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Bundesregierung für Desinteressierte: BPK vom 31. August 2020

Themen: Demonstrationen gegen die Corona-Politik der Bundesregierung, Wahlkampfveranstaltung von Bundesgesundheitsminister Spahn in Bergisch Gladbach, Lage in Belarus (anhaltende Demonstrationen, Pressefreiheit, Sanktionen der baltischen Staaten), informelles Treffen der EU-Agrarminister, COVID-19-Pandemie (Testkapazitäten, Grippeschutzimpfung, Impfstoff, Überbrückungshilfen für kleine und mittlere Unternehmen), Start des nationalen Gesundheitsportals, Besuch des chinesischen Außenministers in Berlin, Menschenrechtslage in Saudi-Arabien, Petition für einer Aufhebung des US-Embargos gegen Kuba, Konflikt um Erdgas zwischen der Türkei und Griechenland, Wirecard, Gesundheitszustand des russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny, Digitalpakt Schule, mögliches Gespräch der Bundeskanzlerin mit dem Präsidenten von Uruguay, Regierungsbildung im Libanon

Naive Fragen zu:
1:54 Anti-Corona-Demos
– es gab ja nicht nur diese Demo von Rechtsextremisten, Verschwörungstheoretikern à la QAnon und Reichsbürgern vor dem Reichstag, sondern auch eine separate Demo an der Siegessäule mit ca. 20 000 Menschen. Dort wurde kaum bis gar kein Abstand gehalten. Man hat sich gegen entsprechende Polizeiauflagen geweigert. Masken wurden überhaupt nicht getragen. Auch ich war vor Ort. Wie bewerten Sie das aus gesundheitlicher Sicht im Hinblick auf die Coronapandemie? (ab 14:36)
– zu den Prioritäten der Polizei: Auch die Bundespolizei war im Einsatz. Wie bewerten Sie denn, dass Wasserwerfer der Polizei ausschließlich bei Gegendemos von links waren, die sich also gegen die Hetze, gegen das Coronaleugnertum gewehrt haben? Wie bewerten Sie, dass die Polizei dort Wasserwerfer parat hatte, aber nicht zum Beispiel vor der russischen Botschaft oder am Reichstag?
– Haben Sie Kenntnisse darüber, dass Wasserwerfer außer bei Gegendemos eingesetzt wurden?

45:05 Belarus
– Ich hätte noch eine Frage zu einem konkreten Fall eines ARD-Teams, das am Wochenende zu dritt in einer Minsker Polizeiwache festgehalten wurde. Zwölf Stunden wussten sie überhaupt nicht, was passiert ist. Die Kollegen fühlten sich entführt und sind dann freigekommen. Ihnen wurde die Akkreditierung entzogen, fünf Jahre Einreiseverbot wurde ihnen gegeben, und sie wurden sofort abgeschoben. Wie bewerten Sie diesen konkreten Fall? Ich meine, das Regime scheint die Zeugen loswerden zu wollen (ab 49:04)
– Wissen Sie, ob es aktuell irgendwelche deutschen oder deutsch-belarussischen Menschen im Gefängnis gibt?

1:01:40 Chinas Außenminister
– ich kann ja einmal zitieren: The Chinese government and Chinese people won’t take a laissez-faire attitude or sit idly by, and will make him – den tschechischen Parlamentspräsidenten – pay a heavy price for his short-sighted behavior and political opportunism. – Die Kollegin hatte gerade gefragt, wie Sie es einschätzen, dass ein chinesischer Regierungsvertreter von deutschem Boden aus ein Mitglied des tschechischen Parlamentarismus bedroht. Dazu haben Sie jetzt immer noch nichts gesagt (ab 1:04:16)
– Herr Burger, Sie hatten jetzt nicht Taiwan und die Uiguren als mögliche Themen angesprochen.

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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 31. August 2020:

STS SEIBERT: Guten Tag, meinen Damen und Herren! Ich möchte zunächst auf die Demonstrationsereignisse hier in Berlin an diesem Wochenende eingehen. Wir haben am Wochenende ein Beispiel dafür erlebt, wie aus einer Demonstration heraus von einigen das Demonstrationsrecht, die Demonstrationsfreiheit missbraucht worden ist. Das Recht auf friedliche Demonstration ist natürlich auch in Zeiten der Pandemie ein ganz hohes Gut. Sie haben mich und die verschiedenen Kollegen hier dies immer wieder hochhalten hören. Nun hatten wir am Wochenende einen klaren Missbrauch dieses Rechts. Das Ergebnis waren schändliche Bilder am Reichstag, die so nicht hinzunehmen sind, Antidemokraten, die sich auf den Stufen unseres demokratischen Parlaments breitzumachen versuchten. Ein solches Verhalten wie auf der Reichstagstreppe, viele der Sprüche, der Fahnen, der Plakate, die da am Wochenende zu sehen waren, die Wahnvorstellungen, die mancher da verbreiten wollte das entlarvt sich selbst.

Natürlich muss immer über Maßnahmen debattiert und gestritten werden, erst recht in einer so beispiellosen Herausforderung, wie es die Pandemie ist, in der wir ständig dazulernen. Dafür gibt es die demokratische Auseinandersetzung in Parlamenten, in Bund und Ländern. Dafür gibt es eine freie Presse und eine kritische Öffentlichkeit. Dafür gibt es auch Demonstrationen, bei denen sich die Teilnehmer an die Regeln und Auflagen halten.

Ich möchte im Namen der Bundesregierung und der Bundeskanzlerin nach diesem Wochenende im Besonderen den drei Polizisten danken, die zunächst alleine für uns alle den Eingang zu unserem Parlament verteidigt haben. Das war geistesgegenwärtig und tapfer. Dann möchte ich allen Polizistinnen und Polizisten danken, die am Wochenende bei dieser Veranstaltung im Einsatz waren und versucht haben, einen ordnungsgemäßen Ablauf zu gewährleisten. Den verletzten Polizistinnen und Polizisten wünsche ich eine gute und rasche Besserung. Sie alle verdienen unsere Anerkennung. Sie alle sollen wissen und spüren, dass wir hinter ihnen stehen.

Schließlich möchte ich der überwiegenden Mehrheit der 83 Millionen Menschen in diesem Land danken, nämlich all denen, die sich in dieser Pandemie, auch wenn es nicht immer leichtfällt, vernünftig, umsichtig und rücksichtsvoll verhalten und die die Regeln einhalten. Die Szenen dieser Demonstration am Wochenende sollten uns nämlich nicht den Blick darauf verstellen, dass die übergroße Mehrheit der Menschen in Deutschland anders denkt und anders handelt als die Demonstranten von Berlin und dass Deutschland deswegen bisher insgesamt so gut durch die Pandemie gekommen ist.

FRAGE BLANK: Herr Seibert, erwartet die Bundeskanzlerin, dass bei diesen Demonstrationen am Wochenende und auch bei denen, die noch folgen werden, eine klare Abgrenzung stattfindet zwischen besorgten Bürgern und Menschen, die vielleicht Impfgegner sind, die „Hare Krishna!“ oder andere Dinge rufen und sich dort durchsetzen wollen? Erwartet die Bundeskanzlerin da eine klarere, eindeutige Abgrenzung gegenüber Rechtsextremisten?

Die zweite Frage dazu: Welche Konzepte hat die Bundesregierung, um dieser Melange aus völlig unterschiedlichen Interessengruppen und Ideologien Herr zu werden? Sonst werden sich diese Bilder ja fortsetzen.

STS SEIBERT: Ich möchte darauf verweisen, was ich gerade gesagt habe. Die überwiegende Mehrheit der Menschen in Deutschland, über 80 Millionen Menschen, verhält sich in dieser Pandemie ganz offensichtlich ganz anders. Sie halten sich an die Regeln, sie halten Abstand, und sie benutzen Masken. Das ist nicht immer leicht und fällt nicht immer jedem leicht, aber die überwiegende Mehrheit tut es. Deswegen möchte ich sehr dafür plädieren, dass wir das Demonstrationsgeschehen am Wochenende nun nicht für die Verkörperung eines großen Teils der Bevölkerung halten. Man muss natürlich damit umgehen. Das ist zunächst einmal auch eine polizeiliche Herausforderung bei solchen Demonstrationen. Dort, wo klare Auflagen gemacht werden, muss die Polizei natürlich auch darauf schauen das ist dann auch geschehen , ob das geschieht.

Ich habe jetzt hier keine Erwartungen an Menschen auszusprechen, außer das: Wenn eine Demonstration unter bestimmten Auflagen genehmigt wird, dann hat man sich an diese Auflagen zu halten. Nur dann kann die Demonstration, wie geplant, stattfinden.

Es ist schon so, dass sich jeder auch überlegen muss: Mit wem marschiere ich denn da? Wer ist denn da alles noch dabei? Werden da Haltungen vertreten, mit denen ich tatsächlich eine Übereinstimmung habe oder mit denen ich auch gemeinsam auf der Straße gesehen werden soll?

ZUSATZFRAGE BLANK: Sie haben jetzt die Verantwortung vor allem an die Polizei abgegeben. Die zweite Frage war: Welche Ideen oder Konzepte hat möglicherweise die Politik, die Bundesregierung, um sich argumentativ mit dieser Melange, würde ich es einmal nennen, aus Ideologien, die da auf einem Haufen sind, auseinanderzusetzen? Denn eine politische Auseinandersetzung muss es immer geben. Die erwartet auch die Kanzlerin bei allen möglichen Konflikten auf der Welt und auch in Deutschland.

STS SEIBERT: Ich habe nicht die Verantwortung auf die Polizei abgeschoben. Das war jedenfalls sicherlich nicht meine Absicht. Die Polizei ist dafür da, dass sie genehmigte Demonstrationen so begleitet, dass die entsprechenden Auflagen und Regeln auch eingehalten werden. Das ist die Rolle der Polizei. Die haben die Polizistinnen und Polizisten am Wochenende unter sehr schwierigen Umständen auch wahrgenommen.

Das, wonach Sie fragen, ist nicht so pauschal zu beantworten. Wenn es darum geht, dass es Impfgegner gibt, wird es immer die Aufgabe auch der Bundesregierung sein aber nicht nur der Bundesregierung , darzulegen, welch enormer Segen die Verfügbarkeit von Impfstoffen für die ganze Menschheit ist. Wir haben gerade in der letzten Woche die wirklich erfreuliche Nachricht von der WHO bekommen, dass ganz Afrika nun wegen der Impfung frei von Kinderlähmung ist. Das ist ein wunderbarer Fortschritt.

Mir persönlich ist schwer verständlich, warum sich Menschen hier so positionieren, wie sie das tun. Wir können immer nur unsere Argumente dagegensetzen. Das müssen auch die Ärzte tun. Das muss auch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung tun. Das geschieht ja. So gibt es verschiedene Punkte, an denen man natürlich in eine sachliche und vor allem respektvolle Auseinandersetzung miteinander eintreten kann. Aber am Wochenende waren auch Menschen zu sehen das waren nicht ganz wenige , die überhaupt nicht eine respektvolle, sachliche Auseinandersetzung anstreben.

FRAGE BAUMANN: Meine Frage geht in eine ähnliche Richtung, und zwar an das BMI. Es wurden Fahnen des Deutschen Reiches und Russlands in trauter Einheit die Treppen hinaufgetragen. Das zeigt doch schon die Einflussnahme Putins auf unsere Innenpolitik. Da wäre jetzt die Frage: Was tut die Bundesregierung, um beim Thema Desinformation eine gewisse Resilienz in der Bevölkerung aufzubauen?

ALTER: Sie haben mit Ihrer Fragestellung im Grunde genommen schon zugeordnet, worum es sich handelt. Sie unterstellen, dass die Demonstrationsteilnehmer von außen gesteuert worden seien. Wir haben da im Moment eine etwas zurückhaltendere Sichtweise. Wir sehen zunächst einmal das, was wir in den vergangenen Wochen und Monaten gesehen haben, nämlich dass die Proteste gegen die Maßnahmen im Zusammenhang mit der Coronapandemie von einer ganz bunten Mischung unterschiedlicher Interessenträger geprägt sind. Da sind alle möglichen Themen und Thesen im Raum. Demzufolge werden natürlich auch alle möglichen optischen Symbole zu sehen sein.

Wir haben das Thema Desinformation in den vergangenen Monaten einer verschärften Prüfung unterzogen. Dazu gibt es auch hausintern bei uns eine Analyse. Wir kommen zu dem Ergebnis, dass das Thema zwar präsent ist, aber dass man es derzeit auch nicht überbewerten sollte.

FRAGE DR. RINKE: Herr Alter, sehen Sie aufgrund der Aktion, die es da gegeben hat, die Notwendigkeit, jetzt auch Bundesliegenschaften anders schützen zu lassen? Gibt es bei Ihnen Überlegungen dazu? Denn das hat ja gezeigt, wie einfach es ist, den Zaun zumindest vor den Stufen des Reichtags zu durchbrechen. Das ist der eine Punkt.

Der zweite Punkt ist: Wenn ich Sie jetzt richtig verstanden habe, sehen Sie keine Desinformation. Aber sehen Sie trotzdem einen starken Einfluss von rechtsradikalen Kräften, vor allem bei dem Versuch, die Reichstagsstufen zu stürmen?

Herr Seibert, ich habe noch eine Frage zu Herrn Spahn das geht letztlich in dieselbe Richtung : Sie hatten auch den Dialog betont. Aber Herr Spahn hat jetzt eher die Erfahrung gemacht, dass ein Dialogangebot mit Niederschreien und Anspucken quittiert wurde. Würden Sie sagen, dass ein Dialog mit Gegnern einer bestimmten Politik überhaupt noch möglich ist?

ALTER: Zu der ersten Frage, dem Schutz von Objekten auf Bundesebene, ist zu sagen: Wir haben im Moment eine Aufgabenteilung auch innerhalb Berlins, die darin besteht, dass einige Schutzobjekte wie das Schloss Bellevue und auch das Bundesinnenministerium von Bundesseite geschützt werden und dass andere Einrichtungen wie etwa das Reichstagsgebäude, jedenfalls im Außenobjektschutz in der Zuständigkeit der Polizei Berlin liegen. Das ist ein Zuständigkeitszuschnitt, der jedenfalls bisher durchaus funktioniert hat. Nichtsdestotrotz sollte und muss das gesamte Wochenende in allen möglichen Aspekten natürlich jetzt einer Nachbetrachtung unterzogen werden; das wird auch geschehen. Ob es dann in der Folge zu Veränderungen bei den Zuständigkeiten kommt, kann man jetzt an dieser Stelle wirklich noch nicht bewerten.

Die Polizei Berlin hat an vielen Stellen am Wochenende gute Arbeit geleistet. Dennoch müssen Schlussfolgerungen geprüft und gegebenenfalls auch gezogen werden.

Zu dem zweiten Teil Ihrer Frage: Das Bundesamt für Verfassungsschutz, die Verfassungsschutzbehörden haben bereits im Vorfeld der Veranstaltung in der vergangenen Woche darauf hingewiesen, dass sie eine stärkere Mobilisierung und einen stärkeren Einfluss von rechtsextremen Gruppen in diese Proteste hinein beobachten können. Das war den Behörden bekannt. Das ist auch das, was die Behörden stets gesagt haben. Bislang ist es den Rechtsextremen nicht gelungen, die Proteste gegen die Coronamaßnahmen vollständig für sich zu instrumentalisieren.

Am Wochenende haben wir eine Szene erlebt, bei der auch ganz klar Rechtsextreme erkennbar waren. Hier kann man nur noch einmal darauf hinweisen dies hat auch Herr Seibert gerade getan : Jeder muss für sich prüfen, in wessen Präsenz, in wessen Gegenwart er gesehen und wem er da zugeordnet werden möchte, wenn er seiner Meinung bei Coronaprotesten Ausdruck verleiht.

STS SEIBERT: Zu der Frage nach dem, was Jens Spahn in Bergisch Gladbach im Wahlkampf geschehen ist, und zu dem, was man davon erfahren hat: Das ist natürlich ein ganz übles Verhalten. Wer einen Politiker nur beschimpft und sogar bespuckt, der will ganz sicherlich keinen demokratischen Dialog. Herr Spahn ist jemand, der bereit ist zu sprechen. Das Verhalten der Menschen dort in Bergisch Gladbach hat aber klargemacht: Das ist überhaupt nicht das, was sie wollen, sondern sie wollen diese brachiale Form des Protests, der nirgends hinführt.

FRAGE JUNG: Ich habe Fragen zum Gesundheitsaspekt, vielleicht auch an das BMG. Herr Seibert, es gab ja nicht nur diese Demo von Rechtsextremisten, Verschwörungstheoretikern à la QAnon und Reichsbürgern vor dem Reichstag, sondern auch eine separate Demo an der Siegessäule mit ca. 20 000 Menschen. Dort wurde kaum bis gar kein Abstand gehalten. Man hat sich gegen entsprechende Polizeiauflagen geweigert. Masken wurden überhaupt nicht getragen. Auch ich war vor Ort. Wie bewerten Sie das aus gesundheitlicher Sicht im Hinblick auf die Coronapandemie?

Herr Alter, zu den Prioritäten der Polizei: Auch die Bundespolizei war im Einsatz. Wie bewerten Sie denn, dass Wasserwerfer der Polizei ausschließlich bei Gegendemos von links waren, die sich also gegen die Hetze, gegen das Coronaleugnertum gewehrt haben? Wie bewerten Sie, dass die Polizei dort Wasserwerfer parat hatte, aber nicht zum Beispiel vor der russischen Botschaft oder am Reichstag?

Noch ein Hinweis an den Kollegen in Sachen Desinformation: Vor dem Reichstag waren Flaggen von den USA, vom Deutschen Reich und auch der Türkei zu sehen. Auch mit denen ist in Richtung Reichstagsgebäude gestürmt worden. Desinformation ist auch, jetzt davon zu sprechen, dass das russische Flaggen waren.

VORS. WEFERS: Dazu haben Sie keine Frage?

ZUSATZ JUNG: Nein. Das war nur ein Hinweis.

STS SEIBERT: Für Fragen zum konkreten Einsatz bin ich als Regierungssprecher nicht zuständig. Die wären an die Polizei und an die Leitung der Berliner Polizei zu richten.

Ich will nur grundsätzlich sagen: Die Auflagen, unter denen Demonstrationen in diesen Pandemiezeiten erlaubt sind, also Auflagen wie Abstand halten und Maske tragen, sind sinnvoll. Jeder ist aufgefordert, sie auch einzuhalten. Jeder ist aufgefordert, auch an die Menschen zu denken, die er vielleicht bei seiner Rückreise vom Demonstrationsort in der Bahn oder sonst wo trifft. Niemand hat ein Recht, sich über solche Auflagen hinwegzusetzen und zu sagen: Das ist mir doch egal. Ich gefährde dann möglicherweise Menschen, die gar nichts mit dem ganzen Geschehen zu tun haben, die ich auf der Rückreise treffe. Deswegen sind diese Auflagen sinnvoll.

ALTER: Zu dem Einsatz von polizeilichen Einsatzmitteln wie Wasserwerfern kann ich nur ganz allgemein sagen, dass die Polizei eine Prognose trifft, an welcher Stelle des Polizeieinsatzes diese Mittel erforderlich sein könnten. Dabei werden bestimmte Örtlichkeiten in Betracht gezogen, wo es Sinn macht, solche Einsatzmittel wie etwa Wasserwerfer aufzustellen. Aber es findet ganz sicherlich keine Prognose statt, dass das nur in diesem oder jenem Spektrum erforderlich sein soll.

Wir haben am Wochenende eine Situation erlebt, bei der an ganz vielen Stellen in Berlin Demonstrationsgeschehen in beachtlichem Ausmaß festzustellen war. Die Polizei schätzt ein, an welcher Stelle was notwendig ist. Da liegt sie in vielen Fällen richtig; an manchen Stellen muss sie korrigieren. Das hat die Polizei auch am vergangenen Wochenende getan. Insofern ist Ihre Behauptung sachlich nicht nachzuvollziehen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Haben Sie Kenntnisse darüber, dass Wasserwerfer außer bei Gegendemos eingesetzt wurden?

ALTER: Ich habe keine konkreten Kenntnisse darüber, an welchen Stellen die Wasserwerfer gestanden haben. Ich habe lose Kenntnisse darüber, dass Wasserwerfer auch in Reichstagsnähe eingesetzt wurden. Das ist auch in den TV-Nachrichten zu sehen gewesen. Nichtsdestotrotz kann ich das von dieser Stelle aus nicht bewerten und einordnen. Das ist eine Einschätzung, die die zuständige Behörde trifft. Sie liegt an vielen Stellen auch richtig.

FRAGE JESSEN: Ich habe eine Frage an Herr Seibert und eine Frage an Herrn Alter.

Herr Seibert, bei den Demonstrationen kommt aber doch offenbar auch zum Ausdruck, dass eine nicht geringe Zahl von Menschen gewisse Zweifel hat, ob die Entscheidungen der Bundesregierung hinreichend breit und tief zwischen den diversen Positionen, die mit Corona zu tun haben, diskutiert worden sind. Das ist eine Legitimationsfrage. Es gibt aus dem parlamentarischen Raum den Vorschlag oder die Forderung nach einem Pandemierat, der so etwas auf breiterer Ebene diskutieren und dann auch öffentlich transparent machen könnte. Erwägt die Bundesregierung, ein solches Gremium einzurichten?

Die Frage an Herrn Alter ist: Es ist bekannt geworden, dass offenbar mindestens drei aktive oder ehemalige Polizeibeamte ich glaube, aus Bayern als Aktivisten aufgetreten sind und dass da auch die Bundespolizei im Einsatz war. Gibt es auch Fälle, bei denen Bundespolizisten in vergleichbarer Form aufgetreten sind? Wird das überprüft? Wie ist eigentlich auch über Dienstverhältnisse hinaus die Loyalitätspflicht von Polizisten generell einzuschätzen?

STS SEIBERT: Ihre Frage nach der Legitimität der Entscheidungen, die in Bund und Ländern in Sachen Coronapandemie getroffen wurden, kann ich nicht nachvollziehen. Demokratisch gewählte Regierungen sind nach sehr öffentlich nachzuvollziehenden Diskussionen sowohl in Parlamenten als auch bei Beratungen zwischen Bund und Ländern, über die anschließend auch immer Auskunft gegeben wird, zu diesen Entscheidungen gekommen.

Die Bundesregierung hat natürlich Verständnis dafür, dass sich Bürgerinnen und Bürger Sorgen machen und sich fragen: Wie lange müssen bestimmte Maßnahmen noch aufrechterhalten werden? Sind diese Maßnahmen noch verhältnismäßig? Das muss man immer wieder neu begründen, immer wieder neu darstellen und, ja, auch immer wieder neu diskutieren.

Ich kann Ihnen zu dem jetzt aufgekommenen Gedanken eines Pandemierats an diesem Montagmorgen, ehrlich gesagt, keine Position der Bundesregierung nennen.

ALTER: Jeder Polizeibeamte und jeder Beamte darf eine eigene Meinung haben; das ist völlig klar. Aber wenn man sich in das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis begibt und Beamter wird, dann ist das eben ein besonderes Verhältnis, das auch mit besonderen Pflichten verbunden ist. Es gibt die Beamtenpflicht der politischen Mäßigung. Es gilt das Mäßigungsgebot. Das ist eine wichtige Pflicht, die von allen einzuhalten ist und die auch bei denjenigen Beamten, die zu Beginn ihrer Dienstzeit einen Eid ablegen, Gegenstand ist, nämlich zur Verfassung zu stehen. Insofern sind wir da in einer Situation, bei der man im Einzelfall prüfen muss, ob die Aktivitäten Beamtenpflichten berühren.

Einen Schritt weitergehend, muss man im Einzelfall prüfen, ob aus dem Verhalten abzuleiten ist, dass der- oder diejenige nicht mehr auf dem Boden unseres Grundgesetzes steht. Dann wird das innerdienstliche Konsequenzen haben müssen, gegebenenfalls auch strafrechtliche Konsequenzen. Aber die Meinungsfreiheit gilt zunächst einmal grundsätzlich auch für Beamte, jedenfalls in ihrem privaten Umfeld und mit Einschränkungen auch in Ausübung ihres Dienstes.

Wir haben keine Kenntnis darüber, dass es aktuell Fälle von Beamten der Bundespolizei gibt, die in dieser Hinsicht aufgefallen sind. Aber ich bitte um Verständnis: Auch ich habe heute, an diesem Montagmorgen, noch keinen vollständigen Überblick. Zum jetzigen Zeitpunkt haben wir keine Hinweise darauf.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Herr Seibert, möglicherweise habe ich mich nicht klar ausgedrückt. Ich habe in keiner Weise die Legitimität der Entscheidungen infrage gestellt. Meine Frage war, ob die Bundesregierung aus der Tatsache, dass sich vielleicht bei einer wachsenden Zahl von Menschen die Frage einer übermittelten Legitimation der Entscheidungen stellt, Schlüsse zieht. Es ist nicht meine These, sondern es ist eine Beobachtung, mit der ich vielleicht auch nicht alleine bin, dass Menschen fragen: Ist das eigentlich hinreichend und tief und breit genug? Es sind auch kontroverse Positionen diskutiert worden. Deswegen kam der Vorschlag für einen Pandemierat.

STS SEIBERT: Dann danke ich für die Richtigstellung. Es bleibt bei meiner Antwort.

FRAGE: Herr Seibert, der Bundespräsident hat die Vorfälle vor dem Reichstagsgebäude einen „Angriff auf das Herz unserer Demokratie“ genannt. Würde auch die Bundeskanzlerin das so bewerten, oder ist das vielleicht zu viel des Guten und wertet die Aktion unnötig auf?

STS SEIBERT: Ich habe gerade für die Bundeskanzlerin gesprochen. Man kann das Geschehen vom Samstag und Sonntag mit ganz unterschiedlichen Worten und Begriffen charakterisieren. Der Bundespräsident als unser Staatsoberhaupt hat sich ausgedrückt. Ich habe das nicht zu kommentieren. Aber ich denke, dass Sie in der Haltung, die er ausgedrückt hat, die auch der Bundestagspräsident und zahlreiche Minister am Wochenende ausgedrückt haben, und in dem, was ich gerade gesagt habe, eine sehr große Übereinstimmung finden werden.

FRAGE WARWEG: Herr Seibert, wenn ich Sie richtig verstanden habe, haben Sie gesagt, die Vorfälle am Reichstag gingen aus der großen Coronademo heraus. Jetzt haben sich diese „Querdenker“ als Orgakomitee explizit davon distanziert und erklärt, dass die Demo, die zu dem Vorfall am Reichstag führte, eine Paralleldemo war, die noch zusätzlich angemeldet wurde und nichts mit der von „Querdenken“ organisierten Demo zu tun hatte. Da würde mich interessieren: Wie ist dazu der Wissensstand beim BMI? Erfolgten dieser Sturm und dieser Vorfall am Reichstag aus der Großdemo heraus, oder war das tatsächlich eine extra angemeldete Demo von anderen Demoverantwortlichen?

ALTER: Das Bundesinnenministerium hat im Vorfeld des vergangenen Wochenendes verschiedene Veranstaltungen genehmigt, die innerhalb der sogenannten Bannmeile, also innerhalb der befriedeten Bezirke, stattfanden. In diesem Zusammenhang gab es auch eine Veranstaltung, die dazu diente, zum Großen Stern zuzuführen. Das war eine Veranstaltung, die das Ziel hatte, sich am Großen Stern mit anderen Demonstrationsteilnehmern zu vereinigen. Das ist insofern behördlich genehmigt gewesen.

Wir haben allerdings jetzt keine konkreten Kenntnisse, wo genau diese Situation am Reichstag resultierte und aus welcher Veranstaltung sie entstanden ist, und können das insofern nicht klar benennen.

ZUSATZFRAGE WARWEG: Zumindest in sozialen Medien wird auch über den Einsatz von V-Leuten bei dieser Aktion spekuliert.

VORS. WEFERS: Jetzt stellen Sie aber eine neue Frage und keine Nachfrage.

ZUSATZ WARWEG: Das ist eine Nachfrage zu einem weiteren Thema. Es ist üblich, dass das nicht eins zu eins eine Nachfrage ist.

VORS. WEFERS: Wir haben noch einige Fragesteller. Wenn Sie die Kollegen noch ein bisschen warten lassen möchten, fragen Sie bitte.

ZUSATZFRAGE WARWEG: In den sozialen Medien kursieren auch Verweise auf die Präsenz von V-Leuten bei dieser Aktion. Gibt es dazu eine Einschätzung, eine Wissenslage des BMI?

ALTER: Wir haben keine konkreten Informationen darüber, wer wann wo im Einsatz gewesen ist. Das ist eine Einsatzlage der Berliner Polizei gewesen. Aber Sie können davon ausgehen, insbesondere bei der Prognose der Berliner Behörden noch in der vergangenen Woche, dass alle Behörden, die eine rechtliche Zuständigkeit haben, auch im Einsatz gewesen sind.

FRAGE DR. DELFS: Herr Seibert, ich habe zwei Fragen: Erstens. Hat die Bundeskanzlerin denn Verständnis dafür, dass es der Berliner Polizei am Samstag nicht gelungen ist, das Reichstagsgebäude trotz recht großer Präsenz vor Ort hier in Berlin zu schützen? Viele Menschen verstehen nicht, dass da am Ende nur drei Polizisten standen, um den Sturm auf das Gebäude oder dessen Betreten zu verhindern.

Die zweite Frage: Befürchtet die Kanzlerin als Folge solcher Bilder nicht auch einen gewissen Imageschaden für Deutschland? Die wurden vielleicht auch in der israelischen Presseberichterstattung gezeigt. Auf jeden Fall weiß ich das von der US-Presse. Dort sind Bilder mit Reichskriegsflaggen vor dem Reichstag gezeigt worden. Das kann man schwer nachvollziehen.

STS SEIBERT: Bilder wie die vom Samstag müssen sicherlich auch gegenüber unseren Freunden im Ausland erklärt und eingeordnet werden. Das ist eine Aufgabe, die man bei Gesprächen mit ausländischen Gesprächspartnern hat. Das ist eine Aufgabe, die im Übrigen auch die Presse hat.

Ansonsten haben Sie gehört, dass ich hier für die Bundesregierung allen Polizistinnen und Polizisten, die in diesem sehr schweren Einsatz waren, ausdrücklich gedankt habe. Weitere Äußerungen zu dem Einsatz stehen mir nicht zu.

ZUSATZFRAGE DR. DELFS: Gab es vielleicht schon Anrufe von anderen Staats- oder Regierungschefs, die einmal bei der Kanzlerin nachgefragt haben, was da eigentlich genau passiert ist?

STS SEIBERT: Davon weiß ich nichts. Ich habe nichts dazu zu berichten.

FRAGE SAVELBERG: Ich habe zwei Fragen. Die erste Frage richtet sich an Herrn Alter vom BMI. Ich habe verstanden, dass der Bundesinnenminister die Menschen vor dem Reichstagsgebäude Chaoten und Extremisten genannt und dass er deren Verhalten dort verurteilt hat. Ich möchte Sie fragen: Warum sagt das BMI nicht etwas deutlicher, dass das nicht nur Chaoten oder Extremisten gewesen sind, sondern dass es sich dabei um Neonazis, Reichsbürger, Rechtsextremisten und auch Verschwörungstheoretiker gehandelt hat? Schließen Sie sich dem an, dass es sich dabei auch um diese Gruppe gehandelt hat? Könnten Sie etwas mehr dazu sagen?

Die zweite Frage geht an Herrn Seibert. Sie haben gerade auch gesagt, dass dieses Geschehen international wahrgenommen wird, dass man das dann vielleicht in bilateralen oder internationalen Gesprächen einordnen muss und dass das auch die Aufgabe der Presse ist.

STS SEIBERT: „Auch die Aufgabe der Presse“, habe ich gesagt.

ZUSATZFRAGE SAVELBERG: Ja, das habe ich gut verstanden. Das ist auch eine Aufgabe der Presse.

Ist dadurch vielleicht das internationale Image der Bundesrepublik beschädigt, nachdem wir gesehen haben, was da geschehen ist, nämlich dass nur drei Polizisten vor Ort waren, um den Eingang des deutschen Parlaments zu schützen? Stellen Sie fest, dass Deutschlands Image durch diese Vorgänge jetzt doch etwas beschädigt ist?

STS SEIBERT: Diese Bewertung überlasse ich voll und ganz Ihnen. Ich denke, unsere Freunde im Ausland wissen sehr genau, dass Deutschland eine starke und wehrhafte Demokratie ist.

ZUSATZFRAGE SAVELBERG: Sie glauben nicht, dass das internationale Image durch diese Bilder von den drei Polizisten doch etwas beschädigt ist?

STS SEIBERT: Ich habe dazu vorhin das gesagt, was ich dazu zu sagen habe. Das sind Bilder, die man erklären und einordnen muss.

ALTER: Der Bundesinnenminister hat sich am Samstag unmittelbar nach dem Geschehen geäußert. Er hat sich so geäußert, wie er das in Betracht auf den Sachverhalt, wie wir ihn zu diesem Zeitpunkt bewerten konnten, für richtig hielt.

Sie haben natürlich vollkommen Recht und das habe ich auch vorhin gesagt : Wir haben es bei den Demonstrationsteilnehmern, insbesondere bei der Gruppe, die wir am Reichstag gesehen haben, mit einer ganz unterschiedlichen Mischung zu tun. Dort waren Menschen dabei, die zu Recht den Begriff Nazi oder Neonazi verdient haben. Dort waren Extremisten dabei. Dort waren Reichsbürger dabei. Dort waren aber auch andere Menschen dabei, bei denen wir möglicherweise etwas vorsichtiger sein sollten, sie mit einem Begriff zu umschreiben. Deswegen haben wir uns genau so ausgedrückt, wie wir das getan haben.

Fakt ist doch eins: Es ist eine Absperrung überwunden worden, um auf die Reichstagstreppe zu gelangen. Niemand, der sich auf dieser Treppe befunden hat egal aus welcher Absicht heraus , hat ein Recht dazu gehabt. Alle Personen, die das getan haben, haben gegen die Regelung verstoßen, die der Staat macht.

Auch dazu hat sich der Bundesinnenminister geäußert. Das Versammlungsrecht, die Versammlungsfreiheit, ist ein hohes Gut, das gerade in Krisenzeiten gewährleistet sein muss. Aber es findet eben da seine Grenzen, wo die allgemeinen Regelungen und Gesetze Schranken aufweisen. Das ist am Reichstag ganz eindeutig von allen Teilnehmern missachtet worden.

FRAGE PLEITGEN: Unter den Corona-Demonstranten, auch unter denen, die den Reichstag stürmen wollten, waren zahlreiche mit amerikanischen Flaggen und Trump-Plakaten. Viele identifizieren sich mit Präsident Trump und der Verschwörungsplattform QAnon. Wie besorgt ist die Bundesregierung, dass Anhänger des amerikanischen Präsidenten die deutsche Demokratie angreifen?

STS SEIBERT: Ich möchte hier nicht alle Plakate und Fahnen kommentieren, die ich an diesem Wochenende gesehen habe. Bei QAnon handelt es sich selbstverständlich um eine wüste und vollkommen ohne jede Faktenbasis daherkommende Verschwörungstheorie, von der man nur hofft, dass möglichst viele sie sehr schnell durchschauen.

FRAGE LANGE: Eine Nachfrage an Herrn Alter zu den Zuständigkeiten der Polizei: Ich habe jetzt gelernt, dass der Deutsche Bundestag eine eigene Polizei hat mit Zuständigkeiten, die Verfassungsrang haben und andere Polizeien dort gar nichts zu sagen haben. Diese Zuständigkeit erstreckt sich offenbar auch auf das Gelände.

Dann ist die Frage, die ich Ihnen jetzt gern stellen würde: Wäre es dann nicht Aufgabe der Bundestagspolizei gewesen, das Gebäude zu schützen?

ALTER: Sie haben richtig festgestellt, dass die Zuständigkeit für das Reichstagsgebäude Aufgabe der Bundestagspolizei ist, jedenfalls im Inneren des Gebäudes und auch, was das unmittelbar angrenzende Gelände angeht.

Das grenzt aber auch an die Zuständigkeitsbereiche des Landes Berlin. Wir haben seit vielen Jahren eine gute Kooperation zwischen den Behörden. Es kommt immer wieder dazu, dass entweder das Land Berlin oder die Bundestagspolizei Amtshilfe an die Bundespolizei richten. Auch da unterstützen wir.

Wir haben also ein Zuständigkeitsgeflecht, das unseren föderalistischen Aufbau in Deutschland wiedergibt. Bislang gab es jedenfalls keine grundsätzlichen Zweifel daran. Ich kann nur noch einmal dafür plädieren, dass die Situation vom vergangenen Wochenende jetzt in aller Sachlichkeit betrachtet wird. Dann wird man sehen, ob Schlussfolgerungen daraus zu ziehen sind.

ZUSATZFRAGE LANGE: Ist Ihnen denn bekannt, ob da ein Ersuchen auf Amtshilfe gestellt worden ist? Läuft so etwas dann dauerhaft?

ALTER: Mir ist bekannt, dass die Bundespolizei auch für das Land Berlin mit etwa 200 Einsatzkräften im Einsatz war. Daneben hatte sie knapp 900 Einsatzkräfte im eigenen Aufgabenbereich. An welchen Stellen diese Unterstützung im Verlauf des Einsatzes erfolgt ist, das kann ich hier nicht nachvollziehen.

FRAGE BLANK: Eine Nachfrage an das Gesundheitsministerium zu den Vorgängen in Bergisch Gladbach: Herr Spahn hat der „Rheinischen Post“ gesagt, Diskussionen gehörten zur Demokratie, würden aber nur funktionieren, wenn beide Seiten bereit seien zuzuhören. Nur wenn geschrien, gespuckt und gepöbelt werde, gehe es halt leider nicht. Es entsteht ja der Eindruck, er ist bespuckt worden.

Nun sagt die Polizei in Bergisch-Gladbach in einer Mitteilung: Aktuell liegen der Polizei keine Erkenntnisse vor, dass Herr Spahn bespuckt worden ist. Können Sie die Unklarheit auflösen, bitte?

NAUBER: Der Minister hat, wie Sie mitbekommen haben, am Samstag nach einer Wahlkampfveranstaltung in Bergisch Gladbach versucht, mit Demonstranten ins Gespräch zu kommen. Das war nicht möglich. Er ist von den Demonstranten in der Tat angeschrien und bespuckt worden. Das kann ich Ihnen so bestätigen.

Der Minister hat sich dazu heute Morgen noch einmal bei „RTL“ geäußert. Ich darf ihn noch einmal zitieren:

Es geht nicht um absolute Wahrheiten. Es geht am Ende um das Abwägen von Sicherheit, Gesundheitsschutz und Alltag und Freiheit. Dabei finde ich es wichtig, miteinander zu reden und sich nicht gegenseitig niederzuschreien. Das ist nicht die Form des Dialogs, die weiterhilft. Wir sollten versuchen, immer wieder ins Gespräch zu kommen. Das Angebot mache ich, und das bleibt. Aber zum Gespräch gehört die Bereitschaft auf beiden Seiten dazu.

ZUSATZFRAGE BLANK: Das heißt, es gibt offensichtlich eine Diskrepanz zu dem, was die Polizei in Bergisch Gladbach weiß. Wird der Minister denn jetzt noch einmal auf die Polizei zugehen und Anzeige, zum Beispiel gegen den Spucker, erstatten? Denn die Polizei weiß ja offensichtlich nicht, dass er angespuckt worden ist. Sonst würde es diese Pressemitteilung von heute Morgen nicht geben.

NAUBER: Zu den Äußerungen der Polizei kann ich mich jetzt hier nicht äußern.

Auch zu Ihrer zweiten Frage kann ich Ihnen im Moment nichts mitteilen.

ZUSATZFRAGE BLANK: Sie haben jetzt für mich die Diskrepanz nicht auflösen können.

NAUBER: Ich kann Ihnen sagen: Er ist von Demonstranten angeschrien und bespuckt worden.

FRAGE BAUMANN: Noch einmal eine Frage zur Sicherheit des Reichstages: Das Wachbataillon ist ja auch für den Schutz des Regierungssitzes zuständig. Unter welchen Voraussetzungen könnte denn beispielsweise das Wachbataillon als Unterstützung eingesetzt werden?

COLLATZ: Laut meiner Kenntnis müssen, bevor das Wachbataillon hier eintreten kann, ganz andere rechtliche Voraussetzungen getroffen werden, die nämlich auch der Bundestag selbst feststellen muss. Ich halte diese Option für völlig abwegig.

FRAGE BUSCHOW: Ich habe auch zwei Fragen an Herrn Alter:

Erstens würde ich gern noch einmal auf den Punkt zurückkommen, wer das genau vor dem Reichstag war. Sie haben jetzt gesagt: Wir haben da Rechtsextreme gesehen, aber das war insgesamt eine bunte Mischung. Wenn man vor Ort stand, kann man das auch als weniger bunt empfunden haben, würde ich sagen. Das war schon eine sehr eindeutige Demonstration von „Reichsbürgern“ und Rechtsextremen.

Ich würde jetzt gern noch einmal zugespitzt das Bundesinnenministerium fragen: Wer hat denn da die Treppe gestürmt? Waren das Rechtsextremisten, oder war das eine bunte Mischung? Ist nicht die Handlung an sich schon eine rechtsextreme?

Bei der zweiten Frage verbunden mit einer Lernfrage geht es um die Diskussion über eine Ausweitung der Bannmeile bzw. um ein Demoverbot in der Bannmeile. Entscheidet das der Bundestag allein, oder haben Sie da auch Aktien drin?

Weil Sie erwähnt haben, dass Sie Demonstrationen dort mitgenehmigen müssen: Werden Sie künftig überlegen, ob Sie von diesem Anmelder, wo es jetzt eben zu dieser Eskalation kam, noch eine Demo genehmigen?

ALTER: Zunächst einmal zurück zum Sachverhalt, der sich am Samstag abgespielt hat. Dort sind Personen über eine Absperrung geklettert und in einen Bereich gegangen, in den sie nicht hätten gehen sollen. Das ist ein Szenario, das wir bei vielen Demonstrationen in ganz Deutschland immer wieder feststellen.

Jetzt hat das Reichstagsgebäude eine besondere Bedeutung. Das ist der Unterschied. Aber weil Sie gefragt haben, ob das Überklettern einer Absperrung an sich schon rechtsextrem ist, dazu kann ich Ihnen nur sagen: Da muss man auch ein bisschen behutsam mit den Bewertungen sein, die man vornimmt.

Zu der Gruppierung, die wir da gesehen haben, habe ich mich geäußert. Wir haben dort Rechtsextreme gesehen, augenscheinlich Rechtsextreme. Wir kennen sie ja nicht alle mit Namen und mit ihrer jeweiligen Historie. Wir haben dort „Reichsbürger“ gesehen. Wir haben dort türkische und auch andere Fahnen gesehen. Es war also eine bunte Mischung aus unterschiedlichen Leuten.

In der Spontanbewertung am Samstag das gilt auch heute waren wir einfach vorsichtig, als wir eine größere Gruppe von Personen, die wir erkennen, mit einem Begriff umschreiben sollten. Das tun wir nicht, sondern wir versuchen, die Umschreibung so zu wählen, dass sie das wiedergibt, was man objektiv sehen und einschätzen kann. Weder der Bundesinnenminister noch ich selbst waren am Samstag am Reichstag vor Ort. Deswegen ist es auch richtig, dass man mit einer gewissen Behutsamkeit und Sachverhaltsnähe die Situation umschreibt.

Zum zweiten Teil: Es gibt ja eine gesetzliche Regelung, wie Veranstaltungen innerhalb des sogenannten befriedeten Bezirkes gehandhabt werden. Das ist das Gesetz über befriedete Bezirke von Verfassungsorganen des Bundes vom 8. Dezember 2008. Danach sind im Grundsatz Veranstaltungen unter freiem Himmel und Aufzüge innerhalb der befriedeten Bezirke zuzulassen, wenn Beeinträchtigungen der Tätigkeit des Deutschen Bundestages und seiner Fraktionen, des Bundesrates oder des Bundesverfassungsgerichts sowie ihrer Organe und Gremien und eine Behinderung des freien Zugangs zu ihren in dem befriedeten Bezirk gelegenen Gebäuden nicht zu besorgen ist.

Das war am vergangenen Samstag der Fall. Deswegen sind auf der Grundlage dieser rechtlichen Situation die Veranstaltungen auch genehmigt worden.

Wenn man das ändern wollte, dann müsste der Gesetzgeber tätig werden.

ZUSATZFRAGE BUSCHOW: Die letzte Frage zum konkreten Demoanmelder, den Sie ja kannten. Sie haben selbst gesagt, das BMI hatte dem zugestimmt. Werden Sie das künftig anders prüfen? Sehen Sie das inzwischen anders? Hätte man das nicht erlauben sollen?

ALTER: Ich kann es nur noch einmal wiederholen. Deswegen habe ich hier gerade auch die Rechtslage zitiert. Es gibt da wenig Ermessensspielraum für das BMI. Die Rechtslage sieht vor, dass eine Veranstaltung zuzulassen ist, wenn die Tätigkeit der genannten Organe nicht zu befürchten ist. Das war am vergangenen Samstag ganz eindeutig der Fall, und deswegen ist die Veranstaltung jedenfalls die, die dazu diente, zum großen Stern zu kommen auch genehmigt worden.

Für die Veranstaltung, die wir am Reichstag gesehen haben, lag ja keine Genehmigung vor, damit wir uns da nicht falsch verstehen. Das ist spontan entstanden, und diese Situation ist eine Situation gewesen, die man wahrscheinlich auch so nicht hätte genehmigen können.

ZUSATZFRAGE BUSCHOW: Diese Demonstration von den „Reichsbürgern“ und Rechtsextremen, die da von morgens bis abends mit der großen Bühne stattgefunden hat, war nicht genehmigt? Da verstehe ich Sie jetzt richtig? Ich meine jetzt das, was den ganzen Tag direkt vor den Treppen gelaufen ist. Das war nicht genehmigt und wurde den ganzen Tag zugelassen? Das sagen Sie quasi gerade.

ALTER: Es gab in der Rückbetrachtung des Samstags einige Veranstaltungen, die dem BMI fristgerecht angemeldet wurden. Sie lagen innerhalb des sogenannten befriedeten Bezirks und hatten nach meiner Kenntnis zum Ziel, im Vorfeld dieses Treffens eine sogenannte Zuzugs- oder Zuführungsveranstaltung am großen Stern stattfinden zu lassen. Da sind Veranstaltungen genehmigt worden. Wir können im Moment nicht genau sagen, aus welchen konkreten Geschehen heraus dann die Situation an der Treppe entstanden ist. Aber die Situation an der Treppe, also innerhalb einer Schutzabsperrung eines Verfassungsorgans, kann natürlich aus Sicherheitsgründen nicht genehmigt werden.

Ich weiß nicht, ob wir uns jetzt missverstehen.

ZUSATZ BUSCHOW: Ich glaube ja.

ALTER: Es gibt Schutzobjekte in Berlin, die von unterschiedlichen Behörden vor dem Eindringen geschützt werden. Dann gibt es Absperrungen, die deutlich machen: Bis hierhin und nicht weiter.

Das, was wir innerhalb der Absperrung gesehen haben, ist nicht genehmigungsfähig, weil es im Sicherheitsbereich stattfindet.

ZUSATZFRAGE BUSCHOW: Ich versuche es ein letztes Mal. Ich glaube, wir missverstehen uns wirklich. Wenn ich Sie am Anfang richtig verstanden habe, dann haben Sie gesagt, dass diese Demonstration natürlich nicht die Situation an der Treppe; dass sie nicht legitim war, darüber haben wir geredet , die direkt hinter den Absperrungen stattgefunden hat, also diese Demonstration mit der Bühne von „Reichsbürgern“ und Rechtsextremen, auch mit Zustimmung des Bundesinnenministeriums genehmigt war. Oder ist das schon mein erstes Missverständnis?

ALTER: Nein, das ist kein Missverständnis. Ich kann noch einmal nachliefern, ob diese konkrete Situation Gegenstand einer Antragstellung gewesen ist. Es würde mich aber wundern. Wenn für diese Veranstaltung keine Genehmigung vorgelegen hätte, dann hätte die Polizei das sicher sehr frühzeitig aufgelöst. Ich prüfe das aber gern noch einmal für diesen konkreten Einzelfall und liefere das gern im Anschluss.

VORS. WEFERS: Herr Seibert, Sie hatten noch ein weiteres Thema, das Sie ankündigen wollten.

STS SEIBERT: Ich wollte über Belarus sprechen. Denn hinter Belarus liegt ein weiteres Wochenende mit eindrucksvollen Protesten im ganzen Land. Es gibt glaubwürdige Berichte, die belegen, dass dabei wieder zahlreiche friedliche Demonstranten und Demonstrantinnen festgenommen wurden.

Der Mut der vielen tausenden von Menschen ist wirklich beeindruckend. Sie lassen sich von der anhaltenden Repression, von Herrn Lukaschenko und seinen Sondereinheiten, auch drei Wochen nach den Präsidentschaftswahlen nicht einschüchtern. Leider gibt es ja anhaltende Berichte von Misshandlungen und Folter, die hinter den Gefängnismauern stattfinden. Man kann aus diesen Berichten also ermessen, welches Risiko die Demonstranten und Demonstrantinnen es waren ja am Samstag ganz besonders auch die Frauen von Belarus auf sich nehmen.

Die Bundesregierung steht fest an der Seite der Menschen in Belarus in ihrem Wunsch nach Frieden, nach demokratischer Teilhabe und nach politischen Veränderungen. Es ist höchste Zeit, dass Herr Lukaschenko die Realitäten im Land anerkannt. Es bedarf eines offenen Dialogs zwischen der Staatsführung, den Kräften der Opposition und der gesamten belarussischen Gesellschaft, um eine friedliche Lösung dieser aktuellen Krise herbeizuführen.

Der Koordinierungsrat hat wiederholt seine Bereitschaft erklärt, an einen solchen offenen Dialog auf Grundlage der aktuellen Verfassung mitzuwirken. Die OSZE steht als Vermittlerin für einen solchen Dialog bereit.

BURGER: Ich würde dazu gern kurz ergänzen.

Sie haben mitbekommen, dass es am Wochenende auch Äußerungen des Außenministers dazu gegeben hat. Sie haben wahrscheinlich auch mitbekommen, dass am Freitag und Samstag eine ganze Reihe von Journalistinnen und Journalisten in Belarus willkürlich und ohne jede Rechtsgrundlage festgesetzt worden sind. Ihnen wurde die Arbeitserlaubnis entzogen, und sie sind damit an ihrer wichtigen Arbeit gehindert worden. Dazu hat sich der Außenminister bereits am Wochenende geäußert.

Ich kann Ihnen dazu ergänzend mitteilen, dass der belarussische Botschafter aus diesem Anlass für heute zu einem dringenden Gespräch ins Auswärtige Amt gebeten wurde.

Ich kann Ihnen auch mitteilen, dass angesichts der gravierenden Ereignisse in Belarus die deutschen Mitglieder der von beiden Außenministern eingesetzten deutsch-belarussischen strategischen Beratergruppe beschlossen haben, diesen mit sofortiger Wirkung auszusetzen. Das Ziel dieser Beratergruppe, die bilateralen Beziehungen in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Kultur und Zivilgesellschaft zu intensivieren, ist angesichts der gegenwärtigen Lage nicht erreichbar.

FRAGE DR. RINKE: Herr Burger, die drei baltischen EU-Staaten haben ihrerseits Sanktionen gegen, ich glaube, 30 Verantwortliche in Belarus angekündigt. Ich hätte ganz gern gewusst, wie Sie das beurteilen. Unterläuft das nicht die gerade in der letzten Woche stattgefundenen Debatten über gemeinsame Sanktionen, oder begrüßen Sie diesen baltischen Schritt?

BURGER: Ich kann das nicht im Einzelnen beurteilen. Dazu fehlen mir die Informationen. Sie haben die Diskussion unter den EU-Außenministern von Donnerstag und Freitag verfolgt. Sie waren ja auch bei der Pressekonferenz, glaube ich, des Außenministers und des Hohen Vertreters dabei, als der Hohe Vertreter darüber berichtet hat, dass es einen Konsens unter den 27 EU-Außenministern gab, jetzt schrittweise zielgerichtete Sanktionen gegen diejenigen umzusetzen, die für Wahlmanipulationen und Gewalt die Verantwortung tragen. An dieser Sanktionsliste wird jetzt gearbeitet, und sie soll sobald wie möglich verabschiedet werden. Dem widmen wir uns.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Darf ich noch einmal nachfragen, um es richtig zu verstehen? Begrüßen Sie jetzt diesen Schritt? Unterläuft er nicht eigentlich diese Maßnahmen, wenn jetzt drei EU-Staaten vorpreschen und ihrerseits nationale Sanktionen verhängen?

BURGER: Ich habe gesagt, dass ich diesen Schritt nicht im Einzelnen beurteilen kann, weil mir dazu die Informationen fehlen.

FRAGE JUNG: Ich hätte noch eine Frage zu einem konkreten Fall eines ARD-Teams, das am Wochenende zu dritt in einer Minsker Polizeiwache festgehalten wurde. Zwölf Stunden wussten sie überhaupt nicht, was passiert ist. Die Kollegen fühlten sich entführt und sind dann freigekommen. Ihnen wurde die Akkreditierung entzogen, fünf Jahre Einreiseverbot wurde ihnen gegeben, und sie wurden sofort abgeschoben. Wie bewerten Sie diesen konkreten Fall? Ich meine, das Regime scheint die Zeugen loswerden zu wollen.

BURGER: Just dazu hat sich der Außenminister am Samstag geäußert. Darauf hatte ich zu Beginn meiner Ausführungen auch verwiesen.

Ich kann Ihnen noch einmal kurz die entscheidenden Passagen seiner Äußerung hier wiedergeben:

Es ist absolut inakzeptabel, dass Journalistinnen und Journalisten willkürlich und ohne jede Rechtsgrundlage festgesetzt und durch den Entzug ihrer Arbeitserlaubnis an ihrer wichtigen Arbeit gehindert werden. Unabhängige Berichterstattung muss umfassend gewährleistet werden. Dazu hat sich Belarus auch international verpflichtet. Unsere Botschaft in Minsk hat die betroffenen Journalistinnen und Journalisten deutscher Medien betreut und bereits am Wochenende hochrangig gegen die Verhaftungen interveniert.

Wie gesagt. Heute wird der belarussische Botschafter zu einem dringenden Gespräch ins Auswärtige Amt gebeten.

ZUSATZFRAGE JUNG: Ich hatte noch auf einen Kommentar von Herrn Seibert gehofft. Darum hatte ich gefragt.

Wissen Sie, ob es aktuell irgendwelche deutschen oder deutsch-belarussischen Menschen im Gefängnis gibt?

BURGER: Dazu müsste ich Ihnen den letzten Stand nachtragen. Im Moment ist mir jedenfalls nicht bekannt, dass sich aktuell deutsche Journalistinnen oder Journalisten oder Journalistinnen und Journalisten, die für deutsche Medien arbeiten, in Haft befinden.

BRANDT: Im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft hat die Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft Julia Klöckner ihre europäischen Ministerkollegen am 30. August bis zum 1. September zum informellen Rat nach Koblenz eingeladen. Die Schwerpunkte der Beratungen sind die Lehren aus der Coronapandemie in Bezug auf die Widerstandsfähigkeit der Land- und Ernährungswirtschaft, die Aufrechterhaltung von Lieferketten sowie die Wertschätzung für die europäische Agrarproduktion.

Außerdem geht es um die Einführung eines europaweit verbindlichen Tierwohl-Kennzeichens, das die Bundesministerin während des deutschen Vorsitzes vorantreiben will; das hat sie ja auch schon häufig betont. Es soll Verbrauchern an der Ladentheke die Entscheidung für mehr Tierwohl erleichtern.

Außerdem wird es um strengere Regeln auf EU-Ebene für Tiertransporte in Drittstaaten gehen.

Noch ein paar organisatorische Dinge für alle, die nicht vor Ort sein können: Sie können den informellen Rat auch virtuell verfolgen. Der Doorstep, der Auftakt der Ratssitzung und die Pressekonferenz im Anschluss werden live auf unserem Twitter-Kanal und auf der Webseite www.eu2020.de gestreamt.

FRAGE DR. RINKE: An das Gesundheitsministerium: Ich habe zwei Fragen. Die eine betrifft die Testkapazitäten. Das war ja letzte Woche auch Teil der Debatte zwischen Bund und Ländern, was zu einer neuen Anpassung der Teststratege geführt hat. Jetzt gab es am Wochenende eine Berichterstattung darüber, dass die Zahl der Tests massiv ausgeweitet werden könnte, wenn das Gesundheitsministerium nur mitspielen würde. Deswegen hätte ich ganz gerne gewusst, warum es nicht möglich sein zu scheint, diese Testkapazitäten in Höhe von 1,2 Millionen in den Berichten war davon die Rede zu verdreifachen?

Die zweite Frage steht mit den Impfungen im Zusammenhang. Die Grippeimpfungen sind ja auch für Kinder empfohlen worden. Ich hätte ganz gerne von Ihnen gewusst, wie viele Grippe-Impfdosen eigentlich angeschafft worden sind? Gibt es genügend viele, wenn jetzt gleichzeitig von Ärzten aufkommt, dass sich sowohl Erwachsene als auch Kinder impfen lassen sollten?

NAUBER: Zu Ihrer ersten Frage: Erst einmal ist es seit Beginn der Pandemie gelungen, die Testkapazitäten massiv auszubauen. Zuletzt wurden dem RKI theoretische Testkapazitäten von 1,4 Millionen Tests pro Woche gemeldet, und weit mehr als 900 000 Tests wurden durchgeführt.

Trotzdem müssen wir unsere Teststrategie immer der Lage anpassen. Das haben wir auch bisher so gehalten. Die Rückreisewelle endet jetzt. Auch deshalb wird die Teststrategie jetzt entsprechend dem Beschluss von Bund und Ländern wieder in Richtung eines gezielten Testens angepasst. Wir haben es immer so gesagt: Wir wollen viel testen, aber wir wollen gezielt und mit System testen. Minister Spahn hat mehrfach betont: Wenn wir das System ständig unter Volllast fahren lassen, dann fehlen auf Dauer Mensch und Material. Deswegen kehren wir jetzt zu einer langfristigen Strategie für den Herbst zurück.

Unabhängig davon werden die Testkapazitäten natürlich weiter ausgebaut. Im Beschluss von Bund und Ländern ist ja unter anderem vorgesehen, dass wir uns anschauen, welche Rolle Antigentests spielen können.

In der Berichterstattung, die Sie ansprechen, ist ja auch von der Einbeziehung der veterinärmedizinischen Labore die Rede. Das tun ja einige Bundesländer bereits. Da gibt es bereits Ausnahmegenehmigungen. Wir prüfen jetzt auch noch einmal, ob und wie veterinärmedizinische Labore in die Auswertung der Tests einbezogen werden können. – Das war das eine.

Das andere war der Grippe-Impfstoff: Die STIKO empfiehlt die Grippeschutzimpfung ja vor allem für Risikogruppen, also für Ältere, für vorerkrankte Personen, für Ärzte, für Pflegekräfte, die einem besonderen Risiko ausgesetzt sind, ebenso wie für Bewohner von Pflegeheimen. Wir haben aber rechtzeitig vorgesorgt und 6 Millionen zusätzliche Impfstoffdosen bestellt, zusätzlich zu den 20 Millionen, die die Ärztinnen und Ärzte bereits bestellt hatten. Daher kann sich der, der möchte, gegen Grippe impfen lassen. Das hat der Minister am Wochenende ja auch noch einmal in der „WELT AM SONNTAG“ betont. Ich darf ihn zitieren:

„Gleichzeitig eine größere Grippewelle und die Pandemie kann das Gesundheitssystem nur schwer verkraften. Deswegen haben wir diesmal zusätzlichen Grippeimpfstoff besorgt. Jeder, der sich und seine Kinder impfen lassen will, sollte und kann das tun.“

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: 6 plus 20 ergibt 26 – bei einer Bevölkerung von 83 Millionen. Vielleicht können Sie noch einmal aufklären, warum sich dann alle impfen lassen können. Mache ich da einen Rechenfehler?

Vielleicht können Sie noch sagen, wie lange die Prüfung dauern wird, was die veterinärmedizinischen Labore angeht. Werden Sie das also innerhalb einer Woche, eines Monats oder eines Jahres entscheiden?

NAUBER: Sie haben ja in den vergangenen Monaten vielleicht auch die Erfahrung gemacht, dass wir in der Pandemie immer versuchen, solche Prüfungen so schnell wie möglich durchzuführen und das dann auch entsprechend umzusetzen. Aber einen genauen Zeitpunkt kann ich Ihnen jetzt noch nicht nennen.

Zur Grippeschutzimpfung: Es gibt nach wie vor die Empfehlung der STIKO, die die Grippeschutzimpfung besonders für Risikogruppen empfiehlt. Trotzdem haben wir darüber hinaus Impfstoffdosen besorgt. Es bleibt bei dem, was der Minister gesagt hat: Wer sich oder auch seine Kinder impfen lassen möchte, der sollte und kann dies tun.

FRAGE: Auch an das Gesundheitsministerium habe ich zwei inhaltlich getrennte Fragen. Die erste Frage beträfe Impfungen gegen COVID-19. Wie bereitet sich das Gesundheitsministerium darauf vor, insbesondere, was die Verteilung von Impfdosen betrifft? Welche Prioritäten werden dabei gesetzt? Welche Rolle spielt der Staat, also das Gesundheitsministerium, dabei?

NAUBER: Es ist ja so: Selbst wenn ein Impfstoff hoffentlich zugelassen worden sein wird, wird er nicht sofort für die gesamte Bevölkerung zur Verfügung stehen. Es wird dann Aufgabe der Ständigen Impfkommission sein, das zu priorisieren, und daran, dafür ein Konzept vorzulegen, arbeitet die STIKO auch bereits.

ZUSATZFRAGE CLEMENT: Können Sie etwas zu den Kriterien sagen, nach denen das aufgeteilt werden kann? Ist das also vielleicht erst im Krankenpflegebereich für ältere Menschen erwartbar? Wie sieht da der Kriterienkatalog aus?

NAUBER: Die genauen Kriterien kann ich Ihnen jetzt noch nicht nennen; dem kann ich nicht vorgreifen. Aber Minister Spahn hatte sich dazu schon sehr frühzeitig geäußert und auch sehr frühzeitig die STIKO gebeten, ein entsprechendes Konzept auszuarbeiten. Das läuft jetzt. Er hatte dabei auch schon gesagt, dass man sicherlich in Richtung von Risikogruppen und derer denken werde, die während der Pandemie eben eine besondere Rolle spielen, zum Beispiel Ärzte und Pflegekräfte. Aber wie das dann genau aussehen wird und wie das genau priorisiert werden wird, kann ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen.

FRAGE JESSEN: Ist der Begriff „theoretische Testkapazitäten“ neu eingeführt worden? Worin liegt der begründet, etwa in den bekannt gewordenen Schwierigkeiten der Labore?

Wie verhält sich vor allem die Relation zwischen theoretischen und praktischen Testkapazitäten, auf die es ja am Ende ankommt?

NAUBER: Die Testkapazitäten, von denen ich hier spreche, sind diejenigen, die die Labore an das Robert-Koch-Institut melden. Das heißt, das Robert-Koch-Institut macht jede Woche eine Umfrage unter den Laboren, wie viele Tests sie durchführen können, und die Labore melden das dann entsprechend zurück. Es bleibt aber bei dem, was der Minister gesagt hat: Auch unsere Laborkapazitäten, die ohne Frage sehr hoch sind, sind endlich, und wenn man das System dauerhaft unter dieser Volllast fahren lässt, also an der Grenze dessen, was die Kapazität hergeben würde, dann stoßen wir dabei an Grenzen.

ZUSATZ JESSEN: Dann verstehe ich es nicht. Wenn Sie sagen, diese 1,2 Millionen sind von den Labore gemeldete, praktisch realisierbare Testkapazitäten, dann wären das doch keine theoretischen, sondern praktische.

NAUBER: Ja, das sind die Testkapazitäten, die die Labore an das RKI melden.

ZUSATZ JESSEN: Die Sie aber nach Ihrer Auffassung dann doch nicht sinnvollerweise in Anspruch nehmen können!

NAUBER: Es geht einfach darum, dass man das System nicht dauerhaft an der Grenze fahren lässt und sozusagen dem vorbeugt, dass wir dabei an Grenzen stoßen. Davon unabhängig haben wir unsere Teststrategie aber immer der Lage angepasst. Wie ich vorhin schon gesagt habe, endet die Rückreisewelle jetzt erst einmal, und auch deshalb haben sich Bund und Länder darauf verständigt, die Teststrategie jetzt für den Herbst anzupassen und sich wieder stärker auf diejenigen zu konzentrieren, die Symptome haben, auf Ärzte, auf Pflegepersonal. Dabei geht es also auch darum, die Strategie wieder den Gegebenheiten anzupassen, wie wir es immer getan haben.

FRAGE CLEMENT: Wenn ich recht informiert bin, soll ja morgen das nationale Gesundheitsportal online gehen. Was versprechen Sie sich davon? Es geht ja um objektive Gesundheitsinformationen, natürlich auch gerade im Hinblick auf Corona.

NAUBER: Genau. Die Coronapandemie zeigt ja, wie wichtig seriöse Gesundheitsinformationen sind. Nur der, der informiert ist, kann sich und andere schützen. Mit diesem Portal wollen wir Bürgerinnen und Bürgern auch jenseits von Corona bezüglich Fragen rund um ihre Gesundheit informieren, schnell, benutzerfreundlich und fundiert.

Das Portal ist im Übrigen ein Auftrag aus dem Koalitionsvertrag. Wir nutzen dafür die Kraft des Ministeriums und auch der nachgeordneten Behörden.

FRAGE SCHRÖDER: Zu dem Besuch des chinesischen Außenministers: Herr Burger, gibt es schon einen Termin dafür, wann das stattfinden soll? Welche Themen sollen besprochen werden, Stichwort Hongkonger Sicherheitsgesetz?

Dann habe ich vielleicht noch eine Frage an Herrn Seibert. Anscheinend von deutschem Boden aus, also als er schon hier war es gibt kaum Informationen darüber, ob er schon hier ist , gab es eine Drohung gegen Tschechien wegen des Taiwan-Besuchs des tschechischen Senatspräsidenten, der dafür einen hohen Preis zu zahlen habe. Wie beurteilen Sie es, dass einem EU-Mitglied von deutschem Boden aus so gedroht wird?

BURGER. Ich kann Ihnen bestätigen, dass Außenminister Maas morgen Vormittag den chinesischen Außenminister Wang Yi in der Villa Borsig in Berlin empfangen wird. Das wird das zweite persönliche Zusammentreffen der Minister in diesem Jahr sein. Bereits im Februar besuchte Minister Wang Bundesminister Maas in der Villa Borsig.

Dieses erneute Zusammentreffen bietet die Gelegenheit, eine Reihe wichtiger bilateraler und internationaler Themen zu diskutieren. Dazu gehören unter anderem der Umgang mit COVID-19, Strategien zur Wiederbelebung des bilateralen Handels sowie Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte. Dabei wird sicherlich auch über die Lage in Hongkong gesprochen werden.

Da wir gerade die EU-Ratspräsidentschaft innehaben, werden die Minister auch über Themen der Beziehungen der EU zu China sprechen. Die bereits absolvierten Besuche von Minister Wang in Rom, Paris und Den Haag zeigen ja, dass es große Gemeinsamkeiten gibt, was die Haltung der EU-Mitgliedstaaten zu diesem Thema angeht.

Im Anschluss an das Gespräch ist für 11.20 Uhr eine gemeinsame Pressekonferenz angesetzt. Die Einladung zu dieser Pressekonferenz wird im Anschluss an diese Regierungspressekonferenz versendet. Vorab ein Hinweis: Aufgrund der geltenden Abstandsregeln werden wir dort nur eine begrenzte Zahl von Teilnehmern zehn pro Seite zulassen können. Die Plätze werden nach dem Prinzip „first come, first served“ vergeben. Für diejenigen, die nicht selbst vor Ort sein können oder möchten, gibt es auch die Möglichkeit, auf dem Instagram-Kanal des Auswärtigen Amtes diese Pressekonferenz zu verfolgen.

STS SEIBERT: Ich kenne die Stellungnahme, auf die Sie anspielen, nicht. Deswegen kommentiere ich sie nicht und verweise im Übrigen auf das morgige Treffen der beiden Außenminister.

FRAGE JUNG: Herr Seibert, ich kann ja einmal zitieren: The Chinese government and Chinese people won’t take a laissez-faire attitude or sit idly by, and will make him – den tschechischen Parlamentspräsidenten – pay a heavy price for his short-sighted behavior and political opportunism. – Die Kollegin hatte gerade gefragt, wie Sie es einschätzen, dass ein chinesischer Regierungsvertreter von deutschem Boden aus ein Mitglied des tschechischen Parlamentarismus bedroht. Dazu haben Sie jetzt immer noch nichts gesagt.

STS SEIBERT: Es bleibt bei meiner Antwort, und es bleibt auch dabei, dass ich, auch wenn man mir irgendetwas vorliest, doch etwas gründlichere Kenntnis einer Stellungnahme, eines Textes oder eines Zusammenhangs brauche, glaube ich, um ihn zu kommentieren. Hier tue ich es nicht.

ZUSATZ JUNG Ich erinnere mich nur

STS SEIBERT: Ich tue es nicht!

ZUSATZFRAGE JUNG: Als türkische Regierungsvertreter deutsche Regierungsvertreter hier auf deutschem Boden

VORS. WEFERS: Ich glaube, die Antwort war jetzt klar.

STS SEIBERT: Sie ziehen wie so manchmal Analogien, die uns hier nicht weiterbringen.

VORS. WEFERS: Die Antwort war doch klar. Er hat doch darauf geantwortet!

ZURUF JUNG: (ohne Mikrofon, akustisch unverständlich)

VORS. WEFERS: Dann müssten Sie sich aber noch einmal melden, weil ich nicht weiß, dass Sie jetzt noch eine Frage stellen wollen. – Bitte schön, dann haben Sie jetzt das Wort.

ZUSATZ JUNG: Ich kann die Frage ja nicht stellen, wenn das Mikro abgedreht wird.

VORS. WEFERS: Ich glaube, Sie haben das volle Mitleid unserer Kollegen. Stellen Sie doch bitte einmal Ihre Frage.

ZUSATZ JUNG: Herr Burger, Sie hatten jetzt nicht Taiwan und die Uiguren als mögliche Themen angesprochen.

BURGER. Ich glaube, ich hatte die Stichworte Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte erwähnt, und ich gehe davon aus, dass Sie das Thema der Uiguren ja wahrscheinlich insbesondere unter dem Aspekt der Menschenrechtslage interessiert. Insofern können Sie davon ausgehen, dass das, wie es bei vergangenen Gesprächen der Fall war, auch bei diesem Gespräch ein Thema sein wird.

ZUSATZFRAGE JUNG: Und Taiwan?

BURGER: Ich habe bezüglich dieses Gesprächs das angekündigt, was ich anzukündigen hatte. Aber im Übrigen möchte ich den Gesprächen hier wie üblich nicht vorgreifen.

FRAGE TOWFIGH NIA: Herr Burger, ich habe eine Frage zur Menschenrechtslage in Saudi-Arabien. Die Deutsche Welle berichtet heute über eine dramatische Verschlechterung der Menschenrechtslage in Saudi-Arabien. Dabei geht es konkret darum, dass ehemalige Mitglieder der Königsfamilie in Haft sitzen, dass sie seit Monaten keinen Kontakt zu ihren Familien haben und dass auch viele Dissidenten, die in Haft sind, keinen Kontakt zu ihren Familien haben. Viele Familienmitglieder werden sogar verhaftet, die in Verbindung mit Dissidenten stehen. Darauf hätte ich gerne erst einmal eine Reaktion.

Deutschland hat ja den Vorsitz der EU-Ratspräsidentschaft inne. Gedenkt die Bundesregierung, zu intervenieren, auch im Hinblick darauf, dass das EU-Parlament dieses Thema nach der Sommerpause auf die Tagesordnung setzen will?

BURGER: Mir liegt die Berichterstattung nicht vor. Deswegen kann ich sie im Einzelnen nicht kommentieren.

Zur Menschenrechtslage in Saudi-Arabien haben wir uns hier ja immer wieder geäußert. Richtig ist, dass wir beispielsweise in den Gremien der Vereinten Nationen wie im UN-Menschenrechtsrat regelmäßig eine enge Abstimmung unter den EU-Mitgliedstaaten bei der Beurteilung der Lage unter anderem in Saudi-Arabien suchen. So wird es sicherlich auch weiterhin sein. Im Übrigen sprechen wir natürlich auch im Gespräch mit der saudischen Seite bei sich bietenden Gelegenheiten immer wieder die dortige Menschenrechtslage an.

ZUSATZ TOWFIGH NIA: Aber Sie müssen doch jetzt eine generelle Bewertung der Menschenrechtslage in Saudi-Arabien haben!

BURGER: Das werde ich gerne nachliefern, da Sie sich ja auf einen konkreten Bericht bezogen haben, den ich gerne erst einmal zur Kenntnis nehmen würde, bevor ich mich dazu äußere.

FRAGE WARWEG: Zahlreiche bekannte deutsche Wissenschaftler und Kulturschaffende haben eine Petition an die Bundesregierung initiiert, in der die Bundesregierung aufgefordert wird, sich im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft dafür einzusetzen, das bereits mehr als 60 Jahre andauernde Embargo bzw. die Blockade der USA gegen Kuba abzuschaffen. Mich würde interessieren: Liegt der Bundesregierung diese Petition vor? Plant sie auch tatsächlich, im Zuge ihrer EU-Ratspräsidentschaft mit dem US-amerikanischen Partner zu sprechen, um darauf hinzuwirken, dass das eingestellt bzw. abgeschafft wird?

BURGER: Mir ist davon bislang nichts bekannt. Ich müsste Ihnen die Antwort nachreichen.

ZUSATZFRAGE WARWEG: Aber können Sie denn ganz grundsätzlich sagen, wie die Bundesregierung diese US-Blockade gegen Kuba aus völkerrechtlicher Perspektive bewertet?

BURGER: Ich kann Ihnen dazu sagen, dass wir grundsätzlich und unabhängig von der Ländersituation extraterritorial wirkende Sanktionen ablehnen.

FRAGE TOWFIGH NIA: Herr Burger, am Wochenende kam es zu einem gefährlichen Showdown zwischen der türkischen und griechischen Luftwaffe im zypriotischen Luftraum, nachdem sechs griechische Kampfjets von der türkischen Seite abgefangen worden sind. Wie besorgt sind Sie über diese Eskalation?

Deutschland sieht sich ja auch in einer Vermittlerrolle zwischen der Türkei und Griechenland. Gibt es da irgendwelche Pläne, vielleicht für direkte Gespräche in Berlin? Gab es Kontakte mit der türkischen Seite am Wochenende, entweder über die Bundeskanzlerin oder über den Bundesaußenminister?

BURGER: Zu dem konkreten militärischen Vorgang kann ich Ihnen hier keine eigenen Erkenntnisse mitteilen. Ich kann Sie nur noch einmal auf das verweisen, was der Bundesaußenminister in der Pressekonferenz nach Abschluss des informellen Außenministertreffens der EU am Freitag hier in Berlin gesagt hat. Er hat gesagt:

„Eine diplomatische Lösung im Rahmen direkter Gespräche bleibt unser dringlichstes Ziel. Wir sind bereit, einen solchen konstruktiven Dialog weiter zu unterstützen. Das tun wir auch als Ratspräsidentschaft. Genauso wie wir in den letzten Tagen versucht haben zu vermitteln, werden wir das auch in den kommenden Tagen und Wochen tun.“

Er hat auch gesagt:

„Wir wollen der Diplomatie eine Chance geben. Dafür muss die Türkei die Voraussetzungen schaffen und von weiteren Provokationen absehen.“

ZUSATZFRAGE TOWFIGH NIA: Gibt es irgendwelche konkreten Pläne für direkte Gespräche bzw. gab es Kontakte am Wochenende?

BURGER: Ich kann Ihnen nicht von Kontakten auf Ebene des Außenministers berichten. Auf anderen Ebenen gibt es natürlich fortlaufende Kontakte zu beiden Seiten.

ZUSATZFRAGE TOWFIGH NIA: Es gibt momentan also keine Pläne für Direktgespräche?

BURGER: Wie gesagt, es gibt fortlaufende Kontakte zu beiden Seiten. Ich kann Ihnen jetzt nicht von Kontakten auf der politischen Ebene berichten. Über einzelne Gesprächskontakte, die es unterhalb der politischen Ebene gibt, geben wir hier nicht im Einzelnen Auskunft.

FRAGE JUNG: Herr Seibert, auf welcher Seite steht die Bundesregierung in diesem Streit? Steht sie an der Seite Athens oder hält man sich neutral?

STS SEIBERT: Sie haben die Bundeskanzlerin am Freitag an dieser Stelle zu dem Thema gehört, und auf die Antwort verweise ich.

FRAGE WARWEG: Der deutsche Botschafter in Simbabwe hat zusammen mit seinen kanadischen und US-amerikanischen Kollegen die dortige Regierung ermahnt, die Rechte der Bürger nicht im Namen der Coronakrise einzuschränken. Ich zitiere:

„COVID-19 darf nicht als Ausrede benutzt werden, um die fundamentalen Freiheiten der Bürger einzuschränken.“

Jetzt gibt es ja beinahe weltweit Grundrechtseinschränkungen aufgrund der Pandemie. Da würde mich interessieren: Wieso gibt es diesen Fokus in Simbabwe? Was ist der Unterschied auf der Ebene der Grundrechtseinschränkungen, der in Simbabwe, aber nicht in anderen Ländern zu dieser Verurteilung führt?

BURGER: Mir ist der konkrete Sachverhalt in Simbabwe nicht bekannt. Ich würde spontan vermuten, dass es sich um eine Frage der Verhältnismäßigkeit handelt. Eine detaillierte Antwort kann ich Ihnen aber gerne nachreichen.

FRAGE DR. DELFS: Herr Seibert, heute tagt ja noch einmal der Finanzausschuss zum Thema Wirecard. Da ist ja unter anderem auch Herr Röller zu Gast, soweit ich weiß. Wäre eigentlich die Kanzlerin auch bereit, persönlich vor dem Finanzausschuss zu dem Thema auszusagen, zumal ja mittlerweile noch ein Treffen von ihr mit dem Exminister Guttenberg bekanntgeworden ist, das zumindest in der ursprünglichen Information des Bundestages damals nicht erwähnt worden war?

STS SEIBERT: Es ist die Haltung der Bundesregierung und des Kanzleramts, dass die Wirecard-Vorkommnisse umfassend aufgeklärt werden müssen. Dem dienen auch die Sondersitzungen des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages. Die Bundeskanzlerin hat hier in ihrer Sommerpressekonferenz am Freitag gesagt: In der Beantwortung Kleiner und Großer Anfragen haben die Bundesregierung und das Kanzleramt auch eine große und hohe Transparenz an den Tag gelegt, und in diesem Geist arbeiten wir mit denen zusammen, die Aufklärung betreiben wollen. Ihre Eingangsfrage ist jetzt erst einmal hypothetisch. Aber das ist der Geist, in dem wir handeln: Es muss aufgeklärt werden, und was dazu beigetragen werden kann, das wird beigetragen.

FRAGE BLANK: Herr Seibert, gibt es über das Wochenende oder heute neue Erkenntnisse der Bundesregierung zum Gesundheitszustand von Herrn Nawalny? Hat es Kontakte oder Austausche mit der russischen Regierung in diesem Zusammenhang gegeben? Vielleicht kann hilfsweise auch Herr Burger etwas dazu sagen.

STS SEIBERT: Sie wissen ja, dass es nicht die Bundesregierung ist, die Auskunft über den Gesundheitszustand von Herrn Nawalny gibt; vielmehr sind es die Ärzte in der Charité, die ihn behandeln, die ihn untersuchen und die das im Einverständnis mit seiner Familie tun. Für uns bleibt es so: Wir hoffen weiterhin, dass er baldmöglichst und dass er vollständig genesen kann. Ich habe Ihnen dazu keine weiteren Hinweise zu machen. Die klinischen Befunde der Charité, nach denen es Hinweise auf eine Vergiftung von Herrn Nawalny gibt, sind sehr ernst zu nehmen, und dazu haben ja die Bundeskanzlerin und auch der Außenminister das Notwendige gesagt.

ZUSATZFRAGE BLANK: Es gab über das Wochenende also keine neuen Kontakte mit der russischen Seite, Herr Burger?

BURGER: Ich kann Ihnen nicht über Gespräche des Außenministers dazu berichten.

FRAGE CLEMENT: An das Wirtschaftsministerium: Die „Augsburger Allgemeine“ berichtet, dass die Corona-Überbrückungshilfen für kleine und mittlere Unternehmen bisher so gut wie nicht ausgeschüttet würden, nämlich nur zu einem Prozent. Dieser Bericht beruft sich auf eine Anfrage der Grünen an das Wirtschaftsministerium. Zum einen: Können Sie die Zahl bestätigen? Zum Zweiten: Woran liegt das? Die Grünen werfen dem Wirtschaftsministerium da ja eine überbordende Bürokratie und sehr komplizierte Verfahren vor.

DR. BARON: Vielen Dank. Ich würde das gerne etwas einordnen. Wir haben ja ein sehr umfassendes Portfolio an Hilfen, die der Wirtschaft zur Verfügung stehen. Das reicht von den KfW-Anträgen bis hin zu Hilfen für Soloselbstständige und den Mittelstand über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds. Es gibt also ein sehr breites Portfolio, das wir aufgestellt haben, einen umfassenden Schutzschirm für Unternehmen und Beschäftigte. In der Gesamtbetrachtung werden diese Hilfen gut in Anspruch genommen.

Sie nehmen jetzt konkret Bezug auf die Überbrückungshilfen. Das sind ja Hilfen, die im Juli gestartet sind und die in der letzten Woche im Koalitionsausschuss auch bis Ende des Jahres verlängert wurden. Das Wesentliche an diesen Hilfen, die gezielt für den Mittelstand gelten, ist, dass wir sehen, dass sie sehr viel zielgenauer in Anspruch genommen wurden als das Vorgängerinstrument der Soforthilfen. Das ist aus unserer Sicht ein wichtiger Erfolg und ein wichtiger Schritt; denn wir wollen ja nicht, dass jeder in der Wirtschaft einen Antrag stellt, egal wo, sondern es sollen dort Anträge gestellt werden, wo sie auch tatsächlich gebraucht werden. Die Hilfe soll eben dort ankommen, wo sie noch besonders nötig ist.

Dass genau das der Fall ist, zeigen die Zahlen. Die Zahlen steigen auch täglich an. In der parlamentarischen Anfrage aus der vergangenen Woche war, glaube ich, von insgesamt rund 38 000 Anträgen die Rede. Mit heutigem Stand sind es bereits 47 000 Anträge. Sie sehen also, dass der Anstieg pro Tag sehr stark erfolgt. Das Fördervolumen beträgt über 819 Millionen Euro. Wenn man genauer in die Zahlen blickt, sieht man eben, dass die Hilfe exakt dort ankommt, wo sie gebraucht wird, nämlich beim Mittelstand und bei den besonders betroffenen Branchen. Rund 94 Prozent der Anträge werden von Unternehmen mit bis zu 49 Beschäftigten gestellt also gerade kleinen Unternehmen , und gerade dort, wo die Hilfe gebraucht wird. Wenn man auf die Branchen blickt: Rund 30 Prozent kommen aus dem Hotel- und Gaststättengewerbe, 10 Prozent aus der Reisewirtschaft, und weitere Anträge vor allem aus dem Kulturbereich und der Veranstaltungsbranche.

Das ist das Ziel dieser Hilfen: Wir wollen mit der Überführung der Soforthilfe in das Nachfolgeinstrument der Überbrückungshilfe sehr viel zielgenauer und effektiver vorgehen und den Branchen helfen, in denen die Hilfe angesichts der geltenden Coronaregeln eben noch besonders gebraucht wird. Das zeigen auch die Zahlen. Insofern würde ich der Aussage widersprechen, dass die Mittel nicht abgerufen würden. Sie werden abgerufen, und zwar dort, wo sie gebraucht werden. Sie sehen außerdem einen sehr starken Anstieg von 38 000 Anträgen Ende letzter Woche auf heute 47 800 Anträge.

ZUSATZFRAGE CLEMENT: Auch wenn jetzt die Antragszahlen steigen: 1 Prozent Abruf als zielgenau zu bezeichnen würde ja bedeuten, dass andere Coronahilfen vollkommen ungenau abgerufen werden, wenn dort deutlich höhere Zahlen erreicht werden. Legt ein Abruf von nur 1 Prozent nicht nahe, dass irgendetwas an dem Verfahren zu schwierig, kompliziert oder was auch immer ist, sodass die potenziellen Nutznießer nicht an dieses Geld herankommen?

DR. BARON: Na ja, die Anträge laufen an. Wir beobachten auch, dass viele die Anträge eher gegen Ende der Laufzeit stellen als zum Anfang der Laufzeit der Programme, da ja Kostenschätzungen vorgenommen werden und eine Kostenschätzung bzw. Prognose zum Ende des Zeitraums natürlich sehr viel einfacher möglich ist als am Anfang des Zeitraums. Das ist ein Punkt, den wir sehr aktuell beobachten.

Man muss außerdem eben auch auf das Gesamtportfolio der Mittel blicken. Die Überbrückungshilfen sind ein Instrument. Andere Unternehmen wählen vielleicht andere Instrumente wie zum Beispiel das KfW-Kreditinstrument, bei dem wir bei über 80 000 Anträgen mit 45 Milliarden Euro an genehmigten Mitteln liegen. In diesem Gesamtportfolio werden diese Hilfen sehr in Anspruch genommen.

Noch einmal: Dass die Hilfen jetzt zielgenauer in Anspruch genommen werden als noch vor einigen Monaten, ist eine Entwicklung, die wir sehen. Das ist, glaube ich, eine gute Entwicklung; denn noch einmal es soll nicht jeder einen Antrag stellen und irgendeinen Antrag stellen, sondern es soll der Antrag gestellt werden, der auch tatsächlich gebraucht wird. Bis Ende des Jahres stehen noch ausreichende Mittel zur Verfügung, und auch das ist eine gute Nachricht und ein gutes Signal für die Branchen, die bis Ende des Jahres noch Hilfe brauchen.

FRAGE WOLF: Eine FDP-Anfrage zeigt, dass die Fördergelder des Bundes für die Digitalisierung an Schulen kaum abfließen bisher lediglich 15,7 Millionen Euro der bereitgestellten 5 Milliarden Euro. Welche Gründe sieht das BMBF dafür, dass die Gelder nicht abgerufen werden? Welche Lösungsansätze verfolgt das Ministerium, damit diese Förderung vor Ort an den Schulen ankommt? Hält Ministerin Karliczek eine Absenkung bürokratischer Hürden, wie sie von der FDP gefordert wird, für notwendig?

JAMBO: Danke für die Frage. Es ist ja so, dass die letzten Wochen und Monate eindeutig gezeigt haben, wie wichtig die Digitalisierung der Schulen ist. Da haben wir mit dem Digitalpakt Schule eine sehr gute Möglichkeit, bei der Bund und Länder zusammenarbeiten, um die Digitalisierung voranzubringen. Die aktuellen Zahlen zeigen eine ähnliche Entwicklung wie in dem Halbjahr zuvor. Frau Ministerin Karliczek hat sich dazu auch schon geäußert und das eingeordnet. Es ist so, dass vermutlich aufgrund der Pandemie zugunsten von Sofortmaßnahmen die Planungsprozesse weiter zurückgestellt wurden, was Medienkonzepte angeht. Es ist aber auch so da muss man auch das Gesamtfeld sehen , dass weitere 242 Millionen Euro für Projektanträge bereits bewilligt worden sind. Von daher kann man davon ausgehen, dass die Zahlen bis zum Jahresende auch noch einmal massiv steigen werden.

FRAGE GARUZ: Laut uruguayischen Medien sollen heute Bundeskanzlerin Merkel und der uruguayische Präsident Luis Lacalle Pou ein Videogespräch zum Mercosur-Abkommen führen. Können Sie bestätigen, dass es so ein Gespräch geben wird? Falls ja: Welche Fragen werden konkret angesprochen?

STS SEIBERT: Es wird Sie nicht überraschen, dass ich sage: Wir berichten über Gespräche, nachdem sie stattgefunden haben.

FRAGE TOWFIGH NIA: Herr Burger, zum Libanon: Gerade kam über die Tickermeldungen, dass der libanesische Botschafter in Deutschland der neue Ministerpräsident des Libanon sein wird. Der libanesische Präsident Michel Aoun hat ihn beauftragt, die neue Regierung zu formieren. Ich hätte gerne eine Stellungnahme dazu.

BURGER: Wie üblich nehmen wir hier nicht Stellung zu innenpolitischen Vorgängen anderer befreundeter Staaten, auch wenn es sich in dem Fall um einen Vorgang handelt, in den ein uns sehr gut bekannter Botschafter involviert ist.

Ich möchte an dieser Stelle aber gerne auf die gestrige Erklärung der International Support Group für Libanon verweisen. Diese besteht, falls Sie das nicht wissen, aus den Vereinten Nationen, den Regierungen Chinas, Frankreichs, Deutschlands, Italiens, Russlands, Großbritanniens, der USA, der Führung der Europäischen Union und der Arabischen Liga. Darin ruft diese Gruppe zu einer schnellen Regierungsbildung im Libanon auf, um Reformkurse anzugehen und das Vertrauen der libanesischen Bevölkerung zurückzugewinnen. Darum geht es jetzt aus unserer Sicht, und dem dienen auch unsere Kontakte zu der sich in Bildung befindlichen libanesischen Regierung. Dabei möchten wir gerne unterstützen.

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