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Bundesregierung für Desinteressierte: BPK vom 10. August 2022

Themen: Kabinettssitzung (Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes, Neuberufungen in den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung), sinkende Wasserstände in deutschen Flüssen, Getreidelieferungen aus der Ukraine, Umbau der Tierhaltung, Verbrennung von Seiten aus dem Koran vor einer Moschee in Hamburg, Vorschlag auf europäischer Ebene hinsichtlich eines Verbots von Touristenvisa für Russen, offener Brief der Vorsitzenden von Konsumgenossenschaften und Unternehmen an den Bundeskanzler, Diskussion um eine Besteuerung der Gasumlage, gewartete Turbine für die Gasleitung Nord Stream 1, Äußerungen der Bundesinnenministerium zum Thema Ehrenamt, Entsendung eines Gasbohrschiffes in das östliche Mittelmeer vonseiten der türkischen Regierung, Aufnahme ehemaliger afghanischer Ortskräfte in Deutschland, aktuelle Einsatzfähigkeit der in die Ukraine gelieferten Einheiten der Panzerhaubitze 2000, Video-Ident-Verfahren, Vorstellung von Eckpunkten für ein Inflationsausgleichsgesetz durch den Bundesfinanzminister, Haushaltsansatz für das Bundesentwicklungsministerium, staatsanwaltliche Durchsuchung des früheren E-Mail-Kontos des ehemaligen Ersten Bürgermeisters von Hamburg

Themen/ Fragen:
00:00 Beginn
00:19 Bericht aus dem Kabinett
03:26 Trinkwasserbrunnen
05:16 Tilo zu Trinkwasserbrunnen
06:48 Hans zu Grundwasser
09:34 Wasserpegel in Flüssen
15:17 Getreidelieferungen
16:45 Tilo zu Getreideproduktion/Tierhaltung
20:22 Hans zu Fleischkonsum
24:11 Tilo zu Massentierhaltung
25:18 Islamisches Zentrum Hamburg
27:36 Hans zum IZ Hamburg
30:03 Visa für russische Touristen
33:15 Tilo zu Sanktionen gegen Zivilbevölkerung
36:28 Offener Brief von Konsum-Gesellschaften
38:28 Mehrwertsteuer auf Gasumlage
41:15 Gasspeicherumlage
43:59 Tilo zu Ökogas & Gasumlage
46:21 Hans zu Ökogas
48:20 Die Turbine
49:18 Ehrenamt
53:38 Türkei/Griechenland
55:03 Hans zu afghanische Ortskräfte
1:00:33 Ukraine/Panzerlieferungen
1:01:09 Tilo zu Panzer-Reperatur-Ausbildung
1:02:07 CCC-Hack von Video-Ident-Verfahren
1:05:03 Lindners Entlastungs-Pläne
1:07:57 Kürzung BMZ-Haushalt
1:11:15 Tilo zu CumEx/Scholz
1:12:39 Hans zu CumEx/Scholz

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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 10. August 2022:

VORS. SZENT-IVÁNYI eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt STS HEBESTREIT sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

STS HEBESTREIT: Herzlich willkommen auch von mir!

Die Bunderegierung hat heute den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes beschlossen. Damit werden einzelne Vorschriften der EU-Trinkwasserrichtlinie umgesetzt, wonach zur öffentlichen Wasserversorgung auch die Bereitstellung von Leitungswasser durch Trinkwasserbrunnen an öffentlichen Orten als Aufgabe der Daseinsvorsorge gehört. Allen Bürgerinnen und Bürgern soll im öffentlichen Raum auf diese Weise der Zugang zu qualitativ hochwertigem Trinkwasser ermöglicht werden. Dies ist ein wichtiger Beitrag gerade auch mit Blick auf künftige Hitzeereignisse in urbanen Räumen. Zugleich können durch verringerte Nutzung von Flaschenwasser Ressourcen geschont werden.

Der Gesetzentwurf schafft darüber hinaus die Ermächtigungsgrundlage für eine Verordnung, um weitere Vorgaben der EU-Trinkwasserrichtlinie umzusetzen. Sie betreffen die Risikobewertung und das Risikomanagement der Einzugsgebiete von Entnahmestellen für diese Trinkwassergewinnung. Die EU-Trinkwasserrichtlinie ist in Teilen bereits in Deutschland rechtlich umgesetzt. Die noch verbliebenen Vorgaben sollen gesondert umgesetzt werden, insbesondere durch Änderungen des Infektionsschutzgesetzes und der Trinkwasserverordnung. Das Gesetz bedarf der Zustimmung des Bundesrates.

Dann habe ich noch einen zweiten Punkt aus dem Kabinett zu berichten. Die Bundesregierung schätzt den wirtschaftspolitischen Rat des unabhängigen Sachverständigenrates, SVR, bekanntlich sehr. Er leistet als unabhängiges Beratungsgremium der Bundesregierung wertvolle Arbeit. Die besonderen wirtschaftswissenschaftlichen Kenntnisse und volkswirtschaftlichen Erfahrungen der Ratsmitglieder sind für die Bundesregierung von hohem Wert. Das Bundeskabinett hat heute entschieden, dem Bundespräsidenten Ulrike Malmendier und Martin Werding zur Berufung in den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung vorzuschlagen.

Wir sind sehr froh, mit Ulrike Malmendier so ist es, glaube ich, richtig betont eine der weltweit führenden Ökonominnen für den Sachverständigenrat gewonnen zu haben. Sie ist unter anderem weltweit führende Expertin für das Thema „Inflation und Inflationserwartungen“. Gerade in Zeiten der steigenden Inflation ist ihre Expertise aktuell besonders wertvoll. Durch ihre langjährige Arbeit in den Vereinigten Staaten kann sie bei aktuellen wirtschaftspolitischen Themen mit US-Bezug ihre Expertise besonders gut einbringen.

Gleichermaßen freuen wir uns sehr darüber, Martin Werding als neues Mitglied vorschlagen zu dürfen. Er ist ein sehr angesehener Wissenschaftler mit großer Erfahrung in der Politikberatung. Als renommierter Experte für Sozialpolitik und öffentliche Finanzen stärkt er insbesondere auch die finanzwissenschaftliche Expertise des Rates. Seine Forschungsschwerpunkte sind öffentliche Finanzen, Sozialpolitik, Alterssicherung und Familienpolitik, Bevölkerungsökonomie und auch Migration sowie die Arbeitsmarktpolitik. – So weit von mir aus dem Kabinett für heute.

FRAGE STEINKOHL: Ich würde einmal nach dem öffentlichen Wasser fragen, weil Sie auch den Hinweis aufbrachten, man bräuchte weniger Flaschen. Soll ich mir das jetzt so vorstellen, dass die Haushalte in Kanistern an öffentlichen Brunnen Wasser abfüllen sollen, oder wie ist das gemeint?

STS HEBESTREIT: Ich glaube, es ging eher darum, dass man an öffentlichen Entnahmestellen Wasser abfüllen kann, deshalb nicht auf den Kauf von in Flaschen geliefertem Wasser zurückgreifen muss, aber ansonsten würde ich das Umweltministerium um das Wort bitten, das federführend dafür zuständig ist. – Ich erhalte aber einen Nicken, ich habe richtig geraten.

ZUSATZFRAGE STEINKOHL: Es geht dann quasi um den Flaschenverbrauch, wenn ich in der Stadt unterwegs bin?

STS HEBESTREIT: Ich bitte den Kollegen doch kurz auf das Podium.

STOLZENBERG: Trinkbrunnen sind eine hervorragende Lösung, um verpackungsfrei Wasser zu zapfen. Das ist aber sicherlich nur ein Nebeneffekt von dem, was wir mit diesem Gesetz oder dieser Gesetzesänderung vorhaben; denn es geht ja darum, Wasser für alle verfügbar zu machen. Dass das dann auch noch verpackungsfrei ist, ist einfach eine feine Sache und spart eben sozusagen Einwegverpackungen, weil man da immer einfach seine Mehrwegverpackung wie zum Beispiel eine Metallflasche nutzen kann und dann damit das Wasser für unterwegs darum geht es nämlich im Wesentlichen abfüllen kann.

ZUSATZFRAGE STEINKOHL: Ist das eigentlich etwas, das nur den städtischen Raum betrifft, oder soll das im ländlichen Raum auch ermöglicht werden?

STOLZENBERG: Das gilt für alle Kommunen.

FRAGE JUNG: Ich hatte jetzt gelesen, dass es bisher 1300 Trinkwasserbrunnen in Deutschland gibt und dass im ersten Schritt nun 1000 zusätzliche aufgestellt werden sollen. Was ist denn insgesamt die Zielmarke?

STOLZENBERG: Dabei müssen wir uns immer an den Bedarfen und Möglichkeiten der Kommunen und der Länder ausrichten. Deshalb ist dieser Gesetzentwurf auch in enger Abstimmung mit den Ländern entstanden. Die Länder fördern halt die Kommunen, damit sie diese Trinkwasserbrunnen aufstellen können. Man muss das jetzt natürlich auch immer ein bisschen anhand des Bedarfs vor Ort regeln. Es ist, glaube ich, keine gute Idee, mit einer pauschalen Zahl pro Kommune daran heranzugehen; das wäre nicht praxistauglich.

Es gibt bisher 1300 öffentliche Trinkwasserbrunnen. Man darf aber nicht vergessen: Darüber hinaus gibt es ja auch viele zivilgesellschaftliche Initiativen, die zum Beispiel dafür sorgen, dass Restaurants, Geschäfte oder ähnliche Betriebe als freiwillige Maßnahme ohnehin auch kostenlos Wasser abgeben. Damit kommt man dann auf viel mehr Zapfstellen, wie ich einmal sage. Insofern muss man auch berücksichtigen, wie viele Möglichkeiten es denn in der jeweiligen Kommune schon gibt und wie viele weitere Trinkwasserbrunnen, die mit Steuergeld finanziert werden müssen, denn überhaupt noch errichtet werden müssen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Was ist mit den hochverschuldeten Kommunen, die sich keine Investitionen leisten können?

STOLZENBERG: Wir gehen davon aus, dass die Länder das im Blick haben. Die haben im Vorfeld eben auch zugesagt, dabei mit Förderung unter die Arme zu greifen.

FRAGE JESSEN: Ich weiß nicht, inwiefern dass die Baustelle Ihres Ministeriums ist, aber ich stelle die Frage. Wir haben sinkende Niederschläge und dramatisch sinkende Grundwasserpegel. Bedeutet das kurz- oder auch mittelfristig eine Gefahr für die Sicherheit der Trinkwasserversorgung in Deutschland? Das ist ja durchaus eine systemrelevante Infrastruktur. Wie begegnen man dieser Gefahr?

STOLZENBERG: Ich muss Sie an einer Stelle korrigieren. Wir erleben tatsächlich seit 2018 wiederkehrende trockene Sommer. Das ist ein Problem für die Vegetation. Das heißt, Pflanzen erhalten nicht mehr genug Wasser, um wachsen zu können, und die Wälder leiden darunter, weil sie dadurch anfälliger für Schädlinge werden. Das Grundwasser allerdings ist nach wie vor in gutem Zustand. Wir gehen also davon aus, dass 95 Prozent der Grundwasserkörper in Deutschland in einem guten Zustand sind. Das heißt, das Wasserproblem, das wir haben, befindet sich bislang noch an der Oberfläche, dort, wo Vegetation Wasser benötigt, aber es ist kein Grundwasserproblem. Trinkwasser ist bislang noch vorhanden.

Dies vielleicht noch als Ergänzung: Langfristig warnt die Wissenschaft davor, dass es da eine sinkende Tendenz gibt. Aber deshalb befindet sich ja auch gerade die Nationale Wasserstrategie in der Ressortabstimmung, um dem eben langfristig vorzubauen.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Vielleicht habe ich mich unpräzise ausgedrückt. Ich hatte mich auf Berichte darüber bezogen, dass infolge auch der Dürre Brunnen, die nicht bis ins tiefe Grundwasser reichen, sondern oberflächennah sagen wir, im Bereich von zehn Metern oder so abpumpen, nichts mehr fördern. Heißt das, ich verstehe Sie richtig, dass die Grundversorgung mit Trinkwasser, die aus tiefen Grundwasserlagen und, glaube ich, auch aufbereitetem Oberflächenwasser schöpft, auch mittelfristig gesichert ist? Ist das die Erkenntnis Ihres Hauses?

STOLZENBERG: Wir gehen davon aus, dass die Trinkwasserversorgung gesichert ist. Langfristig, wie gesagt, sagt uns die Wissenschaft, müssen wir uns um unser Wasser kümmern. Wir sehen ja jetzt schon, und das lesen Sie sicherlich auch: Wasserknappheiten treten regional auf. Das ist ein Problem. Verschiedene Kommunen entscheiden dann über bestimmte Regeln der Wasserrationierung. Die Befüllung von Swimmingpools und Gartenbewässerung dürfen dann nicht mehr stattfinden. Das sind bisher temporäre Maßnahmen. Aber im Zeichen der Klimakrise sind das sicherlich Probleme, die man sich zunächst vor Ort anschauen muss, weil das erst einmal ein regionales Problem ist. Aber mit der Nationalen Wasserstrategie wollen wir eben schauen, dass das auch bestmöglich durch den Bund unterstützt wird.

FRAGE JORDANS: Der Wasserpegel in den deutschen Flüssen wie auch anderswo in Europa sinkt ja derzeit kontinuierlich wegen der anhaltenden Trockenheit, und viele Binnenschiffe können nicht mehr so viel laden wie vorher, weil sie sonst auf Grund laufen. Welche Gefahr sieht denn die Bundesregierung hier für die kommenden Tage und Wochen? Könnte die Anlieferung von Kohle und Öl entlang der Schifffahrtswege vielleicht bedroht sein? Ich weiß nicht, ob das Umweltministerium oder das Verkehrsministerium darauf antworten will.

ALEXANDRIN: In der Tat ist es so, dass die Wasserstände und Abflüsse der Bundeswasserstraßen aufgrund der anhaltend hohen Temperaturen und geringen Niederschläge auf sehr niedrigem Niveau verharren. Das gilt insbesondere für den Rhein. Das ist ein nautisches Nadelöhr, in dem Fall ist der Wasserstand am Pegel Kaub eben sehr niedrig, aber für Schiffe mit geringem Niedriggang weiterhin passierbar. Trotz einiger angekündigter Niederschläge in dieser Woche erwarten wir allerdings tatsächlich eine Intensivierung des Niedrigwassers.

Bei der Versorgung der Kraftwerke muss man unterscheiden, dass die nicht alle ausschließlich über das Wasser versorgt werden, sondern in ganz erheblichem Maße auch über die Schiene bzw. die Straße. Wir sind dabei, gemeinsam mit dem BMWK eben auch im Rahmen des Energiesicherungsgesetzes Maßnahmen dafür zu treffen, dass die Versorgung hier sichergestellt werden kann.

ZUSATZFRAGE JORDANS: Können Sie dafür ein paar Beispiele nennen, was für Maßnahmen das sein könnten?

ALEXANDRIN: Im Rahmen des Energiesicherungsgesetzes wird beispielsweise an einer Verordnung gearbeitet, die eine Priorisierung auf der Schiene für solche Energietransporte vorsieht. Das geschieht in zwei Schritten. Der erste Schritt ist quasi einer auf Ebene der Disposition. Dabei geht es also um freie Trassenvergaben. Das muss man sich so vorstellen: Zwei Züge stehen an einer Ampel. Welcher darf zuerst losfahren? Es ist dann der mit dem Energietransport. Dazu werden aktuell die Netznutzungsbedingungen der DB Netz AG geändert. Dafür braucht es keine gesetzlichen Änderungen. Wenn sich darüber hinaus ein noch verschärfter Bedarf ergibt, dann wird eben auch eine Priorisierung per Verordnung für solche Energietransporte ermöglicht. Das befindet sich in Vorbereitung.

FRAGE DR. RINKE: Ich habe eine kurze Nachfrage zu der Formulierung, die Sie eben gewählt haben, man erwarte eine Intensivierung des Niedrigwassers. Vielleicht können Sie bitte noch einmal beschreiben, was Sie damit genau meinen. Ich nehme an, dass der Pegelstand noch weiter sinken kann.

Haben Sie auch eine Zeitvorstellung davon, ab wann, wenn es jetzt nicht regnet, die Schifffahrt auf dem Rhein möglicherweise gar nicht mehr möglich ist?

ALEXANDRIN: Nein, das kann ich pauschal nicht sagen. Ich kann hier darauf verweisen, dass wir eine sehr, sehr gute Vorhersage haben, die auch Ihnen zugänglich ist. Das ist die Liveübertragung der Pegelstände, die Sie beim Bundesamt für Gewässerkunde finden. Dort finden Sie alle Livepegel. Dreimal täglich, glaube ich, werden die abgerufen. Außerdem gibt es die Niedrigwasserberichte eben dieser Behörde, die auch einen Ausblick darauf geben.

Grundsätzlich ist es so, dass keine Bundesbehörde den Fluss an sich für die Schifffahrt sperrt, sondern die Schiffseigner beziehungsweise Kapitäne in eigener Verantwortung entscheiden, wie viel sie abladen und wie lange eine Fahrt für sie dann noch rentabel ist.

FRAGE STEINER: Gibt es Rückwirkungen durch die niedrigen Pegelstände auf den Kühlbetrieb der Kernkraftwerke in Deutschland oder nicht?

ALEXANDRIN: Dafür muss ich tatsächlich abgeben.

STOLZENBERG: Es geht um die sinkenden Pegelstände und ein mögliches Problem für die Kühlung von Atomkraftwerken; habe ich das richtig verstanden?

ZUSATZ STEINER: Richtig, darum oder auch um andere Kraftwerke geht es.

STOLZENBERG: Ich kann nur zu den Atomkraftwerken etwas sagen, und da sind uns bislang keine Probleme bekannt, jedenfalls nicht so, wie Sie es zum Beispiel aus Frankreich kennen.

FRAGE LANGE: Ich habe eine Frage an die Bundesregierung, also an Herrn Hebestreit oder an das Auswärtige Amt, zu den Getreidelieferungen aus der Ukraine. Wir haben Sie die Nachricht aufgenommen, dass der erste Tanker offenbar kein Getreide transportiert, sondern Tierfutter, Mais? Ich frage vor dem Hintergrund, dass Ernährungssicherheit und Getreidelieferungen aus der Ukraine ja auch auf dem G7-Gipfel einen sehr breiten Raum eingenommen haben und offenbar scheint das jetzt nicht zu funktionieren.

STS HEBESTREIT: Herr Lange, ich glaube, da wissen Sie mehr als wir. Das heißt nicht, dass es nicht stimmt, aber wir haben die Information nicht und können uns deshalb dazu nicht äußern.

Sie haben zu Recht darauf verwiesen, dass es intensive Verhandlungen darüber gibt und gegeben hat, dass die Getreidevorräte, die es in der Ukraine gibt, außer Landes gebracht werden können, um dort und anderswo Hungersnöte abwenden zu können. Was den konkreten Fall angeht, müssen wir dazu etwas nachreichen, wenn wir mehr wissen.

FRAGE JUNG: In Deutschland ist es ja so, dass 60 Prozent der Getreideproduktion in den Futtertrog wandern. Das ist ja die größte Stellschraube in Sachen Futtergetreide. Was tut denn Ihr Ministerium, damit dieser Anteil massiv sinkt?

HAUCK: Vielen Dank für die Frage. Sie haben recht: Tatsächlich geht ein sehr großer Anteil des in Deutschland produzierten Getreides in den Trog, also in die Futtermittelversorgung. Es ist aber nicht nur dieser Teil. Ein großer Teil des Getreides wird zum Beispiel auch energetisch genutzt. Sie haben es gesagt: 60 Prozent dienen der Tierernährung. 14 Prozent des Getreides gehen in die energetische Nutzung.

Wir haben schon oft betont: Es geht darum, sich das ganze Spektrum der Verbrauchsseite anzuschauen. Das heißt, wir müssen darüber sprechen, dass wir effizienter mit den Ernten umgehen. Wenn ich dazu vielleicht ein paar Zahlen nennen darf: 25 Millionen Tonnen Getreide verfüttern wir an Nutztiere. Das ist das, was Sie angesprochen haben. 10 Millionen Tonnen Getreide, die angebaut werden, wandern in den Tank. Wenn wir umgerechnet in Getreideeinheiten einmal dagegenhalten, was wir wegwerfen, dann werfen wir auch noch 10 Millionen Tonnen Getreide in die Tonne. Hierin liegt ein Riesenpotenzial. Allein mit diesen Zahlen könnten wir mehr Menschen satt bekommen als mit allem Getreide, das jetzt beispielsweise nicht aus der Ukraine herauskommt und dem Weltmarkt nicht zur Verfügung steht.

Ein wichtiger Hebel dafür ist natürlich der Umbau der Tierhaltung. Inzwischen ist klar, und dafür gibt es auch eine gesellschaftliche Mehrheit, dass es Verbesserungen bei der Tierhaltung geben muss. Im Koalitionsvertrag ist vereinbart, die Tierhaltung umzubauen. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die vor allem viele Punkte beinhaltet. Zum einen braucht es eine klare Zukunftsperspektive für die Tierhaltung in Deutschland. Das heißt, das Höfesterben muss beendet werden und den jungen Landwirten und Landwirtinnen muss ein Weg aus der ökonomischen Sackgasse gezeigt werden, in der sie sich befinden. Zweitens sollen die Tiere deutlich besser gehalten werden. Drittens muss Deutschland einen Beitrag zur globalen Ernährungslage leisten. Der vierte Punkt: Die Landwirtschaft muss einen Beitrag gegen Klimakrise und Artensterben leisten. Dafür gibt es insgesamt eine einfache Formel: Wir müssen weniger Tiere im Stall und mehr Wertschöpfung für die Landwirte haben. Wir haben dazu ein Konzept vorgelegt. Das Konzept umfasst eine umfassende, verbindliche, unabhängige und transparente Haltungskennzeichnung der Tiere und ein Finanzierungskonzept mit einer langfristigen Perspektive für die Betriebe. Es gibt dafür ab 2023 1 Milliarde Euro als Anschubfinanzierung und es sind bessere Regeln beim Tierschutz, insbesondere beim Transport und bei der Schlachtung, vorgesehen. Das Ganze wird von Anpassungen im Bau- und Genehmigungsrecht flankiert, damit die Betriebe ihre Ställe umbauen können.

ZUSATZFRAGE JUNG: Warum sagen Sie eigentlich „Tierhaltung umbauen“ und nicht „Tierhaltung abbauen“? Das ist doch die große Stellschraube, weil wir ja den Fleischkonsum massiv senken müssen, laut Umweltbundesamt ja um 50 Prozent in den nächsten 15 Jahren. Wie wollen Sie das schaffen?

Hauck: Die Tierhaltung gehört zu einer nachhaltigen Landwirtschaft in Deutschland dazu. Wir brauchen die Tierhaltung, um Kreisläufe zu schließen. Das heißt

ZURUF JUNG: Ja, aber nicht so viel! Das sagen doch Ihre Experten!

Hauck: Wie gesagt, gehört die Tierhaltung zur Landwirtschaft dazu. Wir brauchen den Wirtschaftsdünger, den die Tiere produzieren, um damit eben auch Pflanzen mit Nährstoffen zu versorgen. Wenn wir die Tierhaltung so umbauen, dass dieser Kreislauf geschlossen ist, dann brauchen wir weniger synthetischen Dünger von außen in den Kreislauf einzuführen und das ist das Ziel.

FRAGE JESSEN: Nun ist die Zahl der gehaltenen Nutztiere in den vergangenen Jahrzehnten ja angestiegen. Das heißt, der beschriebene Kreislauf, den Sie angedeutet haben, ist vorher mit weniger Tieren auch schon erfüllt worden. Setzen sich das Ministerium oder der Minister dafür ein, aktiv dafür zu werben, den Fleischkonsum zurückzufahren, weil das ja in der Tat eine Schlüsselstellschraube ist? Früher stand auf Obstpapiertüten „Esst mehr Obst!“. Können Sie sich eine Kampagne „Esst weniger Fleisch!“ vorstellen? Würden Sie das unterstützen?

HAUCK: Zunächst noch zu Ihrer Annahme, Herr Jessen: Die Tierbestände gehen tatsächlich leicht zurück. Es ist also nicht so, dass die Tierbestände angestiegen sind. Lassen Sie es mich am Beispiel der Schweinehaltung erklären: In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Zahl der schweinehaltenden Betriebe um die Hälfte verringert. In der Zeit hat sich die Zahl der gehaltenen Schweine nicht um den gleichen Anteil verringert, aber sie ist doch deutlich zurückgegangen.

Der Punkt, den Sie genannt haben, weniger Fleisch zu essen, ist natürlich eine Stellschraube, wenn wir darüber sprechen, dass 60 Prozent des angebauten Getreides in den Trog wandern. Ich sage Ihnen jetzt nichts Neues, wenn ich sage: Der Minister hat schon öfter gesagt, dass wir unseren Fleischkonsum überdenken müssen.

ZUSATZ JESSEN: Meine Anmerkung bezog sich nicht auf die letzten zehn Jahre, sondern auf die vergangenen Jahrzehnte, aber egal.

Aber man könnte ja auch mit einer aktiven Kampagne des Ministeriums dafür werben, indem man im mehrfachen gesellschaftlichen und individuellen Nutzen „Esst weniger Fleisch!“ sagt. Einer solchen Kampagne mögen Sie sich nicht nähern.

HAUCK: Wir unterstützen die Standards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Die hat ganz klare Aussagen dazu getroffen, wie viel Fleisch man pro Woche verzehren sollte, damit es einer gesunden Ernährung entspricht. Es gibt dazu ja also schon Kampagnen. Im Übrigen kann ich nur auf die Aussagen des Ministers verweisen, die da für sich stehen.

FRAGE STEINKOHL: Wir reden ja nicht von der kleinbäuerlichen Tierhaltung, sondern von der Massentierhaltung. Können Sie mir einmal erklären, weil ich das einfach nicht verstehe, welcher Kreislauf wie durch Massentierhaltung eigentlich geschlossen wird? Meinen Sie den Güllekreislauf oder was meinen Sie damit?

HAUCK: Die Annahme in der Frage mache ich mir jetzt nicht zu eigen. Wir brauchen die Tierhaltung einfach, wie gesagt. Nehmen Sie zum Beispiel den ökologischen Landbau. Der ökologische Landbau steht für geschlossene Kreisläufe. Das heißt, was im Betrieb

ZURUF STEINKOHL: (ohne Mikrofon, akustisch unverständlich)

HAUCK: Bitte?

ZUSATZ STEINKOHL: Es geht um die Massentierhaltung, davon reden wir jetzt!

HAUCK: Um Kreisläufe zu schließen, braucht man die Tierhaltung. Es gibt Betriebe, die Tiere halten und kein Grünland haben und keinen Ackerbau betreiben. Es gibt Betriebe, die betreiben Ackerbau haben, aber keine Tierhaltung. Der Kreislauf ist also natürlich nicht nur pro Betrieb zu betrachten, sondern das ist über die gesamte Struktur in Regionen und in ganz Deutschland hinweg zu betrachten.

ZUSATZFRAGE STEINKOHL: Ich will es noch einmal konkretisieren. In Niedersachsen, wo es diesen einen Fall von afrikanischer Schweinepest gibt, wurde um diesen Betrieb eine Schutzzone mit einem Radius von zehn Kilometern gezogen. In dieser Schutzzone gibt es 200 000 Schweine, die momentan in den Ställen stehen, weil sie nicht in die Schlachthöfe können. Können Sie mir erklären, was diese 200 000 Schweine zur Schließung irgendwelcher Kreisläufe beitragen?

HAUCK: Ich habe ja auch gesagt, dass wir die Kreisläufe schließen müssen. Deshalb müssen wir die Tierhaltung umbauen. Ich habe jetzt nicht behauptet, dass die Kreisläufe bereits geschlossen sind; das ist ja genau der Punkt. Deshalb arbeiten wir an dem Umbau der Tierhaltung.

FRAGE JUNG: Was ist die Haltung Ihres Ministeriums zur Massentierhaltung? Muss die erhalten bleiben?

HAUCK: Ich habe Ihnen, glaube ich, hier deutlich die Position zum Umbau der landwirtschaftlichen Tierhaltung dargestellt, und dem habe ich

ZURUF JUNG: Ich rede nicht von der Tierhaltung! Ich rede von der Massentierhaltung, wie der Kollege zuvor.

HAUCK: Genau, und ich rede von der landwirtschaftlichen Tierhaltung, und dazu

ZURUF JUNG: Ja, Sie reden an der Frage vorbei!

VORS. SZENT-IVÁNYI: Herr Jung, lassen Sie den Sprecher doch einmal ausreden.

ZURUF JUNG: Das ist doch frech!

VORS. SZENT-IVÁNYI: Nein! Jetzt lassen Sie den Sprecher doch bitte einmal ausreden und dann können Sie eine Zusatzfrage stellen. Ich will gerne, dass hier eine ordentliche Gesprächskultur herrscht, nicht so. Danke.

HAUCK: Ich glaube, ich habe die Bausteine zum Umbau der Tierhaltung hier deutlich gemacht und dazu kann ich jetzt nicht mehr sagen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Bitte beantworten Sie unsere Fragen! Die Frage war: Brauchen wir die Massentierhaltung aus Sicht des Landwirtschaftsministeriums?

HAUCK: Noch einmal: Wir brauchen die Tierhaltung für geschlossene Kreisläufe in Deutschland und mehr kann ich im Augenblick dazu nicht sagen. Das ist die Haltung des Bundesministeriums.

FRAGE ZAVAREH: Ich habe eine Frage an die Bundesregierung. Eine Gruppierung hat in Hamburg vor dem Islamischen Zentrum Hamburg Korane verbrannt und auf volksverhetzende Art und Weise die Heiligtümer der Muslime geschändet. Solche Unheil stiftenden Untaten führen potenziell zu berechtigten emotionalen Reaktionen von Muslimen. Diese Handlungen widersprechen dem Geist des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland, wonach der Respekt gegenüber den Kulturen und Religionen festgelegt ist. Verurteilt die Bundesregierung diese Untaten oder nicht?

SASSE: Ich kann das gerne übernehmen, Herr Hebestreit.

STS HEBESTREIT: Sehr gerne.

SASSE: Es geht um ein Ereignis in Hamburg vom Wochenende. Ich muss allerdings darauf hinweisen, dass das in der Zuständigkeit der Hamburger Innenbehörden liegt. Wir haben natürlich, wie das in diesen Fällen üblich ist, die iranische Sichtweise aufgenommen und stehen auch mit den Hamburger Behörden im Austausch. Informationen, die in diesem Zusammenhang relevant sind, werden natürlich über diplomatische Kanäle an die iranische Seite übermittelt.

ZUSATZ ZAVAREH: Meine Frage war, ob die Bundesregierung generell solche Untaten verurteilt oder nicht.

SASSE: Ich kann Ihnen nur sagen, dass das ein Ereignis ist, das sich in Hamburg zugetragen hat und über das die Hamburger Innenbehörden Auskunft erteilen.

ZUSATZFRAGE ZAVAREH: Denken Sie nicht, dass die Fortsetzung solcher gefährlichen Taten schlimme Folgen für das friedliche Zusammenleben von Menschen in Deutschland haben könnte?

SASSE: Es tut mir leid, dass ich mich an dieser Stelle wiederholen muss, aber ich muss Sie bitten, Ihre Anfrage an die Hamburger Innenbehörden zu richten. Die erteilen Ihnen Auskunft über das konkrete Ereignis. Wir sind hier in dieser Funktion sozusagen nur Vermittler für die diplomatischen Gesprächskanäle mit Iran.

FRAGE JESSEN: Frau Sasse, die Bundesregierung kritisiert ja in aller Regel, wenn bei Demonstrationen oder anderen öffentlichen Veranstaltungen religiöse oder staatliche Symbole egal welcher Art verunglimpft werden, wenn zum Beispiel Flaggen verbrannt werden. Ist aus Sicht der Bundesregierung sozusagen generell gesagt das, was der Kollege beschrieben hat und was wohl auch passiert ist, nämlich die Missachtung von Symbolen einer bestimmten Religion und Kultur, über den Einzelfall hinaus ein kritikwürdiger Sachverhalt?

SASSE: Herr Jessen, ich kann Ihre Frage so pauschal nicht beantworten, weil es in der vorherigen Frage um ein konkretes Ereignis in Hamburg ging. Die Hamburger Behörden sind dafür zuständig und nicht das Auswärtige Amt. Die Hamburger Innenbehörden haben dazu sicherlich Erkenntnisse, die sie gerne mit Ihnen teilen.

STS HEBESTREIT: Vielleicht kann ich ergänzen, weil Sie, Herr Jessen, ja schon völlig zu Recht die Grundhaltung dieser Bundesregierung und auch ihrer Vorgänger beschrieben haben. Natürlich ist es so, dass wir auch das Missachten und Schänden religiöser Symbole verurteilen, ohne dass wir uns auf den konkreten Fall, den der Kollege hier angesprochen hat, beziehen können, weil, wie gesagt, die Informationen dazu in Hamburg vorliegen. Aber grundsätzlich folgt auch diese Bundesregierung der von Ihnen beschriebenen Haltung.

FRAGE ZAVAREH: Eine Frage, die sich vielleicht an das Bundesinnenministerium richtet. Bilder zeigen eindeutig, dass die Polizei präsent gewesen ist, während diese Verunglimpfung stattgefunden hat. Man hat Koranblätter zerrissen, mit Füßen getreten und in Brand gesteckt. Man erwartet von der Polizei eigentlich ein Einschreiten bei solchen gesetzlich verbotenen Handlungen.

LAWRENZ: Vielen Dank für die Frage. Ich kann mich eigentlich den Vorrednern nur anschließen. Das Handeln der Polizei richtet sich nach Recht und Gesetz. Es ist ein Hamburger Sachverhalt. Das heißt, Sie müssten Ihre Frage an die Hamburger Innenverwaltung richten, die für die Polizei in Hamburg zuständig ist. Das BMI kann zu Sachverhalten anderer Polizeien keine Stellungnahme abgeben.

FRAGE NIENABER: Herr Hebestreit, Frau Sasse, die Ministerpräsidentinnen von Finnland und Estland haben sich dafür ausgesprochen, dass die EU künftig keine Visa mehr für Touristen aus Russland ausgeben sollte. Herr Hebestreit, ich wollte Sie fragen, ob der Bundeskanzler diesen Vorschlag unterstützt und sich auch dafür ausspricht.

Frau Sasse, falls es bei dem anstehenden Treffen der Außenminister in der Tschechischen Republik Ende August bei dem Thema zu keiner Einigung sollte, wäre Deutschland bereit, unilateral weniger Visa auszustellen? Vielen Dank.

STS HEBESTREIT: Grundsätzlich befinden wir uns im Augenblick innerhalb der Europäischen Union in Diskussionen, ob und wie ein siebtes Sanktionspaket aussehen kann, aussehen soll und welche Komponenten es enthalten kann. Dabei spielen auch die von Ihnen angesprochenen Fragen eine Rolle. Es gibt dazu bisher noch keine einheitliche Festlegung, wie man sich verhält, auch nicht innerhalb der Bundesregierung. Insofern ist es auch hochspekulativ, wenn ich auf den zweiten Teil Ihrer Frage abzielen darf, wie wir im Falle eines Falles agieren würden.

Grundsätzlich ist es so, dass wir sehr bestrebt sind, EU-einheitliche Regeln zu verabschieden. Das ist die Stärke, die sich auch in diesem Konflikt gegenüber dem Aggressor Russland ausgezeichnet hat. Darum kümmern wir uns und bemühen uns, auf europäischer Ebene möglichst einheitlich zu agieren.

ZUSATZFRAGE NIENABER: Sie haben gesagt, die Regierung hat noch keine abgestimmte Position. Ich hatte danach gefragt, welche Position der Bundeskanzler hat.

STS HEBESTREIT: In der Regel ist es so: Wenn der Bundeskanzler eine Position formuliert, ist das die Position der Bundesregierung. Insofern würde ich Sie darum bitten, abzuwarten, bis ich sie hier verkünden kann.

FRAGE DR. RINKE: Herr Hebestreit, das Instrument, auch für Touristen keine Visa mehr zu vergeben, ist ja ein ganz besonderes und etwas anders gelagert als Sanktionen gegen bestimmte Personen, denen man im Zusammenhang mit Kriegen oder Konflikten etwas vorwerfen kann. Dieses Instrument, das von einigen EU-Ländern vorgeschlagen wurde, ist aber aus Sicht der Bundesregierung durchaus eines, das die Bundesregierung erwägen könnte. Habe ich Sie da richtig verstanden?

STS HEBESTREIT: Ich würde jetzt genau das machen, was ich gerade gegenüber Herrn Nienaber abgelehnt habe, nämlich diesen Vorschlag zu bewerten. Er wird innerhalb der Europäischen Union von einigen Ländern vorgebracht und damit ist er auf dem Tisch. Darüber muss die Bundesregierung für sich und auch innerhalb Europas diskutieren. Diese Diskussion ist noch nicht abgeschlossen und deshalb werde ich hier keinen Zwischenstand vermelden können. Ich bitte da ein bisschen um Geduld.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Aber Sie haben gesagt, dass das innerhalb der Bundesregierung diskutiert wird. Das heißt, Sie schließen ein solches Instrument der Sanktionierung nicht aus.

STS HEBESTREIT: Ich tue mich immer in den Situationen schwer, wo Sie mich darauf festnageln wollen, ob ich etwas ausschließe oder etwas nicht ausschließe, weil daraus dann die nötigen Agenturmeldungen generiert werden. Dann möchte ich mich insoweit präzisieren, dass die Bundesregierung diesen Vorschlag, der auf der europäischen Ebene vorgebracht worden ist, zur Kenntnis genommen hat.

FRAGE JUNG: Ist denn die Außenministerin für die Bestrafung der Zivilbevölkerung offen?

SASSE: Ich glaube, Herr Hebestreit hat gerade sehr deutlich gemacht, wie die Position der Bundesregierung ist. Herr Nienaber selber hat auf das bevorstehende Außenministertreffen in Prag hingewiesen, bei dem unterschiedliche Meinungen ausgetauscht werden.

Um das Ganze faktisch einzuordnen, kann ich für die Berichterstattung darauf hinweisen, dass es hier nicht nur um Visa für russische Touristen geht, sondern es geht zum Beispiel auch um Personen der Zivilgesellschaft, um Schüler, Studierende, um Visa für enge Verwandte von EU-Bürgern oder auch in der EU wohnhafte russische Staatsangehörige. Das ist also eine ganz breite Zahl von Personen, die zur Diskussion stehen würde, wenn diese Diskussion so geführt wird. Sie entnehmen meiner Wortwahl, dass das alles sehr hypothetisch ist. Wie Herr Hebestreit selber deutlich gemacht hat, werden die Gespräche dazu geführt werden. Dem greifen wir an dieser Stelle nicht vor.

ZUSATZFRAGE JUNG: Mit welchen Vorstellungen fährt die Bundesregierung nach Prag? Was wollen Sie denn in ein Sanktionspaket packen?

SASSE: Dazu kann ich Ihnen heute an dieser Stelle noch nichts mitteilen.

FRAGE STEINER: Eine Frage an das Bundesinnenministerium, um das Bild komplett zu machen. Herr Lawrenz, wie schaut es denn aus: Gibt es aus sicherheitsbehördlicher Sicht, respektive aus Sicht des BMI, eine erhöhte Notwendigkeit zur Verschärfung der Regeln?

LAWRENZ: Ich kann das nicht weitergehender kommentieren, als es eben gemacht wurde. Es gibt Vorschläge. Es gibt ein Verfahren, das eingehalten wird. Das BMI ist dazu natürlich mit den Ressorts im Austausch. Ich kann Ihnen jetzt aber keinen aktuellen Verfahrensstand mitteilen.

ZUSATZFRAGE STEINER: Das ist auch nicht meine Frage gewesen, sondern meine Frage ist, ob das BMI in seiner Sicherheitseinschätzung zu dem Schluss kommt, dass es aus Sicherheitsgründen geboten wäre, mehr Visa zu versagen, respektive zumindest den Prozess zu verändern.

LAWRENZ: Eine solche Einschätzung hat vermutlich Auswirkungen auf das Ergebnis. Ich kann Ihnen die momentan nicht mitteilen.

FRAGE JORDANS: Herr Lawrenz, Frau Sasse hat gerade erwähnt, dass die Zahl derer, die von so einer Maßnahme betroffen sein könnten, größer sein könnte. Ich würde gerne fragen, ob Sie im Zuge der Prüfung dieses Vorschlags vielleicht eine Zahl erhoben haben, wie viele Menschen in Deutschland gegebenenfalls betroffen sein könnten. Ich meine die Zahl derer, die nur die russische und nicht die deutsche Staatsbürgerschaft haben.

LAWRENZ: Mir liegt keine Statistik vor, wie viele Menschen es betreffen würde, wenn so eine Regelung in Kraft treten würde.

FRAGE LEHNING: Herr Hebestreit, mehrere Vorsitzende von Konsumgesellschaften haben einen offenen Brief an Bundeskanzler Scholz geschrieben, in dem sie ihn dazu auffordern, seine Sanktionspolitik gegenüber Russland zu überdenken, sprich eigentlich die Sanktionen aufzuheben. War das Thema im Kabinett? Was entgegnet der Bundeskanzler dem?

STS HEBESTREIT: Das war kein Thema im Kabinett. Was öffentliche oder offene Briefe angeht, hält es der Bundeskanzler grundsätzlich so, dass sie zur Kenntnis genommen, aber nicht offen kommentiert werden.

Grundsätzlich ist es aber so, Ihre Nachfrage vorausahnend: Der Bundeskanzler hat in der Vergangenheit gesagt – und wird das sicherlich auch morgen bei seinem Auftritt hier in der Bundespressekonferenz, wenn Sie ihn das fragen würden, noch einmal betonen –, dass er die Sanktionspolitik der Bundesregierung, der europäischen Gemeinschaft, der internationalen Verbündeten sehr unterstützt und auch die Wirksamkeit der Sanktionen insbesondere mit Blick auf Russland für richtig und wirksam hält. Insoweit ergibt sich auch alles Weitere.

ZUSATZFRAGE LEHNING: Die Konsumvorsitzenden sagen, dass sie sich einer großen Existenzgefahr ausgesetzt sehen. Sieht die Bundesregierung diese Existenzgefahr? Wie bewerten Sie dieses Gesuch der Vorsitzenden der Konsumgesellschaften?

STS HEBESTREIT: Dann würde ich jetzt auf den offenen Brief, auf den ich gerade schon angespielt habe, antworten. Ich habe ja gerade gesagt: So einfach geht es nicht. Grundsätzlich ist es so, dass die Bundesregierung betroffenen Unternehmen, betroffenen Branchen, die von den Sanktionen besondere Betroffenheit erfahren, ein breites Paket an Hilfen zur Verfügung stellt und im Blick hat. Das ist seit Anfang an der Fall und so begleitet das unser Sanktionsregime. Man kann nicht alle Härten abfedern; das ist auch klar. Aber die Wirksamkeit der Sanktionen einerseits und die Bedeutung der Sanktionen sind aus Sicht der Bundesregierung unbestritten. Sie werden auch fortgesetzt.

FRAGE NEIDLEIN: Ich habe eine Frage zum Thema Energie/Finanzen an die Bundesregierung bzw. das Bundesfinanzministerium. Sowohl Herr Habeck als auch Herr Lindner haben sich dafür ausgesprochen, dass die Gasumlage von der Mehrwertsteuer befreit wird. Es gab das Argument, dass europarechtliche Gründe dagegenstünden. Mich würde interessieren, welche Gründe dies genau sind.

HARTMANN: Vielen Dank für die Frage. – Bundesfinanzminister Lindner hat heute in einem Statement noch einmal bekräftigt, dass er politisch entschlossen ist, die Mehrwertsteuer auf die Gasumlage zu verhindern oder, in welchem Umfangt auch immer, abzumildern. EU-Grundlage ist die Mehrwertsteuersystemrichtlinie. Den entsprechenden Artikel müsste ich nachreichen; dieser liegt mir jetzt nicht vor.

Es ist wie bei der EEG-Umlage auch: Die Gasumlage ist im Sinne der Definition der Mehrwertsteuer einfach ein Entgelt, und da findet die Mehrwertsteuersystemrichtlinie Anwendung. Das wird im Moment geprüft.

ZUSATZFRAGE NEIDLEIN: Alternativ steht die Forderung im Raum, pauschal die Mehrwertsteuer auf Energielieferung auf sieben Prozent abzusenken. Wäre das alternativ eine Möglichkeit, die Sie vorantreiben würden?

HARTMANN: Der politische Wille ist in beiden Häusern vorhanden. Ich muss Sie um Geduld bitten, wie die Prüfungen im Einzelnen verlaufen. Wir arbeiten intern daran.

FRAGE DR. RINKE: Nur um es richtig zu verstehen: Herr Lindner möchte nicht, dass die Mehrwertsteuer erhoben wird, muss es aber wahrscheinlich tun. Ich hoffe, ich habe Sie richtig verstanden. Deswegen hätte ich gerne nach einer Alternative gefragt. Wenn die Mehrwertsteuer erhoben werden muss, was wäre denn dann ein möglicher Ausgleich?

HARTMANN: Ich muss Sie wiederum vertrösten: Auch das wird geprüft, inwieweit eine Ausnahme möglich ist oder inwieweit sonstige Maßnahmen möglich sind.

FRAGE STEINKOHL: Wenn wir von der Gasumlage reden, ist das eigentlich eine Gasbeschaffungsumlage. Es gibt ja auch Überlegungen für eine Gasspeicherumlage. Wie ist da der Stand der Dinge? Könnten dadurch auf die Bürger zusätzliche Belastungen zukommen?

HAUFE: Sie sprechen jetzt von Überlegungen für eine Gasspeicherumlage. Es geht nicht um Überlegungen, sondern es geht um einen Paragrafen des Energiewirtschaftsgesetzes, der es der THE, also dem Marktgebietsverantwortlichen für den Gasmarkt, ermöglicht – das Unternehmen darf übrigens nicht gewinnorientiert arbeiten –, Entgelte zur Speicherbefüllung umzulegen. Das ist aber kein Automatismus.

Ich gebe noch einmal den Gesamtkontext zur Kenntnis: Die Gasspeicher in Deutschland müssen in den nächsten Monaten befüllt werden. Deutschland hat im EU-Vergleich sehr scharfe Vorgaben für die Befüllung dieser Gasspeicher: 75 Prozent im September, 85 Prozent im Oktober und 95 Prozent im November. Damit gehen wir über die EU-Vorgaben hinaus. Um diese Befüllung sicherzustellen, das entsprechende Gas zu besorgen, die Verträge dafür zu machen und die Logistik sicherzustellen, entstehen der Firma THE Kosten. Das Ganze ist aber dazu da, um eine Gasmangellage in Deutschland zu verhindern. Diese Kosten sind immer mit den Erlösen durch den Verkauf des Gases zu verrechnen. Insofern gibt es hier keinen Automatismus.

ZUSATZFRAGE STEINKOHL: Kein Automatismus heißt, es gibt keine zusätzlichen Belastungen für die Bürger oder heißt es das doch nicht?

HAUFE: Im Moment ist es ja so, dass, wenn Sie Gas aus dem Speicher herauslassen, der Verkaufspreis höher als der Preis ist, mit dem Sie das Gas einlagern. Genau in so einer Situation, die momentan der Regelfall ist, gehen wir nicht davon aus, dass so eine Umlage im Moment eine relevante Größe erreicht.

FRAGE JUNG: Herr Haufe, Lernfrage: Stimmt es, dass die Gasumlage für hundertprozentiges Ökogas auch gelten soll?

HAUFE: Reden wir jetzt von der Gasbeschaffungsumlage?

ZUSATZ JUNG: Ich rede jetzt von der Gasumlage, die beschlossen wurde.

HAUFE: Wir reden von zwei verschiedenen Dingen. Ich habe gerade über die Speicher gesprochen. Sie meinen wahrscheinlich die Gasbeschaffungsumlage.

ZUSATZ JUNG: Ja.

HAUFE: Die Gasbeschaffungsumlage ist dazu da, dass Importeure von Gas, die ihre Bestandsverträge mit den Gasmengen, die sie eigentlich aus Russland erhalten sollten, nicht mehr erfüllen können, entsprechend neue Gasmengen auf dem Spotmarkt erwerben müssen. Diese zusätzlichen Kosten, die dort entstehen, können sie ab dem 1. Oktober entsprechend geltend machen und können diese zu 90 Prozent in einem Entgelt, das ist die Umlage, die die Firma Trading Hub Europe errechnet, entsprechend auf die Energieversorger umlegen. Ich habe jetzt keine Aussage dazu, ob es da eine Einschränkung für bestimmte Qualitätskriterien von Gas, wie Sie sie jetzt ansprechen, gibt. Hier geht es erst einmal um Gasimporteure.

ZUSATZ JUNG: Dieses Gas wird ja meistens aus echtem Biomethan aus der Bioabfallvergärung gewonnen. Das wird ja nicht importiert. Das wird hier produziert. Wir haben die Kenntnis, dass auch die Gasumlage für dieses hier produzierte Ökogas gelten soll.

HAUFE: Die Gasumlage bezieht sich auf Ersatzkosten, auf Beschaffungskosten, die hier zusätzlich entstehen. Wie gesagt, ich kann gerade keine Aussage dazu treffen, ob dort die Qualität, ein gewisser Standard, den Sie jetzt nennen, eine Rolle spielt. Ich kann das gegebenenfalls nachreichen. Ich kann aber jetzt keine Aussage dazu treffen, ob es einen Unterschied macht, welche Erzeugungsart das Gas hat.

VORS. SZENT-IVÁNYI: Ich glaube, da wäre eine Nachlieferung sinnvoll.

FRAGE JESSEN: Ich möchte das einfach nur präzisieren. Es ist ja so, dass die Gasumlage von den Gasverbrauchern gezahlt wird. Ich glaube, der Kern der Frage ist: Müssen Gasverbraucher, die 100 Prozent inländisch erzeugtes Ökogas verbrauchen, auch eine Umlage zahlen? Wenn ja, warum denn? Das, was mit der Umlage finanziert wird, erreicht diese Ökogasverbraucher ja gar nicht. Sie müssten also für etwas zahlen, was Ihnen am Ende gar nicht zugutekommt. Das ist, glaube ich, der Kern der Frage.

VORS. SZENT-IVÁNYI: Ich glaube, die Frage ist klar.

HAUFE: Das ist klar. Nur noch einmal zur Klarstellung: Klar ist auch, dass auf die Endkunden, die Verbraucherinnen und Verbraucher an der Stelle hohe Kosten zukommen können. Ich will es noch einmal korrekt darstellen: Das ist eine Umlage, die auf die Energieversorger kommt. Diese entscheiden, wie wann und ob das Entgelt auf die Verbraucher umgelegt wird. Nur noch einmal, damit juristisch gesehen der korrekte Kontext dargelegt ist.

ZUSATZ JESSEN: Das habe ich verstanden. Nur noch eine Nachfrage.

HAUFE: Die Frage ist angekommen.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Die Frage ist, ob die Energieimporteure Kosten an Verbraucher weitergeben dürften, die sozusagen nur ganz anderes Gas verbrauchen.

HAUFE: Die Importeure können an Endkunden keine Entgelte weitergeben. Das kann nur der Energieversorger, nicht der Importeur. Wie gesagt, wir klären die Frage, ob das Gas in seinem Qualitätsstandard bei der Berechnung eine Relevanz hat.

FRAGE DR. RINKE: Zum Thema Gasturbine. Wir haben am Montag gehört, dass sich die Turbine immer noch in Deutschland befindet. Da ein gewisser Zeitdruck besteht, wollte ich nachfragen: Haben Sie neue Informationen, ob die Turbine auf dem Weg nach Russland ist?

HAUFE: Ich selbst habe an dieser Stelle keine neuen Erkenntnisse. Die beste Quelle für neue Erkenntnisse ist immer der Lieferant. Der Überbringer und Übermittler der Gasturbine ist Siemens Energy.

FRAGE ELLERMANN: Ich habe zwei Fragen an das Bundesarbeits- und Bundesfamilienministerium zum Thema Ehrenamt. Bundesinnenministerin Faeser hat einen Vorschlag gemacht, um das Ehrenamt zu stärken und mehr Ehrenamtler zu gewinnen, sie zum Beispiel – das ist die Gesprächsgrundlage – ein Jahr eher in die Rente schicken zu können.

Frage an das Bundearbeitsministerium: Wäre das finanzierbar?

Frage an das Bundesfamilienministerium: Ist diese Idee, dass Ehrenamtliche etwas früher in Rente gehen können, ein geeignetes Mittel, um das Ehrenamt zu stärken?

PRÜHL: Grundsätzlich ist natürlich das Ehrenamt und das ehrenamtliche Engagement immer sehr wertzuschätzen. Was so einen Vorschlag angeht, den ich übrigens überhaupt nicht als Vorschlag, sondern als eine Idee empfunden habe, die ich nur medial und nicht im O-Ton kenne, hängt natürlich die Finanzierung immer von der Ausgestaltung ab. Was wird am Ende als Ehrenamt definiert? Es gibt in Deutschland, glaube ich, ungefähr 30 Millionen Menschen, die irgendeine Art von Ehrenamt ausüben. Die Finanzierbarkeit einer Idee, vielleicht ordnet das Bundesinnenministerium das noch einmal ein, hängt von der Ausgestaltung ab.

KLAMT: Ich habe vonseiten des Bundesfamilienministerium dazu keine Ergänzungen.

ZUSATZFRAGE ELLERMANN: Ist es überhaupt schon Thema oder Idee, um das Ehrenamt zu stärken, es gibt ja diverse Ideen, an der Rente oder am Renteneintrittsalter etwas für Menschen zu ändern, die ein Ehrenamt übernommen haben?

VORS. SZENT-IVÁNYI: Die Frage richtet sich an wen?

ZUSATZ ELLERMANN: An Frau Klamt, weil das Bundesfamilienministerium für das Thema Ehrenamt zuständig ist.

KLAMT: Zu dem konkreten Fall habe ich momentan keine Erkenntnisse. Ich schaue gerne, ob wir dazu etwas nachreichen können.

PRÜHL: Das BMAS ist für das Thema Ehrenamt nicht federführend zuständig. Deswegen kann ich dazu auch nicht so viel Kluges sagen. Wie gesagt, vielleicht ist einzuordnen, ob es sich wirklich um einen Vorschlag handelt.

LAWRENZ: Ich kann das vielleicht ein bisschen einordnen. Die Bundesinnenministerin hat gestern Abend eine Talkveranstaltung des „Redaktionsnetzwerks Deutschland“ besucht, zu der auch Bürgerinnen und Bürger eingeladen waren. Es ging um die ganze Palette politischer Themen, auch um Themen, die das Bundesinnenministerium nicht in erster Zuständigkeit betreffen. Es ging bei einer Bürgerfrage um die Stärkung des Ehrenamtes. Daraus entspann sich eine Diskussion über ein Dienstjahr, ein Gesellschaftsjahr, wie immer man es bezeichnen möchte. In der Folge ist das als einer der Vorschläge gemacht worden. Das heißt, es ist in der Diskussion gewesen und hat sich dort als Vorschlag entpuppt.

FRAGE STEINKOHL: Frau Prühl, würden Sie das grundsätzlich für möglich halten oder ist das eine Sache einer Verknüpfung von verschiedenen Sachen miteinander? Wir sind in einer Situation, in der die einen schon die Rente mit 70 fordern. Wenn jetzt hunderte, tausende, zehntausende ehrenamtlich Tätige früher in Rente gehen können, stärkt das ja auch nicht gerade das Rentensystem.

PRÜHL: Man muss, genau wie Sie sagen, alle Vorschläge, die zur Änderung des Rentensystems gemacht werden, immer im Zusammenhang mit der demografischen Entwicklung in unserem Land und dem Arbeitskräftebedarf sehen. Der Minister hat sich kürzlich dahingehend geäußert, dass er Vorschläge in Richtung Rente mit 70 kategorisch ablehnt. Wir arbeiten wiederum mit allen möglichen Maßnahmen immer daraufhin, dass der vorgezogene Renteneintritt eben nicht verstärkt wird, sondern die Menschen tendenziell eher fähig und willens sind, länger zu arbeiten. Unser Land braucht ja Arbeitskräfte. Das diskutieren wir nun seit vielen Wochen, auch hier.

FRAGE: Das türkische Bohrschiff „Abdulhamid Han“ hat gestern mit der Suche nach Erdgas im östlichen Mittelmeer begonnen. Griechenland, Zypern und auch Experten in Deutschland reden von einer neuen Eskalation wie im Sommer 2020. Was sagt die Bundesregierung dazu?

STS HEBESTREIT: Wir haben das auch zur Kenntnis genommen. Die türkische Regierung, Energieminister Fatih Dönmez, hat erklärt, dass das Einsatzgebiet des Gasbohrschiffs innerhalb des türkischen maritimen Zuständigkeitsbereichs liegen wird. Es gibt auch keine aktuellen Anzeichen dafür, dass sich das Schiff außerhalb türkischer Gewässer bewegt. Die Bundesregierung sieht deshalb zum jetzigen Zeitpunkt keinen Anlass zu erhöhter Sorge. Die Konflikte, die zwischen beiden Ländern bestehen, sollten nach Möglichkeit auch zwischen diesen beiden Ländern besprochen werden.

Viel mehr haben wir dazu nicht.

ZUSATZFRAGE: In Griechenland, aber auch in Deutschland berichten viele von einer neuen deutschen diplomatischen und politischen Haltung gegenüber Recep Tayyip Erdoğan. Stimmt das?

STS HEBESTREIT: Ich sehe da keinen Wandel in der Haltung. Wir rufen beide Seiten auf, konstruktiv miteinander umzugehen.

FRAGE JESSEN: Frau Sasse, Sie haben die Berichterstattung der vergangenen Tage zur Kenntnis genommen, in denen es darum geht, dass offenbar Taliban verhindern, dass die Zahl von Ausreisemöglichkeiten für ehemalige Ortskräfte und deren Angehörige im erhofften Umfang stattfinden kann. Ich glaube, es waren knapp 8000 erhofft bis September. Bislang sind es wohl nur 2000 oder so. Können Sie das bestätigen? Woran liegt das? Was tut die Bundesregierung, um sich doch noch ihrer Zielzahl annähern zu können?

SASSE: Tatsächlich gehen die Ausreisen leider langsamer und schwieriger voran als von uns erhofft. Das ist richtig, Herr Jessen. Es liegt auch nicht allein in unserer Hand. Wie Sie beschrieben haben, verhindern die Taliban im Moment die Ausreise unter anderem von Personen, die nicht über einen Reisepass verfügen, wie es auch in der Medienberichterstattung zum Ausdruck kommt. Das ist schon länger ein Problem. Wir führen seit Längerem Gespräche dazu. Unter anderem ist die Lage dadurch erschwert, dass in Afghanistan kaum Pässe ausgestellt werden. Das alles kommt gleichzeitig zusammen und bildet eine schwierige Situation.

Die Außenministerin selbst hat das bei ihrem Besuch in Pakistan am 7. Juni thematisiert und dort mit den zuständigen Vertretern Pakistans vereinbart, dass es ein Verfahren gibt, nach dem Personen auch ohne Pass eine Einreise zum Beispiel nach Pakistan ermöglicht wird. Dieses Verfahren wurde in diesem Jahr bereits einmal erfolgreich umgesetzt. Es wurde vereinbart, dass dieses Verfahren erneut umgesetzt werden kann. Aber das wird jetzt aktuell durch die Haltung der Taliban blockiert. Wir bemühen uns natürlich weiterhin um eine Lösung.

Ich kann bei dieser Gelegenheit sagen, dass nach aktuellem Stand 21 759 Visa für afghanische Ortskräfte und besonders Schutzbedürftige erteilt worden sind. Wir haben diese Zahl an dieser Stelle immer wieder aktualisiert. Deswegen will ich das an der Stelle erneut tun und ergänzen, dass wir weiterhin engagiert sind. Wir führen unter anderem auf technischer Ebene weiterhin Gespräche mit den Taliban und versuchen, unsere Einflussmöglichkeiten auf die Taliban zu nutzen, um die Ausreisen wieder zu beschleunigen.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Die Zahl von 23 000 ist als Gesamtzahl natürlich nicht unbedeutend. Gleichwohl reden wir im Moment über erhoffte knapp 8000 zusätzliche Ausreisen, von denen, meine ich, nur 2000 oder bestenfalls 3000 erreichbar sind.

Deswegen noch einmal die Frage: Was kann die Bundesregierung konkret tun Sie sprechen, wie Sie sagen, auf technischer Ebene mit den Taliban , um diese Zahl doch noch zu erhöhen oder laufen Sie da einfach nur gegen eine Wand?

SASSE: Nein, es geht ganz konkret darum, den Afghaninnen und Afghanen, die keinen Pass haben, denn ein Pass ist normalerweise die Voraussetzung für eine Ausreise, auch ohne Pass eine Ausreise zu ermöglichen. Dazu laufen, wie ich gerade beschrieben habe, Gespräche mit den Taliban um die Blockadehaltung dort aufzuheben. Dazu laufen natürlich weiterhin auch Gespräche mit den Nachbarstaaten Afghanistans. Ich denke, dass wir immer wieder deutlich gemacht haben, dass wir in unseren Bemühungen nicht nachlassen, sondern weiterhin wirklich mit aller Kraft darum bemüht sind, solchen Ortskräften und den Schutzbedürftigen, die wir identifiziert haben, die Ausreise tatsächlich zu ermöglichen. Ich kann Ihnen auch noch einmal versichern, dass die Außenministerin voll hinter diesen Bemühungen steht und sie auch selbst vorantreibt.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Können Sie uns sagen oder zumindest andeuten, womit die Taliban begründen, dass sie sich diesem Weg verschließen? Offenbar hat es zuvor zumindest Verabredungen gegeben, dass das ermöglicht werden solle. Wie wird dieser Kurswechsel begründet?

SASSE: Das kann ich Ihnen im Moment nicht sagen. Ich will allerdings auch an dieser Stelle ungern auf die laufenden Gespräche mit den Taliban eingehen, weil es ja darum geht, in diesen Gespräche Fortschritte zu machen. Es wäre, denke ich, nicht hilfreich, wenn man die vorgebrachten Gründe für Blockaden hier öffentlich diskutierte.

FRAGE DR. RINKE: Frau Sasse, in den USA gibt es Bemühungen, den Ortskräften, in diesem Fall den amerikanischen Ortskräften, schneller eine amerikanische Staatsbürgerschaft zu verleihen. Gibt es ähnliche Überlegungen auch in der Bundesregierung für die Ortskräfte für die Bundeswehr?

SASSE: Dafür möchte ich an das Innenministerium abgeben.

LAWRENZ: Derartige Pläne sind mir nicht bekannt.

FRAGE STEINKOHL (zum russischen Angriff auf die Ukraine): Der FDP-Abgeordnete Marcus Faber ist nach mehreren Tagen aus der Ukraine zurückgekommen und hat unter Berufung auf das Verteidigungsministerium berichtet, dass von den 15 aus Deutschland und den Niederlanden gelieferten Einheiten der Panzerhaubitze 2000 aktuell nur noch fünf einsatzfähig seien. Haben Sie darüber eigene Erkenntnisse, eigene Zahlen? Können Sie das bestätigen?

COLLATZ: Seitens des BMVg halten wir uns mit Einsatzbereitschaftsangaben der ukrainischen Armee zurück. Das tue ich auch hier.

FRAGE JUNG: Wurden ukrainische Streitkräfte in der Reparatur von Panzern und Panzerhaubitzen ausgebildet?

COLLATZ: Das haben wir hier schon ausgeführt. Sowohl Logistik als auch eine Zusammenarbeit in der Ersatzteillieferung und die Ausbildung in Maßnahmen, um die Einsatzbereitschaft wiederherzustellen, gehören zu dem Paket dazu, das Deutschland liefert.

ZUSATZFRAGE JUNG: Können Sie sagen, wie viele ukrainische Soldaten Panzer reparieren können?

COLLATZ: Nein.

FRAGE STEINER: Es gibt einen Bericht des Chaos Computer Clubs, dass Video-Ident-Verfahren gehackt respektive leicht überlistet worden seien. Das betrifft zum einen den Bereich der elektronischen Patientenakte. Zum anderen ist dieses Verfahren auch im Bereich von Onlinebanking relativ gängig.

Sehen die Vertreter von BMF und BMG Handlungsbedarf oder haben die Häuser diesbezüglich bereits Handlungen ergriffen?

KAUTZ: Es ist in der Tat richtig, dass der Chaos Computer Club das Video-Ident-Verfahren geknackt und eine Sicherheitslücke in diesem Verfahren entdeckt hat. Bei diesem Verfahren geht es darum, eine natürliche Person zu identifizieren, meistens via Handy. Es wird auch für die elektronische Patientenakte genutzt. Deswegen hat die gematik bereits gestern reagiert und die Krankenkassen angewiesen, dieses Video-Ident-Verfahren nicht mehr zu nutzen, sondern alternative Wege, die es jetzt schon gibt, zu nutzen, um Personen zu identifizieren, die sich für die elektronische Patientenakte anmelden.

Diese Reaktion können wir natürlich ausdrücklich begrüßen, weil gerade Patienten- und Behandlungsdaten sehr sensible Daten sind und wir deswegen um hohe Sicherheitsstandards bemüht sind.

HARTMANN: Vielen Dank. Auch wir haben diesen Bericht zur Kenntnis genommen, können ihn aber noch nicht abschließend bewerten, weil maßgebliche Einzelheiten zu den Angriffsszenarien in dem bisher vorliegenden Bericht noch nicht vorliegen. Wir sind da noch dran.

ZUSATZFRAGE STEINER: Allgemeiner gefragt, auch an das BMI, das für die IT-Sicherheit in Deutschland mit zuständig ist: Ist das Video-Ident-Verfahren aus Ihrer Perspektive momentan sicher? Sollte es Anwendung finden, oder sollte es momentan in allen Anwendungsszenarien ausgesetzt werden?

LAWRENZ: Das ist eine gute Frage. Das Video- und Autoidentifizierungsverfahren ist grundsätzlich eine Brückentechnologie, die aufgrund ihrer Marktdurchdringung und Verfügbarkeit derzeit zur Fernidentifizierung genutzt wird. Die in der Dokumentation durch den Chaos Computer Club vorgenommenen Angriffsvektoren auf zwei Identifizierungsverfahren nehmen wir sehr ernst. Die konkreten Umstände der jeweiligen Angriffsszenarien wird die Bundesregierung sehr sorgfältig prüfen. Das bezieht sich – das betrifft Ihre Frage – auch auf die Fortsetzung der Nutzung dieser Technologien.

FRAGE DR. RINKE: Herr Hebestreit, Herr Lindner hat heute sein Konzept bzw. die Eckpunkte für eine finanzielle Entlastung vorgestellt, auch als Beitrag zur Inflationsbekämpfung oder eindämmung. Wie bewerten die Bundesregierung und der Bundeskanzler das Konzept? Aus der SPD und von den Grünen hat es ja schon Kritik gegeben.

STS HEBESTREIT: Zumindest aus der SPD, durch den Parteivorsitzenden, habe ich, denke ich, wahrgenommen, dass es auch Lob für dieses Konzept gegeben hat. Grundsätzlich hat der Bundeskanzler in seiner Funktion als Bundesfinanzminister, wenn ich mich richtig erinnere, zweimal die kalte Progression korrigiert. Wir hatten hier am Montag schon das Thema, dass das jetzt ein drittes Mal turnusgemäß ansteht.

Heute hat der Bundesfinanzminister die Eckpunkte seines Konzeptes vorgestellt. Jetzt muss man sich das genau angucken. Das wird ein Teil eines Gesamtentlastungskonzeptes mit Blick auf den Herbst und die Dinge, die uns diesbezüglich bewegen, sein. Ich erinnere an die Thematiken, die wir hier schon am Montag und anderswo besprochen haben, also die gestiegenen Gas- und Energiepreise, die Inflation und Ähnliches. Insofern würde ich schon von einem grundsätzlichen Wohlwollen des Bundeskanzlers auch in dieser Frage sprechen.

ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Die Kritik zielt darauf, dass es für Klein- und Mittelverdiener zu wenige Entlastungen gibt. Teilt der Bundeskanzler diesen Kritikpunkt, sodass die Zusatzmaßnahmen, die noch kommen, vor allem auf diese Einkommensgruppe zielen?

STS HEBESTREIT: Die Ressortabstimmung beginnt jetzt. Das heißt, dass sich alle Ministerinnen und Minister, alle Häuser zu dem Konzept äußern können werden. In der Gesamtschau wird man den Entwurf dann so entwickeln, dass er im Kabinett die nötige Unterstützung findet. Dann wird sich auch der Bundeskanzler dazu einlassen. Dem Bundeskanzler, aber auch der kompletten Bundesregierung ist es wichtig – das hat der Bundeskanzler vor wenigen Wochen mit dem britischen Fußballsong „You never walk alone“ deutlich zu machen versucht –, dass alle Bürgerinnen und Bürger entlastet werden können, dass sie mit den immens steigenden Preisen und Kosten, die wir im Herbst zu gewärtigen haben, nicht alleingelassen werden. In der Gesamtschau dieser Ankündigung sind alle Beschlüsse zu sehen.

Das Konzept, das Herr Lindner heute vorgestellt hat, ist Teil eines größeren Gesamtkonzeptes, das in den nächsten Wochen miteinander besprochen und entwickelt werden muss.

FRAGE LANGE: In meiner Frage geht es auch um das liebe Geld, und zwar um den Haushaltsansatz für das BMZ für das Haushaltsjahr 2023. Er fällt um zehn Prozent geringer aus als der aktuelle Ansatz.

Was hält die Ministerin davon? Ist sie damit einverstanden, gerade vor dem Hintergrund, dass sie zu Amtsantritt eine ich zitiere dramatische Unterfinanzierung der Entwicklungspolitik beklagt hatte?

DR. ROCK: Mir sind aktuelle Äußerungen zu dem, was Sie jetzt gesagt haben, nicht bekannt. Ganz allgemein kann man, denke ich, sagen, dass der Haushalt des BMZ in den vergangenen Jahren aufgrund der Pandemie und anderer Ereignisse stark angewachsen ist. Dadurch, dass die Pandemie nicht mehr das beherrschende Thema ist, wird er wieder ein bisschen auf Normalmaß zurückgeführt. Natürlich werden uns aber auch andere Krisen wie der Ukrainekrieg und die weltweiten Auswirkungen weiterhin beschäftigen. Dafür gibt es im Haushalt einen Posten für globale Sonderausgaben. Daraus ist in den vergangenen Jahren unser Haushalt noch aufgestockt worden. Wir gehen davon aus, dass das auch im kommenden Jahr wieder der Fall sein wird. Ansonsten gibt es noch das parlamentarische Verfahren, in dem auch in den vergangenen Jahren an unserem Etat immer noch etwas gemacht worden ist.

ZUSATZFRAGE LANGE: Wenn es im vergangenen Jahr Sondereffekte gab, dann hätte die Ministerin nicht beklagen müssen, dass es eine dramatische Unterfinanzierung gebe. Vielleicht können Sie das noch klären und nachtragen.

Zuletzt auf dem G7-Gipfel, aber auch an anderen Stellen ist beklagt worden, dass China sehr stark in die Entwicklungspolitik eindringe. Können Sie darauf entsprechend reagieren, wenn Ihr Etat jetzt gekürzt wird?

DR. ROCK: Wenn ich es richtig im Kopf habe, dann haben sich die Äußerungen der Ministerin vor allem auf die mittelfristige Finanzplanung bezogen, in der in der Tat ein weiteres Absinken unseres Etats vorgesehen ist. Über dieses Thema wird man in der Zukunft sicherlich noch reden müssen.

Was China tut, ist in großen Teilen keine klassische Entwicklungszusammenarbeit, sondern dabei geht es zum Beispiel um Infrastruktur zu Marktkonditionen. Das würde ich jetzt nicht eins zu eins ins Verhältnis setzen wollen.

FRAGE ZAVAREH: Frau Sasse, bei der Einbestellung des Botschafters der Bundesrepublik Deutschland in das iranische Außenministerium wurde dem Botschafter eine Protestnote über die Verunglimpfung der islamischen Heiligtümer in Hamburg überreicht. Sind Ihnen die Inhalte der Unterredung in Teheran bekannt?

SASSE: Ich kann an dieser Stelle bestätigen, dass der stellvertretende Botschafter in Teheran zu einem Gespräch im Außenministerium war. Die Inhalte dieses Gesprächs kann ich Ihnen an dieser Stelle aber nicht wiedergeben.

ZUSATZFRAGE ZAVAREH: Können Sie sie bitte nachliefern?

SASSE: Diese Gespräche sind grundsätzlich vertraulich. Deswegen kann ich Ihnen keine Nachreichung zusichern.

FRAGE JUNG: Herr Hebestreit, im Zusammenhang mit dem Cum-Ex-Skandal kam jetzt heraus, dass die Staatsanwaltschaft Köln die E-Mails von Herrn Scholz aus der Zeit, als er noch Erster Bürgermeister in Hamburg war, hat durchforsten lassen. Wann hat der Kanzler von der Durchsuchung erfahren, oder hat er das wie wir aus den Medien erfahren? Hat er kooperiert?

STS HEBESTREIT: Er hat davon aus den Medien erfahren bzw. über mich, weil ich am Montag eine Medienanfrage dazu hatte.

Sie fragten, ob er kooperiert habe. Der Vorgang lief ohne seine Mitwirkung. Wenn ich es den Medien richtig entnommen habe, wurde im Auftrag der Staatsanwaltschaft im Frühjahr dieses Jahres eine Kopie des in Hamburg gespeicherten und quasi eingefrorenen Kontos des damaligen Ersten Bürgermeister gezogen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Ist der Kanzler denn froh darüber, dass es diese Untersuchung gibt? Er hat sich ja nichts vorzuwerfen, oder?

STS HEBESTREIT: Nein. Das war, glaube ich, der zweite Satz, den ich sagte. Es gibt da nichts zu verbergen.

Sie fragen, ob er froh sei. Er betrachtet diesen Schritt der Staatsanwaltschaft unemotional.

FRAGE JESSEN: Gibt es Informationsanfragen an den Kanzler, die sich auf mögliche Ergebnisse dieser Durchsuchung beziehen?

STS HEBESTREIT: Vielleicht darf ich dazu einen Halbsatz sagen, auch wenn ich nur Gewohnheitsjurist bin. Das ist geschehen, weil er als sogenannter unbeteiligter Dritter in einem anderen Verfahren es ging um eine Finanzbeamtin in Hamburg gesehen wurde. Er ist ja nicht beschuldigt. Wenn es die Fragen gäbe, nach denen sie gefragt haben, dann hätte er ja auf diesem Weg und nicht über das „Hamburger Abendblatt“ erfahren, dass es einen solchen Vorgang gegeben hat. Also kann ich das zum jetzigen Zeitpunkt verneinen.

Grundsätzlich weise ich noch einmal darauf hin: Wir hatten vor wenigen Monaten noch in einer alten Bundesregierung einen anderen Fall, in dem zwei Ministerien als sogenannte unbeteiligte Dritte beteiligt so will ich es einmal nennen waren. Das hat sich später doch ganz anders dargestellt, als manche aufgeregte Berichterstattung zunächst nahelegte. Das lag nicht an der aufgeregten Berichterstattung. Aber ich würde in all diesen Fällen immer sagen: Das sind ordentliche Verfahren. Sie müssen ordentlich abgearbeitet werden und dann müssen sie bewertet werden.

ZUSATZ JESSEN: Die Frage zielte nicht darauf ab, aus einem unbeteiligten Dritten einen beteiligten Zweiten machen zu wollen. Aber auch unbeteiligte Dritte kann man ja fragen, wenn sich Fragen ergeben.

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