Wording ist alles! ▼ BPK vom 6. November 2015
Naive Fragen/Themenübersicht:
Neues „Asylpaket“
– warum soll das „Aufnahmeeinrichtung“ heißen, wenn Menschen da nur hinkommen um mit allergrößten Wahrscheinlichkeit abgeschoben zu werden? (20:02 min)
– Wie lautet die Definition von „innerstaatliche Fluchtalternative“? (20:52 min)
– Wohin ist die afghanische Entwicklungshilfe genau geflossen? Recherchen seit Jahren sagen, dass der überwiegende Teil an Warlords und korrupte Politiker ging… (24:40 min) Nachtrag: 31:22 min
– wie viel wird der Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr die nächsten Jahre kosten? Wie viel hat er bisher gekostet? (27:30 min)
– “Asylbewerber mit geringen Bleibechancen sollen den Landkreis nicht verlassen dürfen, in dem diese besonderen Zentren liegen.“ – außer wenn sie Deutschland freiwillig verlassen, richtig? wie sollen die Menschen wissen, wann ein Landkreis endet? (43:45 min)
NSA-Untersuchungsausschuss
– ist das Kanzleramt stolz auf die Ergebnisse der Arbeit seiner sog. “unabhängigen” Vertrauensperson? (47:55 min)
– bleibts dabei, dass Sie ihn als “unabhängig” deklarieren, wenn er selbst zugegeben hat, dass ihm BND-Leute zugearbeitet haben? wann werden wir den Werkvertrag mit Herrn Graulich vorgelegt bekommen?
– kann und sollte so eine “Vertrauensperson” des Kanzleramts auch zukünftig die Arbeit des Parlaments ersetzen? (49:05 min)
China-Reise der Kanzlerin (ab 53:45 min)
– mit wie vielen Bloggern hat sich die Kanzlerin in China getroffen? mit wie vielen in den letzten Jahren insgesamt? sind das immer dieselben?
– warum hat sie sich bisher mit viel mehr chinesischen als mit deutschen Bloggern getroffen?
US-Truppen in Syrien (ab 59:35 min)
– Weißes Haus diese Woche: „Small amount of special forces“ in den Norden Syriens – wie bewerten die Bundesregierung Obamas Entscheidung, der seit 2,5 Jahren immer und immer und immer wieder betonte „no boots on the ground“?
– versteht man Sie richtig: Es braucht US-Truppen in Syrien?
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Tilo Jung
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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 6. November 2015:
Vors. Welty eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS’in Wirtz sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.
SRS’in Wirtz: Den ersten Termin der Bundeskanzlerin in der nächsten Woche hat Herr Seibert am vergangenen Mittwoch schon angekündigt, und zwar wird am Sonntagabend der Präsident des Europäischen Rats, Donald Tusk, in Berlin erwartet und von der Bundeskanzlerin empfangen. Das ist ein informelles Gespräch und ein Abendessen, und deshalb wird es dabei keinen Bildtermin und auch keine Pressekonferenz geben.
Am Dienstagmorgen folgt kein Termin der Bundeskanzlerin, aber ein Termin in der Bundespressekonferenz, nämlich des Briefing zum G20-Gipfel in Antalya mit Herrn Seibert, Herrn Heusgen und Herrn Prof. Röller. Die Bundeskanzlerin wird am Sonntag und Montag der übernächsten Woche dann dort in Antalya sein, daher dieses Briefing.
Die Bundeskanzlerin wird am Dienstag um 12.30 Uhr den Präsidenten der Republik Südafrika, Jacob Zuma, mit militärischen Ehren im Bundeskanzleramt empfangen. Es wird ein Mittagessen und – wie nach solchen Begegnungen üblich – auch eine Presseunterrichtung geben, und zwar um 13.45 Uhr im Kanzleramt.
Am Mittwoch, dem 11. November, wird wie gewöhnlich das Kabinett um 9.30 Uhr tagen.
Um 10.30 Uhr wird die Bundeskanzlerin das Jahresgutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung im Bundeskanzleramt entgegennehmen. Überreicht wird das Gutachten von dem Vorsitzenden des Sachverständigenrats, Prof. Schmidt. Bei dem Termin werden voraussichtlich auch Kabinettskollegen der Kanzlerin anwesend sein, und zwar Wirtschaftsminister Gabriel, Finanzminister Schäuble, Arbeitsministerin Nahles sowie Gesundheitsminister Gröhe. Es wird einen kurzen Bildtermin geben.
Am Mittwoch, dem 11. November, wird die Bundeskanzlerin dann an dem EU-Afrika-Gipfel in Valletta auf Malta teilnehmen. Zum voraussichtlichen Programmablauf lassen Sie mich einige Stichworte nennen: Die Bundeskanzlerin wird am Mittwoch, dem 11. November, um ca. 16.55 Uhr an der Auberge de Castille ankommen. Dann werden Premierminister Muscat und EU-Kommissionspräsident Juncker den Gipfel eröffnen und außerdem ein Denkmal zum Gedenken an diesen EU-Afrika-Gipfel 2015 einweihen. Um 18 Uhr wird es dann die erste Arbeitssitzung des EU-Afrika-Gipfels geben und um 20 Uhr das Familienfoto. Es folgt ein Arbeitsabendessen. Am Donnerstag, dem 12. November, wird es dann von 9.30 Uhr bis 14 Uhr die zweite Arbeitssitzung geben. Über Termine, die für Sie besonders interessant sind, nämlich über die Termine für die Wort- und Bildpresse, wird noch einmal gesondert unterrichtet werden.
Außerdem hat der Präsident des Europäischen Rates, Donald Tusk, für Donnerstag ab 14.30 Uhr zu einem informellen Treffen der EU-Staats- und –Regierungschefs eingeladen. Einzelheiten zu diesem Treffen folgen.
Dann wird die Bundeskanzlerin am Freitag, den 13., um 9 Uhr im Plenum des Deutschen Bundestags sein.
Um 11.45 Uhr wird die Bundeskanzlerin den australischen Premierminister Malcolm Turnbull mit militärischen Ehren begrüßen. Es ist der Antrittsbesuch des australischen Premierministers. Es wird ein Mittagessen und dann um ca. 13 Uhr eine gemeinsame Pressekonferenz geben. Vor Beginn dieser Pressekonferenz wird die deutsch-australische Beratergruppe ihren Abschlussbericht vorlegen, und zwar werden Staatsministerin Prof. Böhmer und der australische Finanzminister, Senator Mathias Cormann, diesen Abschlussbericht übergeben. Diese Initiative der Beratergruppe geht auf den G20-Gipfel in Brisbane zurück, der 2014 stattgefunden hat, und hatte sozusagen das Ziel, dass man die deutsch-australischen Beziehungen neu belebt und neue Impulse gibt. Der Bericht ist jetzt also fertiggestellt und wird übergeben.
Montag – das habe ich eben schon gesagt – wird die Bundeskanzlerin nach Antalya zum G20-Gipfel reisen. Es wird um Weltwirtschaft und Wachstumsstrategien gehen, um Beschäftigung und Investitionsstrategien. Die Finanzmarktregulierung, die internationale Steuerpolitik, die Korruptionsbekämpfung, die IWF-Reform genauso wie Entwicklung und Klimawandel und Handel und Energie werden Themen sein. Auf das Briefing habe ich eben schon hingewiesen. Dabei wird es dann mehr Einzelheiten dazu geben. – So weit zunächst einmal der Ausblick auf die nächste Woche.
Frage: Da wir das Thema Flüchtlinge ohnehin bekommen werden, fange ich einmal mit einer Frage an Herrn Henjes an: Können Sie nach der in dieser Woche erlassenen Weisung an die Bundeswehr hinsichtlich der Daueraufgabe der Flüchtlingshilfe etwas detaillierter sagen, wie sich das derzeit und absehbar personell aufseiten der Bundeswehr darstellt?
Henjes: Erst einmal vielen Dank für die Frage. Wir haben ja in dieser Woche auch extra noch einmal eine Pressemitteilung dazu herausgegeben. Aber personell gestaltet sich das so, dass wir bundesweit zurzeit bereits mehr als 6.000 Angehörige der Bundeswehr auch im Schichtbetrieb durchgängig in der Flüchtlingshilfe gebunden haben. Als Vergleich zu dieser Zahl 6.000: Wir haben zurzeit in den Auslandseinsätzen etwa 2.900 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr im Einsatz. Das heißt also, rund die doppelte Anzahl dieser Kräfte ist derzeit schon in der Flüchtlingskrise eingebunden. Das bedeutet, und das ist etwas, das wir auch sagen: Dies ist ein ganz wichtiger und intensiver Einsatz, den wir da anstreben und den wir auch weiterführen werden. Im Rahmen dieser Amtshilfe wollen wir also diese dauerhafte Entlastung gerade der lokalen und ehrenamtlichen Helfer vor Ort anstreben; deswegen auch dieser Größenansatz, den wir haben.
Zusatzfrage: Heißt „6.000 dauerhaft im Schichtbetrieb“ jeweils 2.000 in drei Schichten pro Tag, oder wie muss ich mir das vorstellen?
Henjes: Tatsächlich eingebunden ist natürlich eine geringere Anzahl, aber es ist schon ganz richtig, wie Sie das sehen, dass dadurch 6.000 gebunden sind. Das heißt, wir haben unsere Soldatinnen und Soldaten natürlich an unterschiedlichsten Stellen im Einsatz. Das bedeutet auf der einen Seite, als helfende Hände. Wir haben sie aber auch bei der Unterstützung im Bereich des BAMF dabei. Wir haben sie im Bereich der Unterstützung der Stäbe dabei, das heißt, in der Koordinierung dieser technischen Amtshilfe. Das bedeutet: Sie können nicht sagen, dieser Anteil sei direkt im Schichtbetrieb oder dieser Anteil sei dran. Das heißt also, in dieser Zahl sind sowohl die Personen enthalten, die wir rein in Bereitschaft haben, aber auch die Personen, die wir dran haben, halt direkt in der tatkräftigen Unterstützung vor Ort.
Zusatzfrage: Das Ministerium betont ja immer wieder die Abgrenzung „keine polizeilichen Aufgaben“, „keine hoheitlichen Akte“. Ist dieser Ansatz noch haltbar, wenn größere Zahlen von Soldaten in Verteilzentren, Erstaufnahmezentren usw. eingesetzt werden und es dort gegebenenfalls zu Auseinandersetzungen kommt?
Henjes: Erst einmal ist es so, dass die Anzahl der Soldaten hinsichtlich der rechtlichen Rahmenbedingungen ja keine Rolle spielt, um das einmal ganz klar herauszustellen. Wir leisten dort Unterstützung, wo wir das tun können. Das sind halt die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen, die wir haben, und die sagen halt ganz eindeutig, dass den Streitkräften im Inland keine polizeihoheitlichen Aufgaben zugeschrieben werden können. Von daher, denke ich einmal, ist das, was wir machen, auch wichtig und gut. Wir gehen damit ganz deutlich an unsere Grenzen heran, und das ist immer eine Einzelfallentscheidung, aber sagen wir es einmal so: Der Rechtsrahmen ist, wie er ist.
Frage: Zwei Dinge interessieren mich. Zum einen würde ich gerne von Ihnen, Frau Wirtz, Folgendes wissen: Ist die Tatsache, dass der bayerische Ministerpräsident nach der Einigung über flüchtlingspolitische Fragen von gestern weiterhin daran festhält, eine Klage gegen den Bund prüfen zu lassen, nach Ihrem Dafürhalten nicht ein Faktor, der die frische Gemeinsamkeit schon wieder erschüttert, die die Koalition offenbar erzielt hat?
Vom Innenministerium möchte ich gerne Folgendes wissen: Wenn die EU inzwischen von einer Erwartung von, glaube ich, 3 Millionen Flüchtlingen bis 2017 spricht, was leitete die Bundesregierung für Deutschland aus dieser Zahl ab?
SRS’in Wirtz: Ich habe diese Äußerung auch wahrgenommen, habe aber auch wahrgenommen, dass der bayerische Ministerpräsident sich sehr positiv über die Beschlüsse geäußert hat, die gestern von den drei Vorsitzenden der Parteien, die die Regierung tragen, getroffen worden sind. Insofern möchte ich jetzt gar nicht weiter darüber spekulieren, was sein könnte, wenn vielleicht irgendwelche Unstimmigkeiten auftreten sollten, sondern sehe die Bundesregierung in diesen Flüchtlingsfragen sehr geschlossen beieinander stehen. Wie gesagt: Daher kann ich mich auch nur noch einmal dem anschließen, was der bayerische Ministerpräsident selbst gesagt hat, nämlich dass er sich sehr zufrieden mit den Beschlüssen gezeigt hat, die gestern Abend getroffen worden sind.
Zusatzfrage: Sehen Sie keine Kollision darin, dass einer sagt „Ich bin unheimlich zufrieden, aber klagen tue ich möglicherweise dennoch“?
SRS’in Wirtz: Ich gebe mich mit der Zufriedenheit zufrieden.
Plate: Dann würde ich ganz kurz gemäß Ihrer Aufforderung zu der Zahl 3 Millionen Stellung nehmen: Wir haben zur Kenntnis genommen, dass die Kommission diese Zahl genannt hat, wohlgemerkt bis 2017; das ist ja noch eine Weile hin. Unmittelbare Schlüsse aus dieser Zahl, die die Europäische Kommission genannt hat, sind aus Sicht der Bundesregierung nicht zu ziehen. Dass auch die Bundesregierung perspektivisch und mindestens mittelfristig von weiterhin erheblichen bis hohen Flüchtlingszahlen ausgeht, haben wir ja schon oft gesagt, und daran ändert diese Zahl, die die Kommission genannt hat, selbstverständlich nichts.
Frage: Herr Plate, ich hätte eine Frage an Sie, die die Zahl der Flüchtlinge betrifft, die aktuell aus sicheren Herkunftsländern zu uns kommen. Können Sie vielleicht einmal einen Annäherungswert nennen, wie viele das derzeit sind? Das ist ja auch zentral für die Einigung von gestern.
Eine Frage an Herrn Fischer: Die Kanzlerin sprach gestern von sicheren Landesteilen in Afghanistan. Können Sie uns sagen, welche Landesteile damit ins Auge gefasst werden können?
Plate: Dann beginne ich vielleicht zunächst bezüglich der Zahl derjenigen, die aus sogenannten sicheren Herkunftsländern zu uns kommen: Eine konkrete Zahl kann ich Ihnen jetzt nicht nennen, insbesondere keine über das Jahr gemittelte, aber ich kann Ihnen vielleicht schon einen gewissen Eindruck vermitteln. Sie wissen, dass wir zu Beginn und bis zur Mitte des Jahres teilweise mit Zugängen in Höhe von nahezu 50 Prozent von Menschen aus den Staaten, die jetzt sichere Herkunftsstaaten sind, zu tun hatten. Der prozentuale Anteil ist inzwischen stark zurückgegangen und bewegt sich typischerweise im einstelligen Bereich; das ist aber, wie man sich vorstellen kann, auch von Tag zu Tag ein bisschen unterschiedlich. Das hängt natürlich auch mit den insgesamt gestiegenen absoluten Zahlen zusammen. Also auch, wenn wir es teilweise in der Tat mit Tageszugängen von 2 Prozent zu tun hatten, muss man doch sehen, dass 2 Prozent bei einem Tageszugang von etwa 10.000 natürlich immer noch eine nicht unerhebliche absolute Zahl sind. Das gebe ich zu bedenken, aber gehe gerne ganz transparent damit um, dass in der Tat der Anteil deutlich zurückgegangen ist. Das überrascht uns natürlich auch nicht, denn das war ja auch eines der Ziele, das wir mit der Einstufung dieser Staaten als sichere Herkunftsstaaten verfolgt haben. Das ist in der Tat wirksam gewesen.
Fischer: Wenn ich das dann ergänzen darf: Ich glaube, der gestrige Beschluss spricht eher davon, dass man innerstaatliche Fluchtalternativen in Afghanistan schaffen und verbessern möchte. Wenn Sie sich die Sicherheitslage in Afghanistan anschauen, ist es sicherlich so, dass die nicht überall im Land gleich ist. Wir haben in Kundus zuletzt einen Rückschlag erlebt. Es gibt eine Sicherheitslage in Kabul, die eine vollständig andere als die in Kundus ist. Es gibt große Städte wie zum Beispiel Masar-e Scharif oder auch Herat, in denen die Bedrohungslage eine ganz andere und viel geringere ist. Ich denke, wenn man sich das anschaut und versteht, dass die Sicherheitslage im Land unterschiedlich ist – im Osten, wo die Insurgens aktiv ist, ist es, wie gesagt, schwieriger als meinetwegen in Herat -, dann wird man auch dazu kommen können, dass es in dem Land sicherlich Möglichkeiten gibt, von innerstaatlichen Fluchtalternativen zu sprechen.
Zusatzfrage: Aber gibt es jetzt seitens des Auswärtigen Amtes oder der Bundesregierung schon präferierte Städte oder Landstriche, denen man vielleicht noch einmal gezielt Geld geben will, um die Sicherheitslage zu verbessern, oder gibt es das noch nicht?
Fischer: Die Bundesregierung arbeitet ja seit Jahren mit Afghanistan und leistet seit Jahren auf verschiedene Art und Weise Unterstützung in Afghanistan. Das betrifft den zivilen Wiederaufbau und die Unterstützung von Entwicklungsprojekten, das betrifft aber beispielsweise auch die Ausbildung der afghanischen Armee und ihre Beratung. Es ist sicherlich so, dass sich die Bundesregierung bereits seit Längerem verpflichtet hat, substanzielle Beiträge an Entwicklungshilfe für Afghanistan zu leisten, und das werden wir auch weiterhin tun. Ich bin sicher, dass wir, wie es ja in dem Beschluss heißt, auch daran arbeiten werden, die innerstaatlichen Fluchtalternativen zu verbessern. Dabei wird sicherlich auch die Entwicklungszusammenarbeit eine wichtige Rolle spielen.
Frage: Meine Frage richtet sich an Frau Wirtz beziehungsweise Herrn Plate. Ich versuche noch einmal zu verstehen, was da gestern eigentlich beschlossen wurde. Ich würde gerne verstehen: Wie soll das denn in Zukunft tatsächlich ablaufen, ganz praktisch? Jemand kommt an der Grenze an. Was passiert dann? Das würde ich gerne einmal von Ihnen durchdekliniert haben, wenn Sie das schon tun können.
SRS’in Wirtz: Herr Plate, wollen Sie einmal anfangen? Ich ergänze das dann.
Plate: Ich bin mir nicht sicher, ob ich Sie heute tatsächlich zufriedenstellen kann. Das ist ja ein Beschluss von gestern Abend. Da ist eine politische Einigung erfolgt, eben auf sogenannte Registrierungszentren. Es sind ja auch schon zwei Standorte benannt worden. Drei weitere stehen nach meinem Kenntnisstand – im Moment jedenfalls – noch aus. Jetzt gilt es natürlich, diese Dinge auszuarbeiten.
Sie werden vielleicht auch zur Kenntnis genommen haben, dass es dafür nach Einschätzung der drei Parteivorsitzenden, die auch das Bundesinnenministerium teilt, einer gesetzlichen Grundlage bedarf. Es ist auch ein Fahrplan in Bezug darauf mitgeteilt worden, wenn ich das salopp so nennen darf, wann eine solche Grundlage erarbeitet werden soll, nämlich sehr zeitnah und noch in diesem Jahr. Die Details dessen, wie das dann praktisch und auch rechtlich ablaufen soll, sind natürlich der Ausformulierung dieser gesetzlichen Grundlage vorbehalten. Sie können davon ausgehen, dass sich die Experten im Bundesinnenministerium heute bereits an die Arbeit gemacht haben.
Zusatzfrage: Wenn Sie einen Gesetzesvorschlag erarbeiten, dann haben Sie ja normalerweise eine Zielvorstellung davon, wie etwas ablaufen soll. Dann prüfen Sie ja, ob das funktionieren kann. Üblicherweise, würde ich mir jetzt denken, hätten Sie eine Idee davon, wie es ablaufen soll. Es kommt ein Flüchtling an der Grenze an, dann legt er ein Dokument vor oder legt kein Dokument vor, und dann gibt es entsprechende Schritte, die dann ablaufen und die jetzt anders ablaufen würden, als sie heutzutage ablaufen. Was wäre denn da jetzt tatsächlich im Ergebnis von gestern das Ziel? Was würde dann also passieren? Würde es dann heißen „Sie kommen aus dem Kosovo, haben einen entsprechenden Pass und gehen entsprechend bitte dort entlang“, oder wie soll ich mir das vorstellen?
Plate: Noch einmal: Ich kann, ehrlich gesagt, dem, was ich gerade gesagt habe, nicht sehr viel hinzufügen, nämlich dass die Details dessen, was gestern vereinbart worden ist, jetzt ausgearbeitet werden. Die Ziele, nach denen Sie gerade gefragt haben, stehen ja in dem Papier. Das ist ein Papier der drei Parteien, die die Koalition tragen. Bezüglich der Ziele möchte ich also sozusagen als Sprecher des Bundesinnenministeriums jetzt, ehrlich gesagt, nicht weiter über das hinaus sprechen, was die Parteivorsitzenden vereinbart haben. Aber es ist doch selbstverständlich, dass im Lichte und im Geiste dieser Ziele jetzt die Arbeiten an dem Gesetzentwurf sehr zügig voranschreiten werden.
SRS’in Wirtz: Ich kann nur unterstützen oder auch noch einmal in fetten Lettern unterstreichen, was im Grunde als Überschrift in dem Positionspapier der drei Parteivorsitzenden geschrieben steht: Beschleunigung der Verfahren für Bewerber mit geringer Aussicht auf Anerkennung. Das ist das erklärte Ziel der Bundesregierung, weil das erklärte Ziel der Bundesregierung ist, dass sozusagen die Menschen, die in Deutschland Schutz beanspruchen können, hier in würdiger und guter Situation betreut werden und integriert werden können und dass diejenigen, die eben eine geringe Bleibeperspektive haben, auch in einem geordneten und schnellen rechtsstaatlichen Verfahren wieder zurückgeführt werden. Das ist das erklärte Ziel. Das konnte man auch gestern von allen drei Parteivorsitzenden in Bild und Ton hören. Herr Plate hat es ja gerade gesagt: Die Einzelheiten werden in einem Gesetzentwurf verewigt werden. Da stehen wir.
Frage: Frau Wirtz, ich wollte zu den deutschlandweiten Aufnahmeeinrichtungen kommen. Warum soll das „Aufnahmeeinrichtung“ heißen, wenn die Menschen nur dorthin kommen, um mit allergrößter Wahrscheinlichkeit abgeschoben zu werden?
SRs’in Wirtz: Nun, in den vergangenen Tagen und Wochen ist ja viel über Wordings und darüber gesprochen worden, wie bestimmte Zentren nun heißen sollen oder nicht. In diesem Fall haben sich die Parteivorsitzenden jetzt in der Tat dazu entschlossen, diese Zentren als Aufnahmeeinrichtungen zu bezeichnen. Es geht ja nun auch wirklich zunächst einmal darum, dass man Menschen, die, auch wenn sie eine geringe Bleibeperspektive haben, zunächst einmal dorthin bringt, sie dort aufnimmt und dann in einem rechtsstaatlichen Verfahren entscheidet, ob sie tatsächlich zurück in ihr Heimatland gehen oder ob sie dann vielleicht doch in Deutschland bleiben.
Zusatzfrage: Ich habe noch eine Frage, meinetwegen an Herrn Fischer, aber auf jeden Fall an Herrn Plate, und zwar zu den innerstaatlichen Fluchtalternativen. Die hat Herr de Maizière meiner Meinung nach gestern in der Pressekonferenz auch zum ersten Mal so genannt. Ich hätte gerne einmal eine Definition davon. Die einzige Definition habe ich in den österreichischen Asylgesetzen gefunden, aber davon gibt es keine deutsche. Können Sie das einmal ausführen, Herr Plate? Was ist eine innerstaatliche Fluchtalternative?
Plate: Nein, die Definition habe ich jetzt, ehrlich gesagt, nicht dabei. Das ist ja ein völkerrechtliches Konzept aus dem Flüchtlingsvölkerrecht, und der Minister hat es schon mehrfach erwähnt, nicht erst gestern, sondern auch schon vorgestern, als er sich zum Beispiel mit seinem Kollegen Herrn Guterres, dem Hochkommissar für Flüchtlinge der UN, getroffen hat. Details der Definition kann ich Ihnen hier jetzt nicht nennen.
Vors. Welty: Herr Fischer, wollen Sie das ergänzen?
Fischer: Nein, ich habe da nichts zu ergänzen.
Frage: Ich hätte eine Frage an das BMZ. Frau Diroll, wir haben ja jetzt über die innerstaatlichen Fluchtalternativen in Afghanistan geredet, und IDPs sind ja in Afghanistan kein neues Phänomen. Inwieweit ist bisher schon bei der Arbeit der deutschen Entwicklungshilfe im weitesten Sinne, also bei Durchführungsorganisationen, dieses Problem der internen Flüchtlinge, also der Binnenflüchtlinge in Afghanistan, und deren Lebenssituation im Blickpunkt gewesen?
Diroll: (Anfang ohne Mikrophon, akustisch unverständlich) Pakistan nimmt derzeit in den umliegenden Regionen die meisten afghanischen Flüchtlinge auf. Wir haben im Rahmen unserer Zusammenarbeit mit Pakistan für die kommenden beiden Jahre 94 Millionen Euro zugesagt, wovon ein Großteil in die Versorgung für die afghanischen Flüchtlinge in Pakistan fließt, zum Beispiel auch in die berufliche Ausbildung und Ausbildungsprojekte für die Flüchtlinge. Das jetzt einmal ganz aktuell zu dieser Woche.
In Afghanistan selbst sind mir jetzt keine Projekte bekannt, die sich auf Flüchtlinge in Afghanistan beziehen. In der Tat haben wir aber auch dort in zahlreichen Regionen kleine und kleinste Projekte – Alphabetisierung, Schule, Ausbildung -, die natürlich dann auch Flüchtlingen, die im Land unterwegs sind, zugutekommen. Ich würde noch einmal recherchieren, ob es punktgenau auch noch in Afghanistan Flüchtlingsprojekte gibt, die als solche, als Binnenflüchtlingsprojekte, ausgeschrieben sind. Aus Pakistan konnte ich Ihnen das jetzt ganz aktuell schildern, und zwar entlang der Regierungsverhandlungen für Pakistan, die vergangenen Freitag bei uns im Ministerium in Berlin abgeschlossen wurden.
Zusatzfrage: Pakistan ist ja nicht direkt eine innerstaatliche Fluchtalternative. Kann ich das jetzt so verstehen, dass das Thema „sichere Fluchtregionen innerhalb Afghanistans“ bisher für die Bundesregierung kein besonders betrachtenswertes Thema war?
Diroll: Sie können meinen Aussagen entnehmen, dass es ausreichend Angebote in der Entwicklungszusammenarbeit in den Bereichen der Bildung, der Schule, der berufliche Bildung und auch der Existenzförderung und des wirtschaftlichen Aufbaus in verschiedenen Regionen gibt, in denen unsere Entwicklungsexperten unterwegs sind. Ich habe Ihnen ja gesagt, dass ich nach Nachfragen bei unseren Entwicklungsexperten und in Zusammenarbeit mit unseren Entwicklungsexperten vor Ort sowie den Kollegen von der GIZ noch einmal nachtragen werde, ob wir tatsächlich Projekte haben, die sich explizit und ausschließlich auf diesen Bereich beziehen.
Frage : Frau Diroll, der Innenminister schwärmt ja immer von der Entwicklungshilfe der letzten Jahre, die nach Afghanistan geflossen ist. Können Sie einmal ausführen, wohin diese Entwicklungshilfe tatsächlich geflossen ist? Recherchen der letzten Jahre haben belegt, dass das allermeiste Geld in die Taschen von Warlords und korrupten Politikern geflossen ist.
Dann würde mich noch Folgendes von Ihnen interessieren: Deutsche Entwicklungshelfer fühlen sich dort bedroht, wo deutsche Soldaten sind. Werden die Helfer zukünftig woanders eingesetzt als die Bundeswehr?
Diroll: Ich weiß nicht, welche Ressourcen Sie gerade genutzt haben, um von Ihrem PC aus Quellen vorzulesen, die mir nicht bekannt sind. Ich kann Ihnen, wenn Sie das ganze Bild dessen haben wollen, was viele Projekte sind, die ich Ihnen jetzt ja auch nicht in allen Einzelheiten schildern kann, zunächst einmal anempfehlen, dass Sie sich unseren letzten Bericht anschauen, den Sie auf der Internetseite finden und in dem wir die vergangenen sieben Jahre mit den einzelnen Projekten fein aufgearbeitet haben. Sie können sich die Projekte dort auch alle durchlesen.
Wenn Sie jetzt hier in aller Kürze eine Übersicht von mir haben wollen, ohne dass ich die Unterlagen jetzt vor mir habe und Ihnen aus diesen Projekten zitiere, kann ich Ihnen, wie der Kollege vom Auswärtigen Amt eben schon andeutete, die Summen nennen: Deutschland – AA und BMZ zusammen – hat in den vergangenen Jahren im Schnitt ca. 400 Millionen Euro für die Entwicklungszusammenarbeit mit Afghanistan ausgegeben. Davon trugen wir einen Anteil von 250 Millionen Euro. Dadurch konnte zum Beispiel der Beschulungsgrad, also der Anteil von Mädchen und Jungen, die zur Schule gehen, auf 80 Prozent gesteigert werden. Ca. die Hälfte von den eingeschulten Kindern sind Mädchen. Wir konnten in ganz umfangreichem Maße zum Beispiel im Bereich der beruflichen Ausbildung Projekte umsetzen, und es gibt viele Kleinstprojekte, wie ich gerade schon geschildert habe: Alphabetisierung in entfernten Regionen, Straßenbau, Renovierung von Schulen, Renovierung von Krankenhäusern. Wir haben in den vergangenen Monaten vier große Krankenhäuser wieder aufgebaut; bei zweien ist der Wiederaufbau noch im Gange. Es gibt Gesundheitszentren in mehreren Regionen und auch in abgelegenen Regionen. Die Zahlen dazu, die ich im Moment nicht vor mir habe, können Sie bitte noch einmal auf unserer Internetseite in dem Afghanistan-Bericht, den wir hier in Berlin im vergangenen Oktober zusammen mit der afghanischen Seite vorgestellt und in dem wir unsere Projekte bis 2017 skizziert haben, im Einzelnen detailliert nachlesen.
Zusatzfrage: Ich habe zwei Lernfragen, einmal an Herrn Henjes – – –
Vors. Welty: Nein, bitte stellen Sie einen Zusatz zu dieser Frage. Oder ist das jetzt eine neue Frage?
Zusatz : Das hat auch etwas mit Afghanistan zu tun. Es geht auch um Geld.
Vors. Welty: Eine Frage bitte noch!
Zusatzfrage: Herr Henjes, wie viel Geld wird der Afghanistan-Einsatz in den nächsten Jahren für die Bundeswehr kosten? Können Sie vielleicht einmal sagen, wie viel der Einsatz bisher in toto gekostet hat? Wenn nicht, können Sie das bitte nachreichen?
Henjes: Hinsichtlich der Kosten der Zukunft kann das wohl kaum jemand nachreichen. Das ist eine Prognose, die ich hier und heute nicht stellen möchte. Wir befinden uns ja gerade, wie Sie wissen, in der Klärung dessen, wie wir den Einsatz in Afghanistan neu gestalten oder dann gestalten wollen.
Hinsichtlich der entstandenen Kosten: Das kann ich im Moment nicht sagen.
Zusatzfrage: Können Sie es dann bitte nachreichen? Sie könnten ja vielleicht auch einmal sagen, wie viel der Einsatz zum Beispiel in diesem Jahr kostet. Das wird man ja wissen.
Henjes: Ich kann Ihnen dazu nur sagen – weil wir uns ja im laufenden Haushaltsjahr befinden – was wir hinsichtlich des Mandates Resolute Support im Antrag der Bundesregierung angesetzt haben. Da das Haushaltsjahr noch fortläuft, kann ich zurzeit nichts zu den Kosten sagen.
Zuruf : Nachreichen?
Henjes: Nein, ich kann es auch nicht nachreichen, weil wir uns jetzt ja noch im Haushaltsjahr befinden. Also kann ich Ihnen nicht sagen, – – –
Zuruf : (ohne Mikrofon, akustisch unverständlich)
Henjes: – – – was Resolute Support dieses Jahr gekostet hat.
Wenn Sie uns fragen, was der Einsatz der Bundeswehr insgesamt gekostet hat: Das kann ich nachreichen.
Frage: Ich habe eine Frage an das Innenministerium und an das Justizministerium: Gibt es in Ihren Häusern eine – idealerweise auch noch abgestimmte – Haltung als rechtliche Position zu der Frage, ob derzeit an der deutsch-österreichischen Grenze Asylsuchende mit dem Hinweis auf die Passage durch ein sicheres Drittland zurückgewiesen werden dürfen?
Plate: Ich kann ja einmal beginnen. Die Frage der Zurückweisung an der Grenze ist ja im Asylverfahrensgesetz geregelt; ich glaube, das ist § 18 Absatz 2 oder Nummer 2. Ich hatte hier dazu vor ein paar Wochen schon einmal ausgeführt, dass sich diese Frage in der momentanen Grenzkontrollsituation oder so, wie es eben praktisch abläuft, nicht stellt, weil eine Zurückweisung an der Grenze jedenfalls tatbestandlich nur dann möglich ist, wenn man sich an der Grenze befindet, und man ist nicht an der Grenze, wenn man sich auf deutschem Boden befindet. In der aktuellen Situation stellt sich die Frage einer Anwendung dieser Vorschrift also schon tatbestandlich in aller Regel nicht.
Ob das sozusagen über die tatsächliche Situation der Grenzkontrollen hinaus möglich wäre oder nicht, ist eine rein hypothetische Frage, zu der ich deswegen nicht Stellung nehme.
Zimmermann: Ich kann nicht wirklich etwas ergänzen. Das fällt ja auch in die Zuständigkeit des Innenministeriums.
Zusatz: Die Bundespolizei ist aber doch an der Grenze und kontrolliert!
Plate: Da verweise ich noch einmal auf das, was ich gerade, aber auch schon vor einigen Wochen gesagt hat: Die Grenzkontrollen finden de facto und so, wie sie stattfinden, eben nicht genau an der Grenze statt, sondern in aller Regel auf deutschem Boden, wenn vielleicht auch nur ein paar Meter auf deutschem Boden, und da ist man eben nicht an der Grenze. Das habe ich, glaube ich, neulich auch schon einmal ausgeführt. Es ist so: Wenn man erst einmal so richtig auf deutschem Boden ist, dann gilt das völkerrechtliche Gebot des Non-Refoulement. Das heißt, wenn man erst einmal in Deutschland ist, wäre eine Zurückweisung an der Grenze wegen des Non-Refoulement-Grundsatzes nicht möglich. Sie ist aber jedenfalls keine Zurückweisung an der Grenze nach § 18 des Asylverfahrensgesetzes, weil man eben nicht an der Grenze ist.
Zusatzfrage: Entschuldigung, nur zum Verständnis: Faktisch ist das im Moment nicht möglich?
Plate: Faktisch stellt sich die Frage so, wie die Grenzkontrollen rein praktisch im Moment ablaufen, nicht.
Diroll: Ich würde Ihnen gegenüber, gerne noch etwas zu den einzelnen Zahlen nachtragen, die ich mir eben aus unserer Internetseite herausgesucht habe, damit Sie sie gleich haben. Ich komme einmal zu den großen Schwerpunkten unserer Entwicklungszusammenarbeit, nur im Bereich von Bildung und Gesundheit, exemplarisch für Ihren Hintergrund.
Zum Bildungsbereich: 2001 gingen in Afghanistan knapp 1 Million Kinder zur Schule, fast nur Jungen. Heute sind es – ich hatte es gerade schon erwähnt – 9 Millionen, davon die Hälfte Mädchen. Die Einschulungsrate liegt derzeit bei mehr als 80 Prozent.
Zu den Bereichen, die wir ganz konkret im Rahmen deutscher Entwicklungszusammenarbeit fördern konnten: Seit 2010 sind dies Schulgebäude für rund 600.000 Schülerinnen und Schüler, die renoviert oder neu gebaut wurden. Seit 2010 wurden rund 100.000 Lehrerinnen für Grund- und weiterführende Schulen ausgebildet. Außerdem im Detail die Anzahl der Schulgebäude seit 2007, die ich Ihnen anliefern kann: 365 Schulen wurden im Rahmen deutscher Entwicklungszusammenarbeit neu gebaut, davon knapp 200 Grundschulen und 18 weiterführende Schulen und 48 berufsbildende Schulen.
Zum großen Gesundheitsbereich, den ich schon erwähnt hatte, hier erst einmal vorausgeschickt die Zahlen zur Gesundheitsversorgung: 2007 und 2008 hatten die Mütter bei ca. 24 Prozent der Geburten die Möglichkeit, ihre Kinder in einem Krankenhaus zu bekommen. Diese Zahl wurde mittlerweile auf 40 Prozent gesteigert. 90 Millionen Euro flossen von Deutschland aus in den Gesundheitssektor in fünf Provinzen, die jetzt mittlerweile, so die ganz aktuellen Zahlen, die uns vorliegen, rund 5 Millionen Menschen in diesen Regionen Zugang zu einer besseren medizinischen Versorgung gewährleisten.
Zu den Krankenhäusern, die ich erwähnt hatte: Mit deutscher Hilfe wurden neun Krankenhäuser gebaut. An dieser Stelle hatte ich vorhin, glaube ich, eine falsche Zahl genannt. Es sind also neun Krankenhäuser, so zum Beispiel das Regionalkrankenhaus in Masar-e Scharif, das wir dann 2012 an die Afghanen übergeben haben und wo wir jetzt noch in den Bereichen Krankenhausmanagement, Aus- und Weiterbildung und hinsichtlich der Pflege beraten. Bezüglich der Gebäudetechnik sind auch Mitarbeiter beziehungsweise Experten der deutschen Entwicklungszusammenarbeit vor Ort.
Zu den mobilen Gesundheitsstationen in den ländlichen Regionen hatte ich schon einiges gesagt, aber das können Sie dann in den Details auch noch einmal bei uns nachlesen.
Henjes: Zum Thema „helfende Hände“, die ich nämlich auch im Rücken sitzen habe: Ich kann Ihnen Zahlen nennen. Das bedeutet, wir haben die Kosten des gesamten ISAF-Einsatzes der Bundeswehr in Afghanistan sowie im Rahmen von Resolute Support: Das ist eine Größe von etwa 9 Milliarden Euro.
Hinsichtlich Resolute Support, weil Sie ja nach dem laufenden Jahr gefragt haben, weil Sie wissen, dass wir Resolute Support erst seit 2015 haben, weil ISAF ja 2014 auslief, hat die Bundesregierung in ihrem Antrag einen Kostenumfang in Höhe von rund 246 Millionen Euro angesetzt.
Frage: (ohne Mikrophon, akustisch unverständlich)
Henjes: Das ist der Kostenumfang, den ich Ihnen bezüglich ISAF und jetzt noch einmal bezüglich Resolute Support genannt habe. Bis jetzt sind es also etwa 9 Milliarden Euro; das ist der Kostenansatz. Sie hatten ja auch insgesamt nach den Kosten gefragt. Deswegen wäre die Antwort hinsichtlich dieser ersten allgemeinen, generalisierenden Frage, die Sie gestellt haben: Rechnen Sie mit einem Umfang in der Größenordnung von 9 Milliarden Euro.
Frage: Meine Frage richtet sich an Frau Diroll, nachdem Sie uns gerade geschildert hat, was denn alles Gutes im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit in Afghanistan getan wird. Ich würde dann doch gerne von ihr eine Bewertung dessen haben, was denn ihr Minister darüber denkt, wie es mit der Zukunft der Entwicklungszusammenarbeit und Entwicklungshilfe in Afghanistan aussehen soll und was dort zu geschehen hätte. Offensichtlich scheint es nämlich nicht so zu sein, dass das dazu führt, dass Afghanen der Meinung sind, dass Afghanistan ein so schönes Land sei, dass sie nicht gerne nach Deutschland kommen wollen würden.
Diroll: Dazu kann ich Ihnen gerne aus verschiedenen Interviews, die der Minister in der vergangenen Zeit gegeben hat, skizzieren, was seine Linie an dieser Stelle war. Zunächst hat der Minister außerordentlich begrüßt, dass das Militärmandat verlängert wird, das Schutzmandat. Auch für unsere Entwicklungsexperten ist die Lage nämlich so, dass sie dort ohne diesen Schutz, wie die letzten Wochen gezeigt haben, ihrer Arbeit in vielen Regionen nicht nachgehen können. Sie wissen, dass wir ca. 1.800 Ortskräfte in Afghanistan im Rahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit vor Ort haben und rund 180 bis 200 nationale und internationale Mitarbeiter entsandt worden sind. Der Minister hat mehrfach deutlich gemacht, dass wir auf alle Fälle die Zusammenarbeit mit Afghanistan in den Bereichen für die jungen Menschen, nämlich in der Schulbildung und der beruflichen Ausbildung, noch stärken müssen und dass an dieser Stelle vor allem das Berufsausbildungsthema eines ist, das wir in den Fokus nehmen.
In der kommenden Woche wird am Dienstag auf Einladung des BMZ eine G7-Frauenkonferenz stattfinden. Dazu sind auch afghanische Gäste eingeladen, und die Frau des afghanischen Präsidenten wird auch nach Berlin kommen, weil wir gerade diesen Bereich „Frauen und Bildung“ in unserer Entwicklungszusammenarbeit noch einmal stärken wollen. Ich kann Sie also alle für Montag und Dienstag in den DBB einladen. Dort wird unsere Frauenkonferenz stattfinden. Dienstagmittag wird der Minister dort sprechen und anschließend nach dem Gespräch mit Frau Ghani auch für ein kurzes Statement zur Verfügung stehen.
Zusatzfrage : Wenn ich darf, noch eine kleine Nachfrage: Sie haben gerade von 1.800 Kräften gesprochen, die vor Ort sind. Wir kennen es eher aus dem Kontext des BMVg, dass sozusagen lokale Kräfte teilweise besonderen Gefahren ausgesetzt sind. Haben Sie damit Erfahrungen? Gibt es dort Überlegungen, wenn sich die Sicherheitslage weiter verschlechtert, diesen Ortskräften gegebenenfalls eine Möglichkeit zu bieten, das Land in diese Richtung hin zu verlassen?
Diroll: Sie wissen, wie die Regelung an dieser Stelle sowohl für Ortskräfte, die in Diensten des Verteidigungsministeriums waren, als auch für Entwicklungsexperten ist; die haben wir hier in der Regierungspressekonferenz mehrfach geschildert. An dieser Stelle gibt es die Möglichkeit, sich an die regionalen Stellen zu wenden, wenn man eine Bedrohungslage für sich erkennt. Es gibt in der Tat auch einige Fälle, in denen sich diese Kräfte bei den deutschen Behörden gemeldet haben. Dazu hat das Innenministerium regelmäßig Zahlen genannt, und dort liegt auch die Federführung für diese Fälle. Was die Zahlen angeht, müsste ich deshalb wiederum an den Kollegen des Innenministeriums abgeben.
Im Moment ist die Lage folgendermaßen: Sie wissen, dass wir unsere Mitarbeiter aus Kundus abgezogen haben und aufgrund der Sicherheitslage im Moment keine Mitarbeiter vor Ort sind. Auch die Ortskräfte stehen momentan nicht im Dienst, werden aber durchaus noch von der GIZ beschäftigt und gehen ihren Projekten im Moment nicht nach.
Was die Projekte in Masar-e-Scharif und Kabul angeht, war meine letzte Meldung, dass ich Ihnen hierzu keine neue Lage schildern kann. Die Arbeit dort geht nach wie vor so weiter, wie das Risikomanagement es vor einigen Wochen nach den Anschlägen in Kundus eingeschätzt hat. Anhand dieser Sicherheitslage arbeiten die Kollegen auch momentan.
Plate: Die konkret von der Kollegin angesprochen Zahlen habe ich heute nicht dabei.
Fischer: Ich kann noch einen Punkt ergänzen: Es wird immer so getan, als ob die Afghaninnen und Afghanen unbedingt ihr Land verlassen wollen. Wenn man aber einmal zurückschaut, so gab es große Flüchtlingsbewegungen zu der Zeit der Taliban, wo Millionen das Land verlassen haben. Die Entwicklungsleistungen, die Frau Diroll geschildert hat, die wir geleistet haben, die aber auch unsere Partner geleistet haben, haben genauso wie der Beitrag zur Stärkung und Ausbildung der afghanischen Armee dazu geführt, dass aus den Nachbarländern wie Pakistan, Iran und anderen durchaus Millionen Afghanen nach Afghanistan zurückgekehrt sind. Ich glaube, alleine in Pakistan betrifft es zwei Millionen Menschen, die in den letzten Jahren nach Afghanistan zurückgekehrt sind. Es ist bei Weitem nicht so, dass die Afghaninnen und Afghanen, mit denen wir sprechen, alle das Land verlassen wollen. Im Gegenteil. Es gibt dort eine große Motivation, dieses Land weiter aufzubauen, es zu befrieden und fit für die Zukunft zu machen.
Frage: Eine Lernfrage: Wir haben viel über das erfahren, was die drei Parteivorsitzenden gestern miteinander besprochen haben. Aber was haben denn die Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin beredet? Die Frage richtet sich an Frau Wirtz und Herrn Plate, dessen Minister ja wohl auch dabei war.
SRS’in Wirtz: Richtig ist, dass sich im Anschluss an die Presseunterrichtung die Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten getroffen hat. Es sind verschiedene Themen angesprochen worden. Zum einen ist die Bundeskanzlerin noch einmal auf die europapolitische Lage eingegangen und hat noch einmal die Ministerpräsidenten über die Konferenz in Sachen Balkanroute informiert.
Der Bundesinnenminister hat noch einmal zur aktuellen Lage und zur Frage der Sicherheit vorgetragen. Die Bundesverteidigungsministerin, in deren Hände die Unterbringung der Flüchtlinge mit liegt, hat zum aktuellen Stand der Ertüchtigung verschiedener Kasernen und Liegenschaften berichtet. Herr Weise, der Chef der BA, hat noch einmal über den Stand der Dinge im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge informiert. Ein wichtiger Tagesordnungspunkt war das Thema Rückführung. Hier waren sich alle Beteiligten einig, dass alle Kräfte mobilisiert werden müssen, um praktisch vollziehbar Ausreisepflichtige auch wirklich zur Ausreise zu bewegen.
Es gab keine Beschlüsse, und das waren die Themen, über die man sich ausgetauscht hat.
Frage: Frau Wirtz, waren die gestrigen Beschlüsse zu Afghanistan der Einstieg in die Richtung, um zu sagen, dass Afghanistan ein sicheres Herkunftsland wird?
SRS’in Wirtz: Nein. Ich kann, was den gestrigen Beschluss angeht, nur sagen, dass man sich auf das verständigt hat, was in diesem Beschluss steht. Ich möchte jetzt nicht weiter gehen und das in irgendeiner Weise interpretieren. Im Grunde geht es darum, dass man durch die verschiedenen Maßnahmen, die hier schon durchaus im Ansatz angesprochen worden sind, innerstaatliche Fluchtalternativen schafft und verbessert und dass die Kriterien, die in den Richtlinien des BAMF niedergelegt sind, was Afghanistan anbelangt, vor dem Hintergrund der aktuellen Situation noch einmal überprüft werden. Ich möchte jetzt nicht interpretieren, ob das ein Einstieg in irgendetwas war, sondern das zugrunde legen, was beschlossen worden ist.
Plate: Eine ganz kleine Ergänzung, die in der Tat ganz unmittelbar mit dem Beschluss nichts zu tun hat; ich möchte dem, was Frau Wirtz dazu gesagt hat, substanziell nichts hinzufügen. Es ist vielleicht untergegangen, dass der Minister sich zu dieser Frage bereits mehrfach presseöffentlich geäußert hat, dass keine Einstufung Afghanistans als sicheres Herkunftsland geplant ist. Mindestens zwei solcher Äußerungen des Ministers sind mir erinnerlich; vielleicht gab es auch noch eine dritte. Das nur zur Klarstellung.
Frage: Frau Wirtz, es heißt, dass Asylbewerber mit geringen Bleibechancen den Landkreis nicht verlassen dürfen, in denen diese besonderen Zentren liegen. Heißt das, sie dürfen sie auch nicht verlassen, wenn diese Menschen wieder freiwillig Deutschland verlassen wollen? Wie sollen die Menschen wissen, wann ein Landkreis endet?
Frau Diroll, Sie hatten unter anderem den Bau von Krankenhäusern angesprochen. Das Krankenhaus in Kundus – – –
Vors. Welty: Wir haben uns auf eine Frage geeinigt. Ich würde Sie wirklich jetzt sehr bitten, sich auf diese eine Frage zu beschränken, weil wir mit der Zeit schon sehr weit fortgeschritten sind.
SRS’in Wirtz: Wir sprechen über die verschärfte Residenzpflicht, die in der Tat in dem Beschluss der Parteivorsitzenden von gestern niedergelegt ist. Ich kann im Grunde nur noch einmal an das anschließen, was Herr Plate und auch ich anfangs schon ausgeführt haben: Die Details müssen natürlich noch ausgearbeitet werden und werden sich dann in einem Gesetzentwurf wiederfinden. Sie können aber sicherlich davon ausgehen, dass man, wenn man einen Flüchtling darauf hinweist, dass er praktisch nur in einem bestimmten Bezirk eine Residenzpflicht hat, ihn auch mit Sicherheit darüber aufklären wird, wo dieser Bezirk anfängt und endet, damit er sich sozusagen seiner Bewegungsfreiheit bewusst ist. Was den anderen Aspekt anbelangt, wenn er den Bezirk verlassen möchte, um auszureisen, so wird es mit Sicherheit auch entsprechende Lösungen oder Regelungen in dem Gesetzentwurf geben. Dem möchte ich jetzt aber nicht vorweggreifen.
Frage: Ich habe eine Frage an Herrn Plate. Wie viele islamistische Gefährder gibt es in Deutschland? Was macht eine Person zu einem islamistischen Gefährder?
Plate: Das habe ich alles in der letzten Regierungspressekonferenz vor zwei Tagen ausgeführt. Insofern möchte ich auf das Protokoll verweisen.
Zusatzfrage: Dann habe ich eine Zusatzfrage, die Sie nicht beantwortet haben: Was passiert denn, wenn jemand quasi islamistischer Gefährder geworden ist? Kann er auch wieder von dieser Liste herunterkommen? Wenn ja, wie oft ist das schon passiert?
Plate: Ich hatte ja die Definition eines solchen Gefährders vorgetragen und will das nur noch einmal in alle Kürze darstellen. Das ist eine Person, bei der polizeilich von einer bestimmten Wahrscheinlichkeit ausgegangen wird, dass sie Straftaten im Sinne des § 100 a StPO begehen könnte. Es liegt in der Natur einer bestimmten Wahrscheinlichkeitsprognose, dass sich diese Prognose ändern kann. Konkrete Zahlen dazu, wie oft das in diese oder jene Richtung passiert ist, kann ich Ihnen nicht nennen.
Frage: Eine Frage, die vielleicht einfach zu beantworten ist; ich hoffe es zumindest. Herr Fischer, wie betrachtet denn die Bundesregierung das erste offizielle Treffen zwischen Taiwan und China? Was für eine Einschätzung hat die Bundesregierung? Gibt es Hoffnungen, die damit verbunden sind? Hat das auch Auswirkungen auf die deutschen Beziehungen zu Taiwan und China?
Fischer: Wir haben die Meldungen über das geplante Treffen, das, glaube ich, am Samstag stattfinden soll, mit großem Interesse zur Kenntnis genommen. Die Bundesregierung ist sehr an Frieden und Stabilität in der Taiwanstraße interessiert. Wir begrüßen daher alles, einschließlich dieses Treffen, was zu einer weiteren friedlichen Annäherung und Entspannung beiträgt und hoffen auf einen weiteren konstruktiven Dialog beider Seiten auf der Basis gegenseitigen Respekts.
Was ich sagen will, ist, dass eine Änderung des Status Quo aus Sicht der Bundesregierung ausschließlich friedlich und im Einvernehmen beider Seiten erfolgen kann.
Zusatzfrage: Hat das Auswirkungen auf die Beziehungen zu Deutschland in irgendeiner Form, was diese beiden Staaten betrifft?
Fischer: Wir verfolgen weiterhin unsere bekannte Ein-China-Politik. Das ist das, was wir tun und auch weiterhin tun werden.
Frage: Was den NSA-Untersuchungsausschuss angeht, würde mich die Einschätzung des Kanzleramtes interessieren, ob man auf die Ergebnisse der Arbeit von Herrn Graulich stolz ist.
Mich würde zweitens interessieren, ob die Bundesregierung ihn immer noch als unabhängig deklarieren würde, wenn er selbst zugegeben hat, dass ihm BND-Leute zugearbeitet haben.
Mich würde weiterhin interessieren, ob wir den Werkvertrag zwischen der Bundesregierung und Herrn Graulich werden einsehen können.
SRS’in Wirtz: Ich glaube, Stolz ist keine Kategorie, mit der das Bundeskanzleramt, die Bundesregierung die Arbeit eines Gutachters kategorisiert oder beschreibt. Richtig ist, dass Herr Graulich im Auftrag der Bundesregierung einen Bericht angefertigt hat. Diesen Bericht können Sie bei uns auf der Seite und auf der Seite des Bundestages einsehen. Es gibt für die Bundesregierung keinen Zweifel daran, dass Herr Graulich seine Aufgabe in unabhängiger und sehr sachkundiger Form durchgeführt hat.
Zusatzfrage: Kann sich das Kanzleramt vorstellen, dass so eine Vertrauensperson zukünftig auch die Arbeit des Parlaments ersetzen kann und sollte?
SRS’in Wirtz: Nein, das kann ich mir nicht vorstellen.
Zusatzfrage: Das ist ein Ausnahmefall?
SRS’in Wirtz: Es war ganz klar mit dem Parlament so vereinbart, dass dieser Untersuchungsgegenstand von einem Sonderermittler oder von einer Vertrauensperson durchgeführt wird. Abgesehen davon hat sich an den Zuständigkeiten und Kompetenzen dieses Untersuchungsausschusses nichts geändert.
Frage: Eine Frage an das Bundesfinanzministerium. Die Euro-Arbeitsgruppe zu Griechenland ist offensichtlich verschoben worden. Was bedeutet das? Gibt es ein Problem bei den Verhandlungen mit Griechenland?
von Tiesenhausen-Cave: Dazu liegen mir keine Informationen vor. Die Euro-Arbeitsgruppe ist ein Gremium aus Staatssekretären, das sich regelmäßig trifft und dazu informiert. Der Vorsitzende dieses Gremiums ist der Österreicher Thomas Wieser. Ich würde jetzt nicht in Spekulationen einsteigen, was Verschiebungen angeht. Das können terminliche Gründe sein. Dazu müssten Sie sich in Brüssel orientieren.
Frage: Eine Frage an das Außenministerium zum heutigen Treffen im Rahmen des Normandie-Formats: Was kann man von diesem Treffen erwarten? Über welche Themen wird man sprechen? Ich nehme an, dass es um die Umsetzung der Minsker Vereinbarung geht. Um welche Punkte geht es konkret?
Fischer: Sie werden wahrscheinlich Gelegenheit haben, die Minister noch einmal selbst zu befragen. Es ist ja so, dass sich heute Nachmittag Außenminister Steinmeier und sein französischer, ukrainischer und russischer Kollege in der Villa Borsig treffen, um darüber zu beraten, wie der Stand und die nächsten Schritte bei der Umsetzung der Minsker Vereinbarung vollzogen werden können. Das Treffen beginnt um 14.30 Uhr. Wenn ich mich nicht ganz täusche, wird Bundesaußenminister Steinmeier schon kurz vor 14 Uhr ein erstes Auftaktstatement geben, wo wahrscheinlich ein Teil Ihrer Fragen beantwortet wird. Dann wird er wie üblich am Ende des Gesprächs noch einmal über das Besprochene informieren.
Ich glaube, ganz grundsätzlich kann man sagen, dass die vier Staaten, die die Minsker Vereinbarung ausgehandelt haben, sich vorgenommen haben, bei Verabschiedung der Vereinbarung ein sehr enges Monitoring der Umsetzung der Vereinbarung durchzuführen. Dabei geht es darum, zu schauen, wo die Umsetzung der Minsker Vereinbarung gut vorankommt und wo es noch Bedarf gibt, gegebenenfalls die Umsetzungsgeschwindigkeit vielleicht zu erhöhen oder die Umsetzung erst noch einmal politisch anzustoßen. Dass der Waffenstillstand seit grosso modo zweieinhalb Monaten mehr oder weniger hält, ist sicherlich eine gute Entwicklung, ist aber sicher auch nicht genug. Bis zur vollständigen Umsetzung der Minsker Vereinbarung ist noch ein ganzes Stück Weg zurückzulegen. Wir sehen immer wieder bei den Treffen der verschiedenen Gruppen, die sich mit der Umsetzung der Minsker Vereinbarung beschäftigen, dass nichts von alleine geht. Deshalb werden die vier Außenminister daran arbeiten, hier weitere Fortschritte auf der Grundlage dessen, was erreicht worden ist, zu erzielen. Aber für den Einstieg in eine politische Lösung des Konflikts brauchen wir eben noch weitere Fortschritte, und da reicht der Waffenstillstand allein nicht aus.
Zusatzfrage: Das war genau meine Frage. Bei welchen Punkten der Vereinbarung sehen Sie Bedarf, weiter voranzukommen? Welche Punkte sind das, die heute besprochen werden?
Fischer: Es wird, glaube ich, die gesamte Minsker Vereinbarung einmal angeschaut und Bilanz gezogen, wo es vorangegangen ist und wo nicht. Wie ich gesagt habe: Der Waffenstillstand hält mehr oder weniger seit zweieinhalb Monaten. Es gibt aber sicher auch noch ganz schwierige politische Fragen zu lösen. Es geht zum Beispiel darum, wie es mit den Wahlen in den von den Separatisten kontrollierten Gebieten aussieht. Wie steht es um das Zentralisierungsgesetz, um den Zugang der OSZE-Beobachter? Von daher gibt es durchaus Punkte, die noch offen sind und die angesprochen werden müssen. Wir erwarten, dass zum Beispiel die Verfassungsreform vorangeht. Wir erwarten natürlich auch, dass Moskau zum Beispiel weiterhin Druck auf die Separatisten aufrechterhält, um das, was vereinbart wurde, baldmöglichst umzusetzen. Das sind alles Themen, die besprochen werden.
Frage: Frau Wirtz, ich habe eine Frage zur China-Reise der Bundeskanzlerin letzte Woche. Herr Seibert hat in seiner Videobotschaft erzählt, dass sie sich wieder mit chinesischen Bloggern getroffen hat. Mich würde interessieren, mit wie vielen Bloggern genau sie sich getroffen hat. Sind das immer dieselben, die sie bei jeder China-Reise trifft, oder sind das immer neue? Wie kommt es eigentlich, dass sie sich häufiger mit chinesischen Bloggern als mit deutschen Bloggern trifft?
SRS’in Wirtz: Die Frage haben Sie dem Bundespresseamt ja schon freundlicherweise letzte Woche gestellt. Wir haben Ihnen schon gesagt beziehungsweise in dem Fall eher geschrieben, dass wir keine Statistiken darüber führen, wie oft die Bundeskanzlerin sich mit Bloggern – seien sie nun deutscher oder chinesischer Herkunft – trifft. Da kann ich Ihnen immer noch nicht weiter helfen.
Was die Gespräche der Kanzlerin mit den Bloggern anbelangt, hat das in der Tat Herr Seibert kommuniziert. Ich kann Ihnen aber, weil das vertrauliche Gespräche waren, nicht mehr dazu sagen, wer daran teilgenommen hat oder ob das Blogger waren, mit denen sie schon einmal gesprochen hat. Wir haben darüber, wie gesagt, keine Statistiken. Ich möchte dazu auch nicht weiter ins Detail gehen, weil das vertrauliche Gespräche waren.
Zusatzfrage: Könnten Sie einfach einmal nachgucken? So oft war das ja in den letzten Jahren nicht der Fall. Sie können doch einmal nachgucken, wie viele das waren, ob das dieselben waren oder ob das neue waren.
SRS’in Wirtz: Das tut mir leid; das kann ich leider nicht nachsehen. Wir haben das nicht statistisch nachgehalten. In dem Fall kann ich das entsprechend nicht nachreichen.
Frage: Ich habe eine Frage an das Umweltministerium. Sie haben auf eine Kleine Anfrage der Grünen reagiert und angegeben, dass 380.000 Menschen in diesem Land in Gebieten leben, wo der Jahresmittelgrenzwert von Stickoxiden permanent überschritten wird. Wie kommt es eigentlich, dass das seit Jahren der Fall ist, aber es keine Möglichkeit gibt, das zu reduzieren? Welche Maßnahmen planen Sie, um das zu reduzieren, denn diese Menschen sind ja erhöhten Gesundheitsgefahren ausgesetzt?
Haufe: Der Anstieg der Stickoxiden beziehungsweise die Tatsache, dass es immer wieder zu Grenzwertüberschreitungen kommt, ist seit mehreren Jahren so. Das hat die Bundesregierung auch gegenüber der Europäischen Kommission so dargelegt. Das geht Deutschland so, das geht auch anderen Ländern der Europäischen Union so. Dies ist vor allen Dingen in Ballungsgebieten der Fall.
Die wichtigste Quelle ist der Verkehr. Eine der wesentlichen Ursachen ist, dass die Euro-4-Norm und die Euro-5-Norm, die eigentlich Grenzwerte für Stickstoffdioxid umfasst, die niedriger ausfallen sollen als frühere Euro-Normen, nicht funktionieren. Das ist ja in den letzten Monaten ausführlich bekannt worden; durch den Skandal bei VW ist diese Diskussion hochgekommen. Das ist die Hauptursache, und so wird es auch kommuniziert.
Die Länder und die Kommunen, die dafür verantwortlich sind, die Luftqualität in ihren Städten zu überprüfen und die Grenzwerte einzuhalten beziehungsweise Gegenmaßnahmen zu treffen, wenn die Grenzwerte nicht eingehalten werden, haben Luftreinhaltepläne. Das ist das Instrument, wo sie unterschiedliche Maßnahmen festlegen. In diesem wie auch im nächsten Jahr werden die Luftreinhaltepläne mit neuen Maßnahmen weiter überarbeitet. Die Länder haben unterschiedliche Maßnahmen vorgesehen, um dagegen vorzugehen. Das ist eine ganz breite Palette. Sie haben gefragt, welche das sind. Das ist in jedem Bundesland und teilweise in den Städten ganz unterschiedlich, und zwar je nach Betroffenheit. Es kann sein, dass die Bus-, die ÖPNV-Flotte komplett umgerüstet wird; es kann sein, dass die Parkraumbewirtschaftung geändert wird; es kann sein, dass das Tempolimit gesenkt wird, dass bestimmte Straßengebiete für den Verkehr gesperrt werden. Das ist ganz unterschiedlich und, wie gesagt, ganz breit.
Dann gibt es natürlich die andere Maßnahme – auch diese haben wir in den letzten Monaten beziehungsweise in den letzten Wochen oft angesprochen -, und das ist die Typenzulassung für Fahrzeuge, die sich ab 2017 komplett ändern wird und dadurch sichergestellt wird – wir hoffen das jedenfalls -, dass die neuen Grenzwerte für Stickstoffdioxid, die dann bei der Euro-6-Norm gelten, auch tatsächlich im realen Verkehr eingehalten werden.
Um noch einmal auf den Punkt zurückzukommen, was wir eigentlich tun: Die Ministerin hat mit den Ländern noch einmal besprochen, dass sie generell über den Maßnahmenkatalog, den die Bundesländer haben und der jetzt zur Verfügung steht, sprechen möchte, sodass man, wenn der Eindruck entsteht, dass bestimmte Maßnahmen, die wir treffen, um die Luftqualität einzuhalten, nicht funktionieren, möglicherweise an neue Dinge denken muss, die es jetzt noch nicht gibt. Dafür ist sie auch offen.
Zusatzfrage: Eine Zusatzfrage, die allerdings Frau Wirtz betrifft: Frau Wirtz, die Bundeskanzlerin fühlt sich ja offenbar der deutschen Autoindustrie sehr verbunden. Sie hat zumindest für die deutsche Autoindustrie einmal in Brüssel interveniert, als es um Grenzwerte usw. ging. Fühlt sich eigentlich die Bundesregierung eher den Interessen der deutschen Automobilindustrie oder eher den Interessen der 380.000 Menschen verpflichtet, die quasi in diesen Gebieten leben, wo permanent die Stickoxidgrenzwerte überschritten werden?
SRS’in Wirtz: Die Bundesregierung fühlt sich per se nicht einer ganz bestimmten einzelnen Interessengruppe verbunden, sondern hat immer das Gesamtbild im Blick. Insofern kann ich mich im Namen der Bundesregierung nicht auf die eine oder andere Seite schlagen. Es ist immer das Gesamtbild, das für die Bundesregierung ausschlaggebend ist.
Zusatzfrage: Was wird für die 380.000 getan?
SRS’in Wirtz: Das ist ja gerade ausgeführt worden, und die entsprechenden Bemühungen gibt es.
Frage: Ich habe eine Frage zur Lage in Syrien. Herr Fischer, das Weiße Haus hat diese Woche angekündigt, dass ein „small amount“ von „special forces“ auf syrischen Boden im Norden des Landes stationiert werden soll. Mich würde interessieren, ob die Bundesregierung davon überrascht ist, nachdem Herr Obama in den letzten zweieinhalb Jahren immer wieder betont hat, dass es keine US-Truppen auf syrischem Gebiet geben wird.
Fischer: Ich glaube, Überraschung ist keine Kategorie in der Außenpolitik.
Zusatzfrage: Wie bewerten Sie denn diese – – –
Fischer: Von daher haben wir diese Berichte zur Kenntnis genommen. Das ist es. Ich glaube, wir haben immer gesagt: Wir brauchen beides. Ohne militärische Mittel wird es nicht gelingen, den IS zu besiegen. Aber auf der anderen Seite brauchen wir natürlich auch einen politischen Prozess für Syrien. Da hat es in den letzten Tagen ja Entwicklungen gegeben, unter anderem bei der Wiener Konferenz.
Zusatzfrage: Man kann Sie so verstehen, dass es amerikanische Truppen in Syrien braucht?
Fischer: Das habe ich nicht gesagt. Ich habe gesagt, wir brauchen Verschiedenes, um ISIS zu bekämpfen. Sie wissen genau, dass ISIS auch im Irak aktiv ist. Da unterstützen wir den Kampf gegen diese Terrororganisation unter anderem dadurch, dass wir die Peschmerga mit Waffen ausrüsten. Es gibt eine Bundeswehrmission zur Ausbildung. Das heißt, ISIS ist eine Terrororganisation; das ist klar. ISIS wird nur auf dem militärischen Weg besiegt werden können. Diejenigen, die dazu beitragen können, tun dies auch derzeit.