Erwartungsmanagement ► RegPK vom 24. Oktober 2018
Themen: Kabinettssitzung (Eckpunktepapier zur Umsetzung des Konzepts für saubere Luft und Sicherung der individuellen Mobilität in unseren Städten, Bericht der Bundesregierung über ihre Exportpolitik für konventionelle Rüstungsgüter im ersten Halbjahr 2018), Urteil des Europäischen Gerichtshofes zum Familiennachzug bei Minderjährigen, möglicher Bau eines LNG-Terminals in Deutschland, Namensstreit zwischen Griechenland und der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien, Stellungnahme der EU-Kommission zur italienischen Haushaltsplanung, aktualisierte Reise- und Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes für die Türkei, in der Türkei inhaftierte deutsche Staatsbürger, völkerrechtliche Bewertung der Militäroffensive der Türkei auf Afrin, Fall Khashoggi, Grenzkontrollen an der bayerisch-österreichischen Grenze, Aufnahme von Mitgliedern der syrischen Weißhelme in Deutschland
Naive Fragen zu:
Aktionsplan Anti-Fahrverbot (ab 9:00 min)
– könnten Sie erläutern, was passiert, wenn die Autoindustrie die „Erwartungen“ nicht erfüllt? (ab 17:10 min)
– d.h. wenn die Autoindustrie die „Erwartungen“ nicht erfüllt, hat sie erstmal nichts zu befürchten. Das hört sich jetzt nämlich so an: wenn die Autoindustrie da nicht mitmacht, ist es auch nicht so schlimm…
– das hört sich ja nach windelweichen Wünschen an, nicht mal nach Forderungen…
Bisherige Waffenexporte 2018 (ab 33:15 min)
– gab es Anträge (der deutschen Rüstungsindustrie), die die Bundesregierung nicht genehmight hat? (ab 33:15 min)
– bei den „Ausfuhrgenehmigungen für Drittländer“ hatten Sie als Beispiel Algerien genannt. Können Sie noch ein, zwei andere Länder nennen, die danach kamen?
– hat sich die Bundesregierung schon auf die „unmittelbar Beteiligten am Jemenkrieg“ geeinigt, an die man keine Rüstungsexporte mehr liefern will, laut Koalitionsvertrag? Herr Altmaier hatte dies für Ende September angekündigt… (ab 43:08 min)
– Sie liefern laut Zwischenbericht auch an Katar, Kuwait, VAE, Ägypten, Jordanien auch dieses Jahr noch. Das sind alles faktisch Beteiligte am Jemenkrieg. Saudi-Arabien ist die kriegsführende Partei. Wann können wir denn mit einer Liste, einer Einigung rechnen?
Türkei (ab 1:08:10 min)
– können Sie uns was sagen, zu den deutsch-türkischen Gefangenen in der Türkei? was ist mit der völkerrechtlichen Bewertung des türkischen Angriffs auf Afrin? (ab 1:09:13 min)
– wie bewertet die Kanzlerin die gestrigen Aussagen von Erdogan zum Thema Khashoggi?
– halten Sie die Aussagen für glaubwürdig? wünschen Sie sich auch von der Türkei Transparenz?
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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 24. Oktober 2018:
STS SEIBERT: Guten Tag! Ich möchte aus der heutigen Kabinettssitzung berichten.
Es geht los mit dem Eckpunktepapier zur Umsetzung des Konzepts für saubere Luft, das Umweltministerin Schulze und Verkehrsminister Scheuer heute im Kabinett eingebracht haben und das vom Kabinett beschlossen wurde. Der Chef des Bundeskanzleramtes, Minister Braun, hat ja bereits in einem Pressestatement darüber informiert.
Was sind diese Eckpunkte? Die Eckpunkte sind konkrete Schritte, um das Konzept, das die Koalitionäre am 1. Oktober beschlossen haben das Konzept für saubere Luft und Sicherung der individuellen Mobilität in unseren Städten , nun auch zügig umzusetzen. Es ist also eine wichtige Voraussetzung geschaffen für die schnelle rechtliche Umsetzung des Konzepts, aber auch für die technische. Schon das Kabinett am 7. November will wichtige Gesetzesänderungen beschließen, die jetzt aus diesen Eckpunkten hervorgehen.
Einige wesentliche Punkte:
Es wurde vereinbart, dass das Verkehrsministerium unverzüglich die Förderrichtlinien zur Hardwarenachrüstung bei schweren Kommunalfahrzeugen und bei Handwerker- und Lieferfahrzeugen erarbeitet. Diese Förderrichtlinien sollen noch 2018 veröffentlicht werden. Außerdem wird das Bundesverkehrsministerium unverzüglich die rechtlichen und technischen Vorschriften für die Nachrüstung von Euro-4- und Euro-5-Diesel-Pkw erarbeiten. Das soll schnellstmöglich zu Beginn des Jahres 2019 in Kraft gesetzt werden. Außerdem wird eine Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vorgenommen, damit in Gebieten, in denen die Stickoxidbelastung den Wert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft nicht überschreitet, in der Regel keine Verkehrsbeschränkungen in Betracht kommen.
Die Bundesregierung das wissen Sie ergreift eine ganze Palette an Maßnahmen, um die Luftqualität zu verbessern. Es gibt das Sofortprogramm Saubere Luft, Softwareupdates, und auf das Sofortprogramm aufsetzend noch einmal Hardwarenachrüstungen bei Kommunalfahrzeugen, Lieferfahrzeugen und Handwerkerfahrzeugen.
Sollten Verkehrsbeschränkungen dennoch als notwendig erachtet werden denn die kommunale Selbstverwaltung bleibt natürlich unberührt , dann sollen Fahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 6 sowie Fahrzeuge der Klassen Euro 4 und Euro 5, soweit sie weniger als 270 Milligramm Stickoxid pro Kilometer ausstoßen, ausgenommen werden. Damit soll sichergestellt werden, dass nachgerüstete Dieselfahrzeuge weiterhin in möglicherweise von Fahrverboten betroffene Städten einfahren und dort fahren können.
Die Eckpunkte stellen auch klar, dass die Maßnahmen, die wir für die 15 hochbelasteten Städte anbieten Umstiegsprämie, Gebrauchtwagentausch, Nachrüstung , für alle Städte mit Fahrbeschränkungen gelten. Das gilt dann also nicht nur für die betroffenen Städte, sondern das gilt dann auch für die umgebenden Landkreise und für alle Pendler.
Außerdem hat die Bundesregierung in den Eckpunkten vereinbart, dass sie erwartet, dass die jeweiligen Automobilhersteller die Kosten für die Hardwarenachrüstung einschließlich des Einbaus übernehmen.
So viel vielleicht zunächst über dieses Konzept es gibt ja möglicherweise noch Fragen. Unser Anliegen bleibt, beides sicherzustellen und wir arbeiten mit aller Kraft in Richtung der beiden Ziele, die wir haben : saubere Luft und Grenzwerte, die auch überall in unseren Städten eingehalten werden, und die Möglichkeit für Dieselfahrer, ihre Mobilität mit dem Auto zu behalten. Das sind die beiden Ziele, denen auch dieses Eckpunktepapier nun in sehr konkreter Weise dient.
Der nächste Punkt aus dem Kabinett, den ich Ihnen noch vortragen möchte, ist der Bericht der Bundesregierung über ihre Exportpolitik für konventionelle Rüstungsgüter im ersten Halbjahr 2018. Mehr Transparenz bei Genehmigungsentscheidungen für Rüstungsexporte ist dieser Bundesregierung ein wichtiges Anliegen, und der jetzt vom Kabinett beschlossene Bericht über die Exportpolitik für konventionelle Rüstungsgüter im ersten Halbjahr 2018, also schon im laufenden Jahr, ist ein Schritt in diese Richtung von größerer Transparenz.
Über die Erteilung von Genehmigungen für Rüstungsexporte entscheidet die Bundesregierung im Einzelfall; sie entscheidet im Lichte der jeweiligen Situation nach sorgfältiger Prüfung unter Einbeziehung von außenpolitischen und sicherheitspolitischen sowie auch menschenrechtlichen Erwägungen. Wenn hinreichender Verdacht besteht, dass die zu liefernden zur internen Repression oder zu sonstigen fortdauernden und systematischen Menschenrechtsverletzungen missbraucht werden, wird eine Genehmigung grundsätzlich nicht erteilt.
Wie immer, bevor wir tatsächliche Zahlen vorlegen, gebe ich zu bedenken: Gerade weil es immer die sorgfältige Einzelfallbetrachtung ist, die zur Genehmigung oder Nichtgenehmigung eines Exportes führt, ist auch eine reine, pauschale Betrachtung aufgrund der Zahlen, die dann in sechs Monaten zusammengekommen sind, also der reinen Genehmigungswerte, aus unserer Sicht kein taugliches Mittel für die Beurteilung der Restriktivität der Exportpolitik. Auch da muss man also einzelfallorientiert schauen.
Die Genehmigungswerte im ersten Halbjahr 2018 sehen so aus:
Im Berichtszeitraum wurden Einzelgenehmigungen in Höhe von insgesamt rund 2,57 Milliarden Euro erteilt. Im Vergleichszeitraum erstes Halbjahr 2017 waren es rund 3,53 Milliarden Euro, der Wert ist also im Vergleich zum Vorjahr um 960 Millionen Euro gesunken. Davon gingen Genehmigungen im Wert von rund 1,03 Milliarden Euro, und damit rund 40 Prozent, an EU-, NATO- und NATO-gleichgestellte Länder, in die so die politischen Grundsätze der Bundesregierung der Export von Rüstungsgütern grundsätzlich nicht zu beschränken ist.
Für Drittländer wurden Ausfuhrgenehmigungen in Höhe von rund 1,54 Milliarden Euro erteilt. Im Vergleichszeitraum in 2017 waren es rund 2 Milliarden Euro. Von diesen Ländern ist Algerien das Empfängerland mit dem höchsten Gesamtgenehmigungswert.
Der Gesamtwert der Genehmigungen für Kleinwaffenausfuhren belief sich in diesem ersten Halbjahr 2018 auf rund 14,8 Millionen Euro. Für den Vergleichszeitraum in 2017 sind 31,7 Millionen Euro ausgewiesen. Davon entfiel lediglich ein Anteil in Höhe von 16 905 Euro auf Genehmigungen für Lieferungen außerhalb der EU-, NATO- und NATO-gleichgestellten Länder.
So viel dazu.
FRAGE STEINER: Herr Seibert, in dem Eckpunktepapier heißt es, die Bundesregierung erwarte, dass die Kosten für Hardwarenachrüstungen von Euro-5-Diesel-Pkw für die besonders betroffenen Fahrzeugeigentümer usw. einschließlich der Kosten für den Einbau übernommen werden. Was heißt das für die Euro-4-Besitzer?
STS SEIBERT: Möchte das Verkehrsministerium sich dazu äußern?
STRATER: Auf welchen Punkt bezieht sich das jetzt genau?
ZUSATZ STEINER: Das bezieht sich in Ihrer Nummerierung auf Punkt 2.
STRATER: Sie meinen die Kosten für die Nachrüstung?
ZUSATZ STEINER: Ja, Kosten für die Nachrüstung. Sie erwarten für Euro-5-Fahrzeuge eine entsprechende Kostenübernahme. Wie schaut es mit Euro-4-Fahrzeugen aus?
STRATER: Wir haben ja immer gesagt: Euro 4 ist technisch nicht nachrüstbar, bei Euro 5 ein gewisser Teil. Sie werden in dem Konzept gleichwohl sehen, dass auch für Euro-4-Fahrzeuge eine Regelung vorgesehen ist. Das heißt aber, dass wir eine Regelung machen, die das nicht ausschließt. Das heißt, wenn Sie ein findiger und kluger Autobastler sind und eine technische Lösung für Euro 4 finden, dann soll es daran nicht scheitern. Das ist also der Rahmen, der das möglich macht; wir wollen also so viel wie möglich möglich machen. Wir sagen: Bei Euro 4 geht es nicht, bei Euro 5 geht es bei einem gewissen Teil, und wir schaffen den Rahmen dafür, dass alle technischen Lösungen, die es dann auch gibt, möglich sind.
ZUSATZFRAGE STEINER: Heißt das im Umkehrschluss auch: Sollte sich eine technische Lösung dafür doch noch einfinden, dann erwartet die Bundesregierung von der Autoindustrie auch, dass die entsprechenden Euro-4-Diesel nachgerüstet werden und dass diese Nachrüstungen dann von der Autoindustrie bezahlt werden?
STRATER: Wir gehen davon aus, dass es technisch nicht geht der Bauraum ist nicht vorhanden, Sie müssen das Fahrzeug sozusagen komplett neu bauen. Aber wie gesagt: Wir wollen alles rechtlich möglich machen, was auch nur irgendwie technisch mal möglich sein könnte. Wir gehen davon aus, dass es bei einem Teil der Euro-5-Fahrzeuge möglich ist, und dafür schaffen wir die Voraussetzungen.
FRAGE JORDANS: Wurden die Maßnahmen im Eckpunktepapier vorab mit der EU-Kommission besprochen?
Gibt es für die Maßnahmen irgendwelche Unterstützung von Gesundheitsexperten? Es geht ja auch um die Gesundheit von Stadtbewohnern.
Herr Strater, können Sie sagen, ungefähr wie viele Fahrzeuge Ihrer Meinung nach nachrüstbar sind? Gibt es dazu irgendeine Zahl?
STRATER: Jetzt muss ich einmal kurz graben wir haben im Moment so viele Zahlen. Von den Euro-5-Fahrzeugen sind es, glaube ich, 2 Millionen oder so etwas. Ich muss noch einmal nachsehen. Die Hälfte von denen, die es gibt, sind also technisch nachrüstbar, wenn ich mich richtig an die Zahlen erinnere also nicht alle, sondern ein Teil davon. Bei den Euro-5-Fahrzeugen sind es 2 Millionen wenn es eine andere Zahl ist, dann reiche ich sie gern noch nach.
Zur EU-Notifizierung steht ja etwas in dem Papier: BMU und BMVI führen die notwendigen Notifizierungen bei der EU für die verschiedenen Regelungen zügig gemeinsam durch. Ob vorab etwas abgestimmt worden ist, ist mir nicht bekannt. Für uns sind ja auch die Vorschriften eher die nationalen Regelungen Straßenverkehrszulassungsordnung, Straßenverkehrsgesetz. Das ist jetzt etwas, was national umgesetzt werden kann, und alles Weitere wird dann entsprechend noch geregelt.
ZUSATZFRAGE JORDANS: Waren Gesundheitsexperten Teil der Diskussion?
STRATER: Das muss jetzt keine Frage an uns sein, oder?
ZUSATZ JORDANS: Vielleicht an das Bundesministerium für Gesundheit?
GÜLDE: Da geht es ja um das Thema verkehrs- bzw. umweltbezogener Gesundheitsschutz. Insofern liegt das in den jeweiligen Ressorts, also Umwelt bzw. Verkehr.
HAUFE: Ich kann dazu gerne etwas sagen. Dass wir das Ganze natürlich aus dem Blickwinkel der Gesundheit betrachten, versteht sich bei dem Thema von selbst. Wir haben ja Grenzwerte, weil wir an dieser Stelle die Gesundheit der Bürger schützen müssen. Die Maßnahme, die jetzt sehr eindeutig und sehr klar in diesem Eckpunktepapier beschrieben worden ist, ist die Hardwarenachrüstung für Diesel-Pkw die wirksamste Maßnahme, die wir haben, um die Luftbelastung in Städten dort, wo es Probleme gibt, deutlich und rasch zu senken. Das ist aus Sicht der Bundesumweltministerin, die sich ja hier an dieser Stelle mehrfach für Hardwarenachrüstungen bei Diesel-Pkw eingesetzt hat, ein sehr großer Fortschritt. Wir haben jetzt eine sehr einheitliche und eine sehr eindeutige Position in der Bundesregierung, die verabschiedet worden ist, und eine klare Aufforderung an die Hersteller, die Nachrüstungen für die entsprechenden Diesel-Pkw zu bezahlen sowohl den Katalysator als auch den Einbau.
STS SEIBERT: Wenn ich das noch ganz kurz sagen darf Herr Haufe hat es ja vollkommen richtig gesagt : Die Grenzwerte drücken die Sorge um eine mögliche gesundheitliche Belastung von Bürgern durch Schadstoffemissionen aus. Deswegen sind diese Grenzwerte wichtig, und deswegen ist es für uns alle die Aufgabe, diese Grenzwerte einzuhalten. Es hat dazu in den letzten Tagen zum Teil eine für mich nicht verständliche Berichterstattung gegeben, die Bundesregierung wolle die Grenzwerte teilweise aushebeln. Nichts davon ist der Fall. Wir akzeptieren diese Grenzwerte. Sie gelten, sie sind europäisches Recht, und sie spornen uns an, alles, was wir können, zu tun mit einer Vielzahl von Maßnahmen , um den Städten und den Kommunen Möglichkeiten zu geben, diese Grenzwerte tatsächlich auch möglichst bald zu unterschreiten.
HAUFE: Ich kann noch eine Ergänzung machen: Wir haben in der Diskussion über die letzte Zeit auch eine Studie vonseiten des Umweltbundesamtes, von Epidemiologen, anfertigen lassen, die noch einmal den aktuellsten Wissensstand zu den Auswirkungen der Stickoxidbelastung auf die Gesundheit zusammengestellt haben. Auch hier haben wir uns also noch einmal wissenschaftlichen Rat geholt, und das hat an unserem Vorgehen nichts geändert, sondern uns im Gegenteil noch einmal befeuert, uns zum Beispiel für Hardwarenachrüstungen einzusetzen.
STRATER: Ich habe noch eine Ergänzung zu den nachrüstbaren Euro-5-Fahrzeugen. Es ist ungefähr die Zahl, die ich nannte: Ungefähr 2,2 Millionen von 5,5 Millionen Euro-5-Fahrzeugen sind nachrüstbar.
FRAGE BUSEMANN: Was genau ist gemeint mit der Formulierung „Die Bundesregierung erwartet, dass die Hersteller für die Nachrüstung aufkommen“? Ist das ein Appell oder werden verbindliche Vorschriften folgen, die die Hersteller dazu zwingen, die Nachrüstung auf eigene Kosten vorzunehmen?
STS SEIBERT: Das ist die Position, die wir sehr entschlossen in allen Gesprächen mit den Autokonzernen vertreten.
ZUSATZFRAGE BUSEMANN: Und was bedeutet das?
STS SEIBERT: Dass wir diese Position entschlossen vertreten und dass wir dazu in intensiven Gesprächen mit den Autokonzernen sind.
ZUSATZFRAGE BUSEMANN: Ja, aber meine Frage war doch: Werden Sie das als letztes Mittel verordnen, sodass den Herstellern nichts anderes übrigbleibt, oder wird es darauf hinauslaufen, dass es im Benehmen der Hersteller bleibt, für die Nachrüstung aufzukommen oder nicht?
STS SEIBERT: Vielleicht möchte sich das Verkehrsministerium zu der rechtlichen Frage äußern?
STRATER: Das haben wir hier auch schon gesagt: Wir reden bei diesem Komplex ja nicht über die Manipulationen, sondern wir reden über Diesel-Fahrzeugen nach alten Euro-Normen, die rechtlich vollkommen legal auf den Straßen unterwegs sind und bei denen wir die Autohersteller nicht zwingen können, sie jetzt technisch nachzurüsten. Insofern gilt genau das, was Herr Seibert gesagt hat.
FRAGE JUNG: Herr Seibert, können Sie erläutern, was passiert, wenn die Autoindustrie Erwartungen nicht erfüllt?
STS SEIBERT: Nein, das halte ich jetzt nicht für sinnvoll. Wir haben für die Bundesregierung einen ganz klaren Aktionsplan aufgestellt. Wir kommen jetzt in die Phase, dass aus den Vereinbarungen der Koalition Eckpunkte und sehr bald schon Gesetzentwürfe werden, und wir sind in intensiven Gesprächen mit den Autokonzernen.
ZUSATZFRAGE JUNG: Das heißt, wenn die Autokonzerne die Erwartungen nicht erfüllen, dann haben sie erst einmal nichts zu befürchten? Es hört sich jetzt jedenfalls so an, als ob Sie Erwartungen formulieren, aber wenn die Autoindustrie da nicht mitmacht, dann ist es auch nicht so schlimm.
STS SEIBERT: Das ist Ihre Wertung.
ZUSATZFRAGE JUNG: Darum frage ich ja, ich würde das gerne verstehen. Der Kollege hat es ja gerade auch nicht
STS SEIBERT: Das ist ausschließlich Ihre Wertung. Zur rechtlichen Frage hat Kollege Strater sich geäußert. Ganz üblicherweise beantworte ich hier keine Wenn-dann-Fragen, denn wir sind mitten im Prozess dieser intensiven Gespräche.
ZUSATZ JUNG: Aber das hört sich ja nach windelweichen Wünschen an, noch nicht einmal nach Forderungen.
STS SEIBERT: Ich glaube, es ist üblich, dass Sie Ihre Wertungen haben, und ich Sie Ihnen überlassen muss, wenn Sie das wollen.
FRAGE JENNEN: Herr Seibert, die Bundeskanzlerin hat gestern im Hessischen Rundfunk gesagt, dass die staatliche Finanzierung der Nachrüstung ein letztes Mittel sei. Wäre das dann also der Weg, wenn es nicht zur industriefinanzierten Nachrüstung kommt?
STS SEIBERT: Die Worte der Bundeskanzlerin aus dem gestrigen Interview stehen für sich. In den Eckpunkten haben wir vereinbart, dass wir erwarten, dass die jeweiligen Automobilhersteller die Kosten für die Hardwarenachrüstung übernehmen, einschließlich des Einbaus.
ZUSATZFRAGE JENNEN: Das letzte Mittel, das die Bundeskanzlerin anvisiert hat?
STS SEIBERT: Die Worte stehen für sich und der Text im Eckpunktepapier, das heute das ganze Kabinett beschlossen hat, auch.
ZUSATZFRAGE JENNEN: Herr Fehling, ist das auch für das Finanzministerium ein letztes Mittel?
DR. FEHLING: Für uns gilt das, was heute im Kabinett beschlossen worden ist, und darüber haben wir hier eben ja schon ausführlich vorgetragen.
FRAGE ZIEDLER: Ich habe zwei Fragen zu den Gesprächen mit den Automobilherstellern.
Erste Frage: Inwiefern ist die Kanzlerin zum jetzigen Zeitpunkt bereits in diese Gespräche involviert?
Zweite Frage: Gibt es da einen bestimmten Zeithorizont? Wenn wir jetzt hören, dass bis Anfang 2019 die technischen Voraussetzungen geschaffen werden sollen: Kann man daraus schließen, dass diese Verhandlungen bis etwa Anfang 2019 dauern können, oder müsste da zwischen Bundesregierung und Autoindustrie früher Klarheit herrschen?
Eine Frage noch zu dem Bereich zwischen 40 und 50 Mikrogramm Schadstoffbelastung: Können Sie etwas dazu sagen, welchen Status diese jetzt getroffene Regelung genau haben wird? Sie sagten, die kommunale Selbstverwaltung bleibe davon unberührt. Gleichzeitig ist die Erwartung, dass dann in der Regel in diesem Bereich keine Fahrverbote auftreten sollen. Welchen Status hat diese Neuerung im Gesetz?
HAUFE: Ich fange einmal mit dem Status an: Das ist eine Orientierungshilfe, die im Bundes-Immissionsschutzgesetz gegeben wird, um zu schauen: In welchem Luftbelastungsbereich sind Fahrverbote angebracht und in welchem Belastungsbereich sind sie nicht unbedingt notwendig? Wir sagen ja „in der Regel“, das heißt, wir können es nicht ausschließen; das hat Herr Seibert auch noch einmal betont, und ich habe das auch am Montag mehrfach getan. Es bleibt am Ende eine Entscheidung der Kommune, und es kann natürlich auch eine bestimmte gerichtliche Situation oder Entscheidung geben, die sich aufgrund bestimmter Situationen, die wir jetzt auch erleben, nicht vermeiden lässt. Wir geben mit dem Bundes-Immissionsschutzgesetz aber noch einmal eine Orientierungshilfe anhand der Maßnahmen, die aktuell möglich sind, um die Luftbelastung in kurzer Zeit, kurz- bis mittelfristig, deutlich zu senken.
STS SEIBERT: So ist es. Wir mussten uns ja nach dem Leipziger Urteil des Bundesverwaltungsgerichts intensiv mit der Frage auseinandersetzen: Sind Fahrverbote in Deutschland generell vermeidbar? Unser Ziel ist es, sie generell zu vermeiden. Vor allem glauben wir aber, dass in den Städten, die zwar Grenzwertüberschreitungen haben, aber eben geringfügigerer Art, nämlich zwischen 40 und 50 Mikrogramm pro Kubikmeter, aufgrund der zahlreichen Maßnahmen, die ergriffen worden sind und noch weiter ergriffen werden, eine Verhängung eines Fahrverbots in der Regel nicht verhältnismäßig sein würde wir haben hier am Montag ja sehr ausführlich über die Frage der Verhältnismäßigkeit gesprochen. Das greift, wie gesagt, nicht in die Selbstverwaltung der Kommunen ein. Aber die Kommunen waren es auch jedenfalls zahlreiche Kommunen , die die Bundesregierung gebeten haben, dazu sozusagen eine einheitliche Position zu beziehen. Dem sind wir jetzt nachgekommen, und deswegen werden wir dafür im Bundes-Immissionsschutzgesetz Vorsorge treffen.
ZUSATZFRAGE ZIEDLER: Was sagen Sie zur Frage nach dem Zeithorizont der Verhandlungen mit der Autoindustrie? Gibt es da sozusagen eine natürliche Deadline? Müsste zum Beispiel passend zur Schaffung der technischen oder gesetzlichen Rahmenbedingungen Klarheit herrschen, oder ist das erst einmal offen?
STRATER: Eine Deadline, also eine Frist, gibt es da nicht. Wir arbeiten mit Hochdruck daran. Es war nach dem Beschluss zum Konzept erst einmal wichtig, dass die Hersteller die Umtauschprämien anbieten. Darüber waren wir mit den Herstellern jetzt in erster Linie in engem Austausch. Diese Umtauschprämien sind jetzt am Markt, und jetzt können wir alle weiteren technischen und rechtlichen Fragen mit den Herstellern besprechen. Ich kann Ihnen jetzt aber nicht sagen, bis zu welchem Zeitpunkt das abgeschlossen werden soll. Unsere Erwartungshaltung ist sehr klar, und die machen wir auch in den Gesprächen sehr deutlich.
FRAGE JESSEN: Herr Zimmermann, ist das Verbraucherschutzministerium zufrieden mit der Formulierung der Erwartungshaltung, oder hätte sie sich da aus Verbraucherschutzinteressen mehr gewünscht?
ZIMMERMANN: Die Ministerin hat sich schon vor der heutigen Verabschiedung der Eckpunkte dazu geäußert. Sie hat deutlich gemacht, dass sie die Einigung der Koalition als einen wichtigen Schritt ansieht, und dabei hat sie insbesondere darauf hingewiesen, dass ja nicht jeder finanziell in der Lage ist, sich einen Neuwagen zu kaufen. Insofern hat sie die Erwartung der Bundesregierung bekräftigt, dass die Hersteller die Kosten für eine Nachrüstung übernehmen.
FRAGE: Herr Seibert, Ihnen sind ja relativ kurzfristig die neuen Messwerte in Frankfurt bekannt geworden. Wenn ich Herrn Helge Braun richtig verstanden habe, kommt nun ja auch Frankfurt in den Genuss dieser Hardware- und Umtauschprogramme. Vielen Wählern in Hessen drängt sich der Eindruck auf, dass die Regierung da eine ziemlich durchsichtige PR-Show verwendet. Können Sie diesen Eindruck nachvollziehen?
STS SEIBERT: Nein. Es gibt ja in dieser Sache vielleicht muss man das ein bisschen erklären in jedem Jahr zwei Stichtage. Zwischen Bund und Ländern ist vereinbart, dass die Länder ihre abschließend geprüften Messdaten jedes Jahr an das Umweltbundesamt senden, und zwar Ende Mai. Auf dieser Basis wird dann alljährlich der Bericht zur Luftreinhaltung erstellt, und bis Ende September zweiter Stichtag müssen die Daten dann an die Europäische Kommission gemeldet werden. So war es auch; die Veröffentlichung des Umweltbundesamtes am 31. Mai spricht von finalen Daten und abgeschlossener Auswertung. Das war auch die Grundlage für die Beratung innerhalb der Koalition und für den von der Koalition aufgestellten Maßnahmenplan.
Nun hat Hessen im Laufe des Septembers noch zwei neue Messorte mit neuen Jahresmittelwerten für diese Orte für 2017 nachgemeldet, und in dem Moment, in dem offensichtlich wurde, dass das für das Frankfurter, ich sage einmal, Gesamtergebnis eben auch für dieses Jahr noch relevant ist, rechnen wir Frankfurt selbstverständlich in die Liste der intensiv betroffenen Städte ein es waren 14, nunmehr sind es 15. Das heißt, dass eben auch die in Frankfurt möglicherweise betroffenen Dieselhalter all die Maßnahmen, all die Angebote bekommen, die für diese Intensivliste gelten. Das gilt dann auch noch für die angrenzenden Landkreise und für alle Pendler, was ja in Frankfurt eine große Gruppe von Menschen ist.
Das Entscheidende, denke ich, ist doch, dass die Maßnahmen der Bundesregierung, wie sie heute in den Eckpunkten beschlossen wurden und dann in Gesetzentwürfe umgesetzt werden, für alle betroffenen Kommunen gelten, und zwar in abgestufter Weise, je nach Grad der Schadstoffbelastung und je nach möglichem Risiko von Fahrverboten. Das ist die Situation.
ZUSATZFRAGE: Es ist also eine reine zeitliche Koinzidenz zwischen dem Bekanntwerden und der Wahl am Sonntag?
STS SEIBERT: Erst einmal: Was heute beschlossen wurde, inklusive Veränderungen im Bundes-Immissionsschutzgesetz, geht auf den 1. Oktober zurück, auf die Vereinbarungen innerhalb der Koalition, die jetzt ins Kabinett eingebracht worden sind.
Zweitens. Dieses Thema Schadstoffbelastung in den Kommunen, Dieselfahrer ist ein Thema, das ja nicht auf Wahlkampfzeiten Rücksicht nimmt. Es ist ein Thema, das in ganz Deutschland und in vielen Kommunen verteilt über ganz Deutschland die Menschen bewegt. Deswegen muss die Bundesregierung handeln, und deswegen handelt sie im Verbund mit den Kommunen und den Ländern, denen da auch eine erhebliche Verantwortung zukommt.
FRAGE STEINER: Während wir hier sitzen, scheint das Verwaltungsgericht Mainz jetzt auch Klarheit geschaffen zu haben und ab dem 1. April 2019 ein Fahrverbot zu verhängen. Insofern eine aktuelle Frage zum Zeithorizont: Was ist denn da geplant? Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, haben Sie mit den technischen Richtlinien auf jeden Fall das Problem mit der Notifizierungspflicht auf europäischer Ebene. Was glauben Sie, bis wann Sie wer auch immer von Ihnen tatsächlich etwas bewirken können?
STS SEIBERT: Urteile der Gerichte kommentieren wir in dem Sinne sowieso nicht, und ein gerade ergangenes und von niemandem so richtig gelesenes Urteil kann ich das verstehen Sie sicherlich hier erst recht nicht kommentieren.
ZUSATZ STEINER: Danach habe ich auch nicht gefragt.
STS SEIBERT: Genau. Aber die Eckpunkte, die heute im Kabinett beschlossen wurden, die Dringlichkeit, mit der wir das angehen, die Fristen, die für die Ausarbeitung der notwendigen technischen Details gesetzt worden bis Ende des Jahres im einen Fall bzw. bis Anfang des Jahres im anderen Fall , zeigen Ihnen doch, dass die Bundesregierung die Absicht hat, dieses Thema mit aller Dringlichkeit im Interesse der Bürger und vor allem auch im Interesse gesunder Luft in unseren Städten voranzutreiben.
ZUSATZFRAGE STEINER: Dennoch die Frage an Herrn Strater: Sowohl die technische Richtlinie als auch das Bundes-Immissionsschutzgesetz müssen in jedem Fall in Brüssel notifiziert werden, das heißt, es gibt nach den üblichen Regeln eine mindestens dreimonatige Stillhaltefrist, wenn keine entsprechenden Anmerkungen kommen. Das heißt, wer jetzt darauf vertraut, dass das Ganze beispielsweise bis April schon irgendwie anders geregelt werden würde, der baut doch eigentlich auf Sand, oder?
STRATER: In diesen Eckpunkten werden Zeithorizonte genannt: für die Förderrichtlinien für Hardwarenachrüstungen bei schweren Kommunalfahrzeugen und bei Handwerkerfahrzeugen noch 2018, für die rechtlichen und technischen Vorschriften für den Einsatz von Nachrüstungen zu Beginn des Jahres 2019. Ich kann das im Moment noch nicht weiter konkretisieren. Wir setzen das jetzt um, und alles Weitere wird man dann sehen. Wir arbeiten mit Hochdruck daran so hat es der Regierungssprecher gesagt, und dem kann ich nur beipflichten. Wir machen das jetzt schnellstmöglich.
HAUFE: Es ist ja auch nicht so, dass wir jetzt erst anfangen würden, etwas auf den Weg zu bringen. Wir haben das Sofortprogramm Saubere Luft, wir haben Geld bereitgestellt für die Modernisierung des öffentlichen Nahverkehrs in diesen Städten, und alle Städte, die jetzt mit Fahrverboten agieren müssen, kommen ja in den Genuss zusätzlicher Maßnahmen. Die Städte sind jetzt deutlich weiter mit den Planungen oder sind schon bei der Umsetzung ihrer Maßnahmen. Wir haben außerdem die Softwareupdates, bei denen es weitergegangen ist. Wir fangen mit den jetzigen Maßnahmen also nicht bei null an; vielmehr setzen diese Maßnahmen auf das bestehende Programm auf.
Weil es gerade um die Messwerte in Hessen ging und es gestern wieder Äußerungen gab, dass wir unser Messnetz einmal überprüfen müssten, würde ich gerne noch eine Anmerkung machen: Dass ein Land Messwerte korrigiert, zeugt genau davon, dass wir ein funktionierendes Messnetz haben, das regelmäßig überprüft wird. In manchen Ländern gibt es jährliche Überprüfungen. Es muss mindestens alle fünf Jahre überprüft werden.
Die Äußerungen, die es da in der politischen Landschaft gibt, wir bräuchten jetzt ein umfassendes Programm, um das Messnetz zu überprüfen, sind aus Sicht der Bundesumweltministerin ein reines Ablenkungsmanöver. Darum geht es nicht. Es geht darum, dass wir die Luftbelastung in den Städten senken. Das können wir mit dem tun, was wir heute unter anderem beschlossen haben. Aber Messstellen umzustellen oder ihre Funktion in Frage zu stellen, bringt uns bei der Lösung dieses Problems und bei der Gesundheitsbelastung der Leute sicherlich nicht weiter. Das ist eine klare Position, die ich gern noch einmal für die Bundesumweltministerin hier machen möchte.
FRAGE WEFERS: Nur noch einmal zu meinem Verständnis – wer immer sich zuständig fühlt: Wann kann der Diesel-Fahrer denn jetzt in die Werkstatt fahren und die Nachrüstung verlangen oder besprechen? Also wann wird das sein? Weiß er dann, wer das bezahlt oder weiß er, dass er das selber bezahlen muss?
STRATER: Also der Diesel-Fahrer hat ja mehrere Optionen. Er kann die Umtauschprämie in Anspruch nehmen.
ZURUF WEFERS: Es geht ja jetzt um die Nachrüstung.
STRATER: Ich weiß. Ich sage es nur für die, die es nicht wissen.
Er kann die Umtauschprämie in Anspruch nehmen. Er kann dafür einen Neuwagen kaufen. Er kann dafür einen Gebrauchtwagen kaufen, ein sauberes Fahrzeug.
Die Nachrüstoptionen – das haben wir immer gesagt – dauern. Wir brauchen die technischen Vorschriften, wir brauchen die rechtlichen Vorschriften und vor allen Dingen – und das liegt dann nicht in unserer Hand – müssen die Hersteller diese Nachrüstsysteme auf den Markt bringen. Sie müssen sie entwickeln. Sie müssen das beim KBA zur Genehmigung vorlegen. Es ist nicht so, dass im Keller des Verkehrsministeriums Hardware-Nachrüstungssets zusammengeschraubt werden, sondern das machen schon die Hardware-Nachrüster selbst und sie müssen das machen.
Es gibt bisher nichts, was wir im KBA genehmigen könnten kein System, das im Moment genehmigungsfähig ist. Das muss man auch wissen. Wir haben diese Hardwarenachrüstung immer skeptisch gesehen. Das haben wir hier vielfach beschrieben. Wir haben das auch vielfach begründet. Es gibt eben auch auf der Zeitachse einen kritischen Faktor. Deswegen kann ich Ihnen nicht sagen, wann der Diesel-Fahrer mit diesem Nachrüstsatz rechnen kann. Wir machen unser Ding und schaffen die technischen und rechtlichen Voraussetzungen dafür und die Genehmigungsfragen. Aber die Hersteller müssen diese Geräte auf den Markt bringen.
FRAGE JUNG: Herr Seibert, zum Zwischenbericht. Sie haben ja die Restriktivität der Bundesregierung bei den Rüstungsexporten betont. Gab es denn 2018 Anträge, die nicht genehmigt wurden? Sie brauchen ja nicht auf Einzelfälle eingehen. Aber ich möchte nur allgemein wissen, ob es auch Anträge gibt, die die Bundesregierung nicht genehmigt hat?
STS SEIBERT: Eine ganz allgemeine Auskunft auf eine ganz allgemeine Frage: Es gibt immer Anträge, die nicht genehmigt werden.
ZUSATZFRAGE JUNG: Mehr wollen Sie dazu nicht sagen?
STS SEIBERT: Mehr haben Sie jetzt auch nicht gefragt. Aber ich möchte auch nicht mehr dazu sagen. Es ist mir auch nicht genehmigt, mehr zu sagen. Denn Sie kennen die Regeln, unter denen der Bundessicherheitsrat tagt.
VORS. DETJEN: Das war quasi die Aufforderung, eine Nachfrage zu stellen. Bitte!
ZUSATZFRAGE JUNG: Mich interessiert noch die Ausfuhrgenehmigung für Drittländer. Da hatten Sie ja als Beispiel Algerien genannt. Können Sie noch ein, zwei andere Länder nennen, die danach kamen? Also wer ist anteilsmäßig auf Platz zwei und Platz drei?
STS SEIBERT: Ich weiß nicht, ob sich das zuständige Bundeswirtschaftsministerium dazu äußern möchte oder darf.
JORNITZ: Das finden Sie auch in dem Bericht selbst. Das Hauptempfängerland unter den Drittländern war Algerien. Auf Platz zwei war Saudi-Arabien, und danach kam Pakistan.
Aber das sind jetzt tatsächlich die Drittländer. Also auf Platz zwei waren tatsächlich die USA, und das ist bekanntlich ja kein Drittland, sondern NATO-Staat.
FRAGE THIELS: Herr Seibert, die Kanzlerin hat ja gesagt: Im Fall Khashoggi muss alles aufgeklärt werden. Solange das nicht aufgeklärt ist, gibt es auch keine Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien. Dann hat sie noch gesagt: Das sage ich Ihnen ganz ausdrücklich zu.
Nun würde ich gern wissen, was denn „ganz ausdrücklich“ in dem Fall heißt. Sind darunter auch die bereits genehmigten und noch nicht ausgelieferten Güter? Das ist ja die große Debatte, die wir im Moment haben.
STS SEIBERT: In der Tat ist die Ermordung des Journalisten Khashoggi ein beispielloser Fall. Deswegen hat die Bundesregierung zusammen mit europäischen Partnern, zusammen auch mit den G7-Partnern, nicht nur die allerschärfste Form der Verurteilung ausgesprochen, sondern hat eben auch gesagt: Wir erwarten totale Transparenz. Wir erwarten glaubwürdige Aufklärung von Saudi-Arabien. Was uns bisher an Erklärung seitens Saudi-Arabien vorliegt, reicht in keiner Weise aus.
Wir haben daraufhin am Montag hier ausführlich darüber gesprochen, dass es unter den derzeitigen Umständen selbstverständlich nicht möglich ist und auch nicht ins Auge gefasst wird, Rüstungsexportgenehmigungen für Saudi-Arabien zu geben. Über die Frage, wie mit bereits gegebenen Genehmigungen oder mit vielleicht noch nicht ausgelieferten Gütern umzugehen ist, wird innerhalb der Bundesregierung jetzt intensiv gesprochen. Auch das werden wir natürlich sehr genau prüfen müssen.
ZUSATZFRAGE THIELS: Da hätte ich gleich noch eine Nachfrage an das Wirtschaftsministerium. Herr Altmaier hat ja gesagt, das werde jetzt ganz schnell geprüft. Wann können wir denn da mit einer Entscheidung rechnen? Es sollte ja vielleicht zügig gehen.
JORNITZ: Herr Seibert hat ja gerade gesagt, dass wir da in einer Prüfung sind. Sie wird sicherlich zügig abgeschlossen.
ZUSATZFRAGE THIELS: Heißt dann zügig wenn ich kurz nachfragen darf Wochen, Monate, Jahre? Oder reden wir da über Tage?
JORNITZ: Zügig.
STS SEIBERT: Wir reden sicherlich nicht über Wochen oder Monate. Aber Sie wissen natürlich, dass die Prüfung eine politische Prüfung ist. Sie ist aber auch eine rechtliche Prüfung. Das muss gut bedacht werden. Das werden wir intensiv miteinander zeitnah zu entscheiden haben.
FRAGE JESSEN: Eine Frage an das BMWi – zurück zum Bericht: Es gab im Jahr 2018 nur eine Post-Shipment-Kontrolle. Warum nur eine? Können Sie sagen, was oder wer kontrolliert wurde?
Zum zweiten: Es gab eine Genehmigung oder eine Lieferung an Syrien. Das verblüfft als Empfängerland. Können Sie uns sagen, was dorthin geliefert wurde?
JORNITZ: Zunächst einmal kurz zu Ihrer Frage zu Syrien: Sie wissen ja, dass wir über Angelegenheiten des Bundessicherheitsrats keine Auskunft geben, weil er geheim tagt. Deswegen kann ich es Ihnen leider nicht sagen.
Zu Post-Shipment-Kontrollen wissen Sie ja auch, dass wir derzeit in einer Pilotphase sind und eben gerade mit den Kleinwaffengrundsätzen – derzeit übrigens als einziges EU-Land für Post-Shipment-Kontrollen in dem Bereich gesorgt haben.
Die Pilotphase läuft jetzt. Sie läuft übrigens sehr erfolgreich. Wir haben bisher insgesamt drei Empfänger kontrolliert. Es handelte sich jeweils um staatliche Empfänger. Wir reden hier über Indien, Südkorea und die Vereinigten Arabischen Emirate. In keinem der drei Fälle gab es Beanstandungen.
ZUSATZFRAGE JESSEN: Und dass es laut Berichten in 2018 bislang eine Kontrolle gab, hat noch mit dem Charakter des Pilotstatus zu tun? Ist es bei weiterem Erfolg beabsichtigt, das auszuweiten?
JORNITZ: Die Evaluation wird zwei Jahre, nachdem die erste Post-Shipment-Kontrolle tatsächlich durchgeführt wurde, stattfinden. Das war letztes Jahr. Insofern steht die Evaluation für 2019 an. Dann werden wir sehen, wie wir die Ergebnisse genau bewerten.
Einen kurzen Nachtrag zu Syrien kann ich Ihnen geben: Es handelte sich wohl um eine Lieferung an eine internationale Mission, also nicht an das Land Syrien selbst.
FRAGE STEINER: Herr Jornitz, wir haben in dem Kontext ja einige Fragen offen an Sie. Da verrate ich Ihnen auch kein Geheimnis; wir haben viel telefoniert seit Montag.
Frau Alemany hat uns am Montag die Zahl von 416 Millionen genehmigten Ausfuhren für das Jahr 2018 genannt. Jetzt haben wir für das erste Halbjahr eine Zahl von 161 800 000 für Saudi-Arabien. Das deutet ja doch auf eine gewisse Diskrepanz hin, was die Höhe der Bewilligung angeht, was Sie in den vergangenen drei Monaten bewilligt haben müssen.
Haben Sie inzwischen eigentlich Klarheit darüber, wie viele der genehmigten Ausfuhren auch tatsächlich ausgeführt wurden? Oder ist das nach wie vor ein großes Geheimnis? Ich schaue da natürlich auch in Richtung von Herrn Dr. Fehling neben Ihnen.
JORNITZ: Große Geheimnisse gibt es in der Bundesregierung, glaube ich, nicht. Wir sind mit allen Beteiligten zu dem Thema im Gespräch, die da relevant sind. Das sind aber Dinge, die wir innerhalb der Bundesregierung besprechen und nicht in der Öffentlichkeit.
ZUSATZFRAGE STEINER: Entschuldigung. Die Frage, ob Sie es wissen, müssten Sie aber schon beantworten können. Ich will nicht wissen, wie viel es tatsächlich ist, sondern ich möchte wissen, ob Sie es wissen. Das ist der große Unterschied. Nachdem ich da lange hinterhertelefoniert hatte und festgestellt habe, dass es offenbar nicht so einfach ist, diese Zahlen zu bekommen, würde ich gern wissen, ob die Bundesregierung weiß, wie viele Waren jetzt tatsächlich das Land verlassen haben.
JORNITZ: Wie gesagt: Die Frage wird derzeit geklärt. Es gilt das, was ich gerade gesagt habe. Wir prüfen das.
FRAGE BUSCHOW: Mir geht es auch um die Diskrepanz zwischen diesen beiden Zahlen, die 162 Millionen, die im Bericht auftauchen, und die Zahl, die hier am Montag genannt wurde, 416 Millionen. Diese Zahlen sind vergleichbar. Stimmt es, dass bis Ende September in dem Umfang noch einmal mehr Genehmigungen erteilt wurden? Das wäre die erste Frage.
Die zweite Frage: Können Sie denn sagen, wie viele Anträge im Moment von Saudi-Arabien vorliegen? Also wenn die Bundesregierung jetzt sagt, wir werden nichts mehr genehmigen, können Sie sagen, wie viele Anträge das wären und welcher Wert davon betroffen wäre?
JORNITZ: Zu Ihrer ersten Frage zu den Exporten bis zum 30. September haben wir uns ja auch jüngst in einer Antwort auf eine Parlamentarische Frage geäußert. Es ist so, dass dieser Wert von den knapp über 400 Millionen vom 01.01. bis zum 30. September aufgelaufen ist. Da können Sie mathematisch richtig nachrechnen, wie viel das dann wohl zwischen dem 01.07. und dem 30.09. gewesen sein wird.
Zur Frage der Anträge kann ich nichts sagen, weil wir natürlich anhand der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung keine Auskünfte zu einzelnen Anträgen geben können.
FRAGE JUNG: In dem Zusammenhang, Herr Seibert: Hat sich die Bundesregierung schon auf die unmittelbar Beteiligten des Jemen-Kriegs geeinigt, an die man laut Koalitionsvertrag keine Rüstungsexporte mehr liefern will, so wie das Herr Altmaier für Ende September angekündigt hat?
STS SEIBERT: Die Frage ist ja hier dutzende Male jetzt gestellt worden und vom Ministerium, von Herrn Altmaier, beantwortet worden.
ZURUF JUNG: Nein.
STS SEIBERT: Doch. Das ist sie.
Was die Situation im Jemen betrifft, da sind noch ganz andere Dinge, die uns im Moment beschäftigen, nämlich die große Notlage im Jemen. Der UN-Hilfskoordinator McGoldrick hat gestern aktuelle Aussagen gemacht, die große Sorge bereiten. Es fehlt, auch wegen der Blockade der jemenitischen Häfen, immer wieder an Möglichkeiten, anzulanden, ausreichend Hilfsgüter auszuladen und an die notleitenden Menschen zu bringen.
Deswegen möchte ich das gern zum Anlass nehmen, um an die kriegsführenden Parteien mit Nachdruck zu appellieren, dass sie jetzt endlich die notwendigen Schritte ergreifen, um dieser katastrophalen Entwicklung – es sind möglicherweise mehr als 10 Millionen Menschen von Hunger bedroht – Einhalt zu gebieten. Die internationale Gemeinschaft muss die Möglichkeit erhalten, den notleitenden Menschen im Jemen zumindest mit dem Nötigsten zu helfen. Dieser humanitäre Zugang ist essentiell.
ZUSATZFRAGE JUNG: Ich hatte aber nach der Liste gefragt, die die Bundesregierung versprochen hatte. Sie liefern ja laut Zwischenbericht – auch in diesem Jahr noch an Katar, Kuwait, Saudi-Arabien, die Arabischen Emirate, Ägypten und Jordanien. Das sind alles faktisch Beteiligte an diesem Jemen-Krieg. Saudi-Arabien ist die kriegsführende Partei. Wann können wir denn mit einer Liste, einer Einigung, innerhalb der Bundesregierung rechnen? Anders, als Sie gerade behauptet haben, gab es darauf bisher nie eine Antwort.
STS SEIBERT: Ich weiß nicht, ob die Kollegen noch etwas sagen wollen. Wir haben hier häufig über die arabische Koalition, die sich gebildet hat, gesprochen. Wir haben hier darüber gesprochen, wie der Konflikt im Jemen entstand, als Huthi-Rebellen mit Unterstützung von außen die legitime Regierung des Jemen angriffen. Es folgten das Hilfsersuchen des jemenitischen Präsidenten und die Resolution der Vereinten Nationen. Die Arabische Koalition, die sich da unter Führung Saudi-Arabiens gebildet hat, ist bekannt. Der Beschluss, den die Koalition gefasst hat, ist auch bekannt. Wir handeln entsprechend dieses Beschlusses und haben uns hier schon entsprechend dazu eingelassen.
JORNITZ: Ich habe dem nichts hinzuzufügen.
FRAGE JORDANS: Der Wirtschaftsminister hat ja am Montag gesagt, es brauche eine gemeinsame europäische Linie, was die Waffenexporte an Saudi-Arabien angeht. Ich wollte fragen: Ist man da schon in konkreter Abstimmung mit den EU-Kollegen? Ist da ein Treffen geplant, vor allem mit den Briten, die ja einiges mehr an Saudi-Arabien liefern? Warum gibt es keine gemeinsame Linie mit den USA, die ja noch einmal zigfach mehr an Riad liefern? Hat man da keine Hoffnung?
JORNITZ: Wir sind in den Gesprächen mit den europäischen Partnern. Interne Gespräche kann ich hier nicht näher kommentieren.
Zu den USA kann ich jetzt persönlich gerade leider nichts sagen. Das müssten wir nachreichen.
ZUSATZFRAGE JORDANS: Ich will jetzt nicht unbedingt Details über die Gespräche. Aber können Sie denn sagen: Ist bei einem bestimmten Treffen in den nächsten Tagen oder Wochen ein Tagesordnungspunkt geplant, wo man sagen wird „Wir wollen da konkret etwas entscheiden“?
JORNITZ: Wir sind daran.
FRAGE WARWEG: Am Montag hatte Frau Adebahr angekündigt, dass es zu einem Treffen mit dem saudischen Botschafter in Deutschland kommen soll. Hat dieses Treffen mittlerweile stattgefunden? Waren auch Rüstungsexporte Thema? Was waren die sonstigen Ergebnisse des Treffens?
BURGER: Wir sind mit der saudischen Seite in diesen Tagen sowohl in Riad als auch in Berlin auf verschiedenen Ebenen in Kontakt, auch über die jeweiligen Botschafter. Ein Gespräch mit dem Botschafter Saudi-Arabiens im Auswärtigen Amt hat bisher noch nicht stattgefunden. Wir gehen aber davon aus, dass es in den nächsten Tagen stattfindet. Viele von Ihnen haben uns in den letzten Tagen gebeten, Sie dazu auf dem Laufenden zu halten. Das würden wir auch gern tun.
ZUSATZFRAGE WARWEG: Wieso hat sich das Auswärtige Amt bisher nicht dazu entschlossen, den saudischen Botschafter explizit einzubestellen? Es gibt mittlerweile oft zitierte Parallelen zum Fall Skripal, wo das Auswärtige Amt eine ganz andere Sprache gefunden hat. Wieso die Samthandschuhe im Falle der Saudis?
BURGER: Darüber ist auch am Montag schon gesprochen worden. Ich glaube, das muss man jetzt nicht an einzelnen Begrifflichkeiten festmachen. Das Entscheidende ist, glaube ich, dass wir in sehr deutlichen Worten sehr früh der saudischen Seite unsere Erwartung übermittelt haben. Das hatte der Außenminister ganz persönlich zu einem sehr, sehr frühen Zeitpunkt getan. Wir haben das jetzt an verschiedener Stelle auch öffentlich getan, gestern erneut durch die G7-Außenminister.
Das ist das, was ich dazu zu sagen habe.
FRAGE: Ich hätte noch eine Nachfrage zur Rechtslage. Wenn ein Unternehmen die Herstellungsgenehmigung hat, die Ausfuhrgenehmigung dann aber, zum Beispiel im Fall Saudi-Arabien, nicht bekommt, gibt es dann einen Schadenersatzanspruch an den Bund?
STS SEIBERT: Ich sehe mich nicht in der Lage, hier jetzt dazu eine rechtlich vollkommen korrekte Antwort zu geben. Das möchte ich lieber nicht. Ich glaube, solche rechtlichen Fragen sind ebenso wie politische Fragen zu klären. Aber das ist keine Auskunft, die ich Ihnen hier geben kann.
FRAGE STEINER: Entschuldigung. Aber Herr Jordans kann ja auf die Frage von davor vielleicht sogar eine Antwort bekommen. Das gab es ja schon mit dem Gefechtsübungszentrum. Also vielleicht ist erst einmal die Frage des Kollegen aus der Richtung zu beantworten.
Eine eigene Frage habe ich natürlich auch noch. Aber das ist ein bisschen schwierig, wenn Herr Seibert das so abkürzt, wenn das BMWi vielleicht sprechfähig ist.
STS SEIBERT: Was habe ich abgekürzt?
ZUSATZFRAGE STEINER: Der Kollege hatte ja offen in die Richtung gefragt, und Sie haben dann was ja in Ordnung ist mit dem geantwortet, was Sie geantwortet haben. Aber das BMWi hätte ja vielleicht auch noch inhaltlich antworten können.
STS SEIBERT: Entschuldigung, dass ich den Eindruck hatte, der Kollege meinte mich. Ich lasse da gerne anderen den Vortritt. So ist es nicht.
VORS. DETJEN: Wollte das BMWi sich dazu noch äußern?
JORNITZ: Das sind tatsächlich Dinge, die wir jetzt noch prüfen müssen. Es gibt natürlich grundsätzlich im Rahmen der Aufhebung von Verwaltungsakten unter Umständen Entschädigungsansprüche. Wie gesagt: Das müssen wir jetzt prüfen, wie das ist. Ob das auf den von Ihnen geschilderten Fall passt, müsste man dann noch sehen.
FRAGE STEINER: Ich glaube, das geht eher an Herrn Jornitz zum Thema Post-Shipment-Kontrolle. Es gibt den konkreten Vorwurf, dass die Zusagen, die von der saudi-arabischen Seite bezüglich des Endverbleibs der Patrouillenboote gemacht wurden – am Golf von Hormus, wenn ich das richtig in Erinnerung habe , von saudi-arabischer Seite nicht eingehalten würden.
Jetzt hat Herr Seibert uns gerade hier die Position der Bundesregierung zum Jemen-Krieg nachdrücklich deutlich gemacht. Es besteht aufgrund der Transponderdaten regelmäßig der Verdacht, dass diese Patrouillenboote, die in der Vergangenheit geliefert wurden, tatsächlich an der Blockade des Jemen beteiligt sind.
Mich würde schon interessieren, wie das Wirtschaftsministerium damit umzugehen gedenkt, ob es da nicht vielleicht auch die Möglichkeit einer Sonderprüfung des Sachverhalts gibt. Also das wäre schon ganz wichtig zu wissen.
JORNITZ: Ich glaube, dazu haben wir uns schon in vergangenen Regierungspressekonferenzen geäußert. Wenn es Verstöße gegen eine Endverbleibserklärung geben sollte, dann würde man dem nachgehen. Das würde dann auch Konsequenzen haben.
Ich glaube, wir haben uns auch gegenüber dem Parlament schon diverse Male dazu geäußert. Insofern würde ich Sie, ehrlich gesagt, darauf verweisen.
FRAGE DECKER: (ohne Mikrofon; akustisch unverständlich) …, dass sich die Bundesregierung nicht an ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes zum Familiennachzug bei Minderjährigen halte und dass es dazu offenbar unterschiedliche Auffassungen innerhalb der Bundesregierung gebe. Könnte sich das Auswärtige Amt dazu äußern, vielleicht auch das Familienministerium, das in dem Text erwähnt ist, und auch das BMI?
PETERMANN: Ich kann gern beginnen.
Im Kern geht es um die Bindungswirkungen dieses EuGH-Urteils. Es besteht insoweit Einigkeit zwischen allen Ressorts, dass diese Bindungswirkung auf jeden Fall nicht für den Nachzug von Eltern gilt, sondern nur für die Ehegatten und die Kinder. Da besteht Einigkeit, dass sowohl die Richtlinie das zwingend vorsieht als auch das deutsche Recht bei den Ehegatten und bei den Kindern, nicht aber bei dem Nachzug von Eltern.
Da gilt eine Ausnahme oder eine andere Regelung – so würde ich es einmal bezeichnen – in den Niederlanden. Dieses Urteil des EuGHs bezog sich auf die Niederlande. Ob man jetzt aufgrund des EuGH-Urteils zu einer anderen Bewertung kommt, die möglicherweise in weiteren Maßnahmen umzusetzen wäre, das wird derzeit zwischen den Ressorts abgestimmt.
ZUSATZFRAGE DECKER: Wann ist da mit einer Entscheidung zu rechnen?
PETERMANN: Ich kann Ihnen keinen Zeitraum nennen.
FRAGE STEINER: Das heißt, Sie sind noch in der Prüfung begriffen, ob dieses EuGH-Urteil als solches eine direkte Rückwirkung auf die deutsche Regelung hat? Habe ich das an der Stelle richtig verstanden?
PETERMANN: Dieses EuGH-Urteil hat zunächst keine Auswirkungen auf die deutsche Regelung, weil dieser Sachverhalt in den Niederlanden bewertet wurde und die Niederlande eine andere nationale Rechtslage als wir haben. Die EU-Richtlinie sieht aber nicht vor, dass zwingend der Nachzug von Eltern zu regeln ist.
ZUSATZFRAGE STEINER: Nur damit ich es richtig verstehe: In den Niederlanden ging es meines Wissens ja auch um eine Stichtagsregelung, um die Frage, wann der Antrag gestellt sein muss. Eine ähnliche Regelung haben wir im deutschen Recht auch. Bei den subsidiär Schutzberechtigten haben Sie das ja auch explizit anders gemacht. Wieso gibt es da keine Vergleichbarkeit? Können Sie mir das erklären?
PETERMANN: Die Stichtagsregelung ist ja ein anderer Inhalt dieses Urteils. Es geht im Kern um die Bewertung der Bindungswirkung dieses EuGH-Urteils. Dazu habe ich das gesagt, was ich gesagt habe.
FRAGE BUSCHOW: Aber in der Tat worauf der Kollege gerade verwiesen hat hieß es bei der Regelung für die subsidiär Schutzberechtigten dezidiert, dass man mit denen anders verfährt, dass also bei Anträgen von Jugendlichen der Stichtag gilt, wann der Antrag gestellt wurde, beziehungsweise dass auch Anträge berücksichtigt würden, wenn die Eltern darauf hingewiesen hätten, dass ihr Kind, das noch im Ausland sei, demnächst 18 werde. Vielleicht können Sie einmal erklären, warum es da offensichtlich im deutschen Recht zwei Maßstäbe für den Familiennachzug gibt?
PETERMANN: Dazu kann ich jetzt nichts sagen. Denn hier geht es ja um Visa-Fragen zum Nachzug für diese Fallgruppe. Das werde ich jetzt hier nicht aufklären.
BURGER: Ich würde gern noch ergänzen, dass es wie bisher auch in der Praxis schon so ist, dass die Auslandsvertretungen Anträge beziehungsweise Fälle, in denen der 18. Geburtstag, also das Volljährig-werden, bevorsteht, prioritär und schnellstmöglich bearbeiten, damit dieser Fall gar nicht erst eintritt, dass sozusagen der Anspruch verfällt.
FRAGE STEMPFLE: Ich würde gern das Familienministerium fragen, ob es der gleichen Auffassung ist, dass das EuGH-Urteil, das ja eigentlich unionsweit gilt, an der Stelle dann nicht für Deutschland gelten soll.
KEMPE: Es ist ja eben schon erwähnt worden, dass wir uns da in einer umfassenden Ressortabstimmung befinden und ich insofern inhaltlich keine Stellung dazu nehmen kann.
Allgemein kann ich sagen, dass unser Ministerium sich natürlich der Bedeutung des Familiennachzugs für Geflüchtete bewusst ist, insbesondere für Minderjährige, die unbegleitet nach Deutschland einreisen. Da wissen wir, dass viele von diesen Minderjährigen Schreckliches erlebt haben, sie psychisch und auch physisch stark belastet oder sogar traumatisiert sind. Insbesondere deshalb kann sich die Unsicherheit über die Möglichkeit und die Aussicht auf Familiennachzug nachteilig auf ihre Motivation und damit verbunden natürlich auch auf den Bildungsverlauf und die Integration dieser jungen Menschen auswirken. Es ist uns aber wichtig, dass wir dem Kindeswohl auch beim Thema Familiennachzug Rechnung tragen. Sie können sicher sein, dass wir uns dafür auch in diesen internen Gesprächen einsetzen.
FRAGE JOLKVER: Eine Frage aus dem Bereich Wirtschaft, Energie sowie Transport. Es gibt Gerüchte, wonach sich die Bundesregierung bis zum Ende des Jahres entschließen wird, den Bau eines LNG-Terminals in Deutschland zu unterstützen. Sollte das der Fall sein, die Frage: Warum hält denn die Bundesregierung den Bau eines LNG-Terminals in Deutschland für sinnvoll, obwohl es genügend Kapazitäten im nahen Ausland gibt – im Westen in den Niederlanden und im Osten in Polen?
STS SEIBERT: Herr Jolkver, es ist ja so: Schon der Koalitionsvertrag sieht ja vor, dass Deutschland ein Standort für LNG-Infrastruktur sein soll. Deswegen begrüßen wir auch, dass es privatwirtschaftliche Initiativen in die deutsche Gastransport-Infrastruktur gibt, um das umzusetzen.
Wir sind der Auffassung: Eine diversifizierte Erdgasversorgung leistet einen Beitrag dazu, für die nähere Zukunft eine sichere Energieversorgung der ganzen Europäischen Union zu gewährleisten, und zwar zu wettbewerbsfähigen Preisen.
Nun ist uns bekannt, dass private Investoren aktuell den Bau eines solchen LNG-Terminals an verschiedenen Standorten prüfen. Stade wird da immer genannt, außerdem Brunsbüttel, Wilhelmshaven, Rostock. Die Bundesregierung wiederum prüft, welche Finanzierungsoptionen im Rahmen bestehender Bundesprogramme gegeben sein können.
ZUSATZFRAGE JOLKVER: Entschuldigung, die Frage war, warum gerade Deutschland als Standort in Frage kommt. Es gibt ja Überkapazitäten an LNG-Terminals in Europa. Das Netz ist ja auch ausgebaut. Also warum soll jetzt gerade noch in Deutschland so ein Terminal gebaut werden?
STS SEIBERT: Das alles wird sicherlich auch ein Teil der Prüfung sein, die die privaten Investoren anstreben. Denn auch sie würden einen Terminal ja nur dann bauen wollen, wenn sie ihn ökonomisch sinnvoll nutzen können. Ich habe dazu das gesagt, was ich dazu jetzt zu sagen habe.
Die Bundeskanzlerin hat auch ich meine, Anfang September hier in Berlin darüber gesprochen. Sie hat von der steigenden Bedeutung von Flüssiggas gesprochen. Gas wird bei unserer Energieversorgung mit Blick auf die CO2-Problematik in der Zukunft möglicherweise noch eine größere Rolle spielen. Wir sind schon angebunden da haben Sie recht an die Importterminals europäischer Nachbarn: die Niederlande, Belgien, Polen. Dennoch arbeiten auch wir daran, die Infrastruktur für Flüssiggas in Deutschland selbst voranzubringen. Deswegen gibt es Überlegungen und Projekte von Unternehmen, einen solchen Importterminal zu bauen.
ZUSATZFRAGE JOLKVER: Hat das irgendetwas mit dem Projekt Nord Stream 2 und möglichen amerikanischen Sanktionen gegen diese Pipeline zu tun?
STS SEIBERT: Das hat mit dem Interesse sowohl Deutschlands als auch Europas an einer diversifizierten, sicheren und wettbewerbsfähig bezahlbaren Infrastruktur für Energieimporte zu tun.
FRAGE WARWEG: Wenn Herr Seibert schon von bezahlbarer Energieinfrastruktur spricht: US-amerikanisches LNG ist ungefähr 20 Prozent teurer als russisches Erdgas. Wer soll dieses um 20 Prozent teurere Erdgas kaufen, oder plant die Bundesregierung, wie Frau Merkel schon Anfang der Woche angekündigt hat, eine langfristige Unterstützung, de facto eine Subventionierung, von US-amerikanischem Flüssigerdgas?
STS SEIBERT: Ich glaube, ehrlich gesagt, da haben Sie sie falsch verstanden. Ich habe gesagt, die Bundesregierung prüfe, welche Finanzierungsoptionen es im Rahmen bestehender Bundesprogramme gibt. Vor allem aber prüfen jetzt erst einmal privatwirtschaftliche Investoren die Machbarkeit und die Umsetzbarkeit des Baus eines LNG-Terminals an unterschiedlichen deutschen Standorten. Die Entscheidung, Gas von hier oder von dort zu kaufen, trifft in Deutschland nicht eine Regierung. Das mag anderswo anders sein. Aber in Deutschland treffen diese Entscheidungen die Kräfte am Markt.
ZUSATZFRAGE WARWEG: Frau Merkel hat CDU-Abgeordneten zugesichert, dass sie diesen Terminal im Wert von 500 Millionen Euro kofinanzieren werde. Sie hat selbst eingestanden, dass das mittelfristig nicht kostendeckend geschehen wird und die Bundesregierung dies deswegen langfristig unterstützen muss. Das sind direkte Aussagen, die Sie gegenüber Abgeordneten ihrer eigenen Fraktion getätigt hat. Es ist ja nicht so, wie Sie es hier gerade schildern, dass das irgendwie in Planung ist, sondern es gibt klare Ansagen von Bundeskanzlerin Merkel, der Sie ja auch eng zuarbeiten, wie man hört.
STS SEIBERT: Ja, das könnte man so ausdrücken. Ich berichte nicht aus vertraulichen Gesprächen, die die Bundeskanzlerin mit Abgeordneten oder anderen führt. Das ist übrigens die grundsätzliche Haltung.
ZURUF WARWEG: Also bestätigen Sie das?
FRAGE VALASSOPOULOS: Herr Seibert und Herr Burger, das Abkommen zwischen Griechenland und FYR Mazedonien destabilisiert die griechische Regierung. Herr Kotzias, der Außenminister, ist vor ein paar Tagen zurückgetreten. Neuer Außenminister ist Herr Tsipras, der Premierminister. Was sagen Sie dazu, Herr Seibert und Herr Burger?
STS SEIBERT: Über die Ressortverteilung innerhalb der griechischen Regierung wie auch innerhalb der Regierungen anderer befreundeter Staaten und Partner sage ich natürlich nichts. Wir haben hier am Montag das Auswärtige Amt hat das für die ganze Bundesregierung getan, aber ich kann mich dem voll anschließen die Entscheidung des Parlaments der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien sehr begrüßt und der Regierung von Herrn Zaev zu diesem Namenskompromiss auch gratuliert. Wir sehen darin einen wichtigen Schritt in Richtung dessen, was man gemeinhin die euroatlantische Familie nennt. Wir sehen, dass das Land damit die historische Chance wahrt, den Namensstreit mit Griechenland, der so viele positive Entwicklungen blockiert hat, einvernehmlich beizulegen.
Das ist das, was ich Ihnen dazu sagen kann. Aber ich kann natürlich nicht kommentieren, zu welchen Veränderungen das innerhalb der griechischen Regierung führt, mit der wir sehr vertrauensvoll zusammenarbeiten.
BURGER: Dem habe ich nichts hinzuzufügen, außer dass ich bestätige, dass wir natürlich ein Interesse an der engstmöglichen Zusammenarbeit mit der griechischen Regierung haben, ganz unabhängig davon, wie sie sich personell konstituiert.
ZUSATZFRAGE VALASSOPOULOS: Herr Seibert, warum ist dieses Abkommen so wichtig für die Bundesregierung? 68 Prozent der Griechen sind gegen dieses Abkommen. Warum ist es so wichtig für die Bundesregierung?
STS SEIBERT: Ich habe ja gesagt, dass dieser Namensstreit, den wir und alle europäischen Partner nun über viele Jahre beobachten mussten, positive Entwicklungen in der früheren jugoslawischen Republik Mazedonien, aber auch in der ganzen Region blockiert hat. Nun bietet sich die historische Chance, das beizulegen. Deswegen sind wir dafür. Wir haben sehr begrüßt, dass Premierminister Tsipras mit Premierminister Zaev einen Kompromiss, der sicherlich für beide Seiten nicht leicht war aber das ist die Natur von guten Kompromissen , gefunden hat.
FRAGE: Ich hätte gern eine Stellungnahme der Bundesregierung zur Weigerung Italiens, die Haushaltspläne nachzubessern, nachdem diese von der EU-Kommission moniert wurden.
STS SEIBERT: Das Entscheidende ist, was die Kommission dazu gesagt hat. Sie hat gestern dazu Stellung genommen und gesagt, dass der vorliegende Haushaltsplan nach ihrer Auffassung einen schwerwiegenden Verstoß gegen die haushaltspolitischen Empfehlungen des Rates vom Juli 2018 an Italien darstelle. Deswegen hat die Kommission Italien aufgefordert, binnen drei Wochen einen überarbeiteten Haushaltsplan vorzulegen, der dann mit den Vorgaben im Einklang ist.
Die Europäische Kommission betont und das unterstützen wir sehr , dass es sich um einen kooperativen Prozess handelt. Die Kommission hat ausgedrückt, dass sie einem konstruktiven Dialog mit Italien entgegensieht. Wir würden genau dieses Kooperative, diesen konstruktiven Dialog sehr begrüßen.
Ansonsten unterstützen wir die Kommission in ihrer diesbezüglichen Arbeit. Das ist ihre Rolle. Die Einhaltung der Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspaktes, solide öffentliche Finanzen, das ist eine wichtige Voraussetzung für das, was wir alle in Europa wollen, nämlich eine gute, nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung für die Bürger.
FRAGE: Meine Frage geht in Richtung Herrn Burgers. Es geht um die verschärften Reisehinweise für die Türkei. Gab es einen Anlass dafür, dass das gerade jetzt passiert ist, oder warum passierte das jetzt und nicht schon vor mehreren Wochen?
BURGER: Wir aktualisieren unsere Reise- und Sicherheitshinweise laufend für alle Länder der Welt. Wir tun das zu jedem Zeitpunkt aufgrund der uns jeweils zur Verfügung stehenden Informationen, aus der Gesamtschau aller Informationen, die uns zur Verfügung stehen.
ZUSATZFRAGE: Hat sich daran gerade jetzt etwas geändert?
BURGER: Wie gesagt, der Informationsstand, den wir zu jedem Zeitpunkt haben, entscheidet darüber, wie die Reise- und Sicherheitshinweise aktualisiert und angepasst werden. Wir versuchen, das zu jedem Zeitpunkt so gut wie möglich, so informativ wie möglich zu machen und so, dass sie möglichst hilfreich für deutsche Staatsangehörige sind, die in ein bestimmtes Land reisen wollen.
FRAGE JUNG: Herr Burger, können Sie uns etwas zu den deutschen oder deutsch-türkischen Gefangenen sagen? Haben Sie aktuelle Zahlen?
Ein anderes Thema, das uns hier ständig begleitet, ist Ihre völkerrechtliche Bewertung des türkischen Angriffs auf Afrin. Haben Sie sie dabei?
Herr Seibert, wie bewerten die Kanzlerin und die Bundesregierung als solche die gestrigen Aussagen von Herrn Erdoğan zum Thema Khashoggi?
BURGER: Zu den in türkischer Haft befindlichen Deutschen mit politischem Strafvorwurf gibt es keine Veränderung gegenüber dem letzten Stand. Derzeit sind es fünf, darunter zwei Doppelstaatler. Vielleicht noch zur Ergänzung: Zu allen besteht konsularischer Zugang.
Zu Afrin habe ich keinen neuen Stand.
STS SEIBERT: Ich dachte, das Thema hatten wir schon, aber ich kann es natürlich gern noch einmal sagen. Wir haben die Rede des türkischen Präsidenten gestern mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Wie ich es vorhin gesagt habe, ist der Fall Khashoggi, die Ermordung dieses Journalisten im Konsulat Saudi-Arabiens in Istanbul, beispiellos. Man denke nur daran, dass es immer noch keine Spur der sterblichen Überreste des Opfers gibt. Das alles unterstreicht, was die Bundeskanzlerin, der Außenminister, die europäischen und die G7-Partner gesagt haben. Ich habe es vorhin zitiert. Von Saudi-Arabien erwarten wir Transparenz im Hinblick auf Todesumstände und Hintergründe, und wir erwarten glaubwürdige Aufklärung. Das was bisher an saudischer Stellungnahme vorliegt, reicht in keiner Weise aus.
ZUSATZFRAGE JUNG: Halten Sie die von Herrn Erdoğan getätigten Aussagen für glaubwürdig?
Fordern Sie auch von türkischen Behörden Transparenz? Denn da gibt es ja auch viele Geschichten Tonaufnahmen usw. , die im Raum stehen und von denen Herr Erdoğan gestern nicht mehr geredet hat. Erwarten Sie auch von den Türken Transparenz?
STS SEIBERT: Das alles haben wir hier doch auch schon mehrfach ausgedrückt. Ja, natürlich. Dies ist ein Fall, der nicht nur die Türkei und nicht nur Saudi-Arabien interessiert, sondern der weltweit Schlagzeilen gemacht hat, zu Recht im Übrigen. Deswegen erwarten wir eine umfassende Aufklärung in alle Richtungen und auch Transparenz. Es steht ein wirklich schwerer Vorwurf im Raum beispiellos habe ich den Fall genannt , und das muss aufgeklärt werden.
FRAGE JESSEN: Ich habe eine Frage an das BMI. Es geht um den Themenkomplex, zu dem Sie, Frau Petermann, am Montag noch nicht Stellung nehmen konnten, weil ein Gutachten erst kurz zuvor in Ihrem Hause eingegangen war.
Das am 1. August in Kraft getretene bayerische Grenzpolizeigesetz benennt als originäre Aufgabe der Bayerischen Grenzpolizei wortidentisch Aufgaben, die sich im Bundespolizeigesetz wiederfinden. Die Umsetzung dieses Gesetzes würde bedeuten, dass entweder das Land Bayern Aufgaben für sich beansprucht, die bis dahin originär dem Bund allen zu eigen waren, oder dass dadurch mindestens eine Parallelstruktur aufgebaut wird.
Vor diesem Hintergrund meine erste Frage: Ist für den Bundesinnenminister in seiner Eigenschaft als Verfassungsminister dieses bayerische Gesetz verfassungskonform?
Die zweite Frage: Sie haben am Montag ausgeführt, dass es eine verfassungskonforme Kooperation zwischen Bundes- und Landespolizei auf Grundlage des § 64 des Bundespolizeigesetzes gibt. Sie sagten, das sei in einem Verwaltungsabkommen geregelt. Nach meiner Kenntnis gibt es ein solches Verwaltungsabkommen nicht. Das letzte, das auffindbar ist, stammt aus dem Jahre 2008 und beschäftigt sich allein mit Fragen der Kontrollen im Luftverkehr. Welches Verwaltungsabkommen meinen Sie, wenn Sie sagen, darin sei die Zusammenarbeit an den Landesgrenzen zwischen dem Bund und dem Land Bayern verfassungskonform geregelt?
PETERMANN: Zu der ersten Frage: Mir liegt noch keine Bewertung des Gutachtens, von dem wir am Montag hier gesprochen haben, vor. Deswegen kann ich dazu keine weiteren Ausführungen machen, außer dass wir zumindest nach meinem Kenntnisstand ich denke, dabei wird es auch bleiben davon ausgehen, dass die Regelungen, wie wir sie derzeit mit dem Freistaat Bayern vollziehen, verfassungskonform sind, und zwar auf der Grundlage des § 64 des Bundespolizeigesetzes.
Ein Verwaltungsabkommen muss nicht zwingend nur dann als Verwaltungsabkommen zu verstehen sein, wenn es auch mit Zustimmung des Bundesrates und Veröffentlichung im Bundesanzeiger einhergeht, sondern unter einem Verwaltungsabkommen kann auch eine innerorganisatorische Regelung darüber, wie der Bund und ein Land oder wie Bundesbehörden miteinander verfahren, verstanden werden. Auch das ist ein Verwaltungsabkommen. Bei gleicher Bezeichnung kann also der Wirkungsgrad durchaus unterschiedlich sein.
Wir sprechen bei den jetzigen Unterstützungsmaßnahmen der Bayerischen Grenzpolizei von einem Verwaltungsabkommen als innerorganisatorischer Regelung und somit von einem anderen Abkommen als dem, das Sie angesprochen haben, nämlich dem zum Luftsicherheitsverkehr, das regelt, an welchen Flughäfen in Bayern die Bayerische Grenzpolizei die Kontrollen durchführt. Bis auf die Ausnahme des Flughafens München werden nach einem Verwaltungsabkommen, das auch verkündet ist und einen höheren Bindungsgrad hat, alle anderen Flughäfen in Bayern von der Bayerischen Polizei kontrolliert.
ZUSATZFRAGE JESSEN: Wenn Sie den Begriff des Verwaltungsabkommens, der eigentlich ein definierter ist, jetzt sozusagen umwidmen oder als verwaltungsinterne Vereinbarung definieren, meinen Sie damit das Memorandum of Understanding vom 11. Juli, in dem sich bayerische und Bundesbeamte in einer sehr weichen Formulierung darauf verständigt haben, dass auch die Arbeit in der Grenzkontrolle und im grenznahen Raum auf der Grundlage der eingangs zitierten Paragrafen sowohl des bayerischen Grenzpolizeigesetzes als auch des Bundespolizeigesetzes, die aber miteinander in Konflikt stehen, stattfinden soll? Meinen Sie dieses Memorandum of Understanding, das ja kein Abkommen ist? Bezeichnen Sie das jetzt als internes Abkommen?
PETERMANN: Ich habe es vorhin ausführlich dargestellt. Der Begriff „Verwaltungsabkommen“ kann durchaus unterschiedlich definiert werden je nach Art und Weise und Verfahren des Zustandekommens. Das habe ich, denke ich, hier ausführlich beschreiben. Es gibt eine Vereinbarung wie auch immer man es nennen will; ich nenne es Verwaltungsabkommen, man kann es auch anders bezeichnen zwischen dem Bund und dem Freistaat Bayern, und, nochmals, wir gehen davon aus, dass diese Vereinbarung verfassungskonform ist.
FRAGE WARWEG: Vergangene Woche kamen die ersten drei Weißhelme mit ihren Familien in Deutschland an, nach umfangreichen Überprüfungen durch deutsche Sicherheitsbehörden, wie das BMI angemerkt hat. Wie ist der Status der fünf weiteren Weißhelme und ihrer Familien? Was hat die Sicherheitsüberprüfung für sie erbracht?
PETERMANN: Spielen Sie darauf an, dass ursprünglich von acht Weißhelmen und ihren Familien die Rede war?
ZUSATZ WARWEG: Ursprünglich hieß es, acht Weißhelme und ihre Familien, die nach der Rettung durch die Israelis zunächst in Jordanien aufgenommen wurden, sollten nach Deutschland kommen. Die ersten drei davon sind vergangene Woche in Deutschland eingetroffen. Ich möchte wissen, wie der Status der fünf verbliebenen ist und wie das Prozedere aussieht.
PETERMANN: Man muss es etwas anders darstellen. Das würde ich an dieser Stelle gern tun. Ursprünglich waren in der Tat acht Weißhelme und ihre Familien für Deutschland vorgesehen. Nicht bei allen acht Weißhelmen und ihren Familien ist die Evakuierung gelungen, sodass jetzt nur drei in Deutschland angekommen sind.
ZUSATZFRAGE WARWEG: Der russische Außenminister hat im Interview mit Euronews dargelegt, dass nach seinen Erkenntnissen die Sicherheitskräfte der potenziellen Aufnahmestaaten sehr geschockt gewesen seien, als sie die Sicherheitsdossiers der geretteten Weißhelme hätten einsehen können. Können Sie das bestätigen? Die Frage geht auch an das AA.
PETERMANN: Ich weiß nicht genau, was Sie unter „geschockt“ verstehen. Sicherheitsüberprüfungen finden immer statt.
ZURUF WARWEG: Geschockt von den Ergebnissen!
PETERMANN: In welcher Richtung, das kann ich jetzt nicht nachvollziehen. Es fanden Sicherheitsüberprüfungen statt. Die drei, die hier sind so viel kann ich sagen , sind sicherheitsüberprüft, und zwar mit dem Ergebnis, dass sie für Deutschland keine Gefahr darstellen.
ZURUF WARWEG: Habe ich es richtig verstanden, dass auch nicht mehr als drei kommen und es bei drei bleibt?
PETERMANN: Es bleibt jetzt bei den drei und ihren Familien.
BURGER: Ich möchte noch ergänzen, dass es nichts Neues ist, dass Mitglieder der Organisation der Weißhelme vom syrischen Regime und von seinen Verbündeten als Terroristen bezeichnet werden, um deren wichtige Arbeit zu diskreditieren. Diese Einschätzung teilt die Bundesregierung ausdrücklich nicht, auch nicht die aktuellen Äußerungen des russischen Außenministers.