht?

Asylzahlen 2017 (ab 14:28 min)
– Können Sie uns denn die aktuellen Zahlen verraten? Ich bin immer noch auf dem Stand vom ersten Halbjahr 2017. Da waren wir bei ca. 90 000 Menschen. Ist denn anzunehmen, dass es im zweiten Halbjahr noch deutlich mehr werden werden, damit wir wenigstens auf 200 000 kommen? (ab 18:40 min)
– Dann ist ja davon auszugehen, wenn man das jetzt hochrechnet, dass wir bei weniger als 200 000 bleiben. Frau Demmer, welche Anstrengungen wird die Bundesregierung unternehmen, damit es zumindest auf die 200 000 hinausläuft? Braucht Deutschland also mehr Flüchtlinge?
– ich erinnere mich an eine legendäre Pressekonferenz Ende November 2015. Dabei ging es um den sogenannten Faktor beim Familiennachzug. Das BMI hat hier Faktoren von drei bis vier propagiert das hat sich als deutlich falsch herausgestellt , also dass Flüchtlinge 300 Prozent bis 400 Prozent mehr Menschen hierhin nachholen. Herr Schäfer hatte damals von einem Faktor von 0,013 gesprochen, also von 1,3 Prozent. Er hatte das mit 6000 von 450 000 Menschen beziffert. Haben Sie jetzt mittlerweile valide Zahlen? Das wird sich ja wahrscheinlich irgendwo in der Mitte eingependelt haben. Wie viele Menschen kommen im Rahmen des Familiennachzugs also auf einen Flüchtling? (ab 26:32 min)
– Welche Meinung haben denn Ihre Experten in Berlin mittlerweile?

Bundeswehr in Afghanistan (53:00 min)
– zur Truppenaufstockung in Afghanistan. Das BMVg hat explizit nicht Berichte dementiert, wonach die Planungen in Ihrem Ministerium schon laufen. Sie haben aber gesagt: „Unabhängig davon gibt es im BMVg Überlegungen in verschiedene Richtungen, aber noch keine Entscheidungen über konkrete Zahlen.“ In welche verschiedenen Richtungen überlegen Sie?

 

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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 11. Oktober 2017:

HILLE: Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte die Gelegenheit nutzen, um mich bei Ihnen zu verabschieden. Ich verlasse das Bundesverkehrsministerium und bin künftig an anderer Stelle für Alexander Dobrindt tätig. Ich bedanke mich herzlich für die Zusammenarbeit. Alles Gute!

VORS. WEFERS: Vielen Dank, Herr Hille. Wir wünschen Ihnen natürlich alles Gute für den weiteren Lebensweg. Darf ich fragen, ob wir uns dann noch weiter begegnen werden, wenn Sie an anderer Stelle tätig sind?

HILLE: Ich würde vermuten, nicht just an dieser Stelle, aber glaube, grundsätzlich Ihnen und vielen Kolleginnen und Kollegen treu bleiben zu können.

VORS. WEFERS: Das sind ja gute Aussichten. Dann danke ich als Zwischenschritt für die Zusammenarbeit und die vielen Fragen, für die Sie hier zur Verfügung gestanden haben, und hoffe, dass das dann auch in Zukunft so weitergehen wird. Alles Gute!

FRAGE SERRA: Meine Frage richtet sich an Frau Adebahr. Sigmar Gabriel hat gesagt, dass eine Lösung im katalanischen Konflikt nur durch Gespräche gelingen kann. Können Sie bitte erläutern, was damit genau gemeint ist? Wer könnte diese Gespräche zum Beispiel beobachten? Wäre eine internationale Vermittlung wichtig?

ADEBAHR: Der Bundesaußenminister hat sich ja heute Morgen zur Lage in Katalonien geäußert. Aus seiner Sicht muss die Lösung in Gesprächen, aber auf der Basis der Rechtsstaatlichkeit und im Rahmen der spanischen Verfassung gelingen. Da das eine innerspanische Angelegenheit ist, muss das dort behandelt werden, und auch die Akteure vor Ort müssen dann im Rahmen der spanischen Verfassung miteinander reden.

ZUSATZFRAGE SERRA: Entschuldigung, aber sagen Sie immer noch, das sei eine innere Angelegenheit, auch nach den Ereignissen der letzten Tagen und nach allen Titelseiten zum Beispiel der deutschen Presse?

ADEBAHR: Sie können gerne noch einmal nachlesen, was der Bundesaußenminister heute gesagt hat. Meine Antwort steht so.

FRAGE JESSEN: Dennoch gibt es bei nüchterner Betrachtung der Sachlage und der verhärteten Positionen, die in Katalonien und Madrid vorherrschen, ja zumindest von einer Seite der Akteure deutliche Signale, dass man sich eine, wie immer man das nennt, Moderation oder Vermittlung wünscht und vorstellen kann. Wäre es nicht sinnvoll, wenn vonseiten der EU oder auch einzelner Mitgliedstaatenregierungen, die hohes Ansehen genießen, Signale ausgesendet werden, dass man sich für eine solche Rolle bzw. eine solche Unterstützung im Rahmen der spanischen Verfassung bereithält?

SRS’IN DEMMER: Nein, ich kann mich da Frau Adebahr voll anschließen. Es handelt sich um eine innerspanische Angelegenheit. Die muss aus unserer Sicht im Rahmen der demokratischen und verfassungsmäßigen Ordnung Spaniens verfolgt werden.

ZUSATZ JESSEN: Das ist doch aber nicht notwendigerweise ein Widerspruch, Frau Demmer. Wir reden doch seit Tagen oder fast seit Wochen um diesen Punkt herum. Sie haben formal völlig recht, aber Sie wissen auch es gibt genug historische Beispiele , dass man Verfahren finden kann, die auf dem Boden einer Rechtsstaatlichkeit und Ordnung stattfinden und in deren Rahmen gleichwohl Rat und Vermittlung von außen angenommen wird. Das hebelt sich doch nicht gegenseitig aus. Sie müssen sich doch nicht hinter der Formalie verstecken!

SRS’IN DEMMER: Ich würde mir Ihre Interpretation unseres Verhaltens auch gar nicht zu eigen machen wollen, aber es hat sich an der Haltung nichts geändert. Das bleibt also aus unserer Sicht eine innerspanische Angelegenheit, bei der wir eine Vermittlerrolle nicht anstreben. Wir sind der festen Überzeugung, dass der Konflikt im Dialog und innerhalb der demokratischen, verfassungsmäßigen Ordnung Spaniens gelöst werden muss. Es geht uns darum, dass die Verfassungsordnung und die Einheit Spaniens erhalten bleiben und dass die Rechte und Freiheiten aller Bürger garantiert werden. Wir begrüßen die klare Haltung des spanischen Premiers dazu.

FRAGE SERRA: Ich hätte gerne eine Bewertung der Erklärung des katalanischen Ministerpräsidenten von gestern. Ich gehe davon aus, Sie haben die bestimmt gehört.

Ich wollte auch gerne wissen, ob die Frau Bundeskanzlerin überhaupt Kontakt mit der katalanischen Regierung gehabt hat.

SRS’IN DEMMER: Ich kann mit Blick auf gestern Abend ergänzen, dass jedwede Unabhängigkeitserklärung von katalanischen Institutionen illegal und inakzeptabel wäre und sie auch keinerlei Anerkennung finden würde.

Was unsere Erwartungen für die nächsten Tage und Wochen angeht, würde ich gerne auf das hinweisen, was die Bundeskanzlerin noch gestern Abend betont hat. Sie hat gesagt: „Ich hoffe, dass ein Dialog in Gang kommen kann und Lösungen gefunden werden, die der spanischen Verfassung entsprechen.“

ZUSATZFRAGE SERRA: Kontakte?

SRS’IN DEMMER: Sie hatte ja jüngst mit dem spanischen Premier telefoniert. Darüber hinaus kann ich Ihnen dazu nichts sagen.

FRAGE JUNG: Frau Adebahr, Herr Gabriel hat gesagt, eine einseitige Ausrufung der katalanischen Unabhängigkeit wäre unverantwortlich. Welche Art von Ausrufung wäre verantwortlich?

ADEBAHR: Der Bundesaußenminister hat sich in seiner Äußerung auf die gestrige Rede in Barcelona und auf den aktuellen Stand berufen. Über andere Fragen möchte ich nicht spekulieren. Das ist eine Reaktion von heute Morgen, und die steht so da.

FRAGE: Frau Demmer, Kanzlerin Merkel trifft sich ja heute mit Herrn Tusk, um den EU-Gipfel in der nächsten Woche vorzubereiten. Ist das Treffen schon erfolgt? Können Sie daraus berichten?

Darüber hinaus gefragt: Wird der Umgang mit der Türkei in der nächsten Woche in Brüssel eine Rolle spielen?

SRS’IN DEMMER: Das Treffen mit Tusk ist erst heute Abend, und über das hinaus, was Herr Seibert hier schon zu dem Treffen gesagt hat, nämlich dass es dabei eben natürlich um die Fortentwicklung der Europäischen Union geht, kann ich Ihnen nichts sagen. Ich möchte dem Gespräch nicht vorgreifen.

Was die Gespräche auf EU-Ebene zum Thema Türkei anbelangt: Der Europäische Rat wird sich bei seinem Treffen am 19. und 20. Oktober natürlich auch über die Beziehungen mit der Türkei unterhalten. Dabei soll es umfassend um alle Aspekte der Beziehungen zwischen der EU und der Türkei gehen. Es ist üblich, dass die Europäische Kommission für eine solche Aussprache einen mündlichen und schriftlichen Bericht zur Information des Europäischen Rats vorlegt. So wird es also auch dieses Mal sein. Die Kommission wird daher ihre Einschätzungen des derzeitigen Standes der Beziehungen zwischen der EU und der Türkei darlegen. Es geht einfach darum, dass die Diskussion auf einer fundierten Grundlage stattfinden kann.

ZUSATZFRAGE: Die Kanzlerin hatte ja im TV-Duell mit Martin Schulz angekündigt, sich auch dafür einzusetzen, dass innerhalb der EU eine gemeinsame Linie für den Umgang mit der Türkei gefunden wird. Kann man daraus also entnehmen oder erwarten, dass in Anbetracht der Prozesse, die jetzt auch gegen deutsche Staatsbürger in der Türkei stattfinden, eine härtere Gangart eingeschlagen wird und mehr Möglichkeiten ausgeschöpft werden?

SRS’IN DEMMER: Sie kennen ja die Anpassung der deutschen Türkeipolitik. Da gibt es keinen neuen Stand. Auch bezüglich der Haltung der Bundeskanzlerin zu diesem Thema gibt es keinen neuen Stand.

FRAGE JUNG: Frau Adebahr, zum Beginn des Prozesses gegen Frau Tolu: Können Sie uns sagen, wer daran von deutscher Seite konkret teilnimmt?

ADEBAHR: Ja. Der Prozess hat heute Morgen begonnen. Es herrscht offenbar ein großer Andrang vor dem Gerichtssaal. Für uns ist die zuständige Leiterin unserer Rechts- und Konsularabteilung bei dem Prozess dabei, die Frau Tolu auch noch am Montag sprechen konnte. Sie ist so unser letzter Stand, der vorhin per SMS kam vor und im Saal und beobachtet den Prozess. Die Zulassung zum Gerichtssaal erfolgt nach bestimmten Prinzipien. Zuerst dürfen die Rechtsanwälte hinein, danach Familienmitglieder, danach weitere Personen und letztlich die Presse. Es herrscht im Moment ein großer Andrang, und wir haben auch kein Anrecht darauf, in dem Saal zu sein, aber mein letzter Stand ist, dass unsere Leiterin der Rechts- und Konsularabteilung des Generalkonsulats Istanbul im Saal ist.

ZUSATZFRAGE JUNG: Mich würde einmal interessieren, ob das kleine Kind von Frau Tolu immer noch mit ihr in Untersuchungshaft ist.

ADEBAHR: Das ist unser letzter Stand.

FRAGE LEIFERT: Wie geht es Frau Tolu?

ADEBAHR: Frau Tolu konnten wir am Montag noch einmal besuchen. Es ging ihr den Umständen entsprechend gut. Sie sah dem Prozess gefasst entgegen, und es geht ihr den Umständen entsprechend gut.

ZUSATZFRAGE LEIFERT: Welche Bemühungen laufen denn neben dem Prozess hinter den Kulissen zwischen dem Auswärtigen Amt und türkischen Behörden, um eine Verbesserung der dort inhaftierten Deutschen zu erreichen?

ADEBAHR: Unsere Generalskonsulate und die Botschaft in Ankara sind auf allen Ebenen vom Botschafter und dem Generalkonsul bis hin zu den Kolleginnen und Kollegen der RK-Abteilung in ständigem Kontakt mit den Anwälten und auch mit den Örtlichkeiten, in denen die deutschen Gefangenen sitzen, sowie natürlich mit der türkischen Regierung, um Verbesserungen zu erreichen, um unsere konsularische Betreuung sicherzustellen, um den Kontakt zu den Gefangenen eben gut aufrechterhalten zu können und um die Hilfe, die wir leisten können, auch leisten zu können.

FRAGE: Frau Adebahr, gehen Sie davon aus, dass Frau Tolu ein rechtsstaatliches, faires Verfahren bekommt?

Vielleicht kann das Justizministerium das auch ergänzen: Ist die Türkei ein Rechtsstaat?

ADEBAHR: Sie haben verschiedentlich die Äußerungen des Bundesaußenministers und anderer dazu gehört, dass die Vorwürfe, wegen derer die deutschen Staatsangehörigen in Haft sind, aus unserer Sicht zum Teil hanebüchen und eben nicht korrekt sind. Jetzt ist es an dem Gericht, im Fall von Frau Tolu auch darüber zu entscheiden.

Natürlich ist unsere Hoffnung, dass es ein rechtsstaatliches und faires Verfahren geben wird. Dass wir Zweifel an der rechtsstaatlichen Situation in der Türkei haben, haben wir, glaube ich, hier an verschiedener Stelle deutlich gemacht.

DR. SCHOLZ: Ich kann dem überhaupt nichts hinzufügen.

FRAGE JUNG: Herr Scholz, ich hatte vor ein paar Wochen schon einmal gefragt: Läuft der deutsch-türkische Justizdialog noch, und, wenn ja, an welchem Punkt ist er jetzt angelangt?

Frau Adebahr, nur zum Verständnis gefragt: Die „Süddeutsche Zeitung“ schreibt heute, dass Mitarbeiter des deutschen Konsulats Frau Tolu jede Woche besuchen. Stimmt das? Seit wann wird sie also wöchentlich besucht?

DR. SCHOLZ: Ich kann gerne beginnen. Sie hatten das in der Tat schon einmal vor einigen Wochen gefragt. Ich hatte mich dann auch darum gekümmert und versucht, herauszufinden, welches Format Sie meinen. Es gibt unter Federführung des Bundesjustizministeriums einen Austausch zwischen deutschen und türkischen Richtern. Dieses Format wird derzeit nicht mehr aktiv betrieben.

ADEBAHR: Ich bin noch nicht fündig geworden. Ich schaue noch einen Moment lang.

FRAGE INTEMANN: Ich hätte zunächst einmal eine Frage an das Innenministerium vor dem Hintergrund der Diskussion um den Richtwert von 200 000 Schutzbedürftigen, die laut der Unionseinigung pro Jahr aufgenommen werden sollen: Wie realistisch ist das, wenn der Familiennachzug für subsidiär Geschützte nicht weiter ausgesetzt bleibt?

DR. DIMROTH: Ich muss nur einen Moment darüber nachdenken, weil Ihre Frage eine gewisse Komplexität in sich birgt, aber ich glaube, ich habe es jetzt durchdrungen. Letztlich fragen Sie mich natürlich nach einer Prognose für das Flüchtlingsgeschehen in naher, mittlerer und ferner Zukunft. Eine solche Prognose gibt es nicht. Aus guten Gründen gibt es sie derzeit nicht, nämlich weil erstens, glaube ich, die Erkenntnis gereift ist, dass das Migrationsgeschehen durch eine solche Dynamik gekennzeichnet ist, dass eine solche Prognose doch nur bedingt valid bzw. möglich wäre.

Das Zweite, und das hat der Bundesinnenminister auch schon mehrfach ausgeführt Sie erinnern sich an den Herbst 2015 , ist: Da ist ja die Prognose erfolgt, die dann im Endergebnis auch relativ nah an den tatsächlichen Entwicklungen lag, und sie ist auf 800 000 erhöht worden. Wir haben dann erleben müssen, dass diese Prognose insbesondere durch Schlepperorganisationen dazu missbraucht wurde, das Bild zu malen, dass das eine Aufnahmezusage für 800 000 sei, sodass man sich jetzt nur beeilen möge, und dann sei man noch innerhalb dieser 800 000er-Gruppe.

Eine Prognose für das Migrationsgeschehen kann ich Ihnen also weder für das laufende noch für das kommende Jahr anbieten, und das wäre ja die notwendige Referenzgröße, um dann sozusagen mit der Größe des Familiennachzugs, die dann aber natürlich ihrerseits auch einen spekulativen Charakter enthielte, zu operieren, um dann letztlich in einem Summenspiel zu einer Zahl zu kommen, die dann an diesen 200 000 zu messen wäre. Insofern kann ich Ihnen dabei, glaube ich, nicht wirklich weiterhelfen.

Vielleicht nur der Hinweis: Wir werden heute die Asylzahlen für das laufende Jahr einschließlich des Septembers veröffentlichen. Daraus können Sie natürlich Zahlen dazu entnehmen, wie bisher sozusagen das Jahresmittel ist, was Asylantragstellungen anbetrifft.

Was die Zahlen des Familiennachzugs anbetrifft: Dafür ist, wie Sie wissen, innerhalb der Bundesregierung ohnehin das Auswärtige Amt zuständig, sodass die Zahlen dort zu erfragen wären.

ZUSATZFRAGE INTEMANN: Meine weitere Frage ginge auch an das Auswärtige Amt. Die dpa meldet, bis Mitte 2017 hätten Sie 102 000 Visa im Rahmen des Familiennachzugs ausgestellt. Heißt „Visum ausstellen“ in dem Fall dann auch immer, dass die jeweiligen Familienangehörigen nach Deutschland kommen? Haben Sie darüber Erkenntnisse, wie da die Quote ist? Wie lange dauert es nach der Visumserteilung, bis die Familienangehörigen dann hier in Deutschland ankommen?

ADEBAHR: Vielen Dank für Ihre Frage. Ich vermag nicht zu beantworten, wie hoch die Quote der Einreisen nach einem ausgestellten Visum ist.

Was die Zeit angeht, ist das, glaube ich, individuell sehr verschieden. Da müsste ich auch noch einmal schauen, ob wir dazu einen Richtwert haben. Aber wann da ein Eintritt in die Bundesrepublik Deutschland erfolgt, wäre dann wahrscheinlich auch nicht eine Sache, die das Auswärtige Amt zwingend mitbekäme.

ZUSATZFRAGE INTEMANN: Ist denn die Visumserteilung der letzte Schritt? Ich weiß nämlich, bei Griechenland ging es dann auch noch um einen Laissez-passer, der zum Teil sozusagen von dem Ausreiseland erstellt werden musste. Wissen Sie das?

ADEBAHR: Meinen Sie, ob es nach der Erteilung eines Visums zur Einreise in die Bundesrepublik noch eines weiteren Schritts zur Ausreise aus dem Land bedarf?

ZUSATZ INTEMANN: Ja.

ADEBAHR: Ich denke, das wird unterschiedlich sein. Das kann ich Ihnen aber leider im Moment auch nicht beantworten. Das müssten wir noch nachreichen.

FRAGE JUNG: Herr Dimroth, Sie hatten es gerade schon angekündigt. Können Sie uns denn die aktuellen Zahlen verraten? Ich bin immer noch auf dem Stand vom ersten Halbjahr 2017. Da waren wir bei ca. 90 000 Menschen. Ist denn anzunehmen, dass es im zweiten Halbjahr noch deutlich mehr werden werden, damit wir wenigstens auf 200 000 kommen?

DR. DIMROTH: Wenn Sie noch auf dem Stand des ersten Halbjahres sind, haben Sie jedenfalls unsere letzte Pressemitteilung verpasst, weil wir die Augustzahlen ja schon veröffentlicht haben; das ist ungefähr einen Monat her. Da bitte ich sozusagen wie so häufig um eigene Recherchetätigkeit.

Was jetzt die Zahlen einschließlich September anbetrifft, müssen Sie sich noch ein paar Stunden gedulden. Wir werden das nachher veröffentlichen. Ich kann Ihnen aber sagen, dass sich die Zahl der hinzugekommenen Asylgesuche im Vergleich zum August eher ein Stück weit abgeflacht hat. Im August hatten wir ungefähr 16 000, für den September haben wir ungefähr 14 000. Was das anbetrifft, ist das also eher eine sich abflachende Kurve. Aber noch einmal: Eine Trendaussage für die kommenden Monate traue ich mir jedenfalls von dieser Stelle aus nicht zu. Es gibt eine Entwicklung, es gibt ein Jahresmittel, und davon wird man, was die Asylgesuche anbetrifft, jedenfalls, denke ich, innerhalb der nächsten Stunden ein sehr vernünftiges Bild haben.

ZUSATZFRAGE JUNG: Dann ist ja davon auszugehen, wenn man das jetzt hochrechnet, dass wir bei weniger als 200 000 bleiben. Frau Demmer, welche Anstrengungen wird die Bundesregierung unternehmen, damit es zumindest auf die 200 000 hinausläuft? Braucht Deutschland also mehr Flüchtlinge?

SRS’IN DEMMER: Ich mache mir die Art und Weise Ihrer Frage jetzt nicht zu eigen, aber ich würde gerne noch einmal die Gelegenheit nutzen, die Flüchtlingspolitik dieser Bundesregierung

ZURUF JUNG: Sie brauchen nur die Frage zu beantworten!

SRS’IN DEMMER: zu erklären. Wie schon seit dem Spätsommer 2015 möchte die Bundesregierung die Zahl der nach Deutschland und Europa flüchtenden Menschen weiterhin nachhaltig reduzieren. Es geht darum, Fluchtursachen in den Herkunftsländern zu bekämpfen. Wir gehen entschlossen gegen kriminelle Schlepper vor, und wir arbeiten an einem immer besseren europäischen Außengrenzschutz. Dabei haben wir bereits deutliche Fortschritte gemacht, sodass wir heute sagen können, dass sich die Ereignisse von 2015 so nicht wiederholen werden.

FRAGE GIRSCHICK: Frau Adebahr, es geht in meiner Frage noch einmal um die Anträge auf Familiennachzug. Das Ministerium schätzt laut dpa, dass bis Ende 2018 ca. 100 000 bis 200 000 hinzukommen könnten. Ist bei diesen Zahlen zum einen davon auszugehen, dass diese Personen auch Visa erhalten werden?

Das Zweite ist: Es ging um Syrer und Iraker. Liegen zu anderen Nationalitäten auch Zahlen vor?

ADEBAHR: Hinsichtlich anderer Nationalitäten liegen die mir im Moment nicht vor. Die könnten wir sicherlich zusammenstellen.

Bei der Zahl, die Sie gerade genannt haben, handelt es sich um eine Schätzung. Dazu, welche Parameter in diese Schätzung genau eingeflossen sind: Das ist auf der Grundlage der bisherigen Zahlen entstanden. Wenn Sie weiter in das Thema einsteigen wollen, wie wir das gewichtet haben und wie diese Schätzung zustande gekommen ist, dann müssten wir, glaube ich, auch noch einmal separat miteinander sprechen. Das habe ich jetzt auch nicht vorliegen.

ZUSATZFRAGE GIRSCHICK: Ich habe gelesen, das beruhe auf diesen Terminbuchungen. Da wäre noch einmal die Nachfrage, ob es sich dann aber wahrscheinlich müssen Sie das auch nachschauen um eine Einzelperson oder um eine Familie handelt.

ADEBAHR: Die Terminbuchungssysteme sind so, dass zum Teil einer buchen kann und dass sich dann jemand mit dazu bucht. Manchmal sind es eben Einzeltermine. Das ist eine individuelle Sache. Ob dann bei den Terminbuchungen auch alle erscheinen, ist noch einmal eine zweite Sache. Insofern ist das wirklich eine sehr, sehr grobe Schätzung auf Grundlage der bisherigen Entwicklung.

FRAGE JESSEN: Auch noch einmal zu Terminbuchungen: Dass es sich dabei um die Zahl von etwa 70 000 Anträgen handelt, die bei den entsprechenden deutschen Auslandsvertretungen vorliegt, bestätigen Sie aber? Die Zahl wurde nämlich genannt.

ADEBAHR: Ja, im Jahr 2015 wurden rund 70 000 Anträge bewilligt.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Anträge auf was? Unter 70 000 verstehe ich verabredete Terminbuchungen. Richtig?

ADEBAHR: Ja, so würde ich das auch verstehen. Es gab Terminbuchungen. Auf Grundlage dieser Terminbuchung gab es einen Termin, und ein Visum wurde nach dem Termin in dem jeweiligen Konsulat ausgestellt.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Dann habe ich die Pressemitteilung anders verstanden. Die sagt nämlich vom Wortlaut her, dass derzeit bei den entsprechenden deutschen Auslandsvertretungen etwa 70 000 Terminbuchungen verabredet worden seien, aus denen man dann hochrechnen könne, wenn die Kriterien der vergangenen Jahre angelegt werden würden, dass daraus im nächsten Jahr 100 000 bis 200 000 Nachzügler resultieren könnten. Es wäre mir wichtig, wenn uns klar wäre, was diese 70 000 sind.

Die Frage, die sich anschließt, wenn es tatsächlich 70 000 verabredete Terminbuchungen sind, ist: Wie wird mit diesen Gesprächen im Lichte der Tatsache verfahren, dass das ja auch Thema von Sondierungs- und vielleicht Koalitionsverhandlungen ist?

ADEBAHR: Derzeit liegen in den Auslandsvertretungen, die es betrifft, ca. 70 000 Buchungen vor; die Zahl ist korrekt. Im Jahr 2015 wurden 70 000 Anträge bewilligt; daher die gleiche Zahl. Das ist korrekt.

Ihre letzte Frage war noch einmal welche?

ZUSATZFRAGE JESSEN: Das Thema Familiennachzug ist eben Bestandteil von Sondierungs- und dann möglicherweise Koalitionsgesprächen. Wie wird vor dem Hintergrund, dass das eine politische Verhandlungsmasse ist, mit diesen Terminbuchungen, mit den Begehren, mit den Anträgen, die möglicherweise daraus resultierend gestellt werden, verfahren?

ADEBAHR: Ich kann dazu von einem technischen Aspekt her nur sagen: Diese Terminbuchungen stehen in den betroffenen Botschaften und Konsulaten im Raum, und die Terminbuchungen werden nach ihrem Eingang und so, wie sie da sind, abgearbeitet.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Also kein Auf-die-lange-Bank-Schieben?

ADEBAHR: Wir arbeiten unsere Termine ab.

FRAGE LEIFERT: Ich bin einigermaßen verwirrt. Sie sprachen davon, 2015 seien 70 000 Anträge bewilligt worden. Waren es 2016 noch einmal 70 000?

ADEBAHR: 2016 waren es etwa 100 000, und im ersten Halbjahr 2017 waren es wiederum 60 000.

ZUSATZFRAGE LEIFERT: Was folgt aus diesen Anträgen? Kommen die hierher?

ADEBAHR: Aus diesen Anträgen folgt, dass das die Zahl der im Visumsverfahren bewilligten Anträge für Familiennachzug ist. Damit ist das Verfahren an den Vertretungen abgeschlossen. Wir hatten schon die Frage, wie es dann weitergeht. Darüber vermag ich an dieser Stelle keine Auskunft zu geben. Das ist auch sehr individuell.

ZUSATZFRAGE LEIFERT: Aber gilt ein Antrag für eine Person, oder kann ein Antrag auch eine Ehefrau mit drei Kindern bedeuten?

ADEBAHR: Ein Antrag betrifft eine Person. Ein Visumsantrag betrifft ein Visum für eine Person.

VORS. WEFERS: Können wir das Thema Familiennachzug jetzt verlassen im Hinblick

ZURUF LEIFERT: Nein!

VORS. WEFERS: Weil die Zahlen noch nicht klar sind?

ZUSATZ LEIFERT: Ich würde aber sozusagen, weil ich schon eine Nachfrage gestellt hatte, einem anderen Kollegen Gelegenheit geben, seine Frage zu stellen.

FRAGE JUNG: Frau Adebahr, ich erinnere mich an eine legendäre Pressekonferenz Ende November 2015. Dabei ging es um den sogenannten Faktor beim Familiennachzug. Das BMI hat hier Faktoren von drei bis vier propagiert das hat sich als deutlich falsch herausgestellt , also dass Flüchtlinge 300 Prozent bis 400 Prozent mehr Menschen hierhin nachholen. Herr Schäfer hatte damals von einem Faktor von 0,013 gesprochen, also von 1,3 Prozent. Er hatte das mit 6000 von 450 000 Menschen beziffert. Haben Sie jetzt mittlerweile valide Zahlen? Das wird sich ja wahrscheinlich irgendwo in der Mitte eingependelt haben. Wie viele Menschen kommen im Rahmen des Familiennachzugs also auf einen Flüchtling?

ADEBAHR: Dazu liegen mir jetzt hier im Moment keine Informationen vor; da muss ich nachfragen, ob es derartige Sachen gibt.

ZUSATZFRAGE JUNG: Vielleicht das BMI noch?

DR. DIMROTH: Ich kann jedenfalls, wie so häufig, Herrn Jung erstmal darum bitten, wenn er schon das BMI zitiert, das zutreffend zu tun. Wir haben jedenfalls keinen Richtwert propagiert, so wie Sie es sagen.

ZURUF JUNG: Doch!

DR. DIMROTH: Das ist schon einmal ziemlich neben der Sache. Im Übrigen weise ich darauf hin, dass Sie hier zitiert haben und das war in der Zeit genauso, das ist auch nachrecherchierbar , dass es sehr wohl Expertenmeinungen gibt, die von solchen Quotienten ausgehen. Das war das korrekte Zitat und daran hat sich auch bis heute nichts geändert; solche Expertenmeinungen gibt es nach wie vor. Insofern kann ich Ihnen zwar Ihre konkrete Frage in Ermangelung eigener Zuständigkeit nicht beantworten, aber doch darum bitten, uns richtig zu zitieren.

ZUSATZFRAGE JUNG: Welche Meinung haben denn Ihre Experten in Berlin mittlerweile?

DR. DIMROTH: Da geht es ja nicht um Meinungen. Sie können ja anhand der gerade vom AA vorgetragenen Zahlen ungefähr ersehen, mit welchem Nachzugsumfang wir es jedenfalls derzeit zu tun haben. Eine valide Aussage, was das für die Zukunft bedeutet, würde wiederum einen sehr großen spekulativen Umfang haben, denn es geht ja nicht nur um die Frage „Wer ist potenziell familiennachzugsberechtigt, welche Schutzgrade berechtigen sozusagen zum Familiennachzug?“ derzeit eben nicht der subsidiäre Schutz, sehr wohl aber der nach Genfer Flüchtlingskonvention und nach Asylrecht , sondern es geht ja auch um die Frage „Wer von den Betroffenen wird diesen Anspruch dann auch tatsächlich annehmen, wer wird das tatsächlich nutzen?“. Das ist eine spekulative Frage, deren Antwort sich von außen nicht erschließt; das kann man ja nicht prognostizieren. Das eine ist also die rein faktische Frage „Wie viele Menschen hätten potenziell einen Anspruch?“, und die zweite Frage wäre „Wie viele Menschen machen von diesem Anspruch Gebrauch?“. Diese Frage kann ich hier nicht beantworten.

FRAGE LEIFERT: Noch einmal zu diesen Zahlen an Herrn Dimroth oder Frau Adebahr. Herr Dimroth, Sie haben gerade selbst das Stichwort genannt: Bei subsidiär Geschützten ist der Familiennachzug ausgesetzt. Das heißt ja, dass ein solches Familienmitglied einen entsprechenden Antrag stellt, der dann wenn ich das richtig verstehe einfach nicht bewilligt wird, weil es zurzeit ausgesetzt ist. Beziehen sich diese Zahlen auf die Summe aller Anträge inklusive derer, die nicht bewilligt werden, weil die Antragsteller hier nur subsidiär geschützt sind , oder beziehen die sich auf die Anträge, die bewilligt werden, weil der Familiennachzug bei den anderen ausgesetzt ist und daher nicht bewilligt wird? Frau Adebahr, Sie haben die Zahl 70 000 für 2015, 100 000 für 2016 und 60 000 im ersten Halbjahr 2017 genannt. Wie differenziert sich das zwischen denen, die hier Asyl gewährt bekommen haben, und denen, die „nur“ subsidiär geschützt sind?

ADEBAHR: Das muss ich Ihnen tatsächlich nachreichen. Das, was mir hier im Moment vorliegt, sind die Zahlen zu den Anträgen auf Familiennachzug, die über das Visumsverfahren bewilligt wurden. Ich kann Ihre konkrete Frage hier im Moment also nicht beantworten; wir können die Antwort aber gerne nachreichen.

ZUSATZ LEIFERT: Darum bitte ich vielen Dank.

VORS. WEFERS: Dann nehmen wir das gerne und verteilen es dann an den normalen Kreis der Kollegen.

FRAGE STRATMANN: An das BMWi: Hat es in Sachen Airbus einen Informationsaustausch Ihres Ministeriums mit der Staatsanwaltschaft Hamburg gegeben?

Auch in diesem Kontext: Wie muss ein Compliance-System bei Airbus künftig gestaltet sein, sodass es Ihren Anforderungen genügt?

ALEMANY: Danke für die Frage, Herr Stratmann. Sie beziehen sich ja auf Ihren Artikel von heute. Wie ich Ihnen gestern schon erzählt habe, dürfen wir keine Auskunft darüber geben, ob und mit welchen Staatsanwaltschaften wir sprechen oder auch nicht oder denen Informationen geben; denn wir wollen ja schließlich das Ermittlungsergebnis nicht in irgendeiner Weise gefährden.

ZUSATZFRAGE STRATMANN: Schließt diese Antwort auch ein, dass es vor den Vorermittlungen Gespräche, also einen Informationsaustausch, gegeben hat? Das war ja auch meine Frage.

ALEMANY: Sie implizieren, dass es Ermittlungen gibt auch das wäre eine Information, die ich Ihnen gar nicht geben könnte oder dürfte. Ich kann Ihnen aber sagen, dass zu dem Fall, den der „SPIEGEL“ vor Kurzem zu verschiedenen Korruptionsvorwürfen in Bezug auf eine Selbstanzeige von Airbus gebracht hatte, die Staatsanwaltschaften informiert sind. Wie auch bekannt ist, gibt es seit mehreren Jahren auch eine Ermittlung der Staatsanwaltschaft München.

ZUSATZFRAGE STRATMANN: Und der zweite Teil der Frage? Wie muss ein Compliance-System aussehen?

ALEMANY: Es gibt genaue OECD-Regelungen, und die müssen natürlich immer eingehalten werden. Die Bundesregierung hat immer klar gemacht auch gegenüber Airbus , dass wir erwarten, dass die Vorwürfe, die im Raum stehen, vollumfänglich aufgeklärt werden, dass es eine gute Kooperation mit den Ermittlungsbehörden gibt und dass am Ende die Compliance-Regeln, die für alle internationalen Konzerne gelten, eingehalten werden müssen. Dazu gehört natürlich zum Beispiel, dass nicht bestochen werden darf.

ZUSATZFRAGE STRATMANN: Frau Demmer, können Sie mir sagen, wann Frau Merkel zuletzt Kontakt mit Herrn Enders hatte?

In diesem Kontext: Wie steht die Bundesregierung bzw. wie steht Frau Merkel als wichtige Vertreterin insgesamt zu diesem Vorgang?

SRS’IN DEMMER: Zu konkreten Kontakten kann ich Ihnen hier nichts sagen, und ich möchte auch diesen konkreten Fall jetzt nicht kommentieren. Grundsätzlich gilt aber natürlich immer, dass, wenn es Vorwürfe gibt, diesen Vorwürfen intensiv nachgegangen werden muss. Das ist auch hier nicht anders.

FRAGE LEIFERT: Befürchten denn die weiteren in Sachen Raumfahrtprojekte betroffenen Ressorts Verteidigung oder auch Verkehr negative Auswirkungen auf die Zusammenarbeit mit Airbus? Es gibt ja zahlreiche Verflechtungen, wo die Bundesregierung mit drin hängt, etwa was Ariane-Programme, den A400M oder andere Geschichten angeht. Befürchten Sie, dass es dazu kommen könnte, dass Airbus nicht in der Lage wäre, seine Verträge zu erfüllen, und ergreifen Sie da irgendwelche Maßnahmen?

FÄHNRICH: Ich kann dazu aus unseren Rüstungsbereichen sagen, dass wir mit dem Nachbarn Österreich an der Zusammenarbeit weiter festhalten, dass ein gegenseitiges Einverständnis da ist und dass wir da zurzeit noch keine Einflüsse sehen.

HILLE: Mangels Zuständigkeit habe ich dazu nichts zu sagen.

ZUSATZ LEIFERT: Ach, Wirtschaft, sorry für die Ariane ist ja Frau Zypries zuständig.

HILLE: Richtig.

ZUSATZFRAGE LEIFERT: Sagen Sie was dazu, Frau Alemany?

ALEMANY: Wenn Sie von den Korruptionsvorwürfen sprechen man muss ja immer genau schauen, über welches Themengebiet man in diesem Bereich spricht , dann kann ich sagen, dass unser Haus tatsächlich betroffen ist, wenn es um Hermesdeckungen geht. Seit Airbus diese Selbstanzeige gemacht hat bzw. diese Unregelmäßigkeiten vor dem Serious Fraud Office in Großbritannien zur Kenntnis gebracht hat, haben wir, ebenso wie Frankreich und auch England, keine Hermesdeckungen mehr ausgesprochen.

VORS. WEFERS: Frau Adebahr möchte noch etwas nachtragen.

ADEBAHR: Ich kann noch nachreichen, dass die Haftbesuche bei Meşale Tolu nicht wöchentlich, sondern faktisch im Monatsrhythmus stattgefunden haben. Frau Tolu konnte durch uns besucht werden am 2. Juni, 3. Juli, 1. August, 5. September am 23. August noch einmal durch den Botschafter Erdmann und 9. Oktober.

FRAGE LAUTENBACH: Zum Völkermord an den Herero: Frau Adebahr, in New York geht morgen das Verfahren einer Sammelklage gegen Deutschland in dieser Frage weiter. Die Bundesregierung hatte bisher gesagt, man habe keine Anklageschrift erhalten und nähme nicht teil. Die Frage lautet: Haben Sie inzwischen diese Anklageschrift bzw. die Streitschrift bekommen? Ist Deutschland dort vertreten? Falls ja: Mit welchen Argumenten tritt die Bundesregierung dort auf?

ADEBAHR: Es ist richtig, dass in New York die nächste Verhandlungsrunde läuft. Wir haben an dieser Stelle ja schon davon gesprochen, dass die Bundesregierung mit der demokratisch gewählten Regierung von Namibia Gespräche über eine zukunftsgerichtete Aufarbeitung der gemeinsamen Kolonialvergangenheit führt. Dazu finden regelmäßig Gespräche statt; diese verlaufen auch konstruktiv. Ich glaube, am 29. September gab es eine weitere Gesprächsrunde dieser Art hier in Berlin. Dazu gibt es auch eine Pressemitteilung, auf die ich Sie gerne verweisen kann.

Zu den Verhandlungen in New York kann ich Ihnen leider nur sagen, dass wir laufende Verfahren nicht kommentieren und dass aus unserer Sicht nach über 100 Jahren dieser Rechtsweg nicht weiterführt, weshalb wir eben auf politische und konstruktive Gespräche mit der legitimierten namibischen Regierung setzen. Dort sind wir auch auf einem guten Weg.

ZUSATZFRAGE LAUTENBACH: Sie sagen, dieser Klageweg führe nicht weiter. Heißt das, Sie sprechen den Gruppen, die dort auftreten also den Herero und anderen Stämmen jeden Anspruch ab bzw. sprechen denen ab, dass sie einen Anspruch gegen Deutschland stellen können?

Das zweite Detail habe ich auch nicht verstanden: Ist Deutschland an diesem Verfahren in New York nun beteiligt oder nicht?

ADEBAHR: Die Bundesregierung ist zu dem Verfahren nicht geladen und tritt dort nicht auf. Ich möchte das Verfahren einfach nicht kommentieren, sondern unsere Haltung darlegen, dass wir auf Gespräche mit der namibischen Regierung setzen.

ZUSATZFRAGE LAUTENBACH: Sie lehnen Gespräche mit den Volksgruppen also ab?

ADEBAHR: Ich sage Ihnen, wofür wir stehen, und das habe ich gerade getan.

FRAGE MÜLLER-THUM: Ich habe eine Frage an das BMEL anlässlich des heutigen Welt-Adipositas-Tages: Können Sie mich bezüglich der nationalen Reformulierungsstrategie, bei der es ja um die Reduzierung von Fetten, Zucker und Salz in Fertigprodukten geht, einmal auf den aktuellen Stand bringen? Ich glaube, das war im Kabinett. Ist das jetzt schon in Kraft? Was ist da der Stand, und was wollen Sie damit erreichen?

REYMANN: Lassen Sie mich anlässlich des von Ihnen erwähnten Tages vielleicht ganz kurz ausholen: Die Bundesregierung hat ja eine etwas breiter angelegte Strategie, um das Thema gesunde, ausgewogene Ernährung und vor allem auch den Kampf gegen Adipositas in die Wege zu leiten. Das besteht aus mehreren Aspekten. Ein Thema ist sicherlich die gesunde Ernährung, ein anderes Thema ist aber auch die Bewegung. Wir haben dazu innerhalb der Bundesregierung gemeinsam mit dem BMG die Initiative „IN FORM“, die genau an diesen beiden Punkten ansetzt. Wichtig sind Verbrauchertransparenz und vor allem Verbraucherinformationen. Es geht also darum, dass die Leute wissen, was in den Produkten drin ist. Diesbezüglich gab es in dieser Legislaturperiode auch nennenswerte Verbesserungen. Last, not least, sagt der Bundesernährungsminister auch immer: Wir müssen bei den Kindern, bei den Kleinsten ansetzen und deswegen Ernährungsbildung in Kitas und Schulen verbessern Sie kennen seine Forderung für ein Schulfach Ernährungsbildung. So viel nur einmal, um ganz grob zu skizzieren, dass es diesbezüglich viele Bestandteile gibt.

Auch die von Ihnen angesprochene Reduktionsstrategie ist vom Bundeslandwirtschaftsminister vorgelegt worden. Dabei geht es darum, einzelne Inhaltsstoffe in Fertigprodukten Zucker, Fett, Salze auf freiwilliger Basis gemeinsam mit der Lebensmittelindustrie zu reduzieren, um so zu in Anführungszeichen gesünderen Produkten zu kommen. Diese Strategie hat der Minister vorgelegt. Sie liegt im Moment im Kanzleramt, und nach unseren Kenntnissen werden dazu Gespräche geführt. Das ist der aktuelle Stand.

ZUSATZFRAGE MÜLLER-THUM: Wenn Sie sagen, Transparenz sei so wichtig: Warum macht man das dann eigentlich nicht verpflichtend, also dass auf solchen Sachen draufstehen muss, was an Fett, Zucker und Salz wirklich drin ist?

Unter anderem aus der Opposition kommt ja der Vorwurf, dass sich der Minister eigentlich öfter mit Vertretern der Zuckerlobby trifft als zum Beispiel mit Vertretern von Ärzten usw. Könnten Sie dazu kurz etwas sagen?

REYMANN: Zu der ersten Frage: Spätestens seit dem 13. Dezember vergangenen Jahres ist es ja verpflichtend, auf verpackten Lebensmitteln sogenannte Nährwertangaben zu veröffentlichen, und da sind die von Ihnen genannten Inhaltsstoffe auch einzeln aufgelistet. Insofern haben wir dort mehr Transparenz geschaffen. Verbraucher können mit einem Blick auf die Verpackung also feststellen, wie viel Zucker und wie viel Salz in einem Produkt enthalten sind. Insofern haben wir da tatsächlich einen großen Schritt nach vorne getan.

Zu der zweiten Frage bzw. zu dem Anwurf aus der Opposition: Erstens ist es richtig, dass wir im Wege der Erstellung dieser Reduktionsstrategie mit allen Beteiligten gesprochen haben. Ich kann jetzt gar nicht bewerten, ob wir mit dem einen ein Gespräch mehr hatten als mit dem anderen. Es liegt aber irgendwo auch in der Natur der Sache, dass Sie, wenn Sie erreichen wollen, dass die Lebensmittelindustrie freiwillig an ihre Rezepte herangeht und zum Beispiel Salz oder Zucker reduziert, sich natürlich auch mit den Leuten unterhalten müssen, die das umsetzen sollen. Insofern kann ich ehrlich gesagt nicht feststellen, dass an diesem Vorwurf etwas dran wäre und schon gar nichts Skandalöses.

FRAGE PALUCKI: Ich habe eine Frage zum Thema NATO an Herrn Fähnrich und Frau Demmer. Am Montag wurde in Warschau und in Bukarest die Erweiterung der NATO-Ostflanke besprochen. Das beginnt heute teilweise war das schon am Montag der Fall von deutschem Boden aus. Laut Medienberichten verlegen die USA weiteres Militär aus Bayern nach Polen. Wie lautet die Position der Bundesrepublik Deutschland zur weiteren Aufrüstung der NATO-Ostflanke?

FÄHNRICH: Was Ihre Frage angeht, kann ich zurzeit nicht richtig einordnen, was Sie genau meinen. Sprechen Sie von den Übungen der Vereinigten Staaten, die unsere Straßen und unsere Züge nutzen, um Gerät von A nach B zu transportieren?

ZUSATZFRAGE PALUCKI: Ich meine tatsächlich, dass in Absprache mit der polnischen Republik final von Punkt A nach Punkt B Gerät transportiert wird. Wir sprechen von Vilseck in Bayern nach Orzysz in Ostpolen. Der Transport hat am Montag mit einem Konvoi angefangen und wird heute mit einem zweiten Konvoi fortgesetzt. Die Medienberichte, die ich meine, sind einerseits Aussagen von der Website der

VORS. WEFERS: Was ist denn Ihre Frage?

ZUSATZFRAGE PALUCKI: Die Frage ist ganz einfach. Ganz allgemein: Was hält die Bundesrepublik bzw. was halten Sie als Repräsentant des Verteidigungsministeriums von der recht aktuellen und auch jetzt schon in Warschau und in Bukarest besprochenen, aber nicht konkret angesprochenen Erweiterung der NATO-Kräfte auf polnischem Gebiet?

FÄHNRICH: Zur Einordnung: Wenn Sie Warschau ansprechen, ist das meiner Auffassung nach die Positionierung von temporären Soldatinnen und Soldaten in den baltischen Staaten und in Polen. Das wurde in Warschau besprochen das nennt sich im Englischen „Enhanced Forward Presence“ , um den baltischen Staaten die Sicherheit zu geben, ausgebildet zu sein und sich auch entsprechend weiterzuentwickeln. Deutschland beteiligt sich auch daran, so wie die anderen Nationen in anderen entsprechenden Ländern. Das ist, wie gesagt, ein Entschluss und Beschluss der NATO, dem wir zusammen zugestimmt haben, um den Ländern das Gefühl und die Sicherheit zu geben, sich im eigenen Land sicher zu fühlen.

ZUSATZFRAGE PALUCKI: Meine Frage zur Ukraine richtet sich an Frau Demmer. Am 2. Oktober hat die Vizepräsidentin des ukrainischen Parlaments, Oxana Syroiid, folgendes Statement auf Facebook veröffentlicht: „Ich wurde am Freitag benachrichtigt, dass Bundeskanzlerin Merkel möchte, dass wir für die Verlängerung des Gesetzes über den Spezialstatus der okkupierten Gebiete von Donezk und Lugansk stimmen.“ Die Gültigkeit des Gesetzes läuft am 18. Oktober dieses Jahres aus. Meine Frage wäre: Braucht das ukrainische Parlament eine so eindringliche Intervention von außen bei innenpolitischen Entscheidungen?

SRS’IN DEMMER: Ich kenne die Facebook-Bemerkungen nicht, die Sie ansprechen.

Ich kann Ihnen aber ganz allgemein sagen, dass das Sonderstatusgesetz von 2014 in diesem Monat ausgelaufen wäre, wie sie zu Recht sagen. Es ist die Grundlage für die auch im Minsker Maßnahmenpaket festgeschriebenen Sonderrechte der Verwaltung in bestimmten Gebieten der Region Donezk und Luhansk. Die Verlängerung, die letzte Woche erfolgt ist, war daher ein wichtiger Schritt bei der Umsetzung der Minsker Vereinbarungen, zu dem die Bundesregierung Staatspräsident Poroschenko beglückwünscht.

ZUSATZFRAGE PALUCKI: Die Aussage war kein kurzer Facebook-Kommentar, sondern ein ziemlich ausgiebiges Facebook-Statement von einem hochrangigen Parlamentarier der ukrainischen Regierung. Dazu möchten Sie nichts sagen?

SRS’IN DEMMER: Ich habe ja gesagt: Ich kenne das nicht. Deswegen kann ich das hier nicht kommentieren.

ZUSATZ PALUCKI: Danke.

FRAGE GEBAUER: Frau Demmer, zwei Fragen. Es gibt aktuelle Berichterstattung der „ZEIT“ zum Thema U-Boot-Deal mit Israel. Es geht um drei U-Boote, deren Export vor der Bundestagswahl erst einmal nicht genehmigt worden ist. Nun berichtet die „ZEIT“, dass Israel hochrangig bei der Bundeskanzlerin selber Anfang September interveniert hätte, diesen Deal endlich zu genehmigen. Deswegen meine Frage: Hat es ein solches Treffen gegeben, wo Israel noch einmal darauf gedrängt hat oder sich zumindest gewünscht hat, diesen U-Boot-Deal zu genehmigen?

SRS’IN DEMMER: Ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob ich Ihnen dazu etwas sagen kann. Wenn ich Ihnen dazu etwas sagen könnte, würde ich das nachreichen.

ZUSATZFRAGE GEBAUER: Einen Nachsatz an das Kanzleramt und das Auswärtige Amt: Es wurde schon mehrmals nach den Korruptionsermittlungen rund um diesen U-Boot-Deal gesprochen, bei dem im Raum steht, dass ThyssenKrupp durch Lobbyisten in Israel Schmiergeldzahlungen getätigt hat usw. Vor Monaten wurde immer gesagt: Wir beobachten diesen Fall sehr genau. Gibt es mittlerweile eine halbwegs konsolidierte Einschätzung, welches Ausmaß dieses Korruptionsverfahren hat? Welche Rolle spielt dabei, dass sich zum Beispiel der deutsche Botschafter 2015 laut diesem „ZEIT“-Bericht mit zwei Beschuldigten in dieser Korruptionsaffäre getroffen hat?

ADEBAHR: Von meiner Seite dazu von hier aus im Moment keinen Stand. Ich habe diesen „ZEIT“-Artikel auch noch nicht gelesen. Deswegen würde ich von dieser Stelle aus auch nicht zu eventuellen Inhalten Stellung nehmen.

FRAGE SCHWIETZER: Eine Frage an das Umweltministerium. Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet heute, dass die Bundesregierung ihre selbst gesteckten Klimaziele weit verfehlen wird. Es ist jetzt von 32 Prozent die Rede. Können Sie diese Zahlen bestätigen? Was sind das für Zahlen? Sind das Prognosen oder ist das eine Neubewertung? Wo sehen Sie die Ursachen und Gründe dafür?

FICIHTNER: Darauf kann ich gerne antworten. Die Zahlen, die Sie genannt haben, sind überschlägige Berechnungen, die ich Ihnen bestätigen kann. Zur Einordnung: Die Bundesregierung hat sich schon vor zehn Jahren das Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2020 40 Prozent Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 zu reduzieren. Ministerin Hendricks hat seit ihrem Amtsantritt immer wieder laut und deutlich darauf hingewiesen, dass wir zusätzliche Anstrengungen brauchen, um dieses Ziel zu erreichen. Wir haben daraufhin ein Aktionsprogramm Klimaschutz mit mehr als 100 Maßnahmen entwickelt, die alle einen Beitrag zur Schließung dieser Lücke erbringen. Ohne dieses Programm wären wir bei einer deutlich dramatischeren Situation, als wir es jetzt ohnehin schon sind.

Dass all diese Maßnahmen nicht ausreichen, um das 40-Prozent-Klimaziel zu erreichen, wissen wir seit ungefähr einem Jahr und haben das auch immer wieder öffentlich zum Ausdruck gebracht. Darum kann es nicht überraschen, dass unsere Experten jetzt in Vorbereitung des nächsten Klimaschutzberichts auf Fehlentwicklungen hinweisen.

Sie fragen, in welchen Bereichen diese Fehlentwicklungen besonders liegen. Das ist zum einen der Verkehrssektor, der in den letzten Jahren nicht nur keine Minderung erbracht hat, sondern im Gegenteil seine Emissionen ausgeweitet hat. Neu ist aber vor allem die Erkenntnis über das Ausmaß der Verfehlungen im Stromsektor.

Das Problem ist, dass wir zwar gute Fortschritte beim Aufbau der erneuerbaren Energien gemacht haben, aber die Verstromung aus Braun- und Steinkohlekraftwerken eben nicht korrespondierend heruntergegangen ist. Wir haben darum einen gigantischen Kohlestromüberschuss, den wir ins Ausland exportieren. Das schadet unserer Klimabilanz enorm.

Falsch wäre es jetzt, das 40-Prozent-Ziel infrage zu stellen. Wir dürfen dieses Ziel auf keinen Fall aufgeben; das wäre auch international ein ganz falsches Signal. Ich kann jetzt nicht für die künftige Regierung sprechen, aber Sie wissen ja, dass die Bundeskanzlerin sich auch öffentlich dazu bekannt hat, mit der neuen Bundesregierung die Erreichung dieses Ziels sicherzustellen. Das Gute ist, dass wir die Instrumente kennen, um die Zielerreichung sicherzustellen. Erneuerbare Energien sind inzwischen so günstig, dass ein stärkerer Zubau nicht mehr die Welt kostet. Wir haben hohe Stromüberschüsse, die uns ermöglichen, einen großen Schritt beim Kohleausstieg in den nächsten Jahren zu machen. Wir sind auch optimistisch, dass die Elektromobilität zusammen mit Ökostrom einen guten Beitrag dazu leisten kann, auch den Verkehr klimafreundlicher zu machen.

ZUSATZFRAGE SCHWIETZER: Woran Sehen Sie denn dann die Schuld, wenn Sie sagen, die Ministerin habe immer versucht, sich Gehör zu verschaffen? Konnte Sie sich nicht durchsetzen? Wo sehen Sie die Ursache dafür?

FICHTNER: Das sind einfach Entwicklungen in der Realität. Das ist zum einen eine gute Konjunktur. Das ist zum anderen einfach, anders als die bisherige Annahme war, ein fehlender Rückgang beim Kohlestromexport. Man dachte früher auch unsere Gutachter dachten das früher , wenn die erneuerbaren Energien wachsen, wird der Kohlestrom automatisch aus dem Netz gehen. Das ist nicht passiert. Das ist eigentlich mit die zentrale Entwicklung, die zu dieser größeren Lücke geführt hat.

Wir haben in den letzten vier Jahren viel getan, um das Problem anzugehen. Es gibt nächstes Jahr eine Kommission, die sich mit dem Thema „Strukturwandel in der Kohleverstromung“ auseinandersetzt. Wir hoffen, dass in den nächsten Jahren die Entscheidungen getroffen werden, die in den letzten Jahren nicht getroffen werden konnten.

FRAGE JUNG: Herr Fähnrich, zur Truppenaufstockung in Afghanistan. Das BMVg hat explizit nicht Berichte dementiert, wonach die Planungen in Ihrem Ministerium schon laufen. Sie haben aber gesagt: „Unabhängig davon gibt es im BMVg Überlegungen in verschiedene Richtungen, aber noch keine Entscheidungen über konkrete Zahlen.“ In welche verschiedenen Richtungen überlegen Sie?

FRAGE MÜLLER-THUM: Frau Demmer, angesichts der Wirtschaftsnobelpreises für Richard Thaler die Frage, was eigentlich die „Nudging“-Projektgruppe im Kanzleramt so macht und wie Sie Bilanz ziehen würden. War das ein Erfolg? Was ist erreicht? Welche Projekte gab es? Wird sie eigentlich weiter geführt?

FRAGE GEBAUER: Ich habe eine ganz kurze Frage an das Kanzleramt. Die „SZ“ berichtet, dass die Entscheidung gefallen ist, dass Jan Hecker die Nachfolge von Christoph Heusgen als außenpolitischer Berater antreten soll. Vielleicht können Sie dazu zwei Worte sagen, auch zu der Berufung und den Gründen.

SRS’IN DEMMER: Wenn wir es rückwärts machen, sage ich schnell etwas zu Herrn Hecker.

Die vakante Stelle des außen- und sicherheitspolitischen Beraters der Bundeskanzlerin wird neu besetzt. Morgen wird die Funktion des Abteilungsleiters 2 Jan Hecker übertragen. Die Bundeskanzlerin kennt und schätzt Herrn Hecker aus seiner derzeitigen Tätigkeit. Seine bisherige Arbeit als Leiter des Koordinierungsstabs Flüchtlingspolitik war für die Bundesregierung von zentraler Bedeutung. Er wird diese Funktion zunächst auch beibehalten. Die Bundeskanzlerin freut sich auf die Zusammenarbeit.

Zu der Frage von Frau Müller-Thum: Ich nehme an, Sie fragen nach der Strategie der Bundesregierung „Wirksam regieren“, die allerdings mit „Nudging“ nichts zu tun hat. Das war nun keine „Nudging“-Einheit, sondern es ging darum, die Zusammenarbeit mit Bundesministerien zu testen sowie um alternative Gestaltungs- und Umsetzungsmöglichkeiten politischer Vorhaben und dies ganz praktisch und unter realistischen Bedingungen im Dialog mit Bürgerinnen und Bürgern.

Der Begriff des „Nudging“ darauf würde ich gerne kurz eingehen wollen wird sehr unterschiedlich verwendet und umfasst ein breites Bündel an Maßnahmen, die von Informationen bis Manipulationen reichen. Einige verstehen darunter zum Beispiel auch die Warnhinweise auf Zigarettenverpackungen, andere den Großteil gesetzlicher Regelungen und wiederum andere die Manipulationen von Bürgerinnen und Bürgern ohne deren Wissen davon. Von Letzterem distanziert sich die Bundesregierung und lehnt so etwas natürlich strikt ab.

Da Sie die Auszeichnung für Richard Thaler ansprechen: Das haben wir natürlich zur Kenntnis genommen und gratulieren dem Preisträger ganz herzlich.

FÄHNRICH: Eine kurze Antwort zum Afghanistan-Einsatz: Wie bereits schon öfter hier erwähnt, sind wir nicht in der ersten Reihe, wenn es darum geht, unsere Truppen in diesem Land zu erhöhen. Auch zu Zahlen werde ich natürlich keine Stellung nehmen.

Ich kann Sie auf eines hinweisen, was Ihre Frage angeht: Wir werden die nächsten Wochen und Monate abwarten. Denn nicht nur bei uns, sondern vor allen Dingen in der NATO laufen Gespräche dazu und finden Treffen statt, in dem sich diese entsprechenden Höhen und Tiefen abzeichnen werden.

SRS’IN DEMMER: Noch einen Satz zum Thema „Nudging“, weil ich die Projektgruppe noch einmal erklären wollen würde: Weil es eben keine „Nudging“-Einheit ist, würde ich doch gerne ein paar Worte darauf verwenden, dass die Projektgruppe von Anfang an einen empirischen Ansatz verfolgt hat, der politische Vorhaben und Verwaltungshandeln stärker an der Perspektive des Bürgers ausrichtet. Dem diente der verstärkte Einbezug sozialwissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden wie zum Beispiel qualitative Interviews und randomisierte kontrollierte Feldstudien. Zudem werden, wo dies möglich ist, Maßnahmen gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern entwickelt. Das war das, was ich dazu sagen wollte.

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