Dienstpflicht ► RegPK vom 6. August 2018
Themen: Erdbeben auf Lombok, mögliches Urlaubsdomizil der Bundeskanzlerin, Ausweisung des kanadischen Botschafters aus Saudi-Arabien, Änderung der Geschäftsbedingungen der Deutschen Bundesbank/Bargeldtransfer in den Iran, mögliche rechtswidrige Abschiebung eines Uiguren von Bayern nach China, Sami A., Diskussion um eine Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht bzw. die Wiedereinführung der Wehrpflicht, Auswirkungen der anhaltenden Trockenheit auf die deutsche Landwirtschaft, Warnungen des Bundesverfassungsschutzpräsidenten vor in Deutschland in islamistischen Familien aufwachsenden Kindern, Bewerbungen von EU-Ausländern für den Dienst bei der Polizei in Deutschland, geplante Errichtung eines Abschiebegefängnisses am Flughafen München, Verhandlungen über bilaterale Rückführungsabkommen, Vorschlag der Bundesumweltministerin zur Halbierung des Kohlendioxidausstoßes von Pkw in Europa von 2021 bis 2030, Verhandlungen auf europäischer Ebene über die Flüchtlingsverteilung, Stärkung der Tarifbindung, mögliche Produktionsengpässe für Hersteller von Hybridelektrokraftfahrzeugen durch die Worldwide harmonized Light vehicles Test Procedure (WLTP), Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Asylgesetzes, Forderung des Bundesinnenministers nach mehr Unterstützung durch die Bundeskanzlerin bei der Einrichtung von AnKER-Zentren
Ohne naive Fragen heute.
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Tilo Jung
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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 6. August 2018:
SRS’IN DEMMER: Die Bundeskanzlerin hat dem Präsidenten Indonesiens kondoliert. Ich zitiere:
„Mit großer Bestürzung habe ich von den beiden Erdbeben erfahren, die die Insel Lombok erschüttert haben und bei denen viele Menschen den Tod fanden und Hunderte verletzt wurden. Ihnen und Ihrem Land möchte ich mein tief empfundenes Beileid aussprechen. Mein aufrichtiges Mitgefühl gilt in dieser Stunde den Angehörigen der Opfer. Den Verletzten wünsche ich baldige Genesung.“
FRAGE BLANK: Man stellt sich die Frage: Wenn die Bundeskanzlerin kondoliert, von wo aus tut sie das denn? Können wir heute erfahren, wo sie in ihrem Urlaub weilt? Nächste Woche am Dienstag hat sie, soweit ich weiß, den ersten Termin. Können Sie sagen, wo die Kanzlerin ist? Wandert sie, oder was tut sie?
SRS’IN DEMMER: Grundsätzlich kann ich Ihnen sagen wie wir das jedes Mal tun, wenn die Urlaubszeit naht , dass die Bundeskanzlerin immer im Dienst, deswegen auch immer erreichbar und voll arbeitsfähig ist, wie ich es Ihnen gerade auch vorgetragen habe, und jederzeit über alle aktuellen Situationen informiert ist. Zu Urlaubsplänen und den orten sagen wir hier nie etwas.
FRAGE HELLER (zu dem Erdbeben auf Lombok): Ich möchte das Auswärtige Amt fragen, ob schon Erkenntnisse über die Betroffenheit deutscher Staatsbürger vorliegen, über Opfer oder auch Menschen, die dort an Flughäfen warten, um zurückzukommen. Gibt es da schon irgendwelche Zahlen?
BREUL: Zum jetzigen Zeitpunkt liegen uns keine Hinweise vor, dass es Deutsche unter den Opfern gibt. Die deutsche Botschaft in Jakarta ist im Kontakt mit vielen Betroffenen. Die bisherige Rückmeldung ist, dass es denjenigen, die vor Ort sind, gut geht und sie wohlauf sind.
Am Flughafen in Lombok ist ein EU-Helpdesk eingerichtet worden. Im Laufe des Tages wird da auch die deutsche Botschaft vor Ort vertreten sein.
Zu genauen Zahlen von vor Ort, wie viele Deutsche sich auf Lombok befinden usw., habe ich im Moment noch nichts vorliegen.
FRAGE KÜFNER: Ich habe eine Frage zu Kanada und Saudi-Arabien. Vom kanadischen Außenministerium ist Besorgnis ausgedrückt worden ob der Ausweisung des kanadischen Botschafters wegen kanadischen Protests nach der Festnahme von Frauenaktivistinnen. Darunter war wohl auch die Schwester von Raif Badawi.
Frau Demmer, wie besorgt ist die deutsche Bundesregierung angesichts dessen, was sich da abspielt?
Herr Breul, inwieweit setzt sich die Bundesregierung für Herrn Badawi ein, und inwieweit wird sie sich auch für dessen Schwester einsetzen?
BREUL: Ich kann vielleicht vorwegschieben, dass sich die Bundesregierung selbstverständlich überall auf der Welt für den Schutz von Menschenrechtsverteidigern einsetzt. Das gilt selbstverständlich auch für Saudi-Arabien. Manchmal äußern wir uns in Statements dazu öffentlich, manchmal vertraulich. Das hängt immer ganz vom Einzelfall ab und ist natürlich immer abhängig vom Interesse des Menschenrechtsverteidigers selbst. Wir stimmen uns dabei auch eng mit unseren europäischen Partnern ab und suchen in Menschenrechtsfragen den Dialog mit der saudi-arabischen Seite in unterschiedlichsten Formaten.
Die Entwicklungen in Saudi-Arabien insgesamt sind differenziert zu betrachten. Wir haben uns schon wiederholt zu den Reformprogrammen geäußert, was die saudi-arabische Regierung unternimmt. Hier gibt es aber kein einfaches Schwarz-Weiß. Sie können sich aber sicher sein, dass wir in den Fällen, in denen es bei den Menschenrechten aus unserer Sicht nicht in die richtige Richtung geht, dies ansprechen und auf die Tagesordnung setzen, wo immer es die Gelegenheit dafür gibt.
SRS’IN DEMMER: Ich kann nur ganz allgemein sagen, dass wir Differenzen natürlich immer ansprechen. Menschenrechtsfragen nimmt die Bundesregierung regelmäßig auch mit den saudi-arabischen Gesprächspartnern auf.
ZUSATZFRAGE KÜFNER: Ich habe eine Nachfrage, konkret auf diesen Fall und diese Eskalation zwischen Kanada und Saudi-Arabien bezogen: Mit wie viel Besorgnis betrachtet die Bundesregierung das?
SRS’IN DEMMER: Ich habe dem jetzt nichts hinzuzufügen.
BREUL: Ich meine, grundsätzlich ist es nicht an uns, zu kommentieren, wie das Verhältnis zweier Drittstaaten untereinander ist. Grundsätzlich haben wir natürlich ein Interesse daran, dass sich Partner miteinander austauschen können und sich im Dialog befinden.
FRAGE: Meine Frage zielt auf den Geldtransfer in den Iran. Die Bundesbank hat letzte Woche ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen geändert, sodass es für den Iran schwieriger werden wird, die 300 Millionen Euro zu bekommen, die er gerne ausführen würde. Ich würde gerne Frau Demmer fragen, was die Bundesregierung von der Änderung der Geschäftsbedingungen hält.
SRS’IN DEMMER: Da würde ich das Ressort bitten.
DR. FEHLING: Ich kann für das BMF nur auf das verweisen, was meine Kollegin, Frau Schwamberger, schon am letzten Mittwoch dazu gesagt hat, nämlich dass wir das nicht zu kommentieren haben.
ZUSATZFRAGE: Dann würde ich gerne noch beim Auswärtigen Amt nachfragen, ob Sie glauben, Herr Breul, dass dadurch die Verhandlungen, die Gespräche für das Atomabkommen mit dem Iran erschwert werden könnten?
BREUL: Wie meinen Sie das?
ZUSATZFRAGE: Belastet die Änderung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Gespräche mit dem Iran?
BREUL: Nein.
FRAGE MEYER-FÜNFFINGER: Ich habe eine Frage an das BMI und an das Auswärtige Amt. Vielleicht haben Sie die Berichterstattung heute über die mögliche rechtswidrige Abschiebung eine Uiguren von Bayern nach China zur Kenntnis genommen. Es ist zumindest von den örtlichen Behörden in München eingeräumt worden, dass diese Abschiebung rechtswidrig gewesen ist. Da hat es eine Kommunikationspanne zwischen der Behörde dort und dem BAMF gegeben. Mich würde interessieren, wie das BMI diesen Fall bewertet.
Herr Breul, an Sie die Frage: Die Menschenrechtsbeauftragte, Frau Kofler, hat diesen Fall mit der allgemeinen Aussage bewertet, dass sie die Abschiebung von Uiguren nach China aufgrund der aktuellen Lage dieser Volksgruppe in China für unzulässig hält. Inwiefern schließt sich das Auswärtige Amt dieser Bewertung an, bzw. wie bewertet das Auswärtige Amt diese Bewertung?
PETERMANN: Dann beginne ich einmal, wenn Sie einverstanden sind. – Mir ist dieser Fall nicht bekannt. Deswegen müssen Sie mir zugestehen, dass ich die Sachlage erst einmal kläre. Es gab noch den anderen Fall eines Afghanen da bin ich noch eine Antwort schuldig , der aufgrund einer fehlenden Behördenkommunikation mit dem Gericht zu Unrecht abgeschoben wurde. Dieser kommt in dieser Woche wieder in Deutschland an. Zu dem anderen Fall kann ich nichts sagen.
BREUL: Frau Kofler ist die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung. Sie äußert sich in dieser Funktion. Das habe ich nicht zu bewerten.
FRAGE WONKA: Zu dem, was Frau Petermann gesagt hat: Welche Vorkehrungen haben die Verantwortlichen unter Federführung Ihres Ministeriums getroffen, damit es zukünftig nicht mehr zu Kommunikationspannen kommt, bei denen es ja um Leben und Tod gehen kann, was Abschiebungen angeht? Was haben Sie unternommen, um dem vorzubeugen, nachdem Sie jetzt eingeräumt haben, dass das ein Irrtum war? Wie sicher kann man sein, dass in Zukunft Menschen nicht mehr irrtümlich abgeschoben werden?
PETERMANN: Ich denke, man kann zu der Sicherheit sagen, soweit es menschenmöglich absehbar ist: Es sind Vorkehrungen getroffen worden. In Zukunft wird es immer einen Abgleich mit möglichen anhängigen Verfahren geben das ist entschieden worden ; denn dort lag ja diese Kommunikationspanne. Dem Afghanen war der ablehnende Bescheid an eine falsche Adresse zugestellt worden. Die neue Adresse war nicht eingetragen worden. Das Gericht hatte zwar darauf aufmerksam gemacht. Aber aus irgendeinem fehlerhaften Grund erfolgten die Bereinigung nicht und auch nicht die Kommunikation dazu mit dem Gericht.
ZUSATZFRAGE WONKA: Können Sie mir in diesem Zusammenhang sagen, was die Grundlinie Ihres Ministers ist, lieber einmal zu viel oder einmal zu wenig abschieben?
PETERMANN: Diese Frage stellt sich so nicht.
ZUSATZ WONKA: Sie hat sich aber doch praktisch gestellt.
PETERMANN: Eine fehlerhafte Abschiebung sollte auf gar keinen Fall geschehen.
ZUSATZFRAGE WONKA: Also lieber einmal zu wenig als einmal zu viel abschieben?
PETERMANN: Eine fehlerhafte sollte auf gar keinen Fall geschehen.
FRAGE DR. LOHSE: Wo wir gerade bei dem Komplex „Abschiebung zu Recht oder zu Unrecht“ sind, wüsste ich gerne Herr Breul oder Frau Petermann , wie der letzte Stand zu dem Fall Sami A. ist. Darf er denn nun ausreisen? Welche Papiere hat er? Was wissen Sie?
BREUL: Ich kann nur sagen: Auch wir haben diese Medienberichte gesehen. Wir haben aber dazu keine weitergehenden Informationen der tunesischen Innenbehörden. Darum kann ich diese Information der Anwältin des Betroffenen weder bestätigen noch dementieren. Die Botschaft bemüht sich da um eine Sachstandsaufklärung.
PETERMANN: Ich habe dem von meiner Seite nichts hinzuzufügen. Das Bundesinnenministerium begleitet, aber ist nicht operativ tätig.
ZUSATZFRAGE DR. LOHSE: Haben Sie aktuell noch einmal nachgefragt? Ich meine, immerhin bezieht sich die Berichterstattung ja auf ein Verwaltungsgericht und nicht auf irgendein Gerücht. Haben Sie da jetzt noch einmal nachgefasst, was heute eigentlich der Stand ist?
BREUL: Der Gesprächspartner für uns ist natürlich die tunesische Regierung, von der die Botschaft Informationen erbittet. Das ist natürlich bei einem laufenden Verfahren auch laufend der Fall. Ich habe jetzt nur gesagt, dass wir das, was am Wochenende durch die Medien gegeistert ist, weder bestätigen noch dementieren können. Aber wir nehmen das natürlich mit den tunesischen Behörden auf, um zu klären, was jetzt der Sachstand ist.
ZUSATZFRAGE DR. LOHSE: Das heißt also, Stand jetzt haben Sie keine Kenntnisse davon, dass Sami A. ausreisen durfte?
BREUL: Das ist richtig.
FRAGE: Ich habe eine Frage an Herrn Flosdorff. Am Wochenende ist, angestoßen durch Frau Kramp-Karrenbauer, die Diskussion über eine Reaktivierung des Wehrdienstes, wahlweise über eine Dienstpflicht, aufgekommen. Ich würde gerne wissen: Wie wird das in Ihrem Ministerium aufgenommen? Wie ist die Haltung dazu? Vor allem: Was würde eine Umsetzung „on the ground“ bedeuten, sprich: Ausrüstung, Unterkunft, Ausbildung? Wäre man überhaupt dafür gerüstet? Würden dann nicht viel zu viele kommen, nämlich ungefähr zehnmal so viele, wie man braucht?
FLOSDORFF: Ich bitte vorweg schon einmal um Verständnis, dass ich diese ganzen Detailfragen hier in der Kürze der Zeit selbstverständlich nicht werde ausräumen können, zumal ja auch gar nicht wirklich klar ist, wie am Ende dann der Zuschnitt oder wie die Voraussetzungen des Modells überhaupt sein sollen, das im Augenblick vornehmlich auf parteipolitischer Ebene in der Diskussion ist. Ich kann Ihnen aber gerne trotzdem ein paar Worte dazu sagen.
Die Ministerin ist der Meinung, dass die Debatte um ein allgemeines Dienstjahr gut und wichtig ist, vor allem weil sie den Blick auf ein paar wichtige Themen lenkt, die sowohl für die Gesellschaft als auch für die Bundeswehr eine enorme Bedeutung haben.
Gestatten Sie mir vorweg die Bemerkung: Aus der Sicht der Ministerin geht es bei dieser Debatte um ein allgemeines Dienstjahr nicht um ein Wiederaufleben der alten Wehrpflicht und auch nicht um eine Diskussion, die auf ein kurzfristiges Ergebnis zielt. Für sie sind vordringlich in der aktuellen Regierungsarbeit für die Bundeswehr die eingeleitete Modernisierung des Materialparks, moderne, konkurrenzfähige Arbeitsbedingungen für Fachkräfte, die heute in der Truppe dienen, sowohl zivil als auch militärisch, sowie eine verlässliche, auskömmliche Finanzausstattung, die auch den gestiegenen Anforderungen an die Bundeswehr Rechnung tragen, darüber hinaus, mit Blick auf Europa, auch die europäische Vernetzung unserer Verteidigung.
Trotzdem ist das eine sehr hilfreiche und sehr gute Diskussion, aus der auch die Bundeswehr ihren Profit ziehen kann, und zwar aus mehreren Gründen: Sie lenkt den Blick auf den hohen Mehrwert, den das Engagement von jungen Menschen für den Staat, sowohl für das eigene Leben als auch für unsere Gesellschaft insgesamt, birgt, wenn sie sich für einen begrenzten Zeitraum ihrem Land zur Verfügung stellen. Das tun die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr im Übrigen jeden Tag mit Bravour.
Die Ministerin begrüßt auch den Grundgedanken, der hierdurch angesprochen worden ist. Man muss immer wieder überprüfen, wenn wir Berufe und Aufgaben in unserer Gesellschaft haben, die einen besonderen Wert darstellen, ob die Anreize dafür stimmen. Ist das attraktiv genug, insbesondere vor dem Hintergrund eines boomenden Arbeitsmarktes? Auch da müssen wir nachjustieren. Da ist in der vergangenen Legislaturperiode schon einiges passiert. Wenn Sie in den Koalitionsvertrag für diese Legislaturperiode schauen, dann werden Sie sehen, dass schon vieles dort angelegt worden ist. Es gibt deutliche Verbesserungen, sowohl für die militärischen als auch für die zivilen Beschäftigten der Bundeswehr.
Ein Engagement egal, ob es bei der Bundeswehr oder in anderen Einrichtungen ist, die eine besondere Bedeutung in unserem Land haben sollte nicht nur mit Dank und Anerkennung einhergehen, sondern mit ganz handfesten persönlichen Vorteilen für die jungen Menschen, die sich diesen Aufgaben stellen.
Um auf Ihre Frage zurückzukommen: Sie haben gefragt, wie die Grundbedingungen heute bei der Bundeswehr sind. Natürlich muss man bei dieser ganzen Diskussion beachten, dass sich die Bundeswehr in den letzten 20 Jahren deutlich verändert hat, beispielsweise die Aufgaben für junge Soldatinnen und Soldaten. Ein Großteil der Truppe ist heute auf hochprofessionelle Einsätze in internationalen Bündnissen eingestellt. Allein der Umgang mit Hightechausrüstung erfordert mehrere Jahre Übung und Training.
Wir sind in der Bundeswehr schon heute in der Lage, bis zu 12 500 Stellen für einen freiwilligen Wehrdienst zur Verfügung zu stellen. Diese sind in den vergangenen Jahren immer in einer Größenordnung von etwa 8500 Stellen befüllt worden, was im Moment, in der derzeitigen Lage für die Bundeswehr, für die Rekrutierung und Nachwuchsgewinnung als ausreichend befunden wird. Wir sind uns aber darüber im Klaren, dass sich die Situation für uns in den nächsten Jahren weiter verschärfen wird, allein schon weil die Demografie so ist, wie sie ist. Wenn sich die Wirtschaft und der Arbeitsmarkt weiter so entwickeln, besteht natürlich das Erfordernis, dass wir uns weiter bemühen, im Verhältnis zu anderen Arbeitgebern immer noch attraktiver und konkurrenzfähiger zu werden. Dem gilt im Moment die Hauptaufmerksamkeit.
ZUSATZFRAGE: Verstehe ich Sie dann richtig, dass die Freiwilligkeit eher das Ziel ist als zum Beispiel ein Modell à la Schweden, nämlich alle werden gemustert, und die Bundeswehr nimmt sich dann diejenigen, die am besten passen?
FLOSDORFF: Ich rate dazu, sich auch die Modelle, die in anderen Ländern gelten, einmal genauer anzuschauen. Bei genauerer Betrachtung wird auch in Schweden nur derjenige gezogen, der freiwillig zu den Streitkräften kommt. So sind zumindest die Informationen, die wir direkt von dem schwedischen Verteidigungsministerium erhalten. Aber natürlich kann man immer über Modelle nachdenken, die die Basis derer, die dann kommen, verbessern und vergrößern.
Im Moment bekommen wir für etwa 25 000 bis 30 000 Stellen in der Bundeswehr 125 000 Bewerbungen. Das Verhältnis von 1 zu 16 bei den zivilen Berufen, die wir ausschreiben, ist sehr gut. Bei den Soldatenberufen haben wir ungefähr doppelt so viele Bewerber, wie wir Stellen brauchen. Das heißt nicht, dass wir alle Stellen besetzen können. Natürlich gibt es bei uns, wie auch bei allen anderen Arbeitgebern in Deutschland, viele Engpässe in Mangelberufen. Manchmal dauert ist viele Jahre, bis man die Menschen bis dahin ausgebildet hat, bis wir auf diesen hoch spezialisierten Stellen, die wir heute in der Mehrzahl haben, die geeigneten Menschen sitzen haben.
DR. AUDRETSCH: Die andere Seite der Debatte dies hat der Kollege gerade schon angesprochen ist die Frage nach Engagement und Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Über 30 Millionen Menschen engagieren sich in Deutschland das ist eine sehr hohe Zahl und übernehmen damit Verantwortung. Diesen Menschen gebührt das einmal vorweggeschickt größter Respekt für die Arbeit, die sie für die Gesellschaft leisten.
Wir freuen uns sehr, dass es nun eine Debatte darüber gibt, wie wir zivilgesellschaftliches Engagement weiter stärken können. Diese Debatte ist absolut notwendig. Wir führen diese Debatte schon sehr lange. Auch die Ministerin führt diese Debatte schon sehr lange. Ministerin Giffey hat sich immer wieder dafür ausgesprochen, dass es gut ist, wenn sich vor allem Jugendliche, aber auch Menschen in einem anderen Alter, dazu verpflichten, soziale Tätigkeiten über ein Jahr hinweg zu übernehmen. Das fördert die Entwicklung jedes Einzelnen. Das fördert aber auch den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhalt.
Viele Menschen engagieren sich schon heute, indem sie sich ein Jahr verpflichten. Rund 100 000 Menschen, vor allem junge Leute, leisten einen Freiwilligendienst. Da sind der Bundesfreiwilligendienst, das Freiwillige Soziale Jahr, das Freiwillige Ökologische Jahr, die Internationalen Freiwilligendienste und der Andere Dienst im Ausland zu nennen. Darüber hinaus fördern wir mit dem Programm „Demokratie leben!“ Ehrenamt und freiwilliges Engagement.
Im Kern machen wir das, worüber jetzt debattiert wird, schon seit vielen Jahren intensiv: Wir kümmern uns um diejenigen, die sich in dieser Gesellschaft kümmern.
Der Bundesfreiwilligendienst hat sich in den letzten Jahren zu einer echten Erfolgsgeschichte entwickelt. Rund 320 000 Freiwillige haben sich seit dem 1. Juli 2011 für einen Einsatz im Bundesfreiwilligendienst entschieden. Die Tendenz ist steigend. Aktuell, im Juli 2018, engagieren sich bundesweit knapp 40 000 Männer und Frauen freiwillig im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes.
Die Debatte, wie wir mehr Solidarität in der Gesellschaft herstellen können, begrüßen wir. Zu ganz konkreten Konzepten, wie sie gerade mannigfaltig, vor allem auch im parteipolitischen Raum, in den Ring geworfen werden, würden wir uns heute im Detail noch nicht äußern.
FRAGE BLANK: Ich habe eine Frage an das Justizministerium und hilfsweise auch an das Innenministerium. Die Debatte geht ja nicht um ein freiwilliges Dienstjahr, sondern um ein verpflichtendes Dienstjahr. Da gibt es verfassungsrechtliche und europapolitische Bedenken, dass zum Beispiel Zwangsarbeit verboten ist usw. Wie sehen Ihre Ministerien diese Rechtsfragen? Wie stehen Sie allgemein zu den Vorschlägen eines verpflichtenden Dienstjahres?
PETERMANN: Ich kann gerne beginnen. – Die Frage ist in der Tat, ob dieser Pflichtdienst erstens nach unserem Grundgesetz und zweitens auch europarechtlich zulässig wäre. Er wäre freiwillig ohne Weiteres zulässig und bedürfte auch keiner Grundgesetzänderung.
Sollte aber eine Verpflichtung dazu beabsichtigt sein, dann stellt sich schon die Frage, ob dies mit dem Grundgesetz noch vereinbar ist, insbesondere mit Artikel 12 Abs. 2 des Grundgesetzes, was grundsätzlich den Zwang zu einer bestimmten Arbeit verbietet. Möglich wäre dies in einem ganz engen verfassungsrechtlichen Rahmen, wenn es eine herkömmliche, allgemeine oder für alle gleich geltende öffentliche Dienstleistungspflicht wäre. Eine Deichschutzpflicht oder eine Nothilfepflicht wären beispielsweise so etwas. Man könnte auch an eine Feuerwehrpflicht denken. Als Pflichtdienst wäre das wahrscheinlich nur in einem sehr engen Rahmen möglich.
ZUSATZFRAGE BLANK: Wenn ich das richtig interpretiere, haben Sie eine große Skepsis, dass dieser Vorschlag überhaupt umsetzbar ist.
PETERMANN: Zumindest müsste das verfassungsrechtlich sehr gründlich geprüft werden. Die Problemfelder habe ich aufgezeigt.
ZUSATZFRAGE BLANK: Das Justizministerium sieht das ähnlich?
STEFFEN: Genau. Als anderes Verfassungsressort können wir uns dem natürlich nur anschließen. Da ist jetzt einfach eine Debatte im politischen Raum. Ich denke, es ist zum jetzigen Zeitpunkt absolut zu früh, irgendwelche Prognosen darüber abzugeben. Wenn uns etwas Konkretes dazu vorgelegt wird, werden wir das natürlich gerne prüfen.
FRAGE: Ich habe noch eine Frage zum Thema Dienstpflicht, allerdings an das Gesundheitsministerium: Wäre eine solche Dienstpflicht überhaupt geeignet, beispielsweise den Pflegenotstand abzufedern? Wie steht Ihr Haus dazu?
BERVE-SCHUCHT: Danke schön für die Frage. – Ich möchte darauf hinweisen, dass das im Moment noch eine parteipolitische Debatte ist und wir uns als BMG zu der Ausgestaltung nicht äußern können. Aber sicher Sie haben es angesprochen : Es gibt natürlich einen Mangel an Pflegekräften bei uns. Insofern wäre es möglicherweise ein positiver Effekt, wenn junge Menschen auf diese Weise an Pflegeberufe herangeführt werden.
FRAGE GEBAUER: Herr Flosdorff, vielleicht noch einmal zwei kurze Fragen zur Bundeswehr. Erstens. Sie haben sich relativ zurückhaltend geäußert. Heißt das, dass die Ministerin die Debatte zwar gut findet, sich aber selbst, auch wenn es über eine Dienstpflicht kommen würde, davon gar keinen Vorteil verspricht?
Die zweite Frage: Sie haben die Zahlen für diejenigen genannt, die im Moment freiwillig Wehrdienst leisten. Habe ich das richtig verstanden, dass diese Zahlen für die Bundeswehr ausreichend sind? Sie braucht also im Moment gar nicht mehr?
FLOSDORFF: Um hinten anzufangen: Für den Moment ist das auskömmlich. Das ist eine stabile Bewerberlage, die über die vergangenen Jahre hinweg relativ konstant gewesen ist. Uns ist aber klar, dass es von Jahr zu Jahr immer schwieriger werden wird, diese Zahlen zu generieren. Deswegen ist die Ministerin das ist aber auch bekannt schon seit vielen Jahren auch darum bemüht, die Attraktivität unserer Arbeitsbedingungen bei der Bundeswehr zu verbessern. Das reicht von der Flexibilisierung von Arbeitszeiten über das Schauen darauf, wie die Versorgung ist und was man bei der sozialen Absicherung verbessern kann, bis hin zur Einrichtung der persönlichen Ausstattung und Unterkunftsmöglichkeiten, also all das, was im zivilen Berufsleben irgendwie auch zählt. Natürlich wissen wir, dass wir da andere Kuratelen haben, dass der Soldatenberuf ein ganz besonderer Beruf ist und dass es dort Härten gibt, die mit denen in anderen Berufen nicht vergleichbar sind. Das gilt natürlich nicht für die Einsätze. Umso mehr fühlen wir uns bemüht, uns da zu engagieren, und da gibt es ein gesamtes Gesetzespaket, das jetzt auch wieder im Koalitionsvertrag angelegt worden ist und das in dieser Legislaturperiode auf den Weg gebracht werden soll. Das ist wirklich noch einmal eine ganze Summe an Verbesserungen, die da kommen wird. Es ist ein kontinuierlicher Prozess.
Natürlich haben wir irgendwie ein hohes Interesse daran, dass sich die Basis derer, die in Erwägung ziehen, zur Bundeswehr zu kommen, und sich vielleicht auf einen in der Spitze, wenn wir es denn ausschöpfen würden, 12 500 Plätze für den freiwilligen Dienst bewerben Dann wäre das natürlich positiv. Allerdings warne ich davor, das jetzt als das einzige Eintrittstor in die Bundeswehr zu begreifen. Die Vielzahl von Bewerbungen generieren wir auch außerhalb des freiwilligen Wehrdienstes in der Bundeswehr. Das sind Querwechsler, die aus zivilen Berufen kommen und dann eine militärische Ausbildung nachholen. Die kommen in die Zivilberufe hinein. Es gibt also viele Wege, die in die Bundeswehr führen.
Wir erweitern das auch ständig; Sie haben es vielleicht jetzt bei der Aufstellung unserer Cybereinheiten mitbekommen. Auch da haben wir noch einmal weitere Erleichterungen auf den Weg gebracht. Da senken wir auch die Hürden. Wir zeigen uns flexibel, was Altersgrenzen angeht. Genauso wie die zivilen Arbeitgeber auch lassen wir uns da etwas einfallen. Aber wir müssen schauen: Wie können wir attraktiv bleiben? Können wir irgendwie auch dadurch, dass wir die Rahmenbedingungen verbessern dabei sind wir auch wirklich auf Unterstützung der Politik, des Parlaments, des Gesetzgebers und insbesondere des Haushaltsgesetzgebers angewiesen , so attraktiv bleiben, dass die Bundeswehr auch in den nächsten fünf, zehn oder 20 Jahren ihren Aufgaben nachkommen kann?
Ich habe es auch noch einmal gesagt: Das Personal ist im Moment ein wichtiges Thema für uns. Aber die konkreten, in der akuten Regierungsarbeit wichtigen Themen Es ist ein mittelfristiges Thema: Wie gehen wir mit dem Personal um? Wie können wir das Personal rekrutieren? – Ebenso wichtig ist: Wir müssen bei der eingeleiteten Modernisierung des Materialparks vorankommen. Wir müssen die Arbeitsbedingungen anpassen, Jahr für Jahr für Jahr. Wir müssen eine auskömmliche Finanzausstattung haben da ist noch einiges zu tun , und wir müssen vor allem das Szenario der Sicherheitslage verändert sich ja auch weiter mit der europäischen Vernetzung in Bezug auf Zukunftsthemen wie zum Beispiel dem Cyberthema oder dem Thema der hybriden Kriegsführung weiterkommen. Das sind alles ganz wichtige Felder, die mit im Fokus stehen.
FRAGE: Herr Flosdorff, ich würde gerne noch einmal nachfragen; vielleicht habe ich es einfach nicht verstanden. Die Ministerin findet die Idee darüber war ja am Wochenende auch gesprochen worden, zumindest von einigen einer Wiedereinführung der Wehrpflicht generell nicht sinnvoll oder nicht interessant. Ist das so?
FLOSDORFF: Ich habe es eben auch schon gesagt, und ich sage es gerne noch einmal: Die Ministerin versteht diese angestoßene Debatte um eine allgemeine Dienstpflicht, die ja in unterschiedlichsten Varianten auch da draußen in der Diskussion ist, nicht als eine Debatte um die Wiedereinführung der Wehrpflicht alten Stils, wie wir sie gehabt haben. Das wäre schon aus juristischen Gründen in dieser Art und Weise und in demselben Zuschnitt nicht möglich. Die Bundeswehr hat sich in den letzten Jahren auch tatsächlich verändert. Es gibt auch tatsächliche Grenzen.
Trotzdem: Bei dieser Debatte geht es eigentlich im Kern darum, wie wir jungen Menschen Anreize dafür setzen können, dass sie sich auch berufenen Aufgaben in unserer Gesellschaft stellen, die sehr, sehr wichtig für die Allgemeinheit sind, die ein besonderes Interesse genießen und die Besonderes verdienen, und darum, wie wir dafür die richtigen Anreize setzen können. Andere Länder führen diese Diskussionen auch. Das erfahren wir hier nicht so sehr. Das gibt es dort ganz genauso. Da gibt es unterschiedliche Wege, auf denen man das löst.
Aber diese Diskussion lenkt den Fokus schon auf die richtigen Punkte: Wie schätzen wir diese Menschen wert, nicht nur in Anerkennung, Lob und Dank das kann auch mehr sein , sondern auch in ganz konkreten, handfesten Vorteilen? Was können wir diesen Menschen bieten, wenn sie zu uns kommen? Wie können wir diesen Menschen vielleicht auch Anreize für die Zeit nach einem Dienst bei der Bundeswehr oder in anderen Einrichtungen setzen, die ja hier auch vertreten sind? Wie können wir auf das Radar der jungen Menschen kommen? – Darüber machen sich viele Gedanken, und diese Diskussion ist wirklich lohnend, weil sie auch noch einmal den Wert der Leistung betont, die da erbracht wird.
ZUSATZFRAGE: Ginge es bei alledem aber aus Sicht Ihres Ministeriums nicht um eine Dienstpflicht?
FLOSDORFF: Wenn Sie eine Wehrpflicht des alten Zuschnitts meinen, dann versteht die Ministerin diese Debatte nicht so. Dafür gibt es die bekannten und auch hier jetzt schon thematisierten Hürden und Bedenken. Es gibt darüber hinaus auch noch eine Reihe von tatsächlichen Hürden, die sich aufbauen, weil die Zeit fortgeschritten ist. Weil der Weg in eine Wehrpflicht alten Zuschnitts letztlich aus tatsächlichen Gründen sehr, sehr, sehr, sehr schwierig wäre, stellt sich diese Frage für die Ministerin nicht.
Sie begrüßt diese Debatte. Die berührt die richtigen Punkte. Sie benennt die richtigen Werte. Sie legt den Finger in die Wunde: Wo haben wir Mängel? Wo haben wir Engpässe? Wo müssen wir uns irgendwie darum bemühen, attraktiver zu werden und bessere Anreize zu schaffen? – Insofern begrüßt sie diese Debatte sehr. Es ist eine lohnende Debatte. Trotzdem habe ich auch benannt, wo jetzt in der aktuellen Regierungsarbeit wir diskutieren ja hier an dieser Stelle jetzt eigentlich nicht Grundsatzprogramme für das Jahr 2020, sondern aktuelle Regierungsarbeit die Schwerpunkte der Ministerin liegen.
FRAGE HELLER: Die Wehrpflicht ist ja seit 2011 nur ausgesetzt. Warum gibt es, wie Sie, Herr Flosdorff sagen, auch so viele juristische Bedenken dagegen, sie wieder zu revitalisieren? Ganz platt gefragt: Wenn etwas ausgesetzt ist, dann müsste es doch relativ einfach sein, es in den alten Zustand wiederzubeleben, auch wenn das die Ministerin für nicht sinnvoll hält. An das Justizministerium: Wo ist mein Denkfehler, wenn es da einen gibt?
STEFFEN: Von juristischen Bedenken war hier, glaube ich, nicht die Rede. Wir haben die Grenzen aufgezeigt und gesagt: Wir werden das prüfen, wenn es vorliegt. Aber ich glaube, so konkret haben wir das nicht benannt.
ZUSATZFRAGE HELLER: Herr Flosdorff hat aber eben auch von rechtlichen Bedenken gesprochen, eine Wehrpflicht alten Stiles so wieder umzusetzen. Deshalb frage ich noch einmal: Geht es, dass man eine ausgesetzte Wehrpflicht einfach wieder einsetzt? Was bedarf es, um das zu tun?
FLOSDORFF: Ich kann hier insofern unterstützen, als die Wehrpflicht im Moment auch möglich wäre. Dafür bräuchten wir aber einen Spannungs- und Verteidigungsfall, und über diese Situation reden wir hier in dieser Debatte jetzt nicht. Dann wäre das auch jetzt möglich.
Wenn man das jetzt erweiterte: Ich kann mich jetzt nicht in all diese Varianten, die da draußen in der Diskussion sind, und darin, was daran für juristische Kuratelen hängen, hineindenken. Das eine ist die Wehrpflicht, das andere ist eine allgemeine Dienstpflicht. Daran würden jeweils wieder andere Voraussetzungen hängen. Ich kann Ihnen das hier nicht näher erläutern und bitte auch um Verständnis dafür, dass dann in diesem Stadium der Diskussion, in dem auch wirklich sehr offen ist, wie dann am Ende das konkrete Szenario aussehen wird, das dann zu prüfen wäre, nicht alle spekulativen Varianten durchgespielt werden.
ZUSATZFRAGE HELLER: Ich will ja gar nicht spekulieren. Ich will nur wissen, um es ganz konkret zu sagen: Spricht verfassungsrechtlich irgendetwas dagegen, die Wehrpflicht wieder einzusetzen?
STEFFEN: Ich glaube, so konkret können wir das hier einfach schlichtweg nicht sagen, weil das eine hypothetische Frage ist.
ZURUF WONKA: Doch, das ist eine einfache gesetzliche Frage!
PETERMANN: Genau. Wenn ich das ergänzen darf: Die Wehrpflicht wurde durch Gesetz ausgesetzt, und sie könnte auch durch Gesetz wieder eingesetzt werden, natürlich nur in dem vorherigen Rahmen.
FRAGE DR. LOHSE: Herr Flosdorff, Sie sagten, wir bräuchten einen Spannungs- oder Verteidigungsfall dafür. Heißt das, vorher ginge es nicht?
FLOSDORFF: Nein. Dann könnten wir auch so einziehen. Sie ist ausgesetzt. Dann bräuchten wir auch, so verstehe ich das jetzt Entschuldigung, ich kann Ihnen das jetzt hier nicht durchdeklinieren. Dann könnten wir sofort wieder beginnen, einzuziehen. Aber es gibt ja lauter Voraussetzungen, die geschaffen werden müssen, damit man überhaupt so etwas machen kann. Das geht mir jetzt also alles zu weit. Ich bitte um Verständnis. Ich gehe hier nicht ins Detail. Sie können gerne, wenn Sie ein konkretes Modell vor Augen haben bzw. wenn es das alte Modell ist, konkret diese Anfrage dazu stellen. Dann werde ich das unseren Juristen vorlegen. Die können Ihnen das dann in allen Varianten durcharbeiten.
ZUSATZ DR. LOHSE: Aber wenn wir im Verteidigungsfall anfangen, die Kreiswehrersatzämter zu revitalisieren, dann geht die Sache wahrscheinlich nicht gut aus. Das ist doch viel zu spät!
FLOSDORFF: Ich glaube, der Verteidigungsfall ist eine sehr besondere Situation, und dann gibt es auch noch andere Fragen, die sich stellen.
SRS’IN DEMMER: Vielleicht könnte ich auch einfach noch einmal abschließend etwas sagen: Die Wiedereinsetzung oder der Widerruf der Aussetzung der Wehrpflicht steht ja jetzt gar nicht zur Debatte. Es handelt sich um eine parteipolitische Debatte, die ganz am Anfang steht, und dabei sind viele Dinge zu bedenken. Dabei geht es um die Abwägung von Grundrechten junger Menschen gegenüber gesellschaftspolitischen Gesichtspunkten.
Aber ich würde die Gelegenheit hier doch noch einmal nutzen wollen, darauf hinzuweisen, wie wertvoll und wie unverzichtbar der Dienst dieser vielen Freiwilligen auf beiden Seiten also bei der Bundeswehr, aber auch im Bundesfreiwilligendienst ist, der geleistet wird, der für unser Land nicht zu unterschätzen ist und der wertvoll ist. Solches freiwilliges Engagement ist wichtig für unsere Gesellschaft, und ohne es wäre unser Land an vielen Stellen ärmer.
ZUSATZFRAGE DR. LOHSE: Frau Demmer, nachdem wir jetzt schon gelernt haben, dass die Verteidigungsministerin und die Familienministerin die Debatte wertvoll finden, und Sie uns gesagt haben, dass die Kanzlerin ja nie so richtig im Urlaub ist: Wie findet die Kanzlerin denn diese Debatte – auch wertvoll?
SRS’IN DEMMER: Wie gesagt: Es gibt eine parteipolitische Debatte, die wir hier von der Regierungsbank aus jetzt nicht bewerten. Debatten zu führen, ist in einer Demokratie immer gut. Grundsätzlich ist jedenfalls das freiwillige Engagement, das es jetzt schon gibt, sehr wertvoll für unsere Gesellschaft.
FRAGE KÜFNER: Ich wollte nur noch einmal eine ganz kurze Präzisierung vom Familienministerium erhalten. Sie haben sich ja sehr positiv gegenüber diesem freiwilligen Engagement geäußert. Aber würden Sie das bei einer allgemeinen Pflicht ähnlich positiv sehen, oder was ist die Haltung des Familienministeriums dazu?
DR. AUDRETSCH: Dazu kann ich noch einmal das wiederholen, was ich vorhin am Ende dessen gesagt habe, was ich ausgeführt habe, nämlich dass wir uns zu konkreten Konzepten in welcher Form auch immer hier im Moment nicht äußern. Das sind Konzepte, die gerade in parteipolitischen Zusammenhängen diskutiert werden, und die rechtlichen Fragen, die es in so einem Fall zu klären gilt, wurden genannt. Natürlich müssen solche rechtlichen Hürden bedacht werden, wenn man eine solche Debatte führt. Zu einzelnen Fragen, wie sie im Moment dann auch in den verschiedenen Varianten durchdekliniert werden, werde ich mich hier heute nicht äußern.
FRAGE MÜLLER-THUM: Ich wollte nur noch einmal darum bitten, dass wir für unser aller Hinterköpfe einfach klären, wie denn die Wehrpflicht der Bundeswehr wieder aktiviert werden könnte. Mein Verständnis war nämlich eher das von Frau Petermann, dass das relativ einfach per Bundestagsbeschluss gehen würde. Wenn Sie das einmal unter sich klären und es uns wissen lassen würden, dann fände ich das also gut.
PETERMANN: Es ist alles gesagt.
FRAGE KOLHOFF: Ich habe eine Frage an das Landwirtschaftsministerium. Am letzten Mittwoch hatte die Ministerin ja angekündigt, dass sie einen Brief an die Länder bezüglich möglicher schneller Hilfen vor allen Dingen für die Viehwirtschaft schreiben werde. Können Sie einen Überblick darüber geben, wie der Stand der Antworten ist? Die Ministerin hat es nämlich auch, was die Viehwirtschaft angeht, eilig gemacht, und von der Antwort der Länder hängt ja die komplementäre Hilfe des Bundes ab. Zeichnet sich jetzt also schon ein Bild ab, das in den Ländern gezeichnet wird? Welche Länder haben geantwortet? Zeichnet sich auch schon ab, wie der Bund helfen wird?
Ich habe eine zweite Frage an Frau Demmer. Die Lage der Landwirte wird ja immer prekärer. Hat die Bundeskanzlerin eigentlich die Absicht, sich persönlich ein Bild der Lage zu machen? Im Herbst, wenn es wieder regnen wird, könnte es zu spät sein.
BRANDT: Erst einmal zu den Ländern: Das hat Sie haben es ganz richtig gesagt die Ministerin auch auf der Pressekonferenz am letzten Mittwoch gesagt, auf die ich auch noch einmal für die anderen Kollegen verweisen möchte. Die Länder haben noch die Möglichkeit, zu antworten. Insofern kann ich Ihnen hier jetzt keinen Stand der Dinge nennen. Wir haben also noch Zeit, zu antworten, und deshalb kann ich das an dieser Stelle jetzt nicht bewerten.
ZUSATZFRAGE KOLHOFF: Sind überhaupt noch keine Antworten eingetroffen?
BRANDT: Ich gebe Ihnen jetzt keinen Zwischenstand. Wir machen das gesammelt, dann bewerten wir die Antworten, und dann schauen wir weiter.
SRS’IN DEMMER: Termine der Kanzlerin geben wir ja in der Regel am Freitag der Vorwoche bekannt, aber jedenfalls immer rechtzeitig.
FRAGE BLANK: Ich habe eine Frage an das Justizministerium und das Familienministerium. Verfassungsschutzpräsident Maaßen hat auf mögliche Gefahren hingewiesen, die darauf zurückzuführen sind, dass Kinder in islamistischen Familien aufwachsen und radikalisiert werden. Mich würde interessieren: Was kann da vorher, also präventiv, getan werden?
Der Verfassungsschutzpräsident sagte auch: Nicht nur der Verfassungsschutz und die Sicherheitsbehörden müssten darin einbezogen werden, sondern auch die Sozialbehörden. Gibt es auf Ihrer Seite Überlegungen dazu, wie man dem entgegenwirken kann?
Das Innenministerium wäre, glaube ich, der richtige Ansprechpartner für die Frage, die dahinter steht, nämlich die Herabsetzung der Voraussetzungen für Beobachtungsmöglichkeit von Kindern unter 14 Jahren. Wie stehen Sie dazu? Sind Sie dafür?
PETERMANN: Ich kann gerne beginnen. Es gibt Deradikalisierungsprogramme. Im Einzelnen kann ich sie Ihnen hier nicht aufzählen. Wenn Sie Interesse daran haben, dann könnten wir das nachholen. Aber diese Programme gibt es, und die werden natürlich auch in Kontakt mit den zuständigen Behörden durchgeführt.
Bei der Frage der Absenkung des Mindestalters geht es letztlich um die Speicherung im Informationssystem NADIS. Das BMI ist hier noch in internen Überlegungen darüber begriffen, ob diese Altersgrenze abgesenkt werden soll.
ZUSATZFRAGE BLANK: Können Sie etwas zu diesen Überlegungen sagen? Was sind dabei die Knackpunkte?
PETERMANN: Knackpunkte sehe ich im Augenblick nicht so recht. Die Altersgrenze ist ja gerade erst, vor einem oder zwei Jahren, gesenkt worden; ich glaube, von 16 auf 14 Jahre. Es gibt durchaus Anhaltspunkte dafür, diese Altersgrenze herabzusetzen, auch aufgrund von Vorfällen, die von noch Jüngeren ausgingen. Insofern ist es durchaus eine Überlegung wert, das zu tun. Wir sind aber noch nicht zu einem abschließenden Ergebnis gelangt.
ZUSATZ BLANK: Damit wäre die Frage an das Familienministerium wahrscheinlich beantwortet.
DR. AUDRETSCH: Die konkrete Frage ist die nach der Prävention. Es ist richtig, dass das Bundesfamilienministerium Radikalisierungspräventionsprogramme in verschiedenen Varianten fördert. Es gibt das Programm „Demokratie leben!“, aus dem solche Programme finanziert werden. Die Ministerin hat Ende Mai entschieden, das Programm „Demokratie leben!“, das viel, viel mehr umfasst, das nämlich Engagement, Förderung und zivilgesellschaftliches Engagement insgesamt umfasst, zu entfristen, um da auch eine stabile Arbeit zu ermöglichen. Innerhalb dieser Arbeit arbeiten wir auch am Thema der Radikalisierungsprävention, was den Hintergrund Islamismus angeht. Genauso geht es natürlich um Radikalisierungsprävention, was die Frage von Rechtsextremismus und jeglicher Form von Extremismus angeht. Das ist Teil der Arbeit des Bundesfamilienministeriums.
ZUSATZFRAGE BLANK: Gezielt ging es ja jetzt um kleine Kinder. Erreichen Sie die nicht?
DR. AUDRETSCH: Kinder sind im Kern Opfer des Umfelds, in dem sich Kinder befinden. Insofern muss das Umfeld adressiert werden, auch mit Präventionsprogrammen, um letztlich die Situation von Kindern zu adressieren. Das ist auch der Fokus. Das Kindeswohl muss dabei immer im Mittelpunkt stehen. Letztlich sind in solchen Fragen die Jugendschutzbehörden vor Ort relevant, wenn es zu der Einschätzung kommt, dass dort eingegriffen werden müsste.
FRAGE LANGE: Frau Petermann, Sie sprachen von Vorfällen, die von Jüngeren ausgegangen seien. Können Sie das quantifizieren? Können Sie auch etwas zum Gefahrenpotenzial sagen?
Eine zweite Frage in diesem Zusammenhang: Es gibt ja eine UN-Kinderrechtskonvention, die den Schutz von Kindern besonders betont. Das wird auch in den Lissabonner Verträgen fortgeschrieben. Das gibt es also auch auf EU-Ebene. Wird das in Ihre Überlegungen mit einbezogen, oder spielt das dabei gar keine Rolle?
PETERMANN: Selbstverständlich kann ich mich nur den Kollegen anschließen: Das Kindeswohl steht im Vordergrund und wird auch Einfluss auf eine letztlich Entscheidung nehmen.
Konkrete Vorfälle kann ich Ihnen hier weder quantitativ noch qualitativ benennen. Ich weiß nur, dass es so etwas gab.
FRAGE MINGUEZ: Frau Petermann, es scheint so zu sein, dass die Berliner Polizei Personalprobleme hat. Es fehlen junge Polizisten. Die neue Chefin hat angeboten, sogar jungen Europäer einen Job als Polizisten anzubieten. In den sie diesen Weg ein wenig unorthodox oder normal? Ist es auch möglich, dass diese Möglichkeit jungen Leuten in anderen Ländern offenstände, zum Beispiel aus Spanien, wo so viele junge Leute arbeitslos sind? Wäre das auch eine Möglichkeit, die Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa zu bekämpfen?
PETERMANN: Es ist so, dass die Bundespolizei aus guten Gründen sehr viele Stellen erhalten hat, alleine 7500 bis 2020. Wir haben daraufhin eine noch größere Personalgewinnungsinitiative gestartet, die auch sehr erfolgreich abläuft. Es sind durchaus schwierige Auswahlverfahren. Für diese Auswahlverfahren können sich auch EU-Ausländer bewerben, und das kommt auch vor.
ZUSATZFRAGE MINGUEZ: Wisse Sie, wie die Zahlen im Moment aussehen?
PETERMANN: Nein, leider nicht. Ich hole das nach. Eine konkrete Zahl habe ich nicht vorliegen.
ZUSATZFRAGE MINGUEZ: Wenigstens in einer Berliner Zeitung war zu lesen, es gäbe schon kroatische Polizisten in Berlin. Ich glaube, es war auch von rumänischen Polizisten die Rede. Könnten Sie das eventuell
PETERMANN: Ich kann Ihnen keine Zahl nennen, die nach EU-Nationalitäten aufgeschlüsselt ist.
ZUSATZFRAGE MINGUEZ: Aber es betrifft nicht nur Berlin, sondern auch
PETERMANN: Auch bei der Bundespolizei können sich EU-Ausländer bewerben.
FRAGE BUCHHOLZ: Ich habe eine Frage zum Thema Flüchtlinge an das Innenministerium. Das Land Bayern plant ja am Münchner Flughafen ein Haft- und Deportationszentrum. Der Innenminister ist ja den bayerischen Verhältnissen nicht ganz fern, und da lautet die Frage, ob das jetzt ein Plan für ganz Deutschland ist.
In diesem Zusammenhang sagte Staatssekretär Teichmann, dass er über die Anzahl der Flüchtlinge besorgt sei, die jetzt über Spanien in die EU kommen, und sagte dafür Hilfe zu. Können Sie vielleicht auch noch einmal konkret sagen, welche Art von Hilfe das sein soll?
PETERMANN: Ich bin hier die Sprecherin des Bundesinnenministeriums und kann nicht für den Freistaat Bayern sprechen. Ich kann aber ganz grundsätzlich, glaube ich, für alle Bundesländer oder ganz allgemein sagen: Haft- und Deportationszentren, wie Sie es, glaube ich, nannten, ist ein Begriff, den niemand hier ernsthaft erwägen sollte.
ZUSATZFRAGE BUCHHOLZ: Aber sind Ihnen die Pläne bekannt?
PETERMANN: Die Pläne sind mir nicht bekannt, nur aus der Presse, weil ich nur für das Bundesinnenministerium sprechen kann und nicht für den Freistaat Bayern.
Zu den Äußerungen von Herrn Teichmann: Ich selbst war bei dem Gespräch dabei. Er hat nicht gesagt, dass schon Asylbewerber über Spanien nach Deutschland kommen, sondern er betrachtet es mit Sorge für den Fall, dass sie kommen.
FRAGE: Zu den Rückführungsabkommen: Soll jetzt auch Spanien in die Verhandlungen mit einbezogen werden?
Können Sie etwas zu dem Stand der Verhandlungen mit Griechenland und Italien sagen? Denn die erste richtige Augustwoche hat ja jetzt begonnen.
PETERMANN: Mit Griechenland, mit Italien und auch mit Spanien wird über bilaterale Rückführungsabkommen verhandelt. Es gibt keinen neuen Stand. Das heißt, ich kann nur das wiederholen, was ich in der vorigen Woche schon gesagt hatte. Es ist durchaus positiv erkennbar, dass ein ernsthafter Verhandlungswille und auch eine ernsthafte Einigungsbereitschaft bestehen. Aber die Verhandlungen sind noch nicht abgeschlossen. Sollte es dazu einen neuen Stand geben, würde ich ihn hier selbstverständlich mitteilen.
ZUSATZFRAGE: Gibt es Besuchspläne für diese Woche?
PETERMANN: Das kann ich jetzt nicht sagen.
FRAGE JESSEN: Hält die Umweltministerin an ihrem Vorschlag fest, dass es möglich sei, bis zum Jahr 2030 den CO2-Ausstoß der gesamten europäischen Pkw-Flotte um 50 Prozent gegenüber 2021 zu senken, oder ist er nach dem Bekanntwerden der Bedenken des Finanzministers und Vizekanzlers vom Tisch?
KLEIN: Sie spielen auf die Berichterstattung vom Wochenende an. Dazu haben wir schon kurz Stellung bezogen. Die Bundesregierung, um damit anzufangen, hat ihre Entscheidungsfindung im Hinblick auf die Positionierung zu den EU-Vorschlägen zu den neuen CO2-Grenzwerten für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge noch nicht abgeschlossen. Es wird verhandelt. Das BMU verhandelt vor allem mit dem Wirtschaftsministerium. Die Ministerin ist mit dem Vorschlag, den Sie gerade referiert haben, in die Verhandlungen gegangen. Die Verhandlungen sind noch nicht abgeschlossen. Wir müssen uns einfach noch etwas gedulden, bis im Oktober der Umweltrat stattfindet und feststeht, mit welchem Vorschlag wir am Ende hineingehen.
ZUSATZFRAGE JESSEN: Die Frage war ja, ob die Ministerin derzeit noch an ihrem Vorschlag festhält.
Wenn ich eine Zusatzfrage stellen darf: Ist die Ministerin der Meinung, dass das technisch machbar wäre? Offenbar sind ja die Automobilhersteller und deren Betriebsräte der Auffassung, dass das technisch nicht leistbar sei. Haben Sie sich zuvor davon überzeugt, und sind Sie sicher, dass es technisch umsetzbar ist?
KLEIN: Ich konnte nach dieser Berichterstattung noch nicht mit der Ministerin darüber sprechen. Es gibt aber keine Anhaltspunkte dafür, dass sie an ihrer Forderung nicht festhielte.
Sie können sicher sein, dass die Ministerin ihre Forderung nicht einfach aus der Luft greift, sondern sie macht sich dazu Gedanken. Ich weiß, dass dazu Gespräche stattgefunden haben. Konkret zu diesen Gesprächen kann ich nichts sagen. Aber es ist natürlich immer Voraussetzung, dass das technisch machbar ist. Aber wir wissen, dass vieles technisch geht, und weil der Verkehrssektor das hat ja die Kanzlerin vor einigen Wochen auch gesagt unser besonderes Sorgenkind ist, ist es ein besonderes Anliegen auch der Ministerin, dass wir genau da etwas machen, wo es technisch möglich ist, um nämlich das Problem genau an der Wurzel und bei den Ursachen zu packen.
FRAGE GEBAUER: Frau Petermann, ich habe eine Frage zu dem Sommerinterview gestern. Herr Seehofer hat noch einmal über die Verhandlungen auf europäischer Ebene über die Flüchtlingsverteilung gesprochen und gesagt, dass man in der nächsten Woche er hat gesagt, die nächste Woche sei die erste richtige Augustwoche noch einmal zusammenkommen wolle, um über den Verteilungsschlüssel zu sprechen, und wenn das nicht gelinge, müssten sich vielleicht auch die Staats- und Regierungschefs dieser Sache noch einmal annehmen.
Deswegen meine Frage: Wann in dieser Woche treffen sich die Innenminister noch einmal zu diesem Thema? Ab welchem Zeitpunkt ist dann der Moment erreicht, an dem die Staats- und Regierungschefs das noch einmal aufnehmen müssen?
PETERMANN: Ich kann Ihnen keine konkreten Ministergesprächstermine benennen. Das ist Punkt eins.
Es ist richtig, der Minister hat schon in seiner Haushaltsrede Anfang Juli gesagt, dass sich gegebenenfalls die Regierungschefs darüber noch einmal unterhalten müssten, immer gesetzt den Fall, dass man sich auf Länderebene nicht einig wird.
Gab es noch eine dritte Frage? Ich glaube, das war es.
ZUSATZFRAGE GEBAUER: Die Frage war eigentlich die erste, nämlich wann diese Woche denn der Zeitpunkt gekommen ist, an dem man entweder eine Einigung erzielt hat oder keine Einigung erzielt hat. Denn den Termin kennt hier niemand.
PETERMANN: Ich verstehe Ihr Interesse. Den Termin kann ich nicht und kann im Moment niemand ganz konkret benennen. Aber Sie werden es erfahren, wenn es soweit ist.
FRAGE MÜLLER-THUM: Ich habe eine Frage an das BMAS. Gerade auch wegen der Vorgänge bei real war zuletzt das Thema der Tarifflucht wieder ein bisschen höher gehängt. Es gab schon einige Forderungen an die Bundesregierung, man müsse da mehr tun. Was sagen Sie dazu?
KÜCHEN: Die Stärkung der Tarifbindung ist, wie Sie wissen, seit jeher ein wichtiges Anliegen des BMAS. Auch der amtierende Minister Heil hat diese Absicht seit Amtsantritt immer wieder deutlich gemacht. Wenn Sie an die Arbeitsprojekte beim Thema der Arbeitszeitflexibilität denken oder auch die Erhöhung der Tarifbindung in der Pflege, dann wird deutlich, dass es auch aktuelles Regierungshandeln ist. Denn Tarifverträge bieten für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einfach ein Mehr an Schutz; für Arbeitgeber bieten sie Planungssicherheit.
Wenn wir die Entwicklung der vergangenen 20 Jahre betrachten, dann sehen wir es deshalb mit Sorge, dass die Tarifbindung stetig zurückgeht. Doch vor dem Hintergrund der grundgesetzlich garantierten Tarifautonomie sind die Möglichkeiten des Staates, die mitgliedschaftliche Tarifbindung zu steigern, wirklich begrenzt. Staatlicherseits können allenfalls durch bestimmte Rahmenregelungen Anreize zum Beitritt in einen Arbeitgeberverband oder auch eine Gewerkschaft gesetzt werden. Daneben kann der Staat durch das Instrument der Allgemeinverbindlicherklärung tarifvertraglichen Regelungen mehr Breitenwirkung verschaffen.
Nachdem die Bundesregierung mit dem Tarifautonomiestärkungsgesetz in der vergangenen Legislaturperiode Sie erinnern sich vielleicht daran das Instrument der Allgemeinverbindlicherklärung bereits stabilisiert hat, wird in dieser Legislaturperiode zu prüfen sein, inwieweit die Möglichkeiten einer Allgemeinverbindlicherklärung darüber hinaus erweitert werden müssen.
Im Kern das ist die Quintessenz muss eine funktionierende Sozialpartnerschaft aber von starken Arbeitgeberverbänden und starken Gewerkschaften getragen sein.
ZUSATZFRAGE MÜLLER-THUM: Eine kurze Nachfrage zum Thema der Allgemeinverbindlichkeit: Welche Möglichkeiten gäbe es denn noch, über die Sie auch nachdenken? Teilweise gibt es ja die ganz klare Forderung, man müsse vielleicht auch das Vetorecht der Arbeitgeber angehen. Denken Sie über so etwas nach, und was würde das BMWi dazu sagen?
KÜCHEN: Wie ich gerade schon ausgeführt habe, wird das in dieser Legislaturperiode zu prüfen sein. Darüber hinaus kann ich momentan nichts sagen.
JORNITZ: Dem habe ich nichts hinzuzufügen.
ZUSATZFRAGE MÜLLER-THUM: Ein Vorschlag für etwas, was die Bundesregierung tatsächlich sehr konkret gegen Tarifflucht tun kann, ist, dass sie ihre öffentlichen Aufträge nur an tarifgebundene Unternehmen vergibt. Tut das BMAS das eigentlich, und ist das in den anderen Ministerien ein Kriterium?
KÜCHEN: Ich kann für das BMAS ausführen, wobei Vergaberecht natürlich auch eine Sache des BMWi und des BMI ist.
Für das BMAS kann ich sagen: Mit der grundlegenden Novellierung des Vergaberechts in der letzten Legislatur wurde auch auf Bundesebene eine vergaberechtliche Tariftreueregelung eingeführt. Diese Regelung im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen sieht vor, dass Unternehmen bei öffentlichen Aufträgen alle für sie geltenden rechtlichen Verpflichtung einzuhalten haben. Dazu gehört selbstverständlich die Einhaltung des Mindestlohngesetztes, aber auch die Einhaltung allgemeinverbindlicher Tarifverträge, soweit diese abweichungsfest sind, das heißt, soweit von dem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag nicht durch einen anderen, zum Beispiel einen Haustarifvertrag, abgewichen werden kann.
Die Vergabepraxis des BMAS hält diese rechtlichen Vorgaben ein und verlangt von den Bietern eine Eigenerklärung zur Einhaltung der verpflichtenden entgelt- und tarifrechtlichen Vorschriften. Dazu gehören auch die für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge.
Die Bindung an einen Tarifvertrag an sich darf hingegen nicht zur Voraussetzung für die Teilnahme an einem Vergabeverfahren erhoben werden.
ZUSATZFRAGE MÜLLER-THUM: Haben Sie noch etwas dazu zu sagen?
JORNITZ: Weitere Ausführungen zum Vergaberecht muss ich Ihnen leider gerade schuldig bleiben. Ich kann sie aber gern nachreichen.
Zur Vergabepraxis der Ressorts kann ich natürlich keine Stellung nehmen. Das müssten die Ressorts selbst tun.
FRAGE HELLER: Ich möchte das Verkehrsministerium fragen. Am Wochenende gab es Berichte, nach denen VW keine Bestellungen für Hybridfahrzeuge mehr entgegennehmen soll. Die Rede ist von Problemen mit einem neuen Abgaszertifizierungsverfahren.
Meine Frage: Erstens, wer ist schuld an dieser Entwicklung? Sind es die Unternehmen, die technologisch nicht in der Lage sind, das neue Verfahren anzuwenden, oder ist es die Politik, die nicht in der Lage ist, rechtzeitig zu vermitteln, dass es ein Verfahren gibt, auf das sich die Industrie einstellen muss?
Die zweite Frage: Ich vergesse es immer wieder. Gilt eigentlich noch das Ziel der Bundesregierung, bis zum Jahre 2020 eine Million E- und Hybridfahrzeuge auf deutschen Straßen zu haben, oder ist das inzwischen schon lange einkassiert?
BUSER: Vielen Dank für Ihre Frage bzw. Ihre vielen Fragen. Erst einmal generell: Das Verfahren, das Sie ansprechen, ist die WLTP. Das ist eine weltweit harmonisierte Testprozedur zur Ermittlung der Abgasemissionen für leichte Kraftfahrzeuge. Der Zeitplan, insbesondere das verbindliche Einführungsdatum der WLTP für alle Pkw und leichten Nutzfahrzeuge bei der Erstzulassung, der 1. September 2018, ist seit Jahren bekannt. Das gilt auch für die meisten Prüfprozeduren mit den Globalen Technischen Regelungen Nr. 15, die im Jahr 2014 veröffentlicht wurden. Das Ganze ist am 1. Juli 2017 im Amtsblatt der EU auch formell bekanntgegeben worden. Das heißt, es gab genug zeitlichen Vorlauf.
Zum Verfahren selbst: Wie ein Hersteller seine Zertifizierungsprozesse plant, wann er zum Beispiel welche Modelle einführen will und entsprechende Genehmigungen beantragt, liegt in seiner Verantwortung.
Die Hersteller sind weiterhin frei in der Auswahl der durch die Aufsichtsbehörde zugelassenen technischen Dienste. Messungen können also sowohl auf zertifizierten Prüfständen der Hersteller als auch auf eigenen Prüfständen der technischen Dienste durchgeführt werden. Alle Messungen müssen jedoch im Beisein eines zugelassenen technischen Dienstes stattfinden.
Ja, das Thema der Elektromobilität ist weiterhin ein Kernanliegen.
ZUSATZFRAGE HELLER: Das wollte ich nicht wissen. Ich wollte wissen, ob die Zahl von einer Million noch gilt. Denn die Frage wäre ja: Wenn jetzt der größte Hersteller in Deutschland Probleme damit hat, überhaupt noch Bestellungen anzunehmen, dann muss das ja eine Rückwirkung darauf haben und die Erreichung dieser Zahl, wenn sie noch gilt, noch unrealistischer machen.
BUSER: Generell ist bei dem Thema der Elektromobilität natürlich zu sagen, dass man zunächst eine kritische Masse erreichen muss, damit die Elektromobilität auch auf den Markt kommt. Generell wichtig ist natürlich auch der Aufbau der Ladeinfrastruktur. Das ist auch wiederum im Koalitionsvertrag so festgelegt worden. Wir setzen natürlich auch darauf, dass die Ladeinfrastruktur schnell weiter ausgebaut wird.
ZUSATZFRAGE HELLER: Können Sie mir einfach sagen, ob die Zahl von einer Million noch gilt oder nicht? Das ist ja eine einfache Frage.
BUSER: Dazu kann ich Ihnen gern etwas nachreichen.
FRAGE JENNEN: Eine Frage an das Finanzministerium: Die US-Botschaft hat die Entscheidung der Bundesbank begrüßt, die Regeln zu verschärfen, wonach es nicht mehr möglich sein solle, Bargeld per Flugzeug in den Iran zu transferieren.
Verstehen Sie die Regelung der Bundesbank auch so? Ist es tatsächlich schon so weit, dass man sagen kann, dass damit der Transfer nicht mehr möglich ist?
DR. FEHLING: Dazu kann ich nur das wiederholen, was ich gerade auch schon Ihrer Kollegin gesagt habe: Wir kommentieren oder bewerten oder interpretieren die AGB der Bundesbank hier nicht.
FRAGE JENNEN: Geht die Diskussion in dieser Sache denn weiter?
Grundsätzlich die Frage: Ist es aus Ihrer Sicht noch möglich, Geld zu transferieren, oder nicht?
DR. FEHLING: Wie gesagt: Ich habe nicht zu bewerten, wie die Bundesbank ihre AGBs aufstellt. Es ist nicht meine Aufgabe, diese Frage zu beantworten.
PETERMANN: Ich habe noch einen Zusatz. Am vorigen Mittwoch war der Gesetzentwurf zu den Mitwirkungspflichten im Kabinett. Hier in der Runde wurde gefragt, ob Fallzahlen konkret feststünden, in wie vielen Fällen dieser Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen wurde. Was die Mitwirkungspflicht ist, hatte ich gesagt: Alle drei Jahre nach positiven Asylentscheidungen muss eine solche Nachprüfung erfolgen. Wir haben einen Einzelwert nur bei den sogenannten schriftlichen Verfahren. Ein Beispiel: Es gab 313 192 Ladungen für die Nachprüfung der schriftlichen Verfahren. Die Erscheinungsquote lag bei 34 Prozent. So weit die Erscheinungsquote bei freiwilliger Mitwirkung, weshalb wir diesen Gesetzentwurf eingebracht haben, nämlich dass die Mitwirkungspflicht zwangsläufig erforderlich sein muss.
Damit komme ich zu der weiteren Frage nach dem Zwangsgeld, die hier gestellt worden ist. Das ist das Zwangsgeld nach § 40 Verwaltungsverfahrensgesetz. Hier gilt, wie bei allen Maßnahmen, der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der eingehalten werden muss. Nach § 11 Abs. 3 VwVG darf das Zwangsgeld bei höchstens 25 000 Euro liegen. Dieser Betrag wird im Hinblick auf die finanziellen Verhältnisse wahrscheinlich nicht in der vollen Höhe Anwendung finden. Aber nur die abstrakte Zahl: maximal 25 000 Euro.
FRAGE JESSEN: Frau Demmer, der Bundesinnenminister hat von Bundeskanzlerin Merkel mehr Unterstützung bei der Einrichtung von AnKER-Zentren gefordert. Können Sie uns etwas darüber sagen, da sie ja auch im Urlaub solche Informationen wahrnimmt, ob und, wenn ja, in welcher Weise sie dieser Forderung Genüge leisten wird?
SRS’IN DEMMER: Die Kanzlerin hat immer zum Ausdruck gebracht, dass sie da, wo sie unterstützen kann, dies auch tut. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.
ZUSATZFRAGE JESSEN: Offenbar ist es aber doch so, dass der Bundesinnenminister findet, dass die Unterstützung der Kanzlerin noch nicht ausreichend ist. Sonst hätte er nicht angemahnt, dass da mehr Unterstützung kommen könne. Wie wird diese unterschiedliche Auffassung über Unterstützung und deren Bewertung geregelt?
SRS’IN DEMMER: Der Bundesinnenminister vielleicht kann Frau Petermann noch etwas dazu sagen hat ja sogar ausdrücklich gesagt, dass er von der Kanzlerin unterstützt wird.
PETERMANN: Ich kann dem nichts hinzufügen. Wer sich das Interview in der gesamten Länge angesehen hat Interviews stehen ja immer für sich , der kann durchaus den Schluss ziehen, dass er das Engagement der Kanzlerin dabei erwähnt hat.
ZUSATZFRAGE JESSEN: Er hat es erwähnt; das ist richtig. Ich habe mir das Interview in voller Länge und im Kontext angeschaut. Da fiel dann aber auch die Bemerkung, dass man sich nicht nur von anderen Parteien in der Koalition, sondern auch von Frau Merkel persönlich mehr Unterstützung im Hinblick auf eine Motivation der Bundesländer zur Einrichtung von AnKER-Zentren erwartet. Da kann man doch nicht sagen, es sei alles bestens.
SRS’IN DEMMER: Ich habe ja auch gesagt: Da, wo die Kanzlerin unterstützen kann, tut sie das. Es geht um AnKER-Zentren, die im Koalitionsvertrag vereinbart wurden. In diesen sollen Entscheidungen über die kommunale Verteilung bzw. über eine Rückführung getroffen werden. Die Bundesregierung setzt den Koalitionsvertrag um. Ich kann Sie auch noch auf die letzte Regierungserklärung der Bundeskanzlerin verweisen, in der sie an die Ministerpräsidenten aller Länder appelliert hat, diesen Koalitionsvertrag schnellstmöglich mit umzusetzen.