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Bundesregierung für Desinteressierte: BPK vom 17. November 2021

Themen: COVID-19-Pandemie, Personalbesatz des künftigen Büros der Bundeskanzlerin a. D., Situation der Flüchtlinge aus Belarus, private Äußerungen einer Offizierin der Bundeswehr in einem YouTube-Video, Konflikt zwischen Russland und der Ukraine, Aufnahme ehemaliger Ortskräfte und gefährdeter Personen aus Afghanistan, Nord Stream 2

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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 17. November 2021:

VORS. SZENT-IVÁNYI eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt STS SEIBERT sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

FRAGE WACKET (zur COVID-19-Pandemie): Ich habe eine Frage, wahrscheinlich eben logischerweise an das Gesundheitsministerium. Das österreichische Gesundheitsministerium hat gesagt, dass es eine Zulassung von BioNTech durch die EMA in der nächsten Woche erwartet. Ist das auch der Stand von Ihnen?

GÜLDE: Ich kann Ihnen jetzt leider zum Zeitrahmen der EMA-Zulassung nichts sagen. Wir rechnen tatsächlich in den kommenden Wochen mit einer Zulassung. Ich kann das jetzt aber nicht genau terminieren.

FRAGE: Herr Gülde, zum Boostern: Ist genügend Impfstoff vorhanden?

Die andere Frage ist: Wie ist die Positionierung, was eine Priorisierung angeht? Ist das Thema jetzt für Sie vom Tisch, oder muss eine Priorisierung noch vorgenommen werden?

Bekommen die Hausärzte das auf die Reihe? Können Sie das noch einmal allgemeinverständlich erklären?

GÜLDE: Gerne! Herr Minister Spahn hat sich heute auch im Rahmen des SZ-Wirtschaftsgipfels zu diesem Thema geäußert. Er hat klar gesagt: Wir haben tatsächlich genügend Impfstoffdosen vor Ort, um die Boosterimpfung durchzuführen. Gleichzeitig gab es gestern einen gemeinsamen Brief von ihm und KBV-Chef Andreas Gassen an die Kassenärzte, in dem auch noch einmal darauf hingewiesen wurde, dass diese Boosterimpfung jetzt nicht stichtagsgenau sechs Monate nach der Zweitimpfung bzw. bei einer Impfung mit anderen Impfstoffen der Erstimpfung zu erfolgen hat, sondern dass man dabei zeitlich flexibel vorgehen kann und dass diese Impfung tatsächlich auch für jeden möglich sein soll, der diese Impfung wünscht, also jetzt keine direkte Priorisierung vorgesehen ist.

Klammer auf: Sie wissen, dass es zu Beginn dieses Jahres eine Priorisierung hinsichtlich der Impfung gab, und dementsprechend sind Leute, die sich jetzt boostern lassen wollen, in der Regel auch priorisiert gewesen.

STS SEIBERT: Wenn ich darf, würde ich in diesem Zusammenhang einfach gerne sagen, dass gestern 436 000 Impfungen gemeldet wurden. Das ist die höchste Zahl, die wir seit einiger Zeit gemessen haben. Uns ist allen klar, dass das als Impftempo noch nicht ausreicht, dass das jeden Tag doch noch deutlich mehr werden muss. Aber es ist auch ein Zeichen dafür, dass viele Bürgerinnen und Bürger doch die Notwendigkeit erkannt haben und dass sie das Bewusstsein dafür bekommen haben, dass Impfungen weiterhin das größtmögliche Maß an Schutz für den Einzelnen bzw. die Einzelne sowie an Sicherheit für uns als Gemeinschaft bedeuten. In diesen 436 000 Impfungen sind natürlich sowohl Grundimmunisierungen als auch Auffrischungsimpfungen enthalten. Das kann, wie gesagt, nur ein Schritt zu jeden Tag noch deutlich höheren Zahlen sein, aber die Richtung stimmt.

GÜLDE: Wenn ich das noch an dieser Stelle ergänzen darf: Von diesen 435 000 Impfungen sind 317 000 Boosterimpfungen.

FRAGE GRIMM: Herr Gülde, ich wollte Sie danach fragen, dass immer wieder zum Beispiel auf Twitter aufkommt, dass Leute in Impfzentren weggeschickt werden, denen drei, vier oder fünf Tage bis zu der Sechsmonatsfrist fehlen. Das ist ja offensichtlich ein Problem. Warum regelt man das nicht? Der Minister sagt zwar, man wolle das flexibel handhaben, aber offenbar sagen die Diensthabenden in den Impfzentren: Tut mir leid, Stichtag ist Stichtag. – Warum wird nicht einfach verfügt, dass man diese Sechsmonatsgrenze aufhebt?

GÜLDE: Genau deshalb hat es ja gestern diesen Brief an die Kassenärzte gegeben, um eine solche flexible Regelung zu ermöglichen. Ja, Herr Grimm, vielleicht einfach kurz dazu: „Flexible Regelung“ heißt natürlich, dass die Empfehlung, die komplett aufgehoben worden ist Wenn man gerade eine Zweitimpfung hinter sich hat, dann kann man nicht sofort wieder zum Arzt und sich boostern lassen. „Flexible Regelung“ heißt vielmehr, dass diese jetzt nicht genau auf den Stichtag eingehalten werden muss. Aber selbstverständlich sollte das halt schon so gehandhabt werden, dass man ungefähr sechs Monate warte. Aber das muss jetzt nicht der genaue Stichtag sein, sondern es können auch einmal zwei Tage weniger oder zwei Tage mehr sein.

ZUSATZ GRIMM: Aber dieser Brief, den Sie jetzt geschickt haben, ist keine Anweisung. Das ist eine Bitte, wenn ich das richtig verstanden habe. Ich frage deshalb, weil wir es in Deutschland mit Fristen und Stichtagen sehr genau nehmen und dieses Land ja nun so bürokratisch ist, wie es nun einmal ist.

GÜLDE: Aber in Ihrer Frage schwingt ja gleichzeitig eben mit, dass das entsprechend eine sehr bürokratische Lösung wäre. Wir wollen natürlich auch noch sehen, dass wir den Praxisalltag aufrechterhalten können. Wenn ein Arzt nun eben von vornherein erkennen muss, auf welchen Stichtag man sich jetzt festlegt, dann wäre das ja dann ein neuer Stichtag, der festzulegen wäre. Aus diesem Grund macht man das eben entsprechend nicht, sondern sagt: Wir müssen in diesem Fall flexibel bleiben.

ZUSATZFRAGE GRIMM: Noch einmal: Ist es eine Bitte oder eine Anweisung?

GÜLDE: Es ist eine Bitte.

VORS. SZENT-IVÁNYI: Frau Herzog merkt an: Es gab eben zwei Zahlen. Waren es 436 000 oder 435 000 Impfungen? – Mir war das nicht aufgefallen.

STS SEIBERT: Doch, das stimmt. Das ist mir auch aufgefallen. Ich empfehle also, auf dem Impfdashboard des RKI nachzuschauen. Ich hatte das kurz vor der PK getan. Nach meiner Erinnerung waren es 436 000. Liebe Frau Herzog, schauen Sie also nach. Eine der beiden Zahlen wird stimmen.

GÜLDE: Wenn die ganz genaue Zahl benötigt wird, kann ich sie gerne nennen: Das sind 435 713.

STS SEIBERT: Gerundet also!

VORS. SZENT-IVÁNYI: Dann habe ich Herrn Reitschuster mit einer Frage an das Gesundheitsministerium. Der Virologe Kekulé spricht von einer unsichtbaren Welle unter Geimpften und hält Ausnahmen von strengen Regeln für diese für gefährlich. Wie stehen Sie zu solcher Kritik?

GÜLDE: Wir haben immer gesagt, dass es tatsächlich Impfdurchbrüche gibt. Wir sehen natürlich halt eben auch, dass sich Menschen mit vollständiger Impfung auch noch infizieren können. Wir haben auch nichts anderes behauptet. Wenn wir uns aber die Situation in den Krankenhäusern und insbesondere den Intensivstationen ansehen, dann sehen wir dort natürlich ein gehäuftes Auftreten von Ungeimpften, und das ist überproportional groß. Daher bleibt es bei den Regelungen und halt auch unseren Äußerungen dazu, sich impfen zu lassen.

Ja, es gibt auch entsprechende Empfehlungen des RKI zum Umgang mit Geimpften. Aber dazu sage ich vielleicht einfach noch einmal: Sobald Symptome auftreten und sobald ein Ungeimpfter positiv getestet wurde, gilt er nicht mehr im klassischen Sinne als geimpft, sondern als infiziert, und hat dann eben auch entsprechend die Maßnahmen zur Absonderung einzuhalten.

STS SEIBERT: Ich will es vielleicht auch noch einmal wir hatten dieses Thema hier ja häufig wiederholen: Es gibt mittlerweile Bundesländer, die die Inzidenz nach Geimpften und Ungeimpften getrennt erheben. Sachsen ist ein solches Bundesland. Dort lag nach gestrigem Stand und nach Angaben des Landesministeriums die Sieben-Tage-Inzidenz der Ungeimpften bei 1823, die der Geimpften bei 64. Bayern macht das nur einmal wöchentlich. Am vergangenen Donnerstag betrug die Inzidenz 953 bei Ungeimpften und 97 bei Geimpften.

Dabei mag es leichte Unschärfen geben, weil unzweifelhaft darüber hatten wir offen häufiger besprochen Ungeimpfte etwas häufiger getestet werden. Aber das Bild ist eindeutig, und es wird von allen Wissenschaftlern auch bestätigt: Ungeimpfte tragen deutlich mehr zur Pandemie bei. Geimpfte tragen deutlich weniger zur Pandemie bei. Geimpfte haben einen erheblich und um ein Vielfaches größeren Schutz vor schwerer Erkrankung, Intensivbehandlung oder gar Tod. Das sind die Fakten, und die bleiben.

VORS. SZENT-IVÁNYI: Herr Reitschuster fragt nach. Es geht ihm, also Kekulé, aber nicht um die Ansteckungsgefahr durch Geimpfte, sondern um die Krankheitszahlen.

GÜLDE: Ich hatte ja gerade ausgeführt, dass, sobald jemand infiziert ist und positiv getestet wurde, er entsprechend auch in der Statistik auftaucht und dass auch die entsprechenden Maßnahmen zur Absonderung einzuhalten sind.

FRAGE LÜCKING: Sie sprachen jetzt gerade von plus oder minus drei Tagen, was diese Impfgrenze angeht, oder es ging auf jeden Fall um Tage. Ich meine mich erinnern zu können, dass Herr Spahn hier schon einmal von Wochen gesprochen hat, also von fünf Monaten und zwei Wochen oder etwas in dieser Richtung.

GÜLDE: Ich meine jetzt auch, dass meine Angabe beispielhaft war. Entsprechend könnten das auch zwei Wochen sein. Aber im Grundsatz gilt nach wie vor eben diese Regel von sechs Monaten.

ZUSATZ LÜCKING: Es ist also im Prinzip die Entscheidung des Arztes.

GÜLDE: Ja, genau so ist es.

FRAGE WACKET: Zur Quarantäneregelung, gerade mit Blick auf Österreich: Es ist so, dass nach jetzigen Regelungen bei einer Rückkehr nach Deutschland Kinder ja auch fünf Tage in Quarantäne müssen. Gibt es Überlegungen, das zu ändern? Das bedeutet nämlich eigentlich, dass Familien dort so schwer Urlaub machen können.

GÜLDE: Bislang gibt es keine Überlegung, das jetzt zu ändern. Hintergrund des Ganzen ist: Das wurde ja bereits so geändert, dass diese Quarantäneregelung für Kinder dann eben fünf Tage umfasst. Ursprünglich waren es ja einmal zwei Wochen. Ich kann Ihnen da jetzt keine Änderung in Aussicht stellen. Hintergrund des Ganzen ist ja, einen erhöhten Eintrag von Infektionen aus Hochrisiko- bzw. Virusvariantengebieten nach Deutschland zu verhindern.

FRAGE GRIMM: Herr Seibert, ich wollte Sie noch einmal fragen, was die Kanzlerin morgen auf der Sitzung der MPK zu tun gedenkt. Möchte sie noch einmal ein Signal an die Bevölkerung senden, sich impfen zu lassen und die Gefahr des Virus nicht zu unterschätzen? Gibt es konkretes Regierungshandeln, das die geschäftsführende Kanzlerin noch vorhat? Vielleicht können Sie uns darauf ein bisschen einstimmen.

STS SEIBERT: Ich denke, der Podcast der Bundeskanzlerin am Wochenende, der ja sehr viel beachtet wurde, ist die richtige thematische Einstimmung, wenn ich Sie darauf verweisen darf, natürlich mit dem dringenden Appell, sich impfen zu lassen und dort, wo es noch nicht stattgefunden hat, sich grundimmunisieren zu lassen, aber eben auch an die vielen Millionen Menschen, die die zwei Impfungen schon hatten, sich zum gegebenen Zeitpunkt wirklich zur Auffrischungsimpfung bereit zu finden.

Sie hat drei wesentliche Punkte genannt, auf die es ihr ankommt, und das sind sicherlich Punkte, die sie in dieser MPK-Sitzung morgen dann auch vorbringen wird. Wir brauchen ein einheitliches Vorgehen von Bund und Ländern. Es war immer hilfreich in dieser Pandemie, wenn wir das hatten. „Einheitliches Vorgehen“ heißt nicht, dass jeder die gleichen Maßnahmen ergreifen muss. „Einheitliches Vorgehen“ heißt, dass es eine einheitliche Vorstellung davon geben muss und auch Verabredungen darauf geben muss, was man beim Eintritt beispielsweise eines ganz bestimmten Schwellenwerts der Hospitalisierungen zusätzlich zu unternehmen hat, um die Gefahr abzuwenden. Zweitens wird das Thema des Impfens und drittens die Frage, wie das Auffrischungsimpfen so organisiert werden kann, dass es wirklich an Tempo gewinnt, für die Bundeskanzlerin im Mittelpunkt stehen. Aber ich will weiteren Beratungen jetzt nicht schon vorgreifen. Das werden sicherlich Themen sein.

FRAGE JESSEN: Ich habe eine Frage an das Wirtschaftsministerium zur Bekämpfung der Folgen der Pandemie. Der Kultur- und Kunstbereich gehört neben dem Verkehrsbereich zu den am stärksten von der Pandemie betroffenen Bereichen. Für diesen Bereich waren im vergangenen Jahr insgesamt etwas mehr als 4 Milliarden Euro an Unterstützung zugesichert worden. Die zweite Tranche wird derzeit ausgezahlt. Wenn die Pandemie, wie abzusehen ist, weiter anhalten wird, haben Sie weitere Hilfspakete zur Unterstützung vor allem von Soloselbstständigen in diesem Bereich in Arbeit, oder überlassen Sie das der zukünftigen Regierung?

UNGRAD: Minister Altmaier hat sich ja auch öffentlich zur Verlängerung der Coronahilfen geäußert und dabei deutlich gemacht, dass die Konjunkturlage zwar robust ist, aber die Unsicherheiten aufgrund der das haben Sie auch angesprochen sehr ernsten Coronalage wieder steigen. Daher plädiert er für eine Verlängerung der Überbrückungshilfe III Plus. Diese Verlängerung wird gerade zwischen Bund und Ländern beraten und abgestimmt. Parallel läuft das hatten wir ja auch schon gesagt – eine Debatte in Brüssel über die Verlängerung des Temporary Framework. Das ist der beihilferechtliche Rahmen, der dafür notwendig ist.

Am 31. Dezember werden die Hilfen ja auslaufen. Mit den Zuschüssen sind die Überbrückungshilfe III für Unternehmen und die neue Starthilfe für Soloselbstständige gemeint, ebenso das KfW-Sonderprogramm, das heißt, die zinsvergünstigten Kredite.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Meine Frage zielte auch darauf ab, dass es ja für den Veranstaltungsbereich einen gesonderten Etat in Höhe von, glaube ich, 2 Milliarden Euro gibt, der derzeit sozusagen über die BKM ausgezahlt wird. Ist vorgesehen, dass dieser Etat ebenfalls fortgeführt bzw. aufgestockt wird?

UNGRAD: Für die Einzelheiten dessen, was jetzt genau verlängert wird usw., müssen wir die Gespräche zwischen Bund und Ländern abwarten. Da kann ich Ihnen jetzt noch keine Einzelheiten nennen.

VORS. SZENT-IVÁNYI: Dann habe ich noch einmal Herrn Reitschuster mit einer Frage an das Gesundheitsministerium: Welche Rolle spielen Genesene in der Strategie der Bundesregierung?

Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über den Anteil von Genesenen unter Erkrankten – generell und auf den Intensivstationen?

GÜLDE: Ich muss offen gestehen: Ich verstehe die Frage jetzt nicht ganz. Sowohl Genesene als auch Geimpfte haben ein geringeres Risiko, sich erneut anzustecken. Insofern setzen wir natürlich weiterhin darauf, dass sich möglichst viele Menschen impfen lassen. Ja, auch Genesene haben einen Schutz. Aber die Gefahr, sich jetzt irgendwie bewusst dem Risiko einer Infektion auszusetzen und daran schwer zu erkranken, ist natürlich etwas, das wir unter keinen Umständen wollen. Aber, ja, auch Genesene tragen halt eben dazu bei, dass sich das Virus dann in der Regel nicht weiterverbreitet, und insofern gelten sie auch vollständig Geimpften als gleichgestellt.

VORS. SZENT-IVÁNYI: Dann habe ich noch eine Frage von Frau Herzog: Gibt es eine Einladung an Vertreter der Ampel-Parteien, auf Bundesseite an der morgigen MPK-Sitzung teilzunehmen? – Sie meint also die Bundesseite. Die Länder sind teilweise schon involviert, schreibt sie.

STS SEIBERT: Na ja, über die Bundesregierung sind sie es natürlich auch, der Vizekanzler zum Beispiel. Es gibt auch andere. Ich kann Ihnen jetzt nicht die genaue Liste der Bundesminister, die morgen teilnehmen werden, aufsagen. Es sind mehrere, wie immer bei diesen MPK-Sitzungen, und natürlich sind darunter auch Vertreter der Ampel-Parteien.

VORS. SZENT-IVÁNYI: Dann habe ich noch eine Frage von Rosa Pugliese. Es gibt Nachrichten über COVID-Patienten, die, wie sie schreibt, in Italien verlegt worden sind. Ich vermute, sie meint „nach Italien verlegt worden sind“. Können Sie das bestätigen? Wie viele sind es bislang?

GÜLDE: Ich kann diese Berichte tatsächlich nicht bestätigen. Ich habe zwar auch davon gehört, aber ich müsste die Fragestellerin bitten, sich an das Land Bayern zu wenden. Wir liegen keine Kenntnisse zu Patientenverlegungen ins Ausland vor.

FRAGE JESSEN: Ich habe eine Frage an das BMG oder vielleicht an das BMI; ich weiß es nicht. Es mehren sich jetzt Berichte darüber, dass vor allem in Süddeutschland vor allem von jungen Menschen wieder Coronapartys zwecks Infektion veranstaltet werden, um dadurch in einer Hoffnung auf einen milden Verlauf relativ schnell zu dem Genesenen-Status zu kommen. Haben Sie Kenntnis davon? Wird das irgendwo registriert? Haben Sie irgendwelche Handhabe, um solche, wie ich jetzt einmal sage, Workarounds zu vermeiden oder zu bekämpfen?

ALTER: Dem Bundesinnenministerium liegen dazu keine Erkenntnisse vor. Es kann sein, dass möglicherweise Erkenntnisse bei den Landesbehörden vorliegen. Es ist ja entscheidend, welche Regelungen in dem jeweiligen Bundesland für das Zusammenkommen von größeren Personengruppen gelten. Insofern werden auch die Länder darauf reagieren, wenn solche Erkenntnisse vorliegen.

Ungeachtet dessen ist das natürlich unverantwortlich. Wir sehen ja im Moment, dass die Infektionszahlen extrem stark steigen, so stark, wie wir es bisher in der Pandemie noch nie erlebt hatten. Insofern ist ein Verhalten, das darauf angelegt ist, noch mehr Infektionen zu generieren, aus Sicht des BMI natürlich absolut unverantwortlich.

STS SEIBERT: Außerdem ist es ein Spiel mit einer schweren Erkrankung. Es stimmt, dass junge Menschen deutlich seltener schwer erkranken. Das heißt aber nicht, dass sie nicht schwer erkranken können dafür gibt es genügend Beispiele , und es heißt nicht, dass sie nicht mit Langzeitfolgen zu tun haben können, die sich die Teilnehmer einer solchen Party erst einmal gar nicht vorstellen können. Das ist also in jeder Hinsicht unverantwortlich, wie es der Kollege gerade sagte.

VORS. SZENT-IVÁNYI: Nico Fried von der „Süddeutschen Zeitung“ fragt zum Thema des Ruhestands der Kanzlerin: Herr Seibert, können Sie bitte erläutern, warum die Bundeskanzlerin einen höheren Personalbedarf hat als ihr Vorgänger?

STS SEIBERT: Ja. Ich kann sagen, dass gestern der Hauptausschuss des Deutschen Bundestages auf einen entsprechenden Antrag des Finanzministeriums und des Kanzleramtes der Ausbringung zusätzlicher Stellen im Haushalt 2021 des Kanzleramtes zugestimmt hat. Es handelt sich um Stellen, die für die Einrichtung des künftigen Büros der Bundeskanzlerin nach ihrem Ausscheiden benötigt werden. Es entspricht langjähriger Staatspraxis, dass Bundeskanzlern außer Dienst ein Büro zur Verfügung gestellt wird, um sie bei der Erfüllung der nachwirkenden Amtspflichten zu unterstützen. So wird es auch im Falle des Ausscheidens der Bundeskanzlerin sein. Sie wird als künftige Bundeskanzlerin a. D. im Bundesinteresse liegende Aufgaben wahrnehmen, die aus fortwirkenden amtlichen Pflichten resultieren. Das Personal arbeitet der künftigen Bundeskanzlerin a. D. fachlich und organisatorisch bei der Erledigung dieser nachamtlichen Aufgaben zu.

Private Angelegenheiten oder Angelegenheiten oder Tätigkeiten, die auf Einkünfte gerichtet sind, werden durch dieses künftige Büro der Bundeskanzlerin a. D. nicht unterstützt werden.

FRAGE HAUCK: Das hat aber noch nicht beantwortet, warum Frau Merkel offenbar einen größeren Mitarbeiterstab braucht, als es bei Herrn Schröder noch der Fall ist. Der Haushaltsausschuss hat eine Neuregelung beschlossen, die aber erst für künftige Kanzler gelten soll. Warum orientiert sich die Kanzlerin nicht an dieser Regel und geht quasi mit Vorbildfunktion voran?

VORS. SZENT-IVÁNYI: Herr Fried stellt die Zusatzfrage gleich auch selbst: Erwartet sie, mehr zu tun zu haben als Gerhard Schröder?

STS SEIBERT: Prinzipiell kann ich Beschlüsse der Legislative und ihrer Gremien denn um so etwas handelt es sich mit der Entscheidung des Hauptausschusses hier nicht kommentieren. Ich kann darauf verweisen, dass sich der Wortlaut des Beschlusses des Haushaltsausschusses von 2019 Sie sagen es selbst auf zukünftige Bundeskanzler beschließt. Also ist er auf die amtierende Bundeskanzlerin nicht anwendbar.

Ich kann sonst noch sagen, dass im Vergleich zu den Büros der beiden Amtsvorgänger der Bundeskanzlerin die Büros in ihrer personellen Ausstattung im Bereich der Leitung keinen Unterschied machen. Es handelt sich jeweils um zwei B6-Stellen.

FRAGE LÜCKING: Eine kurze Lernfrage zur Abrundung des Themas: Wie lange soll dieses Büro insgesamt bestehen?

STS SEIBERT: Darüber kann ich Ihnen jetzt, ehrlich gesagt, keine Auskunft geben. Es ist vorgesehen, dass bei gegebenenfalls eintretenden künftigen Veränderungen auch die personelle Ausstattung des Büros entsprechend angepasst wird.

FRAGE GRIMM: Herr Seibert, neun Mitarbeiter, das ist ja keine Kleinigkeit. Frau Merkel hat gesagt, dass sie erst einmal ein wenig schlafen und lesen und dann schauen wolle, was sie zu tun gedenke. Angesichts von neun Leuten könnte man auf die Idee kommen, dass sie einiges vorhat. Wissen Sie darüber schon mehr als wir?

STS SEIBERT: Zunächst einmal haben Sie die Aussagen der Bundeskanzlerin darüber, was sie zunächst einmal zu tun gedenkt. Ansonsten wird es dann die Aufgabe des künftigen Büros der Bundeskanzlerin a. D. und nicht des Regierungssprechers heute sein, über die Aufgaben und die dort tatsächlich geleisteten Funktionen Auskunft zu geben.

FRAGE BUSCH: Die Kollegen der dpa meldeten gestern, dass diese Stellen aus nicht besetzten Stellen im Verteidigungsministerium kommen sollen. Vielleicht können Sie dazu etwas sagen. Sind das also Stellen, die sozusagen sowieso offen sind?

STS SEIBERT: Ich denke, dass dazu die Kollegin aus dem Verteidigungsministerium am besten etwas sagen kann.

RUOTSI: Vielen Dank. Ich kann das gern für Sie einordnen.

Vielleicht vorneweg: Diese Regelung ist zwischen dem Bundeskanzleramt, dem Bundesfinanzministerium und unserem Haus abgestimmt.

Einfach mal zur Erläuterung: Es handelt sich hier nicht um Dienstposten, sondern um Haushaltsstellen, die verschoben werden. Das ist auch nicht identisch. Es werden also keine Menschen umgeschichtet oder umversetzt und auch keine Aufgaben abgeschichtet, sondern es ist eine haushalterische Umschichtung von Haushaltsmitteln in unserem Ressort, die im Übrigen im Jahr 2022 auch so oder so stattgefunden hätte. Wir sind ja eine sehr, sehr große Organisation mit rund 265 000 Frauen und Männern, wo auch ablauforganisatorisch viel Bewegung ist. Ich gebe Ihnen einfach mal ein Beispiel. Das Thema Altersteilzeit. Da werden Haushaltsstellen frei. Die werden dann entsprechend abgeschichtet. Und so ist das auch in diesem Fall entstanden, diese Idee, und das BMVg stellt diese Stellen auch gerne zur Verfügung.

Weil die Frage vielleicht noch mit aufkommen könnte: Das sind keine äquivalenten Haushaltsstellen, also, sprich, nicht B6 für B6, sondern eine Verfügungsmasse an Geldern, die frei wird. Aus diesem Bereich sind das Gelder aus dem mittleren Dienst, zivil, und es entsteht weder Menschen ein Schaden, noch hat der Geschäftsbereich BMVg da irgendwelche Nachteile.

FRAGE HAUCK: Dafür ist wahrscheinlich das BMF zuständig. Mit welchen jährlichen Kosten rechnen Sie? Wir wissen jetzt nicht, wie lange diese Büros in der Stärke betrieben werden, aber mit welcher Summe kalkulieren Sie im ersten Schritt?

NIMINDÉ-DUNDADENGAR: Vielen Dank für die Frage. Zum Vorgang zur Vorlage des Bundeskanzleramts in dieser Sache hat sich Herr Seibert schon geäußert. Auch das Bundesverteidigungsministerium hat sich dazu verhalten. Die konkreten Zahlen zu den Ausgaben müsste ich nachreichen.

FRAGE GRIMM: Herr Seibert, könnten Sie uns vielleicht sagen, ob Frau Baumann und Frau Christiansen auf diese beiden Leitungsstellen kommen? Oder Sie?

STS SEIBERT: Frau Baumann wird das zukünftige Büro der Bundeskanzlerin a. D. nicht leiten, und auch Frau Christiansen nicht.

VORS. SZENT-IVÁNYI: Dann habe ich noch eine Frage von Herrn Reitschuster: Die Haushaltspolitikerin Gesine Lötzsch von der Linkspartei warf der Kanzlerin vor, sie wolle wohl ein Schattenkanzleramt aufmachen. Wie kommentieren Sie das?

STS SEIBERT: Ich kommentiere keine Äußerungen aus dem parlamentarischen Raum. Ich habe hier dargelegt, was es zu diesem Thema aus Sicht des Kanzleramtes heute darzulegen gibt.

NIMINDÉ-DUNDADENGAR: Ich könnte zu Ihrer Frage nach den Summen nachreichen, dass sie diese anhand der Stellen errechnen können. Wenn Ihnen die Stellen bekannt sind, dann können Sie die Summe daraus berechnen.

STS SEIBERT: Ich will Herrn Grimm lieber noch etwas nachreichen, weil ich das gerade vergessen habe: Auch ich werde es nicht leiten. Nicht dass Sie wegen der Auslassung meines Namens jetzt Schlüsse ziehen!

VORS. SZENT-IVÁNYI: Herr Esipov von der Deutschen Welle fragt, an das Auswärtige Amt gerichtet: Würde sich Deutschland an einer Rückführung der Migranten aus Belarus in die Herkunftsländer beteiligen und, wenn ja, in welcher Form?

BURGER: Wir stehen zu dieser und zu anderen Fragen natürlich im Austausch mit unseren Partnern, auch mit den internationalen Organisationen, die den Auftrag haben, sich um Migranten und Flüchtlinge zu kümmern. Wir wissen, dass das irakische Außenministerium erklärt hat, dass sich 170 Irakerinnen und Iraker für eine zeitnahe Rückführung aus Belarus gemeldet hätten, dass derzeit die notwendigen Pässe ausgestellt würden und dass es Gespräche mit den belarussischen Stellen zur Umsetzung gebe.

Insofern bietet sich uns im Moment der Eindruck, dass es von irakischer Seite ein aktives Bemühen gibt, den irakischen Staatsangehörigen eine Rückkehr zu ermöglichen. Ich kann jetzt nicht von konkreten Plänen berichten, dass die Bundesregierung dabei eine Rolle spielt.

VORS. SZENT-IVÁNY: Der Kollege Ratz von Reuters fragt, an das Innenministerium gerichtet: Wie ist aktuell die Lage an der deutsch-polnischen Grenze mit Blick auf die ankommenden Flüchtlinge?

ALTER: Der Trend der Feststellung an der deutsch-polnischen Grenze ist in den letzten Tagen niedriger gewesen als in den Tagen zuvor. Wir hatten am vergangenen Wochenende insgesamt etwa 260 Feststellungen von unerlaubt eingereisten Personen. Das sind im Schnitt zwischen 70 und 80 pro Tag. Ich erinnere daran, dass wir vor einigen Wochen einen deutlich höheren Schnitt von 400 pro Tag hatten. Insofern sind zumindest an der deutsch-polnischen Grenze die Zahlen etwas zurückgegangen.

VORS. SZENT-IVÁNYI: Herr Nehls fragt Herrn Seibert: Es hält sich die Kritik am Telefonat von Bundeskanzlerin Merkel mit Lukaschenko. Hat die Bundeskanzlerin in ihrer Regierungszeit auch vorher schon einmal mit zweifelhaft ins Amt geratenen Regierungschefs gesprochen, um bestimmte Ziele zu erreichen?

Ich füge die Frage von Herrn Esipov hinzu: Was hat Herr Lukaschenko der Kanzlerin zur Lösung der Krise an der Grenze vorgeschlagen, und für wann ist das nächste Gespräch mit Herrn Lukaschenko geplant?

STS SEIBERT: Das ist eine Menge auf einmal. Ich will einmal so beginnen: An der Grenze von Belarus zu Polen besteht eine dramatische und aus humanitären Gesichtspunkten sehr besorgniserregende Lage, eine Lage, in der Tausende von Menschen leiden. Wir wissen, dass das Regime in Belarus diese Lage herbeigeführt hat und dass es Verantwortung für sie trägt. Das haben wir gemeinsam mit unseren europäischen Partnern auch immer klar gesagt. Um diese besorgniserregende humanitäre Lage für Tausende von Menschen zu verbessern, hat es Sinn, auch mit denen zu sprechen, die in Minsk die Möglichkeiten haben, diese Situation zu verändern, auch wenn es um einen Machthaber geht, dessen Legitimität Deutschland wie alle anderen europäischen Mitgliedsstaaten nicht anerkennt.

Darum hat die Bundeskanzlerin mit Herrn Lukaschenko telefoniert, eben um humanitäre Auswege zu finden, um beispielsweise dem UNHCR Zugang zu verschaffen. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen steht zur Verfügung, und wir sehen jetzt, dass erste Hilfe die Menschen vor Ort erreicht. Wichtig ist, dass daraus ein permanent gewährter Zugang für UNHCR und für IOM wird. Sie hat dieses Telefonat eng mit der Europäischen Kommission abgestimmt geführt und nach vorheriger Information wichtiger Partner, gerade auch in der Region.

Ich will noch einmal sagen: Die Haltung der EU in dieser Krise ist exakt auch unsere Haltung. Die Linie der EU beispielsweise bei der Verschärfung der Sanktionen ist exakt auch unsere Haltung. Wir bringen uns engagiert in die europäischen Beratungen ein, zuletzt Außenminister Maas beim Rat der Außenminister. Seien Sie gewiss, dass die Bundeskanzlerin, wenn sie solche Telefonate führt, darin natürlich auch die bekannten europäischen Positionen vertritt.

FRAGE JESSEN: Hat Herr Lukaschenko der Kanzlerin in dem Telefonat irgendwelche Zusagen gegeben, oder hat er nur zur Kenntnis genommen? Können Sie uns etwas darüber sagen?

STS SEIBERT: Ich habe über dieses Telefonat heute nicht mehr zu sagen als das, was wir in der Pressemitteilung darüber bekanntgegeben haben.

VORS. SZENT-IVÁNYI: Ich habe online noch die Frage von Herrn Taibi von Al Jazeera: Wie wahr ist die Ankündigung der deutschen Behörden in München, Flüchtlinge von der weißrussisch-polnischen Grenze aufzunehmen?

ALTER: Ich weiß jetzt nicht, woher das aktuell kommt. Wir hatten am vergangenen Wochenende einmal die Gerüchtelage, dass es Planungen gebe, Menschen aus Weißrussland, aus Belarus, nach Deutschland aufzunehmen. Das ist falsch; das haben wir auch dementiert. Solche Planungen gibt es nicht. Ich denke, dass die aktuellen Entwicklungen, die wir dort sehen, noch einmal deutlich zeigen: Der Weg nach Belarus ist für die meisten Menschen, die nach Deutschland wollen, eine Sackgasse. Es gibt keine Planungen, Aufnahmen zu bewilligen.

FRAGE VOLLRADT: Meine Frage geht an das BMVg. Sie bezieht sich auf den Fall der Frau Oberstleutnant B., die als Transgender eine gewisse Prominenz erzielte und in einem öffentlich zugänglichen YouTube-Podcast unter anderem sagte ich zitiere wörtlich : Ich lasse mich gern vögeln in Darkrooms. Ich bin in einem Kollektiv. Wir machen unsere eigenen sexpositiven Partys. Es ist geil.

Auf unsere Anfrage, inwieweit dies mit § 17 des Soldatengesetzes, wonach das Verhalten eines Soldaten auch außerhalb des Dienstes das Ansehen der Bundeswehr nicht ernsthaft beeinträchtigen darf, vereinbar ist, teilten Sie mit, Sie könnten dies aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht kommentieren.

Im Unterschied dazu haben Sie im vergangenen Jahr im Falle eines anderen Offiziers, der als Referent bei Ihnen im Hause tätig war und auf Instagram ein falsches Gefällt-mir geklickt hat, hier in der Pressekonferenz sowie via Twitter die Vorwürfe gegen den Soldaten aufgegriffen und mitgeteilt, man werde das umgehend sorgfältig prüfen und habe sofort Ermittlungen eingeleitet.

Ich frage also: Wie begründen Sie diese Ungleichbehandlung? Wieso gilt für den einen Offizier, der sogar prominent in der Öffentlichkeit steht, der Persönlichkeitsschutz und für den anderen nicht?

RUOTSI: Das trifft sich gut, dass Sie mir die Frage stellen. Denn ich habe Ihnen auf beide Anfragen geantwortet, und es gilt nach wie vor der Persönlichkeitsschutz. Ich sehe überhaupt keine Ungleichbehandlung. Ich werde zu beiden keine Stellung nehmen. Was ich Ihnen aber grundsätzlich sagen kann, ist, dass, wenn wir den Eindruck bekommen oder es Meldungen gibt, dass etwas unrechtmäßig läuft, wir uns das dann selbstverständlich sehr genau anschauen, und darüber hinaus kommentiere ich beide Fälle nicht.

ZUSATZ VOLLRADT: Aber noch einmal die Frage: Sie haben aber in dem vorigen Fall diesen Fall öffentlich durchaus kommentiert, und er war einer konkreten Person zuzuordnen.

RUOTSI: Das teile ich nicht. Ich habe gar nichts kommentiert. Das sind Persönlichkeitsschutzrechte, und alle werden gleichbehandelt, und das gilt in beiden Fällen so, und es gibt, wie gesagt, inhaltlich zu beiden Fällen nichts zu ergänzen.

ZUSATZ VOLLRADT: Inhaltlich nicht, aber Herr Thiels hat damals hier in der BPK dazu Stellung genommen.

RUOTSI: Ich habe meinen Ausführungen nichts hinzuzufügen.

FRAGE LÜCKING: Wäre in dieser Hinsicht nicht eine Differenzierung notwendig? Der angesprochene Fall von damals hatte ja dienstliche Inhalte. Der jetzt angesprochene Fall hat ja rein private Inhalte. Wäre es nicht an der Zeit, die Social-Media-Regeln der Bundeswehr diesbezüglich noch einmal deutlich zu überarbeiten?

RUOTSI: Vielen Dank, Herr Lücking. Sie haben, denke ich, verfolgt, dass die Social-Media-Regeln angepasst wurden. Das ist ja auch schon ich weiß nicht zwei Jahre her. Das wird kontinuierlich weitergeprüft, das, was das Thema „Social-Media-Regeln“ angeht.

Was eine Differenzierung angeht, so teile ich das nicht. Es ist eine sehr klare gesetzliche Vorgabe. Das hat auch nichts damit zu tun, dass wir uns sperren würden, irgendetwas zu sagen. Wir dürfen es schlichtweg nicht aus rechtlicher Sicht, und dem kommen wir selbstverständlich nach, und wenn Sie unterscheiden in privat und in so sage ich mal dienstlich, dann tun wir das selbstverständlich auch. Zu beiden Fällen kann ich Ihnen nicht mehr sagen als das, was ich gerade getan habe.

VORS. SZENT-IVÁNYI: Ich habe noch eine Frage zum Konflikt zwischen Russland und der Ukraine von Olga Tanasiichuk von einer ukrainischen Nachrichtenagentur: Am 15. November hat Russlands Präsident Putin das Dekret über die Anerkennung der sogenannten Warenursprungsbescheinigung in den von Moskau besetzten Gebieten im Osten der Ukraine durch die Russische Föderation ausgestellt. Wie ist die Stellungnahme der Bundesregierung zu dieser Entscheidung?

BURGER: Die Antwort darauf muss ich Ihnen nachreichen.

FRAGE LÜCKING: An das Bundesinnenministerium: Die „Neue Osnabrücker Zeitung“ hatte Zahlen berichtet, die das Bundesinnenministerium in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion gemeldet hat. Demnach sind 22 738 Aufnahmezusagen für Menschen aus Afghanistan ausgesprochen worden. Wie viele dieser Menschen haben bereits einen Anspruch geltend gemacht und sind eingereist?

Was die Sicherheitsüberprüfungen betrifft, fehlt mir seit Montag noch die Rückmeldung aus Ihrem Haus, und dazu habe ich generell auch die Frage: Wie viele Sicherheitsüberprüfungen wurden durchgeführt und abgelehnt?

ALTER: Das sind ja einige Fragen gewesen ich versuche es einmal in der Reihenfolge.

Sie haben die Zahl von rund 22 000 Aufnahmezusagen genannt und daran die Frage angeknüpft: Wie viele Leute haben einen Anspruch geltend gemacht? Eine Aufnahmezusage des BMI ist eine verlässliche Zusage der Behörden, auf die sich die Betroffenen berufen können. Das heißt also, alle diejenigen, die eine Aufnahmezusage erhalten haben, können sich darauf berufen und haben damit diesen Anspruch, nach Deutschland einzureisen. Bis zum vergangenen Montag, dem 15. November, sind seit dem 16. August 2021 bereits insgesamt 7600 Personen nach Deutschland eingereist, davon 6689 afghanische Staatsangehörige.

Zur Sicherheitsüberprüfung möchte ich noch einmal hervorheben: Die Sicherheitsüberprüfung ist im Grundsatz ein rein technischer Prozess. Das heißt, es werden Personendaten alphanumerische und biometrische Daten zu den Betroffenen in die Systeme eingegeben, dann wird ein Abgleich mit den in Deutschland vorhandenen Datenbanken durchgeführt, um zu schauen, ob schon Daten vorhanden sind, und dann gibt es ein Ergebnis dieser Überprüfung. Das ist im Regelfall, also in der ganz überwiegenden Anzahl der Fälle, innerhalb weniger Minuten, teilweise in Sekundenschnelle, erledigt, weil es ein technischer Vorgang ist. Wenn es einen Treffer in einem System gibt, dann muss es natürlich manuell per Konsultation derjenigen Behörde, die Informationen vorliegen hat, nachgeprüft werden. Das kann dann im Einzelfall auch einmal länger dauern. Es gibt aber ganz wenige Fälle, in denen das der Fall ist. Insofern ist das zumindest kein Flaschenhals, wie das manchmal beschrieben wird; dass die Sicherheitsüberprüfung den Prozess in irgendeiner Weise verlängern würde, ist also nicht der Fall.

Die Anzahl der Fälle, in denen es Bedenken gab, ist ausgesprochen gering. Ich habe jetzt keine konkrete Zahl dabei.

BURGER: Ich würde gerne noch einen Satz ergänzen: Eine Maßzahl dafür, in welcher Geschwindigkeit diese Zusagen von den Betroffenen eingelöst oder umgesetzt werden, ist vielleicht auch, dass unsere Visastellen in der Region seit Ende der militärischen Evakuierung inzwischen über 3000 Visa für Ortskräfte und besonders Gefährdete ausgestellt haben, davon rund 1500 allein in den letzten drei Wochen. Das zeigt also, dass die Geschwindigkeit, mit der es Menschen gelingt, aus Afghanistan auszureisen, und mit der wir sie auch in die Lage versetzen, sicher nach Deutschland zu kommen, deutlich anzieht. Darüber sind wir sehr froh.

Ende der Woche werden zudem insgesamt 2000 Menschen mit organisierten Charterflügen nach Deutschland weitergereist sein. Sie haben mitbekommen, dass wir letzte Woche auch den ersten direkten Charterflug aus Afghanistan mit 329 Menschen an Bord durchführen konnten.

ZUSATZFRAGE LÜCKING: Wie schnell rechnen Sie damit, dass die aktuell rund 25 000 angenommenen Menschen dann letztendlich nach Deutschland ausreisen können? Irgendwann war einmal von zweieinhalb Jahren die Rede. Rechnet man jetzt damit, dass das schneller geht? Denn das ist ja auch etwas, was die künftige Regierung durchaus noch über die halbe Regierungsdauer belasten wird.

BURGER: Ich möchte einmal gern diesen zweieinhalb Jahren widersprechen, weil das eine Zahl ist, die definitiv nie von dieser Stelle aus bzw. bestimmt nicht vonseiten der Bundesregierung genannt wurde. Das wurde, glaube ich, ausgehend von einer Zahl von 200 pro Woche, die irgendwann einmal durch den Raum geisterte, aber auch nie eine offizielle Angabe der Bundesregierung war, hochgerechnet. Deswegen möchte ich einmal sagen: Davon ist nichts belastbar.

Ich habe Ihnen gerade gesagt, wie es uns in den letzten Wochen gelungen ist, die Geschwindigkeit deutlich zu beschleunigen. Wir hoffen, dass wir das auch noch weiter deutlich beschleunigen können. Wie Sie wissen, ist einer der Flaschenhälse im Moment die Tatsache, dass die Möglichkeit für Menschen, ohne Pass aus Afghanistan auszureisen, im Moment nicht gegeben ist. Wir hoffen, dass wir dafür bald Lösungen finden, die es dann einer großen Zahl von Leuten ermöglichen würde auszureisen. Das würde den Prozess extrem beschleunigen.

Es wäre aber, glaube ich, nicht seriös, wenn ich hier jetzt eine konkrete Angabe machen würde, in welchem Zeitraum die Ausreise für alle Leute möglich sein wird; denn das hängt einfach von zu vielen Faktoren ab, die wir nicht kontrollieren können. Die Regeln für den Grenzübertritt können sich jederzeit wieder ändern, ohne dass wir das wirklich beeinflussen oder kontrollieren können. Letztlich müssen wir auch damit rechnen, dass es, auch wenn es dem Gros der Menschen gelungen ist auszureisen, immer noch einzelne Menschen geben wird, die in einer besonders schwierigen persönlichen Lage sind und wo uns das noch mehr Zeit kosten wird.

FRAGE VOLLRADT: Zum Thema Aufnahmezusagen an das AA: Sie haben eine Anfrage von uns länger nicht beantwortet, deswegen frage ich hier noch einmal. Es gibt Berichte, dass das Auswärtige Amt darüber informiert war, dass Leuten die Aufnahmezusage vor Abflug aberkannt wurde, aber erst nach dem Abflug der Maschinen die Botschaft vor Ort in Islamabad informierte, sodass diese Personen dann ohne Visum in Deutschland standen. Können Sie dazu etwas sagen? Warum wurde diese Informationsweitergabe verzögert?

BURGER: Ich kann dazu sagen: Wir wissen, dass es einzelne Fälle gab wirklich eine sehr geringe Anzahl von Fällen , in denen Aufnahmezusagen zurückgezogen wurden, nachdem die Personen bereits Visa erhalten hatten. Die Information lag dann nicht immer rechtzeitig in Islamabad vor, um die Visa vor Abflug nach Deutschland zu annullieren. Die Mehrzahl dieser Fälle konnte aber dahingehend geklärt werden, dass das Zurückziehen der Aufnahme fehlerhaft gewesen war, sodass die Menschen letztlich doch rechtmäßig nach § 22 Satz 2 Aufenthaltsgesetz aufgenommen werden konnten.

FRAGE JESSEN: Haben Sie Anhaltspunkte dafür, dass es unter den 25 000 Zusagen auch Fälle gibt, in denen kein ernsthafter Wunsch dahintersteht, dann tatsächlich nach Deutschland zu kommen, in denen also sozusagen prophylaktisch Zusagen erteilt wurden? Oder gehen Sie davon aus, dass eigentlich alle, die jetzt eine Zusage haben, tatsächlich nach Deutschland kommen möchten?

BURGER: Ich glaube, darüber könnte man nur spekulieren, und das möchte ich an dieser Stelle nicht tun. Natürlich hat jeder der Betroffenen sozusagen bis zu letzten Minute die Möglichkeit, sich dagegen zu entscheiden. Sie wissen auch, dass wir neben den Ortskräften auch den Kreis der sogenannten Menschenrechtsliste haben. Das sind Menschen, die einen Deutschlandbezug haben, aber die möglicherweise auch Bezüge zu anderen Staaten haben, sodass es möglicherweise auch Optionen gibt, dass sie in anderen Staaten aufgenommen werden. Ich habe dazu aber keine belastbaren Einschätzungen.

VORS. SZENT-IVÁNYI: Dann ich noch ein letztes Thema von Herrn Taibi von Al Jazeera, und zwar geht es um Nord Stream 2. Die Frage lautet: Bedeutet die Aussetzung der Genehmigung für das Nord-Stream-2-Projekt das Ende des Projekts? Stecken politische Hintergründe hinter dieser Entscheidung? Die Frage geht wahrscheinlich an das Wirtschaftsministerium.

UNGRAD: Die Bundesnetzagentur ist hier eigentlich der richtige Ansprechpartner. Was ich Ihnen sagen kann, ist, dass die Bundesnetzagentur im Zertifizierungsverfahren nach eingehender Prüfung der Unterlagen zu dem Ergebnis gelangt ist, dass eine Zertifizierung eines Betreibers der Leitung Nord Stream 2 nur dann in Betracht kommt, wenn der Betreiber in einer Rechtsform nach deutschem Recht organisiert ist. Das muss umgesetzt werden und wird jetzt umgesetzt. Die Nord Stream 2 AG hat ihren Sitz ja in Zug in der Schweiz, und sie hat sich entschlossen, eine Tochtergesellschaft nach deutschem Recht zu gründen. Das Zertifizierungsverfahren bleibt so lange ausgesetzt, bis die Übertragung der wesentlichen Vermögenswerte, personellen Mittel usw. auf die Tochtergesellschaft abgeschlossen ist und die Bundesnetzagentur hierfür die notwendigen Unterlagen erhält. Wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, dann kann die Bundesnetzagentur ihre Prüfung innerhalb des verbleibenden Restes der vom Gesetz vorgesehenen viermonatigen Frist fortsetzen.

Das ist also ein regulatorischer Akt, der aufgrund des Auftrags der Bundesnetzagentur erfolgt ist, und kein politischer Akt. Das sind einfach regulatorische Fragen.

BURGER: Ich hätte noch eine Nachlieferung: Zu der Frage nach Russland und der Ukraine kann ich sagen, dass der vom russischen Staatspräsidenten Putin am 15. November unterzeichnete Erlass, wonach die Einfuhr von Waren aus von den Separatisten kontrollierten Gebieten in der Ukraine nach Russland erleichtert und diese Waren hinsichtlich staatlicher Beschaffung russischen Waren gleichgestellt werden, Geist und Buchstabe der Minsker Vereinbarungen diametral entgegensteht und die weitere Spaltung des Donbass befördert.

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