Artikel

Bundesregierung für Desinteressierte: BPK vom 13. Juni 2022

Themen: Medienberichte über mögliche Reisepläne des Bundeskanzlers, Vertragsstaatenkonferenz des Atomwaffenverbotsvertrages, Vorziehung einer geplanten Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen/„Tankrabatt“, russischer Angriffskrieg gegen die Ukraine, Einführung eines sozialen Pflichtdienstes, Beteiligung der Bundeswehr an der EU-Mission „EUFOR Althea“, COVID-19-Pandemie, Digitalpolitik, Brief des Beauftragten der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus an die Bundesverteidigungsministerin in Sachen Emblem der Feldjäger, Reform des Kartellrechts, Wind-an-Land-Gesetz, Legalisierung von Cannabis

Themen & Naive Fragen:
00:00 Beginn
00:38 Vorauseilende Nichtantwort
01:13 Scholz-Reise nach Kiew
03:33 Hans zur Scholz-Reise
06:01 Hans nochmal zur Scholz-Reise
07:13 Atomwaffenverbotsvertrag
09:38 Tilo zum Atomwaffenverbotsvertrag
10:30 Tankrabatt & Kartellamt
14:23 Tilo zu Tankrabatt & Kartellamt
20:43 Russische Streumunition in Ukraine
23:03 Pflichtzeit für junge Menschen
27:21 Hans zu Bundeswehr in Bosnien-Herzegowina
28:37 Corona-Herbst & zuverlässige Daten
30:00 Digitalpolitische Koordinierung
31:45 Motto der Feldjäger
34:39 Kartellrecht
36:12 Hans zu Kartellrecht
37:04 Tilo zu Verbändeanhörung zu Windkraftausbau
39:22 Teststrategie
41:08 Tilo zur Cannabis-Legalisierung
42:29 Hans zu Nebenwirkung nach Corona-Impfungen

Bitte unterstützt unsere Arbeit finanziell:
Konto: Jung & Naiv
IBAN: DE854 3060 967 104 779 2900
GLS Gemeinschaftsbank

PayPal ► http://www.paypal.me/JungNaiv

Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 13. Juni 2022:

VORS. WOLF eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS BÜCHNER sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

SRS BÜCHNER: Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, Sie alle kennen die Berichte über Reisepläne des Bundeskanzlers. Ich war lange genug auf der anderen Seite des Tisches, um zu ahnen und zu verstehen, dass Sie dazu viele Fragen haben, will heute aber gleich vorweg um Verständnis dafür bitten, dass ich Ihnen dazu nichts berichten kann. Hierzu gibt es keinen neuen Stand zu berichten.

Das möchte ich gern vorwegschicken, um es uns allen vielleicht ein bisschen einfacher zu machen. Jetzt gern zu den Fragen!

FRAGE DR. RINKE: Ja, Herr Büchner, das war zu erwarten. Ich möchte trotzdem zu den Umständen nachfragen. Sie kennen die Berichte vom Wochenende und auch von heute. Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Sicherheitslage und möglichen Reiseplänen?

Ich frage deswegen, weil es in der Vergangenheit tatsächlich schon ein, zwei Mal so war, dass Reisen, wenn sie bekannt wurden, dadurch eigentlich unmöglich gemacht wurden. Gibt es also einen solchen Zusammenhang auch bei den Reiseüberlegungen, die es anscheinend ja zwischen drei verschiedenen Regierungen gibt?

SRS BÜCHNER: Das ist ein ehrenwerter Versuch. Aber wenn ich jetzt anfinge, über solche Fragen mit Ihnen zu diskutieren und zu spekulieren, dann würde ich damit immanent bestimmte Dinge transportieren, und das möchte ich nicht. Deshalb bleibe ich heute ganz konsequent bei dem Satz, dass ich Ihnen hierzu nichts Neues berichten kann.

FRAGE KÜFNER: Herr Büchner, dann möchte ich, weil Sie sagen, es gebe nichts Neues zu berichten, darum bitten, dass Sie den Ist-Stand zusammenfassen. Vorab wurde ja auch schon einmal darüber gesprochen, dass es eventuell Pläne gebe. Vielleicht können Sie einfach noch einmal den Ist-Stand darstellen, zu dem es nichts Neues gibt.

SRS BÜCHNER: Der Ist-Stand ist der, den Sie alle kennen, dass es nun eine ganze Reihe von Besuchen von Ministern in der Ukraine gab ganz frisch waren gerade Herr Lauterbach und Frau Roth dort , dass der Bundeskanzler in ständigem Austausch mit dem Präsidenten der Ukraine ist und dass wir fest an der Seite der Ukrainerinnen und Ukrainer stehen. Das alles kennen Sie. Aber ich kann hier nicht weiter über irgendwelche Reisepläne berichten.

VORS. WOLF: Der Kollege Schütze von der „New York Times“ versucht es auch. Ich nehme zumindest seinen Zusatz auf: Wenn Sie die Berichte über eine mögliche Reise nicht bestätigen können: Wann würde eine solche Reise denn bekannt gegeben werden?

SRS BÜCHNER: Wenn wir etwas dazu sagen können.

FRAGE JESSEN: Herr Büchner, gehören zum Ist-Stand auch Gespräche zum Beispiel mit dem französischen Präsidenten darüber, gegebenenfalls wann und in welcher Konstellation Reisen stattfinden könnten?

SRS BÜCHNER: Zum Ist-Stand gehört, dass wir uns mit unseren Verbündeten in Europa und in der NATO ständig ganz eng über alle Fragen, diesen Krieg in der Ukraine betreffend, austauschen. Das ist der Ist-Stand.

ZUSATZFRAGE JESSEN: „Alle Fragen“, das beinhaltet auch die Frage, in welcher Konstellation er gegebenenfalls in die Ukraine reist, richtig? Ansonsten wäre es ja nicht alles.

SRS BÜCHNER: Zu der spezifischen Frage habe ich gesagt, was ich sagen kann.

FRAGE DR. DELFS: Herr Büchner, gilt denn noch die alte Ansage des Bundeskanzlers, der vor nicht allzu langer Zeit ja gesagt hat, wie andere für einen Fototermin werde er nicht dorthin fahren. Das heißt, andersherum gefragt, wenn er fahren würde, dann wäre es mehr als ein Fototermin, richtig?

SRS BÜCHNER: Ich weiß nicht, ob Sie ihn richtig zitiert haben mit „wie andere für einen Fototermin“.

ZUSATZ DR. DELFS: Er hat sogar gesagt: wie alle anderen.

SRS BÜCHNER: Ich weiß nicht, ob das der genaue Wortlaut war. Fakt ist aber, dass ich das hier gar nicht weiter kommentieren will. Wenn der Bundeskanzler das so gesagt hat, dann hat er das so gesagt. Darüber hinaus kann ich leider nichts sagen.

FRAGE DR. RINKE: Ich habe noch eine Frage, aber nicht an Herrn Büchner, sondern vielleicht an das Finanzministerium oder auch an Frau Baron. Denn es gab auch Überlegungen, ob vielleicht andere Mitglieder der Bundesregierung noch einmal nach Kiew reisen. Hat sich das aufseiten von Herrn Habeck und Herrn Lindner möglicherweise konkretisiert?

DR. BARON: Ich kann gern beginnen. Ich kann aktuell über keine Reisepläne von Minister Habeck nach Kiew berichten.

DR. KALWEY: Ich kann Ihnen leider auch nichts berichten. Es gibt keinen neuen Stand.

FRAGE JESSEN: Herr Büchner, wie kann es sein, dass die ukrainische Regierung die gemeldeten Reisepläne bestätigt? Hat sie sich das aus den Fingern gesogen, oder hat sie nach Ihrer Kenntnis verlässliche Informationen darüber?

SRS BÜCHNER: Herr Jessen, ich verstehe, dass Sie das fragen. Ich würde es vielleicht auch tun, in genau der Form. Aber ich kann mich dazu leider nicht weiter einlassen.

FRAGE AUDINO: Hat Bundeskanzler Scholz in den letzten Tagen mit Premierminister Draghi gesprochen?

SRS BÜCHNER: Die verschiedenen Staats- und Regierungschefs haben sich vor wenigen Tagen beim Europäischen Rat getroffen. Dort gab es mit Sicherheit auch ein Gespräch mit Herrn Draghi. Aber darüber hinaus sind mir jetzt keine weiteren Gespräche seither bekannt.

FRAGE IKENAGA: Ich habe eine Frage zum Atomwaffenverbotsvertrag. Nächste Woche wird in Wien eine Vertragsstaatenkonferenz stattfinden. Die Bundesregierung wird einen Vertreter des Auswärtigen Amtes zu dieser Konferenz schicken.

Was war der Beweggrund dafür, dass die Regierung daran teilnimmt und einen Vertreter dorthin entsendet?

Was will die Bundesregierung damit erreichen? Welche Absicht steht dahinter?

SRS BÜCHNER: Vorweg kann ich gern sagen, dass die Position der Bundesregierung zu Atomwaffen unverändert ist. Die Bundesregierung bleibt dem Ziel einer nuklearwaffenfreien Welt verpflichtet. „Global Zero“, also die vollständige nachprüfbare weltweite Abschaffung von Nuklearwaffen ist unser Ziel, ein Ziel, das wir im Übrigen mit all unseren EU- und auch NATO-Partnern teilen.

Zur konkreten Frage nach der Konferenz gebe ich gern an Sie ab.

WAGNER: Ich kann vielleicht noch einmal grundsätzlich sagen: Die Außenministerin hatte sich dazu Mitte März bei der Auftaktveranstaltung zur Nationalen Sicherheitsstrategie eingelassen. Ich denke, es ist für die Einordnung ganz hilfreich, Sie kurz zu zitieren:

Die nukleare Abschreckung der NATO muss glaubhaft bleiben. Daher hat die Bundesregierung sich jetzt für die Beschaffung der F-35 entschieden. Dennoch gilt: Unser Ziel bleibt eine nuklearwaffenfreie Welt. Über dieses Ziel wollen wir mit unseren Partnern im Rahmen des Nichtverbreitungsvertrages sprechen, aber auch als Beobachter mit den Mitgliedern des Atomwaffenverbotsvertrags.

Herr Büchner hat gerade schon erwähnt, dass sich das auch im Koalitionsvertrag wiederfindet. Insofern wird ein Vertreter des Auswärtigen Amtes dort als Beobachter teilnehmen.

ZUSATZFRAGE IKENAGA: Sie haben gesagt, Ihr Ziel bleibe es, eine atomwaffenfreie Welt zu schaffen. Hat sich das nicht geändert, zum Beispiel nach dem 24. Februar? Bleibt die Haltung der Bundesregierung allgemein zu Atomwaffen oder zur nuklearen Teilhabe genau so? Hat sich das gar nicht geändert, oder gibt es eine Korrektur?

SRS BÜCHNER: Nein, es ist so, wie ich es gerade gesagt habe. Das Ziel bleibt unverändert.

FRAGE JUNG: Nur zum Verständnis: Sie nehmen an dieser Konferenz nicht teil, sondern beobachten nur, oder?

WAGNER: Wir nehmen als Beobachter teil. Jemand fährt physisch hin und beobachtet die Diskussionen auf der Konferenz.

ZUSATZFRAGE JUNG: Warum fahren Sie denn überhaupt hin und beobachten das? Das könnten Sie ja auch über die Presse machen. Sie sind ja nicht Teil dieses Atomwaffenverbotsvertrags. Sie sind ja für Atomwaffen.

WAGNER: Sie kommen ja auch in die Bundespressekonferenz und beobachten sie nicht aus der Ferne, sondern wollen ja sozusagen sehen, wie hier die Diskussionen und die Antworten laufen. Insofern ist es international geübte Praxis, dass man an Konferenzen auch als Beobachter teilnehmen kann.

ZUSATZFRAGE JUNG: Aber was ist denn jetzt der Unterschied zu vorher, zur alten Bundesregierung? Sie hat ja nicht beobachtet.

WAGNER: Das ist die erste Vertragsstaatenkonferenz. Insofern stellt sich die Frage jetzt erstmals.

VORS. WOLF: Ich nehme eine digitale Frage des Kollegen Heller an das BMWK dazu: Wie sehen die Zeitpläne für die Kartellrechtsänderung aus, die Minister Habeck vorhat, und will die Regierung kurzfristig den Tankrabatt wegen dessen beschränkter Wirkung ändern oder abschaffen?

DR. BARON: Ich kann gern zur Frage des Kartellrechts Stellung nehmen. Dazu hat Minister Habeck erste Vorschläge vorgestellt. Wir werden diese in den kommenden Wochen ausbuchstabieren.

Vielleicht darf ich kurz erläutern, worum es geht. Es geht darum, eine Novelle des Kartellrechts, die ohnehin geplant war und die auch im Koalitionsvertrag angelegt ist, mit einigen Maßnahmen vorzuziehen und dazu in den kommenden Wochen Vorschläge zu machen. Wir haben es schon genannt. Bei einer Gesetzesnovelle geht es nie darum, ganz kurzfristig agieren zu können, sondern eine Gesetzesnovelle wirkt natürlich nur in die Zukunft. Aber auch in dem Moment, in dem man ein härteres Durchgreifen und härtere Befugnisse des Kartellamts vorbereitet, ist das schon ein Signal, das in den Markt hineinwirken kann.

Im Kern geht es darum, die Befugnisse zu erweitern und das Kartellrecht zu schärfen. Im Kern sind es drei Maßnahmen, erstens eine missbrauchsunabhängige Entflechtung zu ermöglichen, natürlich unter klar definierten Bedingungen, aber eben missbrauchsunabhängig, zweitens die Hürden für die kartellrechtliche Gewinnabschöpfung zu senken und drittens auch die Sektoruntersuchung ein Instrument, das gerade schon eingesetzt wird schlagkräftiger durchzusetzen.

VORS. WOLF: Dann muss ich es trotzdem wiederholen, weil zum einen nach dem Zeitplan dieser Kartellrechtsänderung gefragt wurde und zum anderen nach einer möglichen Änderung oder Abschaffung des beschlossenen Tankrabatts.

DR. BARON: Wie gesagt, werden wir Vorschläge in Form erster Diskussionsentwürfe in den kommenden Wochen vorlegen. Die gesamte Novelle des GWB dauert natürlich länger. Was wir jetzt tun, ist, die Novelle, die für das kommende Jahr geplant war, auf dieses Jahr vorzuziehen und in den kommenden Wochen erste Vorschläge dazu zu machen.

Zum Tankrabatt als solchem: Das liegt nicht in unserer Zuständigkeit. Deshalb beschränke ich mich auf die Äußerungen, die in unserem Zuständigkeitsbereich liegen, und das ist das Kartellrecht.

FRAGE DR. RINKE: Herr Büchner, was ist die Position des Kanzlers? Wir haben jetzt Vorschläge aus der Koalition gehört, von FDP und den Grünen. Welche Stellung nimmt der Kanzler dazu? Ist er offen für eine Änderung des Kartellrechts, oder überlegt er, ob die Abschöpfung von Übergewinnen noch auf anderem Wege möglich ist?

SRS BÜCHNER: Zum einen ist die Einschätzung des Bundeskanzlers an der Stelle die, dass der Tankrabatt teilweise durchaus wirkt. Es ist ja nicht so, dass diese Steuerabsenkung nichts gebracht hätte. Die Bundesregierung wird aber ganz genau hinschauen, ob jemand diese Situation ausnutzt und Gewinne macht, die nicht gerechtfertigt sind. Insofern werden wir uns die Vorschläge genau anschauen, die im Bundeswirtschaftsministerium erarbeitet werden.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Würde Scholz also keinen der verschiedenen Wege per se ablehnen?

SRS BÜCHNER: Wir sind jetzt in einer Diskussion, zu der sich Verschiedene geäußert haben. Das ist in einer Bundesregierung, die eine Koalitionsregierung ist, ein ganz normaler Vorgang. Diese Vorschläge werden jetzt innerhalb der Koalition, innerhalb der Regierung, auch zwischen den Ministerien und dem Kanzleramt diskutiert. Dann wird man zu einer guten Lösung kommen.

FRAGE JUNG: Ich will vom BMF und dem BMWK wissen, ob sie das Wirken des Tankrabatts, das Herr Büchner gerade angesprochen hat, für bisher erfolgreich halten.

Frau Baron, Sie oder Ihre Kollegen haben hier immer wieder gesessen und uns gesagt, dass es Eingriffsrechte des Kartellamts gebe und dass sie auch ausgenutzt würden, wenn man etwas beobachte, was einem nicht gefalle. Wo sind denn jetzt die Eingriffsmöglichkeiten, die das Kartellamt schon hat, und warum nutzt es sie nicht? Warum müssen Sie jetzt auf einmal neue machen?

DR. BARON: Zu Ihrer letzten Frage: Das Kartellamt hat gesagt, es agiere schon auf Basis des geltenden Rechts, führe seit einigen Monaten eine Sektoruntersuchung durch, um zu analysieren, warum die Abstände zwischen Rohölpreisen und Tankstellenpreisen weiter auseinandergehen dass das so ist, sieht man leider in den letzten Wochen und werde auf Basis dieser Sektoruntersuchung auch agieren. Dies würde voraussetzen, dass es einen Kartellrechtsverstoß und eine Kartellabsprache nachweisen kann. Dann kann es mit Bußgeldern agieren. Die Entwicklungen zeigen, dass diese Hürden sehr hoch sind.

Deshalb ist unser Ansatz, zu sagen: Es gibt Eingriffsmöglichkeiten im bestehenden Recht. Wir schärfen sie aber noch einmal nach und senken die Hürden für ein Agieren, gerade auf Märkten, die von wenigen Anbietern gekennzeichnet sind, wenn man also sagt: Es ist vielleicht keine Marktbeherrschung nachweisbar, aber es sind Märkte mit wenigen Anbietern, die oligopolistische Strukturen haben, und es gibt paralleles Verhalten auf diesen Märkten. Die Absprache ist nicht nachweisbar, aber man stellt paralleles Verhalten fest, letztlich zum Nachteil des Verbrauchers, weil es entweder Preiserhöhungen zur Folge hat oder die Qualität von Produkten leidet. Das ist also nichts, was nur auf den Markt der Tankstellenpreise oder der Rohölraffineriebetreiber beschränkt sein muss, sondern das wäre eine Regelung, die generell für Märkte Wirkung zeigen kann, auf denen es aus verschiedenen Gründen weniger Anbieter im Markt gibt.

DR. KALWEY: Ich würde gern kurz darauf verweisen, dass sich der Minister gestern Abend verschiedentlich auch dazu geäußert hat. Er hat auch noch einmal auf seine Einschätzung hingewiesen, dass der Preis, den man zurzeit beobachten kann, ohne diese Steuersenkung vermutlich höher liegen würde. Natürlich wirken grundsätzlich mehrere Faktoren auf den Preis. Darauf haben wir hier ja schon häufiger hingewiesen. Der Rohölpreis ist von unterschiedlichen Faktoren abhängig. Das wirkt sich am Ende auch auf den Preis aus, der zurzeit an der Zapfsäule zu beobachten ist.

Vielleicht noch einmal der Hinweis, dass das Instrument der Steuersenkung gewählt wurde. Darauf hat sich die Ampelkoalition geeinigt. Die Auswirkungen kann man sehen und muss man weiter beobachten. Aber das ist am Ende das, was wir jetzt gerade tun.

ZUSATZFRAGE JUNG: Ich würde mal an meine Frage erinnern. Ich hatte Sie beide gefragt, ob Sie das Wirken des Tankrabatts bisher für erfolgreich halten.

DR. KALWEY: Ich habe Ihnen das gesagt, was wir dazu sagen können, dass wir davon ausgehen, dass der Preis, den wir zurzeit an den Zapfsäulen beobachten, ohne diese Steuersenkung vermutlich höher ausfallen würde.

ZURUF JUNG: Frau Baron?

DR. BARON: Dazu ist alles gesagt, dass die Preise, wenn Sie die Preisentwicklung sehen, andernfalls noch höher wären. Gleichzeitig sagt das Bundeskartellamt, es beobachte ein Auseinanderfallen zwischen den Preisen für Rohöl am Beginn der Lieferkette und dem Tankstellenpreis. Es kann aktuell nicht beweisen oder sagen, was der eine Grund dafür ist. Deswegen führt es diese Sektoruntersuchung durch.

Unsere Haltung habe ich dargelegt: Es ist wichtig, dass das Kartellamt agiert. Das tut es mit den Mitteln, die es hat, mit den Mitteln von Recht und Gesetz, an das es gebunden ist. Für die Zukunft kann man aber schauen, ob man Hürden senkt und es für Märkte mit wenigen Anbietern leichter macht, dass dort das Kartellamt agiert.

VORS. WOLF: Der Kollege Zimmermann aus dem ARD-Hauptstadtstudio fragt an das BMWK gerichtet: Was genau heißt „Entflechtung von Unternehmen“?

DR. BARON: Man wird sich im Einzelfall anschauen müssen, welche Maßnahmen zu ergreifen sind. Wie gesagt, dann, wenn man nachweisen kann, dass es oligopolistische Strukturen gibt, also Märkte mit wenigen Anbietern, in denen ein paralleles Verhalten feststellbar ist, was zum Nachteil der Kunden ist also entweder höhere Preise oder schlechte Produktqualität , muss man in die Strukturen dieser Märkte eingreifen. Das kann in vertikaler oder in horizontaler Hinsicht passieren, je nachdem, wie die Märkte oder die Anbieter in diesen Märkten strukturiert sind. Vertikal hieße, vertikal zu entflechten, wenn eine Unternehmensstruktur unterschiedliche Etappen oder Stufen der Lieferkette umfasst. Horizontal hieße, dass gewisse Ausgliederungen notwendig sind. Das wird aber immer eine Frage des Einzelfalls sein, die man nicht pauschal beantworten kann.

VORS. WOLF: Herr Heller fragt an Herrn Büchner gerichtet: Sie sprachen davon, dass dieses Thema in der Diskussion ist. Gilt das auch dafür, den Tankrabatt anzutasten, ihn zu verändern oder zu streichen?

SRS BÜCHNER: Solche Überlegungen sind mir nicht bekannt. Wie meine beiden Vorrednerinnen gerade gesagt haben: Es ist ja nicht so, dass es keine Wirkung dieses Tankrabatts gibt. Es ist eher davon auszugehen, dass die Preise an den Tankstellen deutlich höher wären, wenn es diesen nicht gäbe.

FRAGE KÜFNER: Ich habe eine Frage an Herrn Büchner, aber auch an Herrn Wagner. Es gibt Vorwürfe von Amnesty International gegen Russland, dass es in der Ukraine auch Streumunition verwendet. Gleichzeitig gibt es Vorwürfe der ukrainischen Seite, dass aus Wohngebieten heraus agiert wird, was völkerrechtwidrig ist. Hat die Bundesregierung eigene Erkenntnisse dazu? Wie werten Sie das?

SRS BÜCHNER: Wir haben diese Berichte natürlich zur Kenntnis genommen und betrachten all das, was dort berichtet wird, mit großer Sorge. Zu eigenen Erkenntnissen kann ich jetzt nichts berichten. Möglicherweise können Sie assistieren, Herr Wagner.

WAGNER: Ich kann auch nur sagen, dass wir diese Berichte mit Sorge zur Kenntnis genommen haben. Es passt natürlich irgendwie ins Bild. Die Berichte, die wir aus der Ukraine kennen, haben ja schon in den vergangenen Tagen und Wochen nahegelegt, dass Russland sich in vielen Bereichen nicht an das humanitäre Völkerrecht hält. Insofern muss man das mit Besorgnis zur Kenntnis nehmen. Ich kann dazu auch nichts weiter ausführen.

ZUSATZFRAGE KÜFNER: Wenn Sie sagen, Sie beobachten das, wertet die Bundesregierung eigene Beobachtungen und Erkenntnisse auch aus?

SRS BÜCHNER: Wie wir gerade schon gesagt, nehmen wir diese Berichte zur Kenntnis. Die Berichte sagen, dass in der Stadt Charkiw ein Wohngebiet mit internationaler geächteter Streumunition beschossen worden ist und dabei auch Hunderte von Zivilisten getötet worden sind. Soweit diese Berichte bestätigt werden, müssten die Verantwortlichen für diese Angriffe vor Gericht gestellt und die Verletzten sowie die Angehörigen der Opfer auch entschädigt werden. Das ist an der Stelle die Position der Bundesregierung.

FRAGE BUSCHOW: Meine Frage richtet sich an das Verteidigungsministerin zum Stichwort „Pflichtzeit für junge Menschen“, für die sich der Bundespräsident am Wochenende ausgesprochen hat. Es gab schon Kabinettsmitglieder, die sich dagegen ausgesprochen haben. Mich würde auch interessieren, wie die Bundesverteidigungsministerin zu diesem Vorschlag steht.

Ergänzend dazu: Es gibt seit einem Jahr diesen freiwilligen Wehrdienst „Dein Jahr für Deutschland“ in der Bundeswehr. Wie viele Menschen haben sich dafür bislang gemeldet? Wie groß ist das Interesse?

ROUTSI: Vielen Dank für die Möglichkeit, mich hier für das Verteidigungsministerium einzulassen. Wir werden ja immer adressiert, wenn es um das Thema Wehrpflicht geht.

Ich würde gerne sagen, dass der Bundespräsident schon betont hat, dass sich diese Debatte um eine Dienstpflicht nicht speziell darauf richtet, die Wehrpflicht, so wie wir sie kennen, wiederzubeleben, sondern dass das vielmehr eine gesamtgesellschaftliche Debatte ist, die zu führen ist.

Die Verteidigungsministerin hat sich mehrfach dahingehend geäußert, dass sie Herausforderungen sieht, insbesondere was das Thema Verfassungsrecht angeht, aber auch ganz praktische Herausforderungen. Allein wenn man das Thema Wehrgerechtigkeit näher beleuchtet, ist das etwas, was einfach aus der Zeit gefallen ist. Wir haben heute ganz andere Aufgaben, ganz andere Strukturen und Kapazitäten, als wir sie damals mit der uns bekannten Wehrplicht kannten.

Was uns als BMVg und als Bundeswehr angeht, setzen wir auf Freiwilligkeit. Einen Punkt haben Sie ja gerade angesprochen, nämlich den freiwilligen Wehrdienst im Heimatschutz. Das ist ein recht neues Angebot. Das wird sehr gut angenommen. Ich meine, dass es rund 20 000 Interessenten gab, die sich diesbezüglich schlau gemacht haben. Was konkrete und ganz aktuelle Zahlen angeht, würde ich Sie bitten, diese beim Presse- und Informationszentrum Personal in Köln abzufragen. Wir haben im Jahr 2022 bis jetzt im Schnitt 9200 freiwillig wehrdienstleistende Soldatinnen und Soldaten. Das zeigt ja auch, dass das ein Angebot ist, das gut angenommen wird.

Daraus generieren sich ich finde, das ist ein ganz anderer interessanter Punkt auch Interessenten, die in andere Bereiche der Bundeswehr wechseln, die länger dabeibleiben. Das freut uns sehr. Das zeigt, dass unsere Bemühungen fruchten, uns als attraktiver Arbeitgeber beim jungen Publikum zu adressieren. Das ist ein gutes Zeichen für uns. Wie gesagt, uns geht es um das Thema Freiwilligkeit.

ZUSATZFRAGE BUSCHOW: Eine Verständnisnachfrage: Sind diese 9200 freiwillig Wehrdienstleistenden, also die, die dieses neue Angebot in Anspruch nehmen, im Heimatschutz tätig?

ROUTSI: Im Jahr 2022 sind es durchschnittlich 9200. Was die konkrete Anzahl der Heimatschützer angeht, würde ich Sie bitten, diese beim PIZ Personal zu erfragen. – Danke schön.

VORS. WOLF: Kollege Ratzsch von dpa fragt zu dem Thema Pflichtdienst/Dienstpflicht nach der Position des Bundeskanzlers: Was hält er von dieser Idee, etwa in sozialen Einrichtungen einen solchen Pflichtdienst einzuführen?

SRS BÜCHNER: Da schicke ich gerne vorweg: Es ist gute Übung, dass die Verfassungsorgane sich nicht gegenseitig kommentieren oder Vorschläge einordnen. Insofern würden wir uns zu dem konkreten Vorschlag des Bundespräsidenten hier nicht einlassen.

Ganz unabhängig davon das hat ja auch gerade schon die Sprecherin des Verteidigungsministeriums gesagt hat sich die Bundesregierung im Koalitionsvertrag vorgenommen, das bürgerschaftliche Engagement gerade auch von jungen Leuten weiter zu stärken. Insofern betrifft der Vorschlag des Bundespräsidenten für eine Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements ein aus Sicht der Bundesregierung wichtiges Anliegen. Vielmehr wollen wir die Jugendfreiwilligendienste nachfragerecht ausbauen. Derzeit leisten fast 100 000 vorwiegend junge Menschen einen Jugendfreiwilligen- oder Bundesfreiwilligendienst. Zudem gibt es den Internationalen Jugendfreiwilligendienst und den Entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts“. Das dazu.

FRAGE JESSEN: Sind Ihnen Pläne bekannt, dass die Bundeswehr zehn Jahre nach dem Abzug aus Sarajevo nun doch wieder der entsprechenden Mission beitreten will? Das wird wohl an diesem Mittwoch im Kabinett sein. Inwiefern ist die Bundeswehr auf eine solche erneute Mission vorbereitet?

ROUTSI: (ohne Mikrofon; akustisch unverständlich) das Parlament stellt. Was den anderen Punkt angeht, hat sich, glaube ich, der Kollege vergangene Woche eingelassen. Sprechen Sie die Operation Althea an?

ZUSATZ JESSEN: Ja, richtig.

ROUTSI: Dazu habe ich heute keine Ergänzungen.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Kann Herr Büchner ergänzen? Ist das Kabinett entschlossen, wieder in diese Mission einzutreten? Welches wären die Gründe dafür?

SRS BÜCHNER: Ich kann dazu im Moment nichts ergänzen. Das müsste ich nachliefern.

VORS. WOLF: Ich mache digital weiter und komme zum Thema COVID-19-Pandemie. Die Frage richtet sich an das BMG. Ich warne Sie schon einmal vor: Das ist eine umfassende Frage. Der Kollege Glucroft von der Deutschen Welle fragt: Was ist der jüngste Stand der Dinge der Bundesregierung zur Vorbereitung eines sogenannten Corona-Herbstes in Sachen Impfstrategie, Infektionsschutzgesetz, zuverlässige Datengrundlage?

GÜLDE: Herr Minister Lauterbach hat sich schon mehrfach zu diesem Thema eingelassen. Die Impfstrategie hat er bereits vorgestellt. Das heißt, wir werden ausreichend Impfstoff besorgen. Frühestens im Herbst wird ein an die Omikronvariante angepasster Impfstoff bei uns in Deutschland vorliegen. Dieser wird noch in ausreichender Zahl bestellt.

Darüber hinaus ist eine Anpassung des Infektionsschutzgesetzes angezeigt. Derzeit wird in der Öffentlichkeit debattiert, inwieweit eine Anpassung erst nach Vorlage der Evaluation der bisherigen Maßnahmen geschehen kann. Insofern muss ich noch um ein bisschen Geduld bitten. Aber die Vorbereitungen dieser Maßnahmen sind zurzeit im Gange.

VORS. WOLF: Ich bleibe noch digital. Der Kollege Steiner fragt Sie, Herr Büchner, zur digitalpolitischen Koordinierung. Laut Medienberichten soll das Kanzleramt noch einmal nachjustiert haben, welche Ministerien sich nun wie miteinander ins Benehmen setzen wollen, wenn es um Digitalpolitik geht. Können Sie erläutern, wie das in der Vergangenheit so schwierige Miteinander künftig besser gestaltet werden soll?

SRS BÜCHNER: Es gibt diesbezüglich in Wahrheit keine Veränderung gegenüber dem, was die Koalitionsparteien im Koalitionsvertrag vereinbart haben. Es wird jetzt einfach das konkretisiert, was geplant war, nämlich dass viele Zuständigkeiten, die bisher im Bundeskanzleramt lagen, an das BMDV und das BMI abgegeben werden. Das ist kein neuer oder veränderter Vorgang gegenüber dem, was vereinbart wurde.

FRAGE DR. RINKE: Herr Büchner, wenn ich den Bericht richtig verstanden habe, dann wurde als neu empfunden, dass das Kanzleramt sich aber jetzt trotz dieser Verteilung auf verschiedene Ministerien quasi einen Führungsanspruch vorbehält. Ist das richtig?

SRS BÜCHNER: Nein, das ist nicht richtig. Sondern das Bundeskanzleramt hat, wie bei allen Themen, natürlich eine koordinierende Funktion zwischen den Ministerien. Von einer Veränderung in der Hinsicht kann keine Rede sein.

VORS. WOLF: Ich bleibe digital. Eine Frage richtet sich an das BMI, vielleicht auch das Verteidigungsministerium. Es geht um die Forderung des Beauftragten der Bundesregierung für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus, das Motto der Feldjäger zu ändern. Er hat gefordert, die lateinische Redewendung „Suum cuique“ von den Barretten und aus den Verbandsabzeichen der Feldjäger zu entfernen. Unterstützt das BMI diese aus seinem Zuständigkeitsbereich erhobene Forderung?

Wie verhält sich das Verteidigungsministerium zu der geforderten Änderung der seit Bestehen der Truppe in der Bundeswehr gepflegten Tradition?

LAWRENZ: Ich fange vielleicht einmal an: Der Beauftragte der Bundesregierung für den Kampf gegen Antisemitismus ist der Beauftragte der Bundesregierung. Er wird durch das BMI unterstützt. Was ein Signum in einem Symbol der Feldjäger angeht, würde ich doch an die Kollegin des BMVg abgeben wollen.

ROUTSI: Das ist ein Thema, von dem wir auch Kenntnis erlangt haben. Wir haben einen sehr klar definierten Traditionserlass und werden – das kommt natürlich auch aus der Truppe heraus – das Ganze prüfen. Wenn es dazu an dieser Stelle etwas mitzuteilen gibt, werde ich das tun.

VORS. WOLF: Weil die Frage war, wie Sie dazu stehen, dass eine solch lange Tradition geändert werden soll: Kann Ihre Anmerkung oder Ihre Andeutung so verstanden werden, dass das nicht nur auf offene Türen stößt?

ROUTSI: Nein, ganz im Gegenteil. Dass wir in der Lage sind, Traditionen, auch langjährige Traditionen, zu ändern, haben wir spätestens damit bewiesen, dass wir unseren Traditionserlass, der ja die Grundlage ist, komplett überarbeitet haben. Ich glaube, das ist jetzt drei Jahre her. Wir sind natürlich daran interessiert, zu reflektieren. Es gibt sehr klare Kriterien und Maßstäbe, an denen das zu messen sein wird.

Verstehen Sie das bitte nicht als Abblocken, sondern ganz im Gegenteil: Wir werden das jetzt bewerten, auch gemeinsam mit der Truppe. Wenn es etwas zu berichten wird, auch an dieser Stelle, machen wir das natürlich gerne.

FRAGE DR. RINKE: Frau Routsi, vielleicht können Sie uns eine zeitliche Vorstellung geben. Prüfen kann ja alles heißen. Das kann innerhalb von einer Woche oder innerhalb einer Legislaturperiode sein. Bis wann wollen Sie denn dabei zu einem Ergebnis kommen?

ROUTSI: Ich kann Ihre Frage absolut nachvollziehen. Aber Sie wollen von mir hier ja auch eine valide Aussage. Das kann ich jetzt hier nicht bestätigen. Ich kann Ihnen sagen: Das ist auch im Ministerium angekommen. Wir wissen davon. Wenn es etwas zu berichten gibt, werden wir das tun. Ich glaube, es hilft Ihnen nicht, wenn ich Ihnen eine Zahl oder einen zeitlichen Abstand nenne, der nicht haltbar ist. Da bitte ich um Verständnis.

FRAGE KUBINA: Frau Baron, eine Frage zum Thema Kartellrecht. Es sind ja doch recht weitgehende Eingriffe im Positionspapier zu finden. Dazu der Zusatz, dass es, auch wenn keine illegalen Preisabsprachen mehr vonnöten sein sollen, damit das Kartellamt eingreift, dennoch klare Kriterien geben müsse. Was könnten denn solche klaren Kriterien sein? Gibt es ein, zwei konkrete Punkte, die Sie schon nennen können?

DR. BARON: Nein, dem kann ich jetzt nicht vorgreifen. Wir arbeiten die Vorschläge ja aus. Da muss ich noch um etwas Geduld bitten.

VORS. WOLF: Eine Frage des Kollegen Hoenig zu diesem Thema: Inwieweit war es ein Fehler, die Mineralölkonzerne nicht zu verpflichten, die Steuersenkung eins zu eins an die Verbraucher weiterzugeben?

DR. BARON: Das kann ich nicht beurteilen. Es gilt das, was im Gesetz steht. Das Kartellrecht sieht an der Stelle eben eine kartellrechtliche Gewinnabschöpfung vor. Das sieht sie auch schon im jetzigen Recht so, nämlich in § 34 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, aber eben unter sehr hohen Hürden. Dieses Instrument ist noch nie zur Anwendung gekommen. Genau deswegen kommen wir ja zu der Schlussfolgerung: Wir müssen für die Zukunft lernen und ein Instrument eben so gestalten, dass es auch nutzbar ist. Denn wenn es noch nie zur Anwendung gekommen ist, scheint es ja nicht besonders handhabbar zu sein.

FRAGE JESSEN: Eine Lernfrage: Ist es eigentlich bei einer möglichen Neugestaltung möglich, sie auch rückwirkend anwendbar zu machen, also wenn man feststellen sollte, dass es in der aktuellen Rabatt- oder Nicht-Rabattrunde zu Vorfällen gekommen ist, wo die Position im Grunde missbraucht wurde? Geht das also rückwirkend oder wären das Änderungen, die nur für zukünftige vergleichbare Aktionen gelten?

DR. BARON: Das wird man sich sehr genau anschauen müssen. Dazu kann ich jetzt nur so viel sagen, dass die Grenzen für die Rückwirkung im deutschen Verfassungsrecht sehr eng sind, da man ja in Tatbestände aus der Vergangenheit eingreifen würde. Ich kann es nicht abschließend beantworten, kann aber nur sagen: Die verfassungsrechtlichen Grenzen dafür sind eng.

FRAGE JUNG: Frau Baron, es geht um das Wind-an-Land-Gesetz. Es ist interessant, dass Sie den Entwurf Ihres Hauses für die Formulierungshilfe an die Verbände am Freitagnachmittag um 15.30 Uhr verschickt haben, wenn die meisten ja nicht mehr im Büro sind, und die Frist auf Montag 9.30 Uhr, also heute, gesetzt haben. Ihr Minister war angetreten, um das ein bisschen anders als die alte Regierung zu machen. Von Herrn Altmaier und Ihrem Haus kannten wir es ja, dass die Verbändeanhörung so gut es ging eingeschränkt wurde. Ist das Ihre Art der neuen Politik?

DR. BARON: Es ist immer abzuwägen zwischen der Dringlichkeit der Handlung, die eben in den letzten Wochen und Monaten noch einmal dringlicher geworden ist, und (der Notwendigkeit), noch einmal deutlicher zu machen, dass der erneuerbare Ausbau voranzubringen ist und mehr denn je auch eine Frage der nationalen Sicherheit geworden ist. Das ist abzuwägen, natürlich mit Fristen, die wir setzen.

Dabei ist hinzuzufügen, dass es ja auch schon Gespräche gab, bevor wir einen Gesetzentwurf vorgelegt haben. Das Ziel ist im Koalitionsvertrag formuliert, nämlich ein Zwei-Prozent-Flächenziel umzusetzen und dieses dann auf die Länder herunterzubrechen. Dazu gab es auch schon Gespräche. Natürlich ist es immer erst dann konkret, wenn die Papiere und Gesetzentwürfe vorliegen. Aber leider ist bei dieser Interessenabwägung allen Interessen irgendwie gerecht zu werden, nämlich der Beteiligung, aber auch der sehr hohen zeitlichen Dringlichkeit.

ZUSATZFRAGE JUNG: Aber was ist am Ende wichtiger, Gründlichkeit oder Schnelligkeit? Wollen Sie das in Zukunft auch so handhaben, dass Sie am Freitagnachmittag etwas verschicken und Montagmorgen die Antwort haben wollen?

DR. BARON: Ich glaube, ich habe alles dazu ausgeführt. Ich betone noch einmal: Es ist nicht das erste Gespräch, das es dazu gegeben hat, sondern es gab auch schon im Vorfeld Gespräche über das Wind-an-Land-Ziel und die Verwirklichung des Flächenziels.

VORS. WOLF: Ich habe digital noch eine Nachfrage an das BMG. Frau Misslbeck vom Ärztenachrichtendienst fragt: Über das Infektionsschutzgesetz und die Impfstofffrage hinaus, wie sieht es mit Surveillance und Teststrategie aus?

GÜLDE: Dazu kann ich Ihnen jetzt hier noch keinen neuen Stand geben. Das ist noch Gegenstand der aktuellen Beratung.

Zum Thema Surveillance hat sich ja Herr Minister Lauterbach kürzlich geäußert. Wir werden insbesondere im Bereich der Krankenhäuser darauf hinwirken, dass die Daten schneller übermittelt werden. Auch dazu sind wir zurzeit in Gesprächen.

FRAGE DR. RINKE: Wie ist eigentlich der Stand? Sind alle Krankenhäuser verpflichtet, Daten zu melden, was Corona angeht? Ich dachte, da hätte es eine kleine Unterscheidung gegeben, dass nicht alle Krankenhäuser diese Pflicht haben. Wenn das nicht der Fall sein sollte, ist geplant, dass künftig alle Krankenhäuser Zahlen melden müssen, also zum Beispiel auch über freie Betten und ähnliche Sachen?

GÜLDE: Herr Rinke, alle Krankenhäuser sind verpflichtet, Infektionsfälle zu melden. Das ist im Infektionsschutzgesetz festgeschrieben.

Darüber hinaus müssen alle Krankenhäuser, die in der Intensivversorgung tätig sind, ihre Intensivbetten melden, also auch die freien Kapazitäten.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Auch die privaten?

GÜLDE: Bei den privaten das muss ich jetzt ehrlich sagen bin ich überfragt. Meines Wissens aber ja. Das reiche ich gern nach.

FRAGE JUNG: Auch an das BMG: Wie ist denn jetzt der Zeitplan für die Legalisierung von Cannabis?

GÜLDE: Herr Jung, dazu hat sich ja am vergangenen Freitag mein Kollege Herr Deffner recht ausführlich geäußert. Es gibt jetzt einen Konsultationsprozess, der seitens des Drogenbeauftragten gestartet wird. Das ist als Vorarbeit für den Gesetzgebungsprozess zu verstehen. Dieser Konsultationsprozess wird auf unterschiedlichen Ebenen laufen und wird alle relevanten Akteure und Interessengruppen einbeziehen. Nach Abschluss dieses Konsultationsprozesses wird das reguläre Gesetzgebungsverfahren starten.

Ich kann Ihnen darüber hinaus noch keine weiteren Einordnungen zum Kabinettsbeschluss oder Bundestagsbeschluss geben.

ZUSATZFRAGE JUNG: Ich war auf dem Stand, dass Sie dieses Jahr die Legalisierung noch durchbringen wollen. Wie lange erwarten Sie den Konsultationsprozess?

GÜLDE: Wie gesagt: Darüber hinaus kann ich jetzt keine weiteren Angaben machen.

FRAGE JESSEN: Ich möchte Sie zu dem Thema Post-Vac fragen, also nach möglichen Nebenwirkungen, die nach Coronaimpfungen auftreten können. Da gibt es aus ärztlichen Praxen Berichte, dass es diese Symptome gibt. Hochgerechnet könnten es sich um einige tausend Fälle in ganz Deutschland handeln. Es wird allerdings beklagt, dass es anders als bei Long Covid keine systematische Erfassung gibt. Es wird gefragt, ob das Gesundheitsministerium, vor allem der Gesundheitsminister selbst, diese möglichen Nach- oder Nebenwirkungen eigentlich als ein relevantes Problem ansieht und welchen Weg der Aufklärung er gehen will.

GÜLDE: Herr Jessen, es gibt ja unterschiedliche Wege der Übermittlung von Nebenwirkungen. Also anders als in früheren Fällen haben wir tatsächlich weitere Wege der Übermittlung geschaffen.

Darüber hinaus gestatten Sie mir noch einmal den Hinweis: Ärzte sind grundsätzlich dazu verpflichtet, Nebenwirkungen oder, besser gesagt, Verdachtsmeldungen an das Paul-Ehrlich-Institut weiterzumelden.

Darüber hinaus gibt es ja auch die App SafeVac, mit der Menschen, die selbst Symptome haben und eine Nebenwirkung vermuten, diese Nebenwirkung entsprechend per App melden können. Insofern sind die Meldewege gegeben. Da sehen wir zurzeit kein Problem.

Was die Symptome angeht, die Sie genannt haben: Es werden ja tatsächlich auch einige in den Sicherheitsberichten des Paul-Ehrlich-Instituts genannt. Zurzeit erkennen wir aber diesbezüglich noch kein relevantes Signal. Also es gibt vereinzelt Fälle davon. Wir sehen da zurzeit aber noch kein tatsächliches Signal.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Sie kennen die Berichterstattung, der zufolge sich Arztpraxen offenbar manchmal schwertun, solche zum Teil vagen Verdachtsmomente weiter zu melden, weil sie befürchten, dann sozusagen Impfgegnern in die Hände zu spielen.

Auf der anderen Seite sagen Ärzte, die das ernst nehmen: Es gibt eigentlich keine Struktur, wo Menschen Beratung suchen können. Sie schlagen vor, dass Institutionen wie Sprechstunden für Long- oder Post-Covid-Beschwerden auch für diese Form von Post-Vac-Problemen offen sein könnten. Ist das ein Weg, den Sie empfehlen würden, um mehr Aufklärung zu schaffen?

GÜLDE: Der ersten Ansprechpartner für Patientinnen und Patienten mit entsprechenden Symptomen sind natürlich immer die Ärzte vor Ort. Ob darüber hinaus noch eine Weitervermittlung, beispielsweise an Universitätskliniken oder Ähnliches, nötig ist, das ist grundsätzlich auch eine ärztliche Entscheidung. Diese können wir von hier aus jetzt nicht kommentieren.

Ob darüber hinaus noch der Aufbau weiterer Strukturen nötig ist, das kann ich an dieser Stelle noch nicht sagen. Da Sie jetzt auch Long-Covid angesprochen haben: Das sind alles Dinge, die noch sehr jung und in der Erforschung sind. Insofern kann ich zu der Frage, ob der Ausbau weiterer Behandlungsstrukturen nötig ist, jetzt von hier aus einfach noch nichts sagen.

 

Zur Podcastversion

Podcast mit Interviewfolgen

Podcast mit Aufzeichnungen der BPK

Diskutiere und Kommentiere im Forum!
Werdet Unterstützer unserer Arbeit & verewigt euch im Abspann!
Wer mindestens 20€ gibt, wird im darauffolgenden Monat am Ende jeder Folge als Produzent gelistet.
Jung & Naiv
IBAN: DE85 4306 0967 1047 7929 00
BIC: GENODEM1GLS
BANK: GLS Gemeinschaftsbank