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Bundesregierung für Desinteressierte: BPK vom 16. März 2022

Themen: Kabinettssitzung (Bundeshaushalt, Sondervermögen „Klima- und Transformationsfonds“, Sondervermögen „Bundeswehr“, Steuerentlastungsgesetz 2022, Entwurf eines Gesetzes zur Regelung eines Sofortzuschlags für Kinder und einer Einmalzahlung an erwachsene Leistungsberechtigte der sozialen Mindestsicherungssysteme), Besuch von NATO-Generalsekretär Stoltenberg im Bundeskanzleramt, Besuch des spanischen Ministerpräsidenten im Bundeskanzleramt, Angriff Russlands auf die Ukraine, Gespräche über das iranische Atomprogramm, COVID-19-Pandemie, Füllstände der Gasspeicher in Deutschland

Themen/Naive Fragen zu:
00:00 Beginn
0:38 Vorstellung BMU
1:32 Bericht aus dem Kabinett
9:11 Tilo zu Schwerpunkte im Haushalt
10:55 Sondervermögen Bundeswehr
11:47 Tilo zu F35-Kosten
15:15 Strom- und Gaspreise
15:57 Tilo zum “Sofortzuschlag” €20
17:40 Ukraine/Russland
25:37 RT & Sputnik Sanktionen
27:35 Tilo zu RT & Sputnik & Pressefreiheit
33:30 Deutsche Banken & Russen
36:29 Spritpreise
38:58 Tilo zu Ölpreis vs Benzinpreis
40:35 Kaspersky-Antivirenprogramm
43:26 Tilo zu Gasabkommen mit Italien
46:39 Iran-Verhandlungen
49:45 Impfstoff-Patente
50:26 Tilo zu Aussageverweigerung Merkel
51:30 Füllstand Gasspeicher
52:14 Omikron-Varianten

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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 16. März 2022:

VORS. FELDHOFF eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt STS HEBESTREIT sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

STS HEBESTREIT: Was die Kabinettssitzung betrifft, so wird Ihnen Bundesfinanzminister Lindner den zweiten Regierungsentwurf zum Bundeshaushalt 2022, die Eckwerte für den Bundeshaushalt 2023 und den Finanzplan bis 2026 im Anschluss an die Pressekonferenz vorstellen. Daher jetzt nur eine kleine Erläuterung.

Das Verfahren für das Aufstellen des Haushalts umfasst, wenn man so will, drei Schritte: erst die Eckwerte, dann den Regierungsentwurf und danach die Befassung des Parlaments. Für den Haushalt 2022, also für das laufende Jahr, befinden wir uns jetzt in Stufe 2. Heute ist der Regierungsentwurf für den Haushalt beschlossen worden, der für das nächste Jahr gilt. Hierzu befinden wir uns in der Stufe 1, bei den Eckwerten. Dazu gehört immer der Finanzplan bis 2026.

Damit komme ich zum Bundeshaushalt für das laufende Jahr. Dieser sieht Einnahmen und Ausgaben in Höhe von 457,6 Milliarden Euro vor und bildet wie sollte es anders sein? wichtige politische Schwerpunkte des Koalitionsvertrages ab. Dabei geht es um Zukunftsinvestitionen insbesondere in den Bereichen Klimaschutz, Digitalisierung, Bildung und Forschung einschließlich der dafür nötigen Infrastruktur.

Klar ist: Die finanzpolitische Ausgangslage zu Beginn der Legislaturperiode ist schwierig, insbesondere aufgrund der Coronapandemie. Die Bundesregierung tritt den Folgen der Coronapandemie mit zielgerichteten Maßnahmen entschlossen entgegen und wird einen nachhaltigen wirtschaftlichen Aufholprozess ermöglichen. Aufgrund der außergewöhnlichen Notsituation wird abermals die Ausnahmeregelung nach Artikel 115 Grundgesetz in Anspruch genommen. Für das Jahr 2023 ist wieder die Einhaltung der regulären Kreditobergrenze vorgesehen.

Alles Weitere dazu wird der Bundesfinanzminister vortragen.

Nun zu den Eckwerten 2023 und zum Finanzplan 2026. Sie sind die Grundlage für das weitere regierungsinterne Haushaltsaufstellungsverfahren. Hierbei werden vor allem die großen Zukunftsaufgaben in den Bereichen Klimaschutz und Digitalisierung angegangen. Es geht darum, aus dem finanzpolitischen Krisenbekämpfungsmodus in den Gestaltungsmodus zu wechseln. Wir wollen die notwendigen Investitionen vornehmen, um den Umbau der deutschen Volkswirtschaft zu einer nachhaltigen, klimaneutralen und digitalen Volkswirtschaft zu meistern.

Die Bundesregierung hat gleich zu Beginn der Legislaturperiode eine zusätzliche Zuführung von 60 Milliarden Euro an das Sondervermögen „Energie- und Klimafonds“ beschlossen und heute auch beschlossen, dass dieses Sondervermögen künftig den schönen Titel „Klima- und Transformationsfonds“ tragen wird. Der Zweck des Sondervermögens ist heute entsprechend angepasst worden. – So weit zum Haushalt im Besonderen.

Dann sind natürlich noch das Sondervermögen „Bundeswehr“ und die Änderung des Artikels 87a GG zu nennen. Heute sind die rechtlichen Grundlagen für die Errichtung diese Sondervermögens vom Bundeskabinett beschlossen worden. Es soll in Höhe von 100 Milliarden Euro für die Finanzierung bedeutsamer Ausrüstung und Vorhaben, insbesondere komplexer überjähriger Maßnahmen zur Stärkung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit, errichtet werden. Gleichzeitig ist auch der Gesetzentwurf zur verfassungsrechtlichen Absicherung des Sondervermögens beschlossen worden. Er sieht einen neuen Absatz 1a in Artikel 87 des Grundgesetzes vor, der den Bund durch eine einmalige Kreditermächtigung zur Errichtung des Sondervermögens berechtigt. Diese Kreditermächtigung schlägt nicht bei der Kreditobergrenze der Schuldenregel zu Buche. Hier besteht also diese Ausnahme, von der Sie ja schon oft berichtet haben.

Das Kabinett hat heute auch das Steuerentlastungsgesetz 2022 beschlossen. Damit werden die steuerlichen Maßnahmen aus dem von der Regierungskoalition vor gut drei Wochen beschlossenen Entlastungspaket umgesetzt. Das Entlastungspaket hat ein Volumen von insgesamt 15 Milliarden Euro. Damit sollen vor allem Bürgerinnen und Bürger mit kleinem und mittlerem Einkommen profitieren. Es umfasst Entlastungen bei der Stromrechnung, Einmalzahlungen für die Beziehenden existenzsichernder Leistungen sowie die Steuererleichterungen, um die es jetzt geht. Das bedeutet konkret: Der Arbeitnehmerpauschbetrag wird um 200 Euro auf 1200 Euro angehoben. Der Grundfreibetrag bei der Einkommensteuer steigt um 363 Euro auf 10 347 Euro. Die bereits beschlossenen Stufen zur Erhöhung der Entfernungspauschale für Fernpendler werden um zwei Jahre vorgezogen. Die Pauschale steigt jetzt rückwirkend zum 1. Januar von 35 auf 38 Cent pro Kilometer.

Damit nicht genug, hat das Kabinett aufgrund der COVID-19-Pandemie auch noch den Entwurf eines Gesetzes zur Regelung eines Sofortzuschlags für Kinder und einer Einmalzahlung an erwachsene Leistungsberechtigte der sozialen Mindestsicherungssysteme beschlossen. Mit dem Gesetz soll zum einen ein monatlicher Sofortzuschlag von 20 Euro für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die mit ihren leistungsberechtigten Eltern in einem Haushalt leben, eingeführt werden. Dies soll gelten, wenn das Kind entweder einen Leistungsanspruch nach SGB II oder SGB XII, also nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, oder auf ergänzende Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Bundesversorgungsgesetz hat. Außerdem wird der Sofortzuschlag auch für Kinder gezahlt, deren Eltern Kinderzuschlag erhalten. Damit will die Bundesregierung dazu beitragen, die Lebensumstände und Chancen der Kinder und Jugendlichen zu verbessern. Der Sofortzuschlag wird erstmalig im Juli ausgezahlt – nicht zum 1. Juli, aber zum ersten Mal im Juli. Zum anderen sollen alle erwachsenen Leistungsberechtigten aufgrund der Belastungen durch Corona eine Einmalzahlung von 100 Euro erhalten.

Nun habe ich noch zwei Dinge anzukündigen.

Der Bundeskanzler empfängt am morgigen Donnerstag um 11.30 Uhr NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg im Bundeskanzleramt. Vor dem Gespräch wird es kurze Pressestatements geben. Das Thema des Treffens ist sicherlich bekannt.

Am Freitag, am späteren Abend um genau zu sein, um 20.30 Uhr wird er den Ministerpräsidenten Spaniens, Pedro Sánchez, im Bundeskanzleramt empfangen. Im Rahmen eines Abendessens werden vor allem die Vorbereitung des Europäischen Rats in der nächsten Woche und selbstverständlich auch der russische Angriff auf die Ukraine und dessen Auswirkungen im Mittelpunkt stehen.

Ob wir, wie wir, wann wir am späteren Freitagabend noch eine Pressebegegnung dazu machen, gilt es noch zu entscheiden. Darüber werde ich beziehungsweise wird Sie mein Kollege oder meine Kollegin am Freitag in Kenntnis setzen. – So weit der kurze Bericht aus dem Kabinett.

FRAGE JUNG: Herr Hebestreit, Sie haben wichtige Schwerpunkte des Haushalts angesprochen und unter anderem Klima und Digitales genannt. Soziales haben Sie nicht genannt. Das überrascht mich, weil Sie ja Sprecher eines SPD-Kanzlers sind. Wo ist der Schwerpunkt Soziales in Ihrem Haushalt?

STS HEBESTREIT: Ehrlich gesagt, bin ich Sprecher der Bundesregierung und nicht Sprecher eines sozialdemokratischen Kanzlers allein. Die Antwort auf diese Frage wird Ihnen der Bundesfinanzminister in Gänze geben können. Ich glaube, dabei geht es vor allem um die Schwerpunktsetzung, die über das, was ohnehin in diesem Haushalt immer abgebildet ist, hinausgeht. Dabei geht es um die Frage des Klimaschutzes, dabei geht es um die Frage der Digitalisierung. Das ist in den letzten Wochen auch breit diskutiert worden.

ZUSATZFRAGE JUNG: Ich erwarte von einem FDP-Chef und Finanzminister Lindner nicht, dass er den Schwerpunkt auf Soziales legt, das erwarte ich aber von einem sozialdemokratischen Kanzler. Warum gibt es keinen Schwerpunkt „Soziales“ in Ihrem Haushaltsplan?

STS HEBESTREIT: Herr Jung, vielleicht lassen Sie sich von einer Bundesregierung, die sehr geschlossen und gemeinsam als Bundesregierung aus SPD, FDP und Grünen besteht und nicht als Vertreter einzelner Parteien agiert, überraschen. Ein Haushalt ist immer das Gesamtwerk einer Bundesregierung.

FRAGE JOLKVER: Herr Hebestreit, wurde bei dem Sondervermögen „Bundeswehr“ schon vorläufig darüber diskutiert, was am nötigsten ist, was an erster Stelle gekauft werden soll?

Gehören die Ausgaben für die F-35 zu diesen 100 Milliarden, oder sind das gesonderte Ausgaben?

STS HEBESTREIT: Erst einmal ging es heute um das Sondervermögen. Parallel dazu laufen Gespräche, wie man dieses Geld in den kommenden Monaten und Jahren ausgeben will. Dabei geht es vor allem um überjährige, langfristige Maßnahmen. Sollte man dazu kommen, wie Sie unterstellen, die F-35 zu bestellen, und sollte es dann zu einem Vertragsabschluss kommen, dann würde das auch aus diesem Geld beglichen werden können.

FRAGE JUNG: Eine Lernfrage: Was kostet eigentlich eine F-35? Was wird also diese Bestellung kosten? Sind es zwischen 80 und 100 Millionen Dollar pro Stück? Herr Collatz, können Sie uns etwas dazu sagen?

STS HEBESTREIT: Ich könnte Herrn Collatz interpretieren, aber das möchte ich jetzt nicht tun.

ZUSATZFRAGE JUNG: Es wird ja nicht geheim sein, was so etwas kostet, oder?

COLLATZ: Es ist nicht geheim, aber unbekannt. Die Entscheidung steht aus. Der Regierungssprecher hat eben die Reihenfolge deutlich gemacht. Wir müssen in die Verhandlungen eintreten und dem Parlament dieses Projekt, dann, wenn es entscheidungsreif ist, vorstellen. Das ist noch nicht so weit. Daher kann ich noch keine seriösen Preismargen nennen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Aber als Laie meine ich, wenn man etwas bestellt, dann muss man auch wissen, wie teuer es ist, oder?

COLLATZ: Genau. Wenn man es bestellt, muss man das wissen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Aber Sie haben es noch nicht offiziell bestellt, sondern Sie wollen es noch bestellen?

COLLATZ: Das ist die Ankündigung einer Absichtserklärung.

FRAGE DR. RINKE: Eine Sachfrage: Herr Collatz, wenn es zu einer Bestellung dieser F-35 oder anderer Rüstungsgüter mit Mitteln aus diesem Sondervermögen kommt, muss diese dann ganz normal mit einem Beschaffungsauftrag durch den Haushalt gehen, oder gibt es eine Sonderregelung für dieses Sondervermögen?

COLLATZ: Nein. Ich habe hier schon mehrmals deutlich gemacht, dass die Vorgaben für die Ausgabe von Haushaltsmitteln immer die gleichen sind. Das durchläuft immer denselben Prozess. Selbstverständlich spielt das Parlament dabei ein ganz wichtige Rolle.

FRAGE JORDANS: Herr Collatz, welche Preisspanne hat man Ihnen denn für diese Flugzeuge genannt? Es gibt sie sicherlich in verschiedenen Ausstattungen.

COLLATZ: Ich kann nur wiederholen, was ich eben Herrn Jung schon geantwortet habe: Gar keine. So weit sind wir noch gar nicht.

ZUSATZFRAGE JORDANS: Aber Sie haben doch vor ein paar Tagen gemeinsam mit der amerikanischen Botschafterin diese Absicht verkündet. Dahinter muss doch schon eine Vorstellung vom Preis gestanden haben.

COLLATZ: Genau. Die Absicht, dieses Projekt jetzt anzugehen.

STS HEBESTREIT: Wenn man ein solches Projekt in einer größeren Stückzahl angeht, dann ist es klug, sich in den Verhandlungen mit einem Vertragspartner darüber zu verständigen, um wie viel Stück es geht und zu welchem Stückpreis man willens ist, diese abzunehmen. Diese Gespräche haben noch gar nicht begonnen. Ansonsten ist die Frage nach den Kosten eine schwere Frage, weil es, wie Sie zu Recht sagen, sehr unterschiedliche Ausführungen gibt und weil das weil es um private Anteilseigner geht oft eingestufte Informationen sind. Aber Sie wissen ja: Das wird, wenn es soweit ist, das normale Haushaltsverfahren durchlaufen, und dann werden auch die Kosten transparent dargestellt werden.

VORS. FELDHOFF: Zum Entlastungspaket stellt Herr Wiedemann von energate folgende Frage: Die EU-Kommission plant einen fixen Deckel für Strom- und Gaspreise. Wie steht die Bundesregierung dazu, und was würde dieser Deckel kosten?

EINHORN: Dazu, ob so etwas kommt und was es dann kosten würde, kann ich noch nichts sagen, weil die Verhandlungen noch laufen.

FRAGE JUNG: Ich habe eine Frage zum Sofortzuschlag. Herr Hebestreit, können Sie oder vielleicht das BMAS uns aufzeigen, wie man beispielsweise bei Jugendlichen auf 20 Euro kommt und wie das Lebensumstände aktuell verbessern soll? Wie kommt man auf diese Zahl?

PRÜHL: Ich kann Sie nur darum bitten, diese Frage an die die Regierung tragenden Fraktionen zu richten, weil die Höhe der Zuschläge im Koalitionsausschuss von den Parteien vereinbart wurde. Dies ist ja keine Entscheidung, die unser Ministerium getroffen hat.

ZUSATZ JUNG: Es ist ein Regierungsentwurf. Wenn Sie einen Entwurf einbringen und ihn uns verkünden, dann müssen Sie ja auch wissen, was Sie einbringen.

PRÜHL: Die Koalitionsfraktionen haben im Koalitionsausschuss entschieden, dass es 20 Euro Kindersofortzuschlag geben soll, übergangsweise bis zur Etablierung einer Kindergrundsicherung, die ebenfalls im Koalitionsvertrag festgelegt ist.

ZUSATZFRAGE JUNG: Hält den Ihr Ministerium 20 Euro pro Monat zur Verbesserung der Lebensumstände von jungen Menschen für angebracht und sinnvoll?

PRÜHL: Unser Ministerium hält 20 Euro im Monat für eine Verbesserung für Menschen, die mit sehr wenig Geld auskommen müssen und die mit 20 Euro mehr besser auskommen können.

ZUSATZFRAGE JUNG: Aber wären dann aus Ihrer Sicht nicht 100 Euro mehr besser?

PRÜHL: Bestimmt wären auch 800 Euro mehr besser. Aber die Entscheidung wurde nun einmal so getroffen.

FRAGE DR. RINKE: Ich habe eine Frage zu dem Besuch von Herrn Stoltenberg. Herr Hebestreit, Sie haben gesagt, es sei klar, worüber Herr Stoltenberg und der Bundeskanzler reden werden. Werden Sie denn auch darüber reden, ob weitere Länder der NATO beitreten? Damit meine ich jetzt nicht die Ukraine, sondern Länder wie Schweden und Finnland. Ist das eine Aussicht oder ein Plan, den die Bundesregierung unterstützen könnte?

STS HEBESTREIT: Nun habe ich wieder den Fehler gemacht, es flapsig anzukündigen. Selbstverständlich stehen vor allem der Konflikt des russischen Überfalls auf die Ukraine und alle daran anschließenden Fragen im Mittelpunkt. – Dies zur Klarstellung.

Was die Frage nach weiteren NATO-Mitgliedschaften angeht, kann ich dem Gespräch nicht vorgreifen und nicht sagen, ob sie eine Rolle spielen wird. Sie spielen auf Nordeuropa oder auch andere Länder an. Aber das muss man abwarten. Das können Sie, glaube ich, die beiden Herren morgen direkt fragen.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Aber würde denn die Bundesregierung den Beitritt nordeuropäischer Länder zur NATO unterstützen?

STS HEBESTREIT: Damit sind wir jetzt wieder im Hypothetischen. Sie wissen ja, wie wir mit hypothetischen Fragen umgehen. Ich glaube, wenn sich die finnische oder die schwedische Regierung dazu äußerte, dann würden wir uns auch relativ schnell dazu äußern. Wenn ich richtig informiert bin, wird die finnische Ministerpräsidentin heute Abend beim Bundeskanzler zu Gast sein. Insofern kann das noch einmal gefragt werden.

FRAGE DECKER: Mir geht es beim Thema Ukraine um den Aspekt der Flüchtlinge, und ich habe eine Frage an das BMI. Können Sie mir sagen, wer im Moment die Kosten für die Unterbringung und die Versorgung der Kriegsflüchtlinge trägt und wie sich das möglicherweise weiterentwickelt?

Und an Sie, aber auch an Herrn Hebestreit die Frage, ob die Bundesregierung mit spezifischen Vorschlägen in die morgige Ministerpräsidentenkonferenz geht, was den gesamten Komplex der Flüchtlingspolitik angeht.

LAWRENZ: Zu diesem Themenkomplex muss ich eine Vorbemerkung machen. Wenn Sie fragen, wer für die Kosten für Flüchtlinge aufkommt, so müssen wir zunächst berücksichtigen, dass momentan sehr viele Menschen visafrei nach Deutschland einreisen, zunächst bei Freunden oder Familie untergebracht werden und sich diese Frage deswegen nicht zuerst stellt. Sobald ein Schutzersuchen gestellt wird, ist damit ein Leistungsanspruch verbunden. Für diesen ist dann die Kommune zuständig.

ZUSATZFRAGE DECKER: Nun ist ja damit zu rechnen, dass noch sehr viele Menschen kommen werden. Können die Kommunen das leisten? Wenn man zu dem Schluss kommt, dass die Kommunen das nicht leisten können, stellt sich als Nächstes die Frage: Wer übernimmt dann die Kosten? Entsprechende Äußerungen gibt es ja bereits aus dem kommunalen Raum.

LAWRENZ: Soweit ich weiß, sind Bund und Länder dazu im Gespräch und arbeiten an einer Lösung.

STS HEBESTREIT: Sie haben auch mit Blick auf die morgige Zusammenkunft der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mit dem Bundeskanzler gefragt. Genau das ist im Augenblick Gegenstand der Diskussion. Es gab die Flüchtlingssituation in den Jahren 2015 folgende. Insoweit bestehen gewisse eingespielte Verfahren, derer man sich jetzt wieder besinnt. Klar ist, dass man niemanden mit den Kosten alleine lassen will und dass es gerade in einem so immensen Fluchtgeschehen auch nicht um die reine Zuständigkeit gehen kann. Nach aktuellem Stand sind inzwischen 175 000 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine in Deutschland. Da sie keine Registrierungspflicht haben und, wenn sie einen biometrischen Pass haben, für 90 Tage einfach einreisen können, können es auch deutlich mehr sein. Wir wissen also: Da kommt einiges auf uns und auch auf die Kommunen zu. Bund, Länder und Kommunen werden, was die Kosten angeht, zu einem guten Miteinander kommen.

Von dieser Stelle noch einmal der große Dank an die vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer, die sich engagieren. Die Hilfsbereitschaft ist weiterhin enorm, und das wissen wir auch alle zu schätzen. Gleichzeitig sind inzwischen die Hilfen des Technischen Hilfswerks, des Bundes, der Bundespolizei, aber auch der Länder so weit angelaufen, dass man dieser herausfordernden Situation besser gerecht wird.

VORS. FELDHOFF: Nun will ich eine Frage von Herrn Eckstein vom ARD-Hauptstadtstudio einschieben. Seine erste Frage nach der Zahl der Kriegsflüchtlinge, die bislang in Deutschland registriert wurden, haben Sie, Herr Hebestreit, bereits beantwortet. Seine zweite Frage lautet: Gibt es Zahlen dazu, wie viele Flüchtlinge bereits mit dem Königsteiner Schlüssel auf die einzelnen Bundesländer verteilt wurden?

LAWRENZ: Dazu liegen momentan keine Zahlen vor.

STS HEBESTREIT: Hierzu eine Ergänzung. Der Königsteiner Schlüssel funktioniert erst dann, wenn sich die jeweiligen Personen haben registrieren lassen. Dafür haben sie jede Menge Zeit. Das können sie innerhalb von drei Monaten tun. Dann müssen sie erfasst sein, und dann kann man sie über den Königsteiner Schlüssel aufteilen. Im Augenblick ist es vielfach so, dass die Leute dahin gehen, wo sie Verwandte, Bekannte oder Freunde haben, wo sie sich vielleicht auch auskennen, und das ist ihr Recht. Wir versuchen, das jetzt gerade so weit zu steuern, dass nicht einzelne Kommunen außerordentlich überlastet und in anderen Kommunen noch Kapazitäten vorhanden sind. Aber grundsätzlich ist das nicht ganz einfach.

FRAGE JOLKVER: Herr Hebestreit, zwei Fragen zu der Reise der drei osteuropäischen Regierungschefs in die Ukraine.

Erstens. Wie bewertet der Bundeskanzler diese Reise? Plant er vielleicht etwas Ähnliches?

Zweitens. Was hält die Bundesregierung von dem von dem polnischen Kollegen geäußerten Vorschlag, eine Art NATO-Mission, vielleicht keine Kampfmission, aber eine friedensstiftende NATO-Mission, in der Ukraine zu etablieren?

STS HEBESTREIT: Ich fange mit der zweiten Frage an. Dazu hat sich der Bundeskanzler im Übrigen genauso wie der französische und der US-Präsident mehrfach klar geäußert: Keinerlei NATO-Personal, keine NATO-Soldaten außerhalb der NATO; keine in die Ukraine schicken. – Das ist klar, und das wird auch die rote Linie sein müssen, weil man sonst nicht mehr unterscheiden kann, was ein humanitärer Hilfseinsatz, was eine Rettungsmission und was ein Kampfeinsatz ist. Insoweit ist man klar und entschlossen.

Ansonsten ist diese Reise ein bewundernswerter Akt der Solidarität mit der ukrainischen Führung, mit dem ukrainischen Präsidenten, und jede Form der Solidaritätsbekundung begrüßen wir.

ZUSATZFRAGE JOLKVER: Überlegt sich der Kanzler, diesem Beispiel zu folgen?

STS HEBESTREIT: Dazu liegen mir keine Informationen vor.

FRAGE: Herr Hebestreit, ich wüsste gern, ob Bundeskanzler Scholz angesprochen und gefragt worden ist, ob auch er sich dieser Reise anschließen wolle. Wissen Sie, ob auch andere, beispielsweise der ungarische Regierungschef, angesprochen wurden und abgelehnt haben?

STS HEBESTREIT: Auch dazu liegen mir keinerlei Informationen vor. Ich weiß, dass der Bundeskanzler nicht gefragt worden ist. Wie das bei anderen lief, weiß ich nicht.

VORS. FELDHOFF: Frau Dudin von epd fragt: Herr Hebestreit, in Bezug auf die Umsetzung von Sanktionen gegen RT und Sputnik gibt es ein Zuständigkeits-Pingpong. Welche Behörde in Deutschland ist für die Kontrolle der Umsetzung der EU-Verordnung 2022/350 von Anfang März zuständig?

STS HEBESTREIT: Das Sendeverbot der Europäischen Kommission gegenüber RT gilt in Deutschland durch die EU-Verordnung unmittelbar und bedarf keines nationalen Umsetzungspaktes. Das heißt, dass die Kommunikationsunternehmen und anbieter bereits jetzt alle notwendigen Schritte unternehmen sollen. Das sind beispielsweise sogenannte Netzsperren.

VORS. FELDHOFF: Das heißt, es gibt gar keine Behörde, die das kontrollieren muss?

STS HEBESTREIT: Es gibt ja unterschiedliche Ausspielungswege. Bei RT DE hatten wir hier schon mehrfach das Thema, dass es keine Sendelizenz gegeben hat und es deswegen gesperrt worden ist. In diesem Zusammenhang ist relevant, dass das Bundeswirtschaftsministerium derzeit eine Anpassung der Außenwirtschaftsverordnung vornimmt, nach der Verstöße gegen das Sendeverbot als Ordnungswidrigkeit zu ahnden sind. Wenn ich das richtig interpretiere, fehlte es offenbar auch noch an einer Strafbewehrung.

Das lineare Angebot, also den Livestream von RT DE, hatten die Landesmedienanstalten bereits mit Beschluss vom 1. Februar untersagt. Rechtsgrund ist die fehlende Lizenz. Insbesondere das Staatsfernegebot hat uns in Deutschland ein konsequentes und rechtsstaatliches Verfahren ermöglicht.

Wir sollten das noch einmal überarbeiten und Frau Dudin nachreichen, wie die Zuständigkeit genau ist.

FRAGE JUNG: Kurze Verständnisfrage: Herr Hebestreit, warum ist das kein Eingriff in die Pressefreiheit?

STS HEBESTREIT: In die Pressefreiheit? Warum RT DE ohne Lizenz nicht senden darf?

ZUSATZ JUNG: Nein, am Vorgehen der EU gegen Sputnik und RT gibt es ja die Kritik, dass das ein Angriff auf und ein Eingriff in die europäische Pressefreiheit ist. Warum ist das aus Ihrer Sicht nicht so?

STS HEBESTREIT: Da dieser Rechtsakt von der Europäischen Kommission erlassen worden ist, würde ich Sie bitten, diese Frage bei der Europäischen Kommission zu stellen, weil die dafür zuständig ist.

ZUSATZFRAGE JUNG: Aber wenn Sie etwas dagegen hätten, dann würden Sie ja etwas unternehmen. Also unterstützen Sie ja diese Maßnahme. Warum ist das kein Eingriff in die Pressefreiheit?

STS HEBESTREIT: Ich habe ja gerade gesagt, dass die Europäische Kommission dafür zuständig ist. Sie hat diese Entscheidung getroffen. Über die Gründe dieser Entscheidung müssten Sie sich in Brüssel erkundigen.

FRAGE JORDANS: Ich habe eine Frage an das BMI. Herr Lawrenz, es gibt vermehrt Berichte darüber, dass Flüchtlinge, die schon länger in Deutschland leben, derzeit aus ihren Unterkünften, Deutschklassen usw. geworfen werden, um für Ukrainer Platz zu machen, die jetzt in großer Zahl ankommen. Hat das BMI Informationen darüber, und wie steht man dazu?

LAWRENZ: Ich habe dazu keine Erkenntnisse. Vielleicht müssten Sie bei den Ländern oder Kommunen nachfragen, aus welchen Unterkünften Menschen hinausgeworfen werden.

ZUSATZFRAGE JORDANS: Jetzt hat es auch Berichte über eine junge Ukrainerin gegeben, die von zwei anderen mutmaßlichen Bewohnern in einer Flüchtlingsunterkunft in Düsseldorf vergewaltigt worden sein soll. Es stellt sich die Frage, ob Personen, die in Deutschland Schutz suchen, von den Behörden ausreichend vor solchen Übergriffen geschützt werden. Was tut denn die Bundesregierung, um das sicherzustellen? Gibt es darüber Diskussionen mit den Ländern?

LAWRENZ: Die Bundesregierung und die Sicherheitsbehörden des Bundes sind immer dabei, den Menschen Schutz zu gewähren und ihr Schutzersuchen nicht zu unterlaufen, wenn sie in Deutschland ankommen. Wir haben in den letzten Wochen verschiedene Berichte dazu gesehen und arbeiten daran, dass diejenigen, die bei uns Schutz suchen, ihn auch bekommen und nicht Opfer von Straftaten werden.

FRAGE DR. RINKE: Herr Lawrenz, es gibt auch Berichte darüber und die Opposition hat gestern kritisiert, dass unter den Menschen, die über die polnische Grenze kommen, zunehmend Menschen sind, die gar nicht aus der Ukraine kommen, die aber hier nicht erfasst werden, weil es keine Registrierungspflicht gibt.

Haben Sie Hinweise darauf, dass das stimmt? Wenn ja, können Sie uns zumindest schätzungsweise eine Größenordnung nennen?

LAWRENZ: Eine Größenordnung kann ich nicht nennen. Ich kann Ihnen aber das Verfahren noch einmal darstellen. Die Binnengrenzen sind grundsätzlich grenzkontrollfrei. Die Bundespolizei kontrolliert momentan aber im Rahmen der sogenannten intensivierten Schleierfahndung. Das heißt, dass sie in erster Linie Stichproben vornimmt und die Menschen kontrolliert, die dort über die Grenze kommen. Alle Menschen, die ausdrücklich dem Vertreibungshintergrund der Ukraine zuzuordnen sind, werden natürlich durchgelassen. Wenn der Vertreibungshintergrund nicht klar ist, werden identitätsfeststellende Maßnahmen ergriffen. Über solche Mechanismen ist es möglich, auch Kriminelle oder sogenannte Trittbrettfahrer zu erfassen.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Sie würden uns aber nicht sagen, welches Ihre Erfahrungen sind, ob bei diesen Kontrollen ein Anteil von vielleicht fünf oder zehn Prozent dabei ist, oder?

LAWRENZ: Es gibt solche Fälle. Aber ich kann Ihnen das nicht auf eine Prozentzahl oder eine Größenordnung herunterbrechen.

VORS. FELDHOFF: Ich habe eine Frage an das Auswärtige Amt von Herrn Aiash: Während die russische Armee die Ukraine bombardiert, bombardiert sie auch weiterhin in Syrien. Gibt es aus Sicht des Auswärtigen Amtes einen Weg, die Tragödie in Syrien zu beenden, oder fällt sie wegen des großen Themas der Ukraine leider einfach hinten runter?

BURGER: Wir haben vor wenigen Tagen den elften Jahrestag des Konflikts in Syrien erlebt. Was dort an Brutalität und gewaltsamem Vorgehen des Assad-Regimes und seiner Verbündeten, darunter auch Russlands, gegen die Zivilbevölkerung seit elf Jahren vor sich geht, hat eine wirklich beispiellose humanitäre Katastrophe über die ganze Region gebracht.

Wir sind gemeinsam mit unseren Partnern mit unverminderter Energie daran, zu versuchen, dem friedliche Lösungen entgegenzusetzen. Dieser Prozess findet unter der Federführung der Vereinten Nationen statt. Man muss feststellen, dass sich dort in den letzten Jahren aufgrund der fundamentalen Verweigerungshaltung des Assad-Regimes, das dabei von seinen Unterstützern gedeckt und nicht unter Druck gesetzt wird, überhaupt keine Fortschritte ergeben haben.

FRAGE JOLKVER: Ich habe zwei Fragen an das Finanzministerium im Zusammenhang mit dem Thema der Sanktionen.

Die erste Frage: Ist Ihnen bekannt, dass verschiedene deutsche Banken ihre Kunden mit russischer Staatsbürgerschaft anschreiben und verlangen, entweder die Aufenthaltstitel vorzulegen oder ihr Konto zu schließen? Wenn ja, wie kommentieren Sie diese Tatsache?

Die zweite Frage: Gibt es schon Beispiele dafür, dass Konten sanktionierter Personen in Deutschland gesperrt oder eingefroren wurden?

NIMINDÉ-DUNDADENGAR: Diese Berichte kenne ich so nicht. Ansonsten muss ich Sie, wenn es um den Geschäftsbetrieb von Privatbanken geht, an die BaFin verweisen.

Ihre zweite Frage betrifft generell das Sanktionsregime. Dazu hatten sich Kolleginnen und Kollegen hier schon mehrmals geäußert. Finanzsanktionen, insbesondere was das Einfrieren von Vermögenswerten betrifft, auch bezüglich der Banken, liegen in der Zuständigkeit der Deutschen Bundesbank. Dafür würde ich Sie an die Bundesbank verweisen. Ich weiß nicht, ob die Kollegin dazu noch ergänzen will.

EINHORN: Vielleicht kann ich ganz generell zum Verständnis auch der Sanktionen ergänzen, dass sie unmittelbar gelten, sobald der EU-Rechtsakt in Kraft getreten ist, sprich, dass auch das Einfrieren von Vermögenswerten unmittelbar greift. Auch wenn wir jetzt hier keine Beispiele nennen können die Größenordnung könnten Sie bei der Bundesbank eventuell noch erfragen , beginnt die Umsetzung, sobald der Rechtsakt in Kraft tritt. Insofern ist davon auszugehen, dass es in diesem Zusammenhang eingefrorene Konten gibt.

ZUSATZFRAGE JOLKVER: Die Frage ist ja: Wenn ein sanktionierter Oligarch bei der Deutschen Bank oder bei der Sparkasse ein Konto hat, wird dieses Konto eingefroren? Gibt es Beispiele dafür, dass solch ein Konto gefunden und entsprechend eingefroren wurde?

EINHORN: Die Umsetzung übernehmen die Geschäftsbanken. Das hat der Kollege ja gerade gesagt. Insofern können wir an dieser Stelle jetzt nicht davon berichten.

NIMINDÉ-DUNDADENGAR: Vielleicht darf ich noch ergänzen. Wie die Kollegin schon gesagt hat, sind die Geschäftsbanken zuständig. Sie sind gegenüber der Bundesbank berichtspflichtig. Bei der Deutschen Bundesbank gibt es ein Servicezentrum Finanzsanktionen. Wie schon mehrmals gesagt, würden wir Sie bitten, sich an die Deutsche Bundesbank zu wenden.

VORS. FELDHOFF: Ich habe eine Frage von Frau Landwehr von der „Deutschen Verkehrs-Zeitung“: Wird es im Zusammenhang mit den Kraftstoffpreisanhebungen oder steigerungen durch den Krieg in der Ukraine zu einem KfW-Programm für betroffene Unternehmen insbesondere der Transportbranche kommen, möglicherweise zu einem Kreditprogramm?

EINHORN: Wir sind dabei, gemeinsam mit der KfW ein Kreditprogramm für Unternehmen, die von den Folgen der Sanktionen besonders betroffen sind, auszuarbeiten. Von der Europäischen Kommission gibt es schon Vorschläge für einen Beihilferahmen. Hieran wird sich das ganz eng orientieren.

Unabhängig von der Frage nach einem Hilfsprogramm haben wir uns die Benzinpreise in den vergangenen Tagen ganz genau angeschaut. Der Minister hat jetzt das Bundeskartellamt darum gebeten, sich die Entwicklungen der letzten Tage, was die Benzin- und Dieselpreise angeht, noch einmal genau anzuschauen und sehr genau zu beobachten und bei jeglichem Hinweis auf missbräuchliches Verhalten tätig zu werden. Dabei geht es darum, dass wir auf jeden Fall verhindern wollen, dass Unternehmen aus der jetzigen Situation unangemessene Gewinne schlagen und die Verbraucherinnen und Verbraucher an den Zapfsäulen dafür zahlen müssen, und zwar mehr, als es die aktuelle Lage notwendig machen würde. Wenn es Hinweise auf ein solches missbräuchliches Verhalten geben sollte, etwa auch im Vergleich mit den Entwicklungen in anderen europäischen Staaten, die ja ebenso von den Sanktionen betroffen sind, dann werden wir gesetzgeberische Maßnahmen vorbereiten, um dem Bundeskartellamt eine bessere Marktüberwachung im Bereich der Kraftstoffe zu ermöglichen. Wir sind als an dem Thema dran und werden jetzt gemeinsam mit dem Bundeskartellamt zügig zu Ergebnissen kommen und die Lage weiterhin sehr eng beobachten.

FRAGE JORDANS: Frau Einhorn, betrifft diese Untersuchung nur die Tankstellen oder auch die Raffineriebetreiber, die ja wohl in den vergangenen Wochen von den Preissteigerungen besonders profitiert haben?

EINHORN: Das betrifft die ganze Kette. Ich kann Sie auf die Pressemitteilung des Bundeskartellamts zu diesem Thema hinweisen, die vor ungefähr zwei Stunden veröffentlicht wurde. Darin wird betont, dass es natürlich um die ganze Kette geht, vom Rohölmarkt über die Raffinerien und den Großhandel bis hin zu den Tankstellenbetreibern.

FRAGE JUNG: Wie erklärt sich Ihr Ministerium, dass der Ölpreis von heute quasi der gleiche ist wie der von vor einem Monat, aber die Benzinpreise bei weitem nicht?

EINHORN: Genau das ist ja der Anlass und der Grund, warum wir das Bundeskartellamt gebeten haben, sich die Preisentwicklung genau anzuschauen, eben weil uns aufgefallen ist, dass es diesen Zusammenhang gibt bzw. dass sich die Preise unterschiedlich entwickeln.

ZUSATZFRAGE JUNG: Wer ist da der Übeltäter? Können Sie ihn benennen?

EINHORN: Das habe ich ja gerade darzustellen versucht. Das war ja die Frage des Kollegen. Jetzt schaut man sich die ganze Kette vom Rohöl bis zur Zapfsäule an, um zu schauen, wie es zu diesen Preisentwicklungen kommt und ob dort missbräuchliches Verhalten vorliegt.

ZUSATZFRAGE JUNG: Aber das alles ist doch schon klar. Das sieht man doch schon. Warum muss das jetzt noch untersucht werden?

EINHORN: Wenn Ihnen das ganz klar ist, dann könnten Sie dem Bundeskartellamt vielleicht noch Hinweise geben.

Man sieht, dass sich die Rohölpreise in einer Art und Weise entwickeln und dass sich die Benzinpreise in einer anderen Art und Weise entwickeln. Aber wie der Kollege schon gesagt hat, gibt es dazwischen Raffineriebetriebe, Preise für Rohöl und verschiedene Tankstellen, die verschiedene Preise haben. Jetzt muss man schauen, wo eventuell etwas schiefläuft, was das ist und wie wir darauf reagieren können.

FRAGE DR. RINKE: Ich habe eine Frage an das Innenministerium. Das BSI hat gestern davor gewarnt, das Antivirenprogramm von Kaspersky, einem russischen Anbieter, weiterzuverwenden, und auf die Sicherheitsrisiken hingewiesen. Das Unternehmen selbst sagt, dass sei eine politische Einschätzung und Einstufung.

Teilen Sie diesen Vorwurf seitens des Unternehmens? Können Sie etwas zu den Beweggründen sagen?

LAWRENZ: Ich kann Ihnen dazu in der Tat ein wenig erzählen. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik hat diese Warnung gestern ausgesprochen. Betroffen ist der Virenschutzsoftwarehersteller Kaspersky. Die Warnung richtet sich an diejenigen, die dieses System installiert haben.

Das Unternehmen hat seinen Hauptsitz in Russland. Das kriegerische Vorgehen Russlands sowie die ausgesprochenen Drohungen gegen die Europäische Union, die NATO und die Bundesrepublik Deutschland bergen ein erhebliches Risiko eines erfolgreichen IT-Angriffs, der mit weitreichenden Konsequenzen verbunden sein könnte. So kann momentan nicht ausgeschlossen werden, dass das Unternehmen gegen seinen Willen gezwungen wird, Systeme anzugreifen oder vertrauliche Daten weiterzugeben.

Insofern kann ich Ihnen im Prinzip nur das wiedergeben, was auch in der Pressemitteilung veröffentlicht worden ist, und Sie auf weitere Informationsmaterialien beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik hinweisen.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Das ist ja eine Vermutung. So etwas hätte man ja seit Jahren bei einem russischen Antivirensoftwarehersteller unterstellen können. Was hat sich in den letzten drei Wochen geändert? Warnungen vor russischen Hackerangriffen hat es ja schon seit mehreren Jahren gegeben. Was ist jetzt wirklich neu?

LAWRENZ: Was sich in den letzten drei Wochen konkret verändert hat, können wir jeden Tag auf den Bildschirmen beobachten. So einer Einschätzung bzw. so einem Handeln liegen ja fachliche Beurteilungen zugrunde. Zu dem exakten Zeitpunkt bzw. zu der Frage, was sich da jetzt konkret verändert hat, kann ich Ihnen tatsächlich nichts weiter sagen.

FRAGE JOLKVER: Herr Lawrenz, ist denn bekannt, wie groß der Markt von Kaspersky in Deutschland etwa ist? Wie viel Prozent Marktanteil hat Kaspersky?

LAWRENZ: Da es ja auch für private Endverbraucher möglich ist, Kaspersky zu nutzen, kann ich das von hier nicht abschätzen.

FRAGE DR. RINKE: Richtet sich die Warnung eigentlich auch gegen andere IT-Produkte, die aus Russland kommen?

LAWRENZ: Von dieser Warnung sind nur die Produkte von Kaspersky umfasst.

FRAGE JUNG: Nur noch einmal eine Verständnisfrage, Frau Einhorn: In der TOP-1-Liste des Bundeskabinetts von heute ist der Punkt „Zustimmung zur Unterzeichnung des Abkommens zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Italienischen Republik über Solidaritätsmaßnahmen zur Gewährleistung der sicheren Erdgasversorgung“ genannt. Worum geht es da?

EINHORN: Vorneweg: Das ist keine Reaktion auf den aktuellen Krieg oder auf die aktuelle Gaslage, sondern das ist ein Vorhaben, das schon älter ist. Hier geht es darum, dass das EU-Recht die Mitgliedstaaten verpflichtet, als letztes Mittel zur Bewältigung extremer Gasmangellagen solidarisch Gas an notleidende benachbarte Mitgliedstaaten zu liefern in dem Fall eben von Deutschland nach Italien oder andersherum. Deutschland hat Verträge wie diesen, der jetzt mit Italien geschlossen werden soll, auch schon mit anderen Staaten geschlossen, und zwar mit Dänemark im Dezember 2020 und ein weiteres Abkommen mit Österreich.

Hier geht es eben darum, dass bilaterale Solidaritätsverträge geschlossen werden, die dann diese EU-Mitgliedstaaten verpflichten, solidarisch Erdgas an Nachbarstaaten zum Schutz ihrer geschützten Kunden zu liefern. Geschützte Kunden sind dann vor allem in letzter Instanz die Haushalte und auch Krankenhäuser usw., wo man wirklich sagt: Diese Gaskunden können jetzt wirklich nicht abgestellt werden, können wirklich nicht darauf verzichten, beliefert zu werden. Dass dann Gas von einem in einen anderen Mitgliedstaat fließt, soll quasi das letzte Mittel sein, wenn einer Gasmangellage anders nicht beizukommen ist.

FRAGE DR. RINKE: Direkt daran anschließend, Frau Einhorn: Können Sie vielleicht noch erklären, warum da eigentlich bilaterale Verträge notwendig sind und warum die dann nicht mit und zwischen allen EU-Mitgliedstaaten abgeschlossen werden?

EINHORN: Vielleicht können wir zum EU-Recht noch etwas nachreichen, aber auf jeden Fall ist es so, dass die Rechtsgrundlage auf EU-Ebene, die schon seit ungefähr acht oder neun Jahren existiert, die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, diese bilateralen Verträge zu schließen, weil es dann natürlich auch immer darauf ankommt, bilateral auch zu schauen: Welche Gasverknüpfungen haben wir eigentlich? Man kann das also nicht pauschal auf alle Mitgliedstaaten beziehen, sondern muss schauen: Welche verknüpfen haben wir eigentlich, auch was ganz profan die Pipelines und die Verbindungen angeht? In den Verträgen werden dann auch Fragen, die rechtlicher, technischer und auch finanzieller Natur sind, jeweils bilateral zwischen den beiden Staaten, die einen solchen Vertrag abschließen, geregelt.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Plant die Bundesregierung solche Verträge mit weiteren Ländern?

EINHORN: Davon gehe ich aus, weil das ja auch das EU-Recht in diesem Fall vorgibt.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Sie können aber nicht sagen, welche Länder?

EINHORN: Das kann ich jetzt noch nicht sagen.

FRAGE JORDANS: Herr Burger, kann das Auswärtige Amt uns ein Update zum Stand der Verhandlungen zum JCPOA in Wien geben? Da gibt es im Moment ja wohl einige Bewegung.

BURGER: In diesem Prozess geht es jetzt darum, die erforderlichen politischen Entscheidungen in den Hauptstädten zu treffen. Die Arbeit vor Ort ist mit der Erarbeitung einer finalen Textfassung getan, und darin findet sich der Beitrag Deutschlands als Teil der E3 in diesem Format gemeinsam mit Frankreich und Großbritannien. Wir hoffen, dass diese Verhandlungen nun zügig abgeschlossen werden können. Ein umfassendes und faires Paket liegt ja auf dem Tisch, und nach unserem Verständnis haben die Vereinigten Staaten und Iran in intensiven Gesprächen daran gearbeitet, die verbliebenen bilateralen Fragen zu klären.

ZUSATZFRAGE JORDANS: Wie bewerten Sie denn die parallelen Verhandlungen über die Freilassung von Gefangenen im Iran bzw. den Austausch von festgehaltenen Personen es geht da um eine Britin und mögliche Iraner als positives Zeichen, dass da jetzt eine diplomatische Kehrtwende kommt?

BURGER: Dazu habe ich keine eigenen Erkenntnisse, die ich hier teilen könnte.

FRAGE DR. RINKE: Auch zum Thema Iran: Sie haben gesagt, das spiele jetzt in den Hauptstädten. Iran hat gestern angekündigt, dass es weiter bei den Atomgesprächen bleiben werde. Wie beurteilen Sie diese Äußerung? Ist das aus Ihrer Sicht eine Selbstverständlichkeit oder ein notwendiger Schritt, damit man jetzt doch wieder gemeinsam zusammenkommen kann?

BURGER: Ich habe die Äußerung, auf die Sie sich beziehen, jetzt ehrlich gesagt nicht präsent; deswegen tue ich mich ein bisschen schwer, das konkret einzuordnen. Wie gesagt, aus unserer Sicht besteht die Hoffnung, dass diese Verhandlungen jetzt zügig abgeschlossen werden können.

FRAGE JORDANS: Wie bewertet die Bundesregierung oder das Auswärtige Amt den Beitrag der Russischen Föderation bei diesen Verhandlungen derzeit?

BURGER: Tja. Russland ist von Beginn dieses Prozesses an als Ständiges Mitglied im Sicherheitsrat Teil des JCPOA gewesen und hat an diesen Verhandlungen auch immer mitgewirkt. Unsere Position war insbesondere auch zuletzt, dass niemand diese Verhandlungen dahingehend instrumentalisieren darf, dass weitere Zugeständnisse und Garantien erwirkt werden, die außerhalb des JCPOA liegen. Wie gesagt, aus unserer Sicht ist die erforderliche Textarbeit zwischen den JCPOA-Parteien jetzt durch die Vorlage des finalen Textes getan, und wir hoffen, dass der Prozess nun auch zügig abgeschlossen werden kann.

FRAGE DR. RINKE: An Herrn Hebestreit und eventuell auch an das Wirtschaftsministerium: Es gab Meldungen, dass sich im Rahmen von WTO-Verhandlungen die USA, die EU, Indien und Südafrika darauf geeinigt hätten, dass beim Patentschutz für Coronaimpfstoffe unter bestimmten Bedingungen doch ein Waiver, also eine Freigabe der Patente, erreicht wird. Können Sie diese Einigung bestätigen? Wie steht die Bundesregierung dazu?

STS HEBESTREIT: Mir liegen dazu keine Informationen vor. Ich weiß nicht, ob das Wirtschaftsministerium etwas weiß?

EINHORN: Auch nicht.

STS HEBESTREIT: Das müssen wir nachreichen, Herr Rinke.

FRAGE JUNG: Herr Hebestreit, noch eine Frage zur TOP-1-Liste: Darin ist der Punkt „Versagung einer Aussagegenehmigung für Frau Bundeskanzlerin a. D. Dr. Angela Merkel für eine Zeugenvernehmung im Verfahren Seitz, N. ./. Axel Springer“ sowie das Gleiche für Herrn Seehofer genannt. Können Sie uns da Hintergründe liefern?

STS HEBESTREIT: Ich glaube, ich kann Ihnen das nicht „unter eins“ liefern, da es dabei um Personalfragen geht, zu denen wir uns grundsätzlich nicht äußern. Wenn es Sie sehr interessiert, kann ich Ihnen dazu zwei Sätze „unter drei“ sagen.

ZUSATZ JUNG: Gerne.

VORS. FELDHOFF: Dann gehen wir jetzt „unter drei“.

(Es folgt ein Teil „unter drei“.)

VORS. FELDHOFF: Dann sind wir wieder „unter eins“.

FRAGE JOLKVER: Eine ganz kurze Frage an das Wirtschaftsministerium: Sie haben immer wieder genaue Füllstände der Gasspeicher in Deutschland parat. Haben Sie die auch für heute?

EINHORN: Die habe ich für heute nicht parat. Zuletzt waren es um die 30 Prozent. Ich habe keinen aktuellen heutigen Stand, ich weiß aber, dass man das online abrufen kann.

FRAGE DR. RINKE: An das Gesundheitsministerium zur COVID-19-Pandemie: Es geht um die Ansteckung mit den Omikronvarianten BA.1 und BA.2. Es gibt jetzt immer mehr Studien, die besagen, dass man sich, wenn man sich mit BA.1 angesteckt hatte, direkt danach auch mit der BA.2-Variante anstecken kann, also eben nicht mehr durch eine Ansteckung geschützt ist. Was für Folgen hat das für die Coronapolitik des Bundes? Denn dann müsste ja zum Beispiel auch der Genesenenstatus ein ganz anderer sein.

KAUTZ: Zu dieser Studienlage kann ich mich nicht äußern, Herr Rinke; das machen wir ja grundsätzlich nicht. Eine unmittelbare Auswirkung auf die Coronapolitik kann ich Ihnen auch nicht ableiten.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Könnten Sie dazu etwas nachreichen? Denn wenn es tatsächlich so ist, dass man sich innerhalb von zwei Wochen mit der nächsten Variante anstecken kann, dann ist, wie gesagt, der Genesenenstatus ja eigentlich hinfällig.

KAUTZ: Ich werde schauen wenn ich etwas nachreichen kann, dann werde ich das tun.

EINHORN: Ich kann noch etwas nachreichen: Die Füllstände der Gasspeicher liegen aktuell bei ca. 25 Prozent.

 

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