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Bundesregierung für Desinteressierte: BPK vom 08. November 2021

Themen: COVID-19-Pandemie, Afghanistan, Situation an der Grenze zwischen Belarus und Polen, Wahlen in Nicaragua, Sanktionen der ECOWAS gegen die Übergangsregierung in Mali, Völkermord an den Herero und Nama, Ukraine-Konflikt, Bericht zur Lage des Flughafens BER

Themen/Naive Fragen zu:
0:00 Beginn
0:20 Thema Impfstoff-Spenden ans Ausland
3:31 Afrika hat mehr als 1 Milliarde Menschen. Reichen die 100 Mio Dosen auch nur annähnernd aus?
5:48 Thema kostenlose Bürgertests
14:18 Thema Impfpflicht
15:55 Reitschuster schwurbelt (I)
19:35 Thema Boosterimpfung/Ausland
21:38 Hans zu Testpflicht am Arbeitsplatz
23:02 Thema epidemische Lage
27:29 Warum würde eine Impfpflicht eine „Spaltung vertiefen“?
28:35 Reitschuster schwurbelt (II)
32:29 Thema Afghanistan
37:37 Thema Belarus/EU-Außengrenze
44:38 Thema Nicaragua
45:48 BMG zu Reitschuster
46:30 Thema: ECOWAS-Sanktionen gegen Mali
47:23 Hans zu Namibia/Völkermord an Herero & Nama
53:30 Thema Ukraine/Russland

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Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 08. November 2021:

VORS. WELTY eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt STS SEIBERT sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

FRAGE REIFENRATH: Ich bin mir nicht ganz sicher, ob sich meine Frage an das Auswärtige Amt oder an das BMG richtet. Vielleicht können Sie mir helfen bzw. mich korrigieren. Es geht um Impfstoffspenden ins Ausland. Vor einer Woche hatte der Sprecher des BMG gesagt, dass es sicher ist, dass die 100 Millionen ausgeliefert werden. Mich würde interessieren, was dafür die Bedingungen in Bezug auf die Hersteller sind und, falls Sie das nicht sagen können, wie nachhaltig das ist und ob das auch die Impfstoffspenden betrifft, die die Kanzlerin für das nächste Jahr angekündigt hat, dass die auch sicher sind.

KAUTZ: Ich kann Ihnen hier nicht mehr als die 100 Millionen Impfstoffdosen kommunizieren, die wir spenden wollen, und zwar zum einen über bilaterale Verträge und zum anderen über COVAX. Das ist nach wie vor unser Ziel, trotz mancher Schwierigkeiten, die Sie gerade angesprochen haben.

ZUSATZFRAGE REIFENRATH: Vielleicht kann das AA ergänzen, wohin die 100 Millionen Dosen wann gehen.

SASSE: Vielen Dank. Wie Sie wissen, haben wir uns von Beginn an der Pandemie sehr stark dafür eingesetzt, dass Impfstoffe und Medikamente gegen COVID-19 weltweit gerecht verteilt werden. Deutschland ist das kann ich auch noch einmal hier an dieser Stelle sagen insgesamt mit 2,2 Milliarden Euro zweitgrößter Geber des sogenannten Access to COVID-19 Tools Accelerator. Das Ziel dieses Systems ist es, den gerechten Zugang für alle zu Impfstoffen und Medikamenten zu befördern und die Gesundheitssysteme zu stärken. Der Löwenanteil unserer Unterstützung fließt dabei der Impfsäule COVAX zu, die Herr Kautz ja schon angesprochen hat. COVAX konnte insgesamt mittlerweile über 440,3 Millionen Impfdosen verteilen.

Zusätzlich zur finanziellen Unterstützung von COVAX gibt Deutschland mindestens 175 Millionen Dosen Impfstoff aus eigenen Lieferverträgen ab, davon 100 Millionen im Jahr 2021 und mindestens 75 Millionen Dosen im Jahr 2022. Damit liegen wir in absoluten Zahlen auf Platz zwei als größter Geber von Impfstoffen weltweit. Wir haben bereits an 22 Staaten Impfstoffe gespendet. Über 18 Millionen Dosen sind mittlerweile vor Ort angekommen. Damit liegen wir bei den bereits ausgelieferten Dosen in der EU sogar auf Platz eins.

In den nächsten Wochen werden weitere signifikante Abgaben von Impfstoffen von Johnson & Johnson und BioNTech überwiegend an Länder in Afrika erfolgen. Unsere bisher erfolgten Abgaben teilen sich, wie erwähnt, in bilaterale Abgaben und Abgaben über COVAX auf. Bilateral haben wir insgesamt bisher 7,6 Millionen Dosen geliefert, zuletzt nach Thailand. Über COVAX wurden bisher mehr als 10 Millionen Dosen geliefert. Es folgen in den kommenden Tagen Pakistan und die Philippinen. Der allergrößte Anteil unserer Impfstoffspenden knapp 10,3 Millionen Dosen wurde an insgesamt 13 Länder in Afrika ausgeliefert.

Zusammengefasst: Wir setzen uns über drei Wege dafür ein, dass Impfstoffe weltweit verteilt und genutzt werden. Erstens fördern wir die Impfstoffplattform COVAX finanziell. Zweitens geben wir Impfdosen über COVAX an Staaten ab, die diesen Impfstoff dringend brauchen und auch direkt verimpfen können. Drittens geben wir Impfstoff auch bilateral ab, also von Staat zu Staat.

FRAGE JUNG: Ich habe eine Verständnisfrage. Wenn man von Afrika her denkt, so leben dort über eine Milliarde Menschen, für die man mindestens zwei Milliarden Dosen braucht. Sind denn aus Sicht der Bundesregierung diese geplanten 100 Millionen Dosen über COVAX annähernd genug?

SASSE: Wie wir an dieser Stelle, glaube ich, schon mehrfach ausgeführt haben, ist die Bekämpfung der Pandemie eine Herausforderung, der wir uns insgesamt gemeinsam stellen. Wir bemühen uns als Bundesregierung, so viel zu tun, wie es aus unserer Sicht und gemäß unserer Mittel möglich ist. Das sind die Bemühungen, die ich soeben dargestellt habe. Diese Bemühungen laufen selbstverständlich weiter. Es gibt an dieser Stelle, glaube ich, nichts darüber zu spekulieren, ob das jetzt schon für Afrika genug ist. Sie wissen, dass wir weiterhin sehr bemüht darum sind, zum einen Impfstoffe nach Afrika zu schicken und zum anderen dort auch Produktionskapazitäten zu stärken, damit Impfstoff in afrikanischen Staaten selber hergestellt werden kann.

ZUSATZFRAGE JUNG: Es macht sehr wohl Sinn, darüber zu spekulieren, weil 100 Millionen doch angesichts von zwei Milliarden nötigen Dosen viel zu wenig sind. Herr Seibert, sieht die Kanzlerin es so, dass diese 100 Millionen Dosen in irgendeiner Weise ausreichend sein sollen?

STS SEIBERT: Ich glaube, jedem ist klar, dass bei einem Kontinent von der Größe von Afrika 100 Millionen Dosen am Ende nicht das letzte Wort sein können. Das versteht sich von selbst. Es ist trotzdem ein sehr wichtiges Versprechen, eine sehr wichtige Zusage, die die G20 gemacht haben. Weil es nicht ausreichen wird, ist es ja so wichtig, dass wir dazu kommen, dass auch in den afrikanischen Ländern selbst produziert werden kann, auch durch Technologietransfer. Die Kollegin aus dem Auswärtigen Amt hat Ihnen ja gesagt, was diesbezüglich bereits anläuft. Das ist mittelfristig sicherlich ein sehr vielversprechender Weg. Jetzt geht es darum, dass die Weltgemeinschaft erst einmal diese Abgabe von 100 Millionen Dosen wirklich auch umsetzt.

FRAGE BLANK: Herr Seibert, sieht die Kanzlerin eine Notwendigkeit, die kostenlosen Bürgertests wieder einzuführen, wie teilweise gefordert wird?

Wird es diese Woche noch eine Ministerpräsidentenkonferenz zur Coronalage geben, nachdem es jetzt einen Spitzenwert gibt, was die Inzidenzen angeht?

STS SEIBERT: Ich komme auf beide Fragen zurück. Vielleicht versuche ich doch noch einmal, hier die Pandemielage aus Sicht der Bundeskanzlerin zu bewerten.

Wie Sie wissen und auch immer wieder von uns hören , ist die Bundeskanzlerin seit Wochen über die Entwicklung der Pandemie sehr besorgt und ruft uns alle dazu auf Bürger, Wirtschaft, die verschiedenen staatlichen Ebenen , das zu tun, was nötig ist, um die Pandemie in den Griff zu bekommen.

Wir haben jetzt Sie haben es gerade erwähnt tatsächlich bundesweit eine Inzidenz oberhalb der 200. Wir haben nicht überall gleich, aber doch regional extrem hohe Zahlen von Neuinfektionen und in diesen Regionen besonders leider auch wieder rapide steigende Zahlen von Krankenhauseinweisungen mit Corona und von Intensivstationen, die mit Coronapatienten gefüllt sind.

Es gibt, das muss man sagen, einen klaren Zusammenhang. Die Situation ist dort am schlimmsten, wo die Impfquoten am geringsten sind. Die allermeisten derjenigen, die jetzt schwer an Corona leiden und deswegen im Krankenhaus auf den Intensivstationen liegen, sind ungeimpft. Es bleibt einfach wahr, dass die vollständige Impfung die Wahrscheinlichkeit eines so schwerwiegenden Verlaufs ganz stark reduziert.

Jetzt in dieser Situation ist für die Bundeskanzlerin klar: Unser Hauptaugenmerk, unser erstes Augenmerk muss auf den Älteren, auf den Menschen in den Alten- und Pflegeeinrichtungen liegen. Sie müssen geschützt werden. Dafür gehen die Beschlüsse der Gesundheitsministerkonferenz vom vergangenen Freitag in die richtige Richtung, sind aber noch nicht präzise genug. Zumindest für ungeimpfte Mitarbeiter in den Heimen und für Besucher muss es eine tägliche Testpflicht geben. Wir haben erlebt, wohin es führen kann, wenn Ungeimpfte bzw. Infizierte in die Nähe alter, besonders gefährdeter Menschen gelangen. Das muss, soweit es geht, ausgeschlossen werden.

Bund und Länder haben im August beschlossen, dass älteren Menschen und den Bewohnern von Alten- und Pflegeeinrichtungen Auffrischungsimpfungen angeboten werden. Wir haben jetzt Mitte November. Das ist bisher nur für einen kleinen Teil der Betroffenen umgesetzt. Bei diesem langsamen Tempo darf es nicht bleiben. Deswegen noch einmal, wie hier schon am Freitag, der dringende Appell: Jeder Betreiber einer Pflegeeinrichtung, einer Alteneinrichtung muss sich darum kümmern, dass das jetzt den Bewohnern dieser Einrichtung möglichst schnell zur Verfügung gestellt wird. Es hätte schon längst geschehen müssen. Es ist eben etwas, was nicht von Bundesseite durchgeführt werden kann.

Es darf bei diesem langsamen Tempo der Auffrischungsimpfungen nicht bleiben. Es muss jetzt alles darangesetzt werden, schnellstmöglich vor allem den über 70-Jährigen – das sind in unserem Land 15, 16 Millionen Menschen – diese Auffrischungsimpfung zu geben; aber nicht nur ihnen, sondern generell auch allen. Das Beispiel Israel zeigt ja, wie eine neue Pandemiewelle verlangsamt und gestoppt werden kann, wenn ein Land mit diesem erneuerten verstärkten Impfschutz gut vorankommt.

Noch einmal zu den Zahlen: Wir sind im nationalen Durchschnitt jetzt bei einem Hospitalisierungsindex von 3,9, glaube ich. Aber in Bundesländern wie Bayern, Sachsen oder Thüringen liegt er jetzt schon über 5: im Falle Sachsen bei fast 8, im Falle Thüringen bei 13,9. Am schlimmsten Punkt des letzten Winters hatten wir, was diesen Hospitalisierungsindex betrifft, Werte von etwa 15. Darauf läuft es in manchen Regionen jetzt eben mit großem Tempo wieder zu.

Wir haben uns ja vernünftigerweise als Land und auch politisch darauf verständigt, in dieser Zahl der Krankenhaus- und Intensivpatienten den wichtigsten Indikator dafür zu sehen, wie ernst die Lage ist. Was die Bundeskanzlerin vermisst, das ist eben eine Einigung von Bund und Ländern darauf, ab welchem Wert des Hospitalisierungsindexes zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen wären.

Das rapide Ansteigen der Krankenzahlen, der Intensivpatientenzahlen zeigt: Wenn die Welle erst einmal da ist, kann es sehr schnell gehen. Dann ist man rascher als gedacht wieder bei voll belegten Stationen und bei einer Situation, wo planbare Operationen verlegt oder verschoben werden müssen. Das kann dann jeden treffen, auch denjenigen, der gar nicht an Corona erkrankt ist.

Das medizinisch-pflegerische Personal auf den Stationen kämpft um jeden und kämpft für jeden einzelnen Patienten. Es gibt dabei sein Allerbestes und das nun schon im zweiten Coronawinter. Wir sollten ihnen dafür nicht nur danken das sowieso , sondern wir sollten ihre Mahnungen auch ernst nehmen. Jeder kann mithelfen, dass Intensivstationen nicht noch voller werden. Jeder kann und sollte sich impfen lassen. Sofern das jetzt infrage kommt, sollte er sich die Auffrischungsimpfung besorgen. Er sollte sich an die Regeln halten. Wir haben gute, schützende Regeln wie 3G in vielen Einrichtungen, in vielen Bereichen. Die haben aber nur Sinn, wenn sie überprüft und eingehalten werden.

Zur Frage der Ministerpräsidentenkonferenz ich hatte es hier schon mehrmals gesagt : Die Bundeskanzlerin hätte für eine solche Beratung mit den Länderchefs Sympathie. Sie ist dafür jederzeit offen. Schon wegen Fragen der Impfkampagnenorganisation oder eben Fragen der einheitlichen Grenzwerte ich habe es gerade erwähnt könnte das aus ihrer Sicht sinnvoll sein. Aber Einigkeit darüber gibt es bei den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten derzeit nicht, also kann ich Ihnen hier nichts ankündigen.

Was die Frage der Kostenpflichtigkeit oder Kostenfreiheit von Tests betrifft, worüber jetzt wieder viele nachdenken: Die Kanzlerin kann nachvollziehen, dass darüber jetzt nachgedacht wird. Es muss viel getestet werden. Wenn wir von vielen Infektionen wissen, die Dunkelziffer möglichst klein halten, dann gibt uns das mittelfristig mehr Sicherheit. Deswegen begleitet sie solche Überlegungen durchaus positiv.

KAUTZ: Wenn ich das an einem Punkt noch ergänzen darf: Ich darf, was die Bürgertests angeht, daran erinnern, dass diese Bürgertests auf Grundlage eines MPK-Beschlusses vom 10. August kostenpflichtig wurden. Es war damals die richtige Entscheidung, das zu machen. Seit diesem Datum sind bis heute rund sechs Millionen Erstimpfungen vorgenommen worden. Ob die jetzt alle darauf zurückzuführen sind, kann man sicherlich nicht sagen. Aber es ist seitdem schon ein Anstieg der Erstimpfungen zu erkennen. Es war also die richtige Entscheidung, diese Entscheidung aus Fairnessgründen zu fällen und um die Impfung anzureizen.

Unser Haus der Minister sieht es auch so, dass es genauso richtig ist, sie in dieser vierten Welle vorübergehend wieder einzuführen. Er ist zu einem möglichen Neustart der kostenlosen Bürgertests in einem konstruktiven Austausch mit den Ampelkoalitionären.

ZUSATZFRAGE BLANK: Die Frage, die an Herrn Seibert gerichtet war, ist nicht ganz beantwortet. Dass die Kanzlerin dem positiv gegenübersteht, heißt, Herr Seibert, sie ist dafür, diese Selbsttests wieder kostenfrei zu machen?

STS SEIBERT: Ich habe mich jetzt so ausgedrückt, wie ich mich ausgedrückt habe. Der Kollege aus dem Gesundheitsministerium hat ja für den Gesundheitsminister gerade auch eine Richtung vorgegeben.

ZUSATZ BLANK: Er hat gesagt, der Gesundheitsminister sei dafür, sie kostenfrei zu machen.

STS SEIBERT: Ich denke, die Entscheidung ist noch nicht gefallen. Aber die Bundeskanzlerin sieht Argumente dafür. Sie verfolgt die Diskussion und kann das nachvollziehen, was die Befürworter kostenfreier Tests sagen.

Wir sind in einer sehr dynamischen Lage, weswegen die Beurteilung, die im August stattfand, die richtige war. Trotzdem ist es richtig, in einer dynamischen Lage immer wieder neu auf die Umstände zu schauen.

VORS. WELTY: Eine Online-Frage von Liudmila Kotlyarova zum Thema Impfflicht: Bei „Anne Will“ wurde neulich diskutiert, ob Deutschland eine Impfflicht braucht. Unter welchen Bedingungen könnte sich die geschäftsführende Bundesregierung eine solche Pflicht in welchen Bereichen vorstellen?

KAUTZ: Ich kann nur das wiederholen, was der Minister mehrfach gesagt hat, dass er im Gegensatz zu anderen Impfungen – die Masernimpfpflicht hat er selber eingeführt dagegen ist, eine Impfflicht bezogen auf einzelne Berufsgruppen einzuführen, weil das, was wir im Land erleben, eher dazu führen würde, dass sich eine Spaltung vertiefen würde und, wenn man das auf die Pflege bezieht, das eher dazu führen könnte, dass mehr Pflegekräfte den Beruf verlassen. Deswegen klar: Nein.

STS SEIBERT: Wir haben uns ja in Deutschland gegen eine allgemeine Impfpflicht ausgesprochen. Wir haben uns immer dafür ausgesprochen, dass jeder Einzelne diese Entscheidung mit Verantwortung trifft. Ich will sagen: Dieser Aspekt der Verantwortung nicht nur für sich, sondern auch für seine Mitmenschen wird natürlich dort am allergrößten, wo der Einzelne in seiner täglichen Arbeit beispielsweise im engen und engsten Kontakt mit besonders gefährdeten Personen steht. Dabei sollte über die Verantwortung ganz besonders abgewogen werden.

FRAGE REITSCHUSTER: Herr Kautz, auf der Homepage des RKI stand bis vor Kurzem auf der Seite über Ansteckungsgefahr durch Geimpfte, dass die Viruslast bei Geimpften signifikant reduziert sei. Es stand dort ein Schlüsselsatz: „Durch die Impfung erscheint das Risiko einer Virusübertragung in dem Maße reduziert, dass Geimpfte zur Weiterverbreitung des Virus nur noch wenig beitragen.“ Das war ja eine der Grundlagen für die aktuelle 1G-, 2G-, 3G-Politik. Seit einigen Tagen fehlen diese Sätze plötzlich auf der RKI-Seite. Warum sind die weg? Ist das weggefallen? Was für Auswirkungen hat das auf die 1G-, 2G-, 3G-Regeln? Danke.

KAUTZ: Haben Sie diese Frage einmal dem RKI gestellt? Das wäre, glaube ich, ein ganz pfiffiger Rechercheansatz, oder?

ZUSATZFRAGE REITSCHUSTER: Herr Kautz, Sie sind als Ministerium verantwortlich. Sie sind für die Regeln verantwortlich. Wenn Ihre oberste Bundesbehörde so etwas ändert, dann müssen Sie doch als Ministerium Bescheid wissen (akustisch unverständlich)

KAUTZ: Herr Reitschuster, ich werde sicherlich nicht jede Wendung auf der Homepage des RKI kommentieren, zumal nicht Ihnen gegenüber. Denn ich habe wiederholt erlebt, dass Sie hier mit zweifelhaften Zahlen hantieren, dass Sie gar nicht die Antworten abwarten, bevor Sie schreiben, dass Sie Fake Accounts zitieren. Deswegen werde ich mir das, was Sie sagen, angucken.

Ich kann das allgemein einordnen: Klar ist, dass Impfungen schützen. Impfungen schützen vor schwerer Erkrankung. Impfungen schützen auch vor Infektionen. Impfungen sorgen auch dafür, dass man weniger infektiös oder kürzer infektiös ist, wenn man sich doch anstecken sollte.

ZURUF REITSCHUSTER: Nachfrage!

KAUTZ: Das wäre jetzt die dritte Frage.

VORS. WELTY: Sie hatten schone eine Nachfrage.

ZUSATZFRAGE REITSCHUSTER: (akustisch unverständlich)

VORS. WELF: Ach! Ja, gut.

ZUSATZ REITSCHUSTER: Zum einen möchte ich mich gegen solche Anschuldigungen verwahren.

KAUTZ: Das dachte ich mir.

ZUSATZFRAGE REITSCHUSTER: Es wäre ja fast zu prüfen, ob das Verleumdung ist. Da bitte ich Sie dann, das wirklich zu belegen. Ich bitte Sie, das nachzureichen.

Noch einmal die Frage: Es gibt diesen Satz nicht mehr. Hat das Bundesgesundheitsministerium Anzeichen dafür, dass diese Aussage nicht mehr gültig ist? Wenn ja, warum wird dann nicht reagiert? Danke.

KAUTZ: Herr Reitschuster, ich habe gerade, glaube ich, ganz klar gesagt, wie wir Impfungen bewerten. Dem kann ich eigentlich nichts hinzufügen. Impfungen schützen. Impfungen sorgen dafür, dass man weniger lange infektiös ist. Impfungen schützen vor schwerer Erkrankung.

Auch Ihre Prämisse, dass das so haben Sie es jedenfalls, wenn ich das richtig verfolgt habe, auch geschrieben Hauptkriterium für 2G, 3G war, ist ja nicht ganz richtig. Das Hauptziel für alle Maßnahmen ist, zu vermeiden, dass das Gesundheitssystem überlastet wird. Ein Gesundheitssystem wird belastet und überlastet, wenn viele Menschen auf Intensivstationen liegen. Die Leute, die wir auf Intensivstationen momentan sehen, sind zum Großteil, zum überwiegenden Teil Ungeimpfte oder Menschen mit einem schwächeren Immunsystem, bei denen die Impfung nicht so stark anschlägt.

FRAGE JOLKVER: Zu den Impfungen. Herr Kautz, in einigen europäischen Ländern Italien, Österreich und vielleicht noch ein paar andere zählen dazu werden inzwischen die russischen Sputnik-Impfungen anerkannt, wenn man noch eine zusätzliche Boosterimpfung bekommt. Können Sie sich das in Deutschland auch vorstellen? Wie stehen Sie zu diesem Modell?

KAUTZ: Bislang nicht.

ZUSATZFRAGE JOLKVER: Was heißt bislang nicht?

KAUTZ: Können Sie sich das vorstellen? Bislang nicht.

FRAGE: Herr Kautz, eine Frage zu den Bürgertests. Gibt es schon eine Einigung, wie die in Zukunft kostenmäßig übernommen werden sollen? Herr Spahn sprach von einer Kostenübernahme via BMG-Verordnung.

Sollen die Kosten für diese Tests für alle übernommen werden oder nur für Geimpfte? Das sind ja auch noch verschiedene Ansätze, die im Raum stehen.

KAUTZ: Wenn, dann macht es Sinn, wieder kostenlose Bürgertests für alle einzuführen. Aber über die Details da bitte ich Sie um Verständnis spricht der Minister gerade mit den Ampelkoalitionären.

ZUSATZFRAGE: Wie will man in Zukunft das Problem der Ungeimpften adressieren? Man hätte ja gegebenenfalls möglicherweise schon früher mit einer größeren Verschärfung darauf reagieren können oder müssen.

KAUTZ: Na ja, es gibt ja die Diskussion um 3G und 2G. Der Minister hat wiederholt betont, dass man in Regionen, in denen die Pandemie wieder zurückkommt und in denen die Infektionszahlen steigen, auf 2G umstellen kann, umstellen sollte. Es gibt den entsprechenden Beschluss und die entsprechende Erklärung der Gesundheitsministerkonferenz. Es ist also relativ eindeutig, dass wir schon das hat ja Herr Seibert gerade ausführlich gemacht adäquat auf die Lage reagieren. Dabei spielen natürlich diese Regelungen eine entscheidende Rolle.

FRAGE JUNG: Herr Kautz, erwägt die Bundesregierung die Umwandlung der bisherigen Testangebotspflicht am Arbeitsplatz in eine Testpflicht? Das würde ja das von Ihnen und auch von Herrn Seibert betonte Prinzip des möglichst genauen Nachweises möglicher Infektionen verstärken. Bei Kindern gibt es eine solche Testpflicht. Die Zahl der doch zunehmenden Impfdurchbrüche besagt ja, dass selbst Geimpfte nicht sicher sein können, nicht infektiös zu sein.

KAUTZ: Bislang haben wir, wie Sie wissen, diese Testpflicht am Arbeitsplatz nicht eingeführt. Wenn, dann müsste das im Gespräch mit der werdenden Koalition erfolgen, nicht auf unsere Initiative.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Aber es ist richtig, dass eine solche Testpflicht sozusagen die Engmaschigkeit des Feststellungsnetzes verbessern würde?

KAUTZ: Im Zweifel immer. Aber politische Entscheidungen sind halt eben Abwägungsentscheidungen. Bislang sind wir unter Abwägung aller Argumente zu dem Schluss gekommen, dass eine Testpflicht am Arbeitsplatz nicht sinnvoll ist.

FRAGE KURZ: Ich habe eine Frage zur epidemischen Lage an das Bundesjustizministerium. Es wird immer wieder als Argument angeführt, dass eine Verlängerung der epidemischen Lage aus rechtlicher Sicht nicht möglich wäre, unter anderem wegen der Impflage. Wie ist die Position des Bundesjustizministeriums dazu?

DR. KRÜGER: Vielen Dank für diese Frage. Die richtet sich aber an das Gesundheitsressort, weil wir hier über das Infektionsschutzgesetz sprechen, für das das BMG federführend ist.

KAUTZ: Entschuldigung, das ist eine rechtliche Einschätzung, nach der jetzt gefragt wurde.

ZUSATZFRAGE KURZ: Das ist eine rechtliche Einschätzung. Vielleicht können Sie etwas dazu sagen, Herr Kautz.

KAUTZ: Ich kann jetzt nicht die rechtliche Einschätzung ersetzen. Allerdings wissen Sie auch, dass der Minister sich dafür ausgesprochen hat, aufgrund der hohen Impfquote die epidemische Lage auslaufen zu lassen. Gleichwohl hat er von Anfang an betont, dass weiterhin Maßnahmen notwendig sein würden und man dafür eine bestimmte Rechtsgrundlage braucht. Diese wird jetzt von den Ampelkoalitionären geschaffen.

FRAGE BLANK: Herr Kautz, Herr Seibert, wären denn die steigenden Infektionszahlen Anlass, noch einmal darüber nachzudenken, ob es tatsächlich richtig ist, jetzt die epidemische Notlage auslaufen zu lassen? Könnte das eventuell noch einmal überdacht werden oder ist das in Stein gemeißelt?

STS SEIBERT: Die Haltung der Bundeskanzlerin dazu habe ich Ihnen in den letzten zwei Wochen hier drei- bis viermal dargelegt. Die Entwicklung der Pandemie spricht eine eigene Sprache. Jetzt erwarten wir ja alle, dass die Ampelkoalitionäre in spe einen Gesetzentwurf vorlegen werden. Ich denke, den sollte man jetzt erst einmal abwarten.

Da die epidemische Lage von nationaler Tragweite durch den Bundestag festgestellt werden muss, sind es natürlich auch die neuen Verhältnisse im Bundestag, die dabei die entscheidende Rolle spielen.

ZUSATZFRAGE BLANK: Plant die Kanzlerin möglicherweise angesichts der sich verschärfenden Lage an diesem Donnerstag eine Regierungserklärung?

STS SEIBERT: Ankündigungen mache ich immer rechtzeitig. Heute kann ich ihnen keine machen.

Vielleicht kann man einfach noch einmal zitieren, was die Definition dieser epidemischen Lage ist. Eine epidemischen Lage von nationaler Tragweite liegt nämlich vor, wenn eine ernsthafte Gefahr für die öffentliche Gesundheit in der gesamten Bundesrepublik Deutschland besteht, weil erstens die WHO, also die Weltgesundheitsorganisation, eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite ausgerufen hat und die Einschleppung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit nach Deutschland droht oder weil zweitens eine dynamische Ausbreitung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit auf mehrere Länder in der Bundesrepublik Deutschland droht oder stattfindet.

FRAGE LÖHR: An das Bundeswirtschaftsministerium: Aus der Wirtschaft kommen Forderungen, die Überbrückungshilfen bis in das nächste Jahr zu verlängern. Teilen Sie diese Einschätzung? Falls ja, wird das noch die geschäftsführende Regierung tun?

EICHLER: Vielen Dank. – Die Rechtslage ist aktuell ja wie folgt: Sowohl die Überbrückungshilfen III Plus als auch die Neustarthilfe Plus gelten bis zum 31. Dezember 2021. Anträge können auch bis zu diesem Datum gestellt werden. Auch die beihilferechtliche Grundlage, das sogenannte Temporary Framework, gilt bis zum 31. Dezember 2021.

Eine Verlängerung dieses Rahmens ist seitens der Europäischen Kommission angedacht, aber noch nicht umgesetzt. Deshalb kann ich hier jetzt auch noch nichts weiter dazu sagen.

FRAGE JUNG: Herr Kautz, Sie sagten, dass eine Impfpflicht die Spaltung vertiefen würde. Könnten Sie uns das einmal erklären?

KAUTZ: Das, worauf der Minister immer rekurriert, sind Anspannungen in der Bevölkerung, die er zum Beispiel im Wahlkampf, auf Diskussionsveranstaltungen oder bei Demonstrationen gegen Auflagen, die vor Veranstaltungen stattfinden, erlebt. Wir haben es am Wochenende wieder erlebt, dass teilweise gewalttätig demonstriert wird. Wenn wir eine Impfpflicht einführen würden so ist jedenfalls seine Überzeugung , dann würden sich solche Tendenzen auch deutlich verstärken.

ZUSATZFRAGE JUNG: Aber gleichzeitig würde ja die Spaltung in Sachen „Geimpfte und Ungeimpfte“ geschlossen werden, oder?

KAUTZ: Das ist doch etwas völlig anderes, Herr Jung.

ZUSATZ JUNG: Aber darum geht es ja bei einer Impfpflicht, darum, dass alle geimpft sind.

KAUTZ: Ja, das ist mir schon völlig klar. Aber das sind einfach zwei völlig unterschiedliche Kategorien. Das, was Sie jetzt betreiben, ist Semantik.

FRAGE REITSCHUSTER: Herr Kautz, in der vergangenen Woche waren 225 ausländische Coronapatienten auf deutschen Intensivstationen. Das sind knapp 10 Prozent der gesamten Patienten. Auch wenn es erfreulich ist, dass man denen helfen will, sagen Kritiker, das würde die Darstellung der Zahl durcheinanderbringen. Die werfen die Frage auf: Wenn die Situation so tragisch, so dramatisch ist, dass man hier so massiv einschränken muss, warum sind diese Kapazitäten noch da? – Was antworten Sie diesen Kritikern?

KAUTZ: Zum einen, Herr Reitschuster, muss ich jetzt diesmal in der Tat sagen, dass ich das nachliefern muss. Die Zahl 225 kann ich nicht bestätigen, weil ich das schlicht und ergreifend nicht weiß. Ich muss schauen, ob diese Zahl stimmt.

Zum anderen zu drastischen Maßnahmen, die wir treffen: Wenn Sie die jetzigen Maßnahmen mit den Maßnahmen im vergangenen Jahr vergleichen, dann ist ziemlich viel wieder möglich, ziemlich sehr viel wieder möglich. Es gibt keine drastischen Einschränkungen der Maßnahmen. Das ist natürlich auch ein Grund dafür, dass die Zahlen steigen, und die Zahlen steigen bei den Leuten, die ungeimpft sind.

STS SEIBERT: Im Übrigen, Herr Reitschuster, ändern die Zahlen, die Sie jetzt genannt haben, wenn sie stimmen ich nehme das einmal an , das Bild überhaupt nicht. Wir hatten im Sommer vielleicht 200 Intensivpatienten. Wir haben jetzt ich kenne die tagesaktuellen Zahlen nicht 2300 oder 2500. Selbst wenn wir 10 Prozent weniger hätten, hätten wir doch die gleiche Dynamik, mit der sich unsere Intensivstationen wieder in sehr bedrohlicher Weise füllen.

ZUSATZ REITSCHUSTER: Herr Kautz, Sie haben jetzt gesagt, es gäbe keine dramatischen Maßnahmen. Ich bekomme massiv Zuschriften von Lesern, die sagen, zum Beispiel Kinder fühlten sich wie Aussätzige, weil sie nicht geimpft seien. Sie fühlen sich wie Aussätzige. Sie können nicht mehr ins Restaurant gehen. Die Bundesregierung

KAUTZ: Das stimmt ja nicht. Vielleicht könnten Sie da aufklären, Herr Reitschuster.

STS SEIBERT: Die 3G-Regel ermöglicht ja den Besuch im Restaurant ohne Probleme.

KAUTZ: Für Kinder auch.

ZUSATZFRAGE REITSCHUSTER: Welche Regel?

STS SEIBERT: Die 3G-Regel.

ZUSATZ REITSCHUSTER: Aber es gibt ja schon 2G im großen Teil! – Ich will jetzt nicht ins Detail gehen. Das können wir bilateral klären.

KAUTZ: Das sollten Sie aber, weil Sie in Ihrer Frage eine Unwahrheit behauptet haben, Herr Reitschuster, und das können wir nicht durchgehen lassen.

ZUSATZ REITSCHUSTER: Nein, das war keine Unwahrheit.

KAUTZ: Doch!

ZUSATZ REITSCHUSTER: Das unterstellen Sie mir; nein!

KAUTZ: Doch!

ZURUF REITSCHUSTER: (akustisch unverständlich)

VORS. WELTY: Vielleicht könnten wir zu einem geordneten Verfahren zurückkommen.

ZUSATZFRAGE REITSCHUSTER: Genau. – Die Frage war: Ich habe Sie also richtig verstanden, dass die Bundesregierung davon ausgeht so haben Sie das gesagt , dass die jetzigen Maßnahmen nicht dramatisch sind. Ja?

KAUTZ: Das habe ich nicht gesagt!

ZURUF REITSCHUSTER: Doch!

KAUTZ: Ich habe das mit dem vergangenen Jahr verglichen.

ZUSATZ REITSCHUSTER: Das ist Semantik.

KAUTZ: Nein!

ZUSATZ REITSCHUSTER: Das ist genau das, was Sie Herrn Jung vorwerfen.

KAUTZ: Das ist der Vergleich.

VORS. WELTY: Ich wäre wirklich sehr dankbar, wenn wir zu einem Verfahren zurückkämen, das eine Frage und eine Antwort beinhaltet.

ZURUF REITSCHUSTER: Jetzt wurde aber ich unterbrochen!

STS SEIBERT: Ich finde, wir sollten vielleicht auch insgesamt zu einer verbalen Abrüstung kommen, und Sie sollten sich vielleicht überlegen, ob Sie Begriffe wie die, dass Menschen hier wie Aussätzige behandelt werden, einfach so weitertransportieren. Niemand wird in Deutschland so behandelt. Es gibt etwa 55 Millionen oder 56 Millionen Menschen, die sich haben impfen lassen, und es gibt eine aus meiner Sicht und aus Sicht der Bundesregierung betrüblich hohe Zahl von Menschen, die sich leider noch nicht haben impfen lassen, obwohl es ihnen persönlich Sicherheit gäbe und es uns insgesamt als Land besser durch die Pandemie brächte. Als Aussätziger wird niemand behandelt. Das einfach so als Begriff in den Raum zu stellen, ist meiner Meinung nach ein Beitrag zu einem wirklich schlechten Klima.

ZUSATZ REITSCHUSTER: Nein. Es ist Aufgabe der Presse, das zu transportieren, was Leute fühlen.

STS SEIBERT: Nachdem Sie sie auch entsprechend journalistisch beliefert haben.

ZUSATZFRAGE REITSCHUSTER: Also bin ich schuld?

VORS. WELTY: Ich werde diese Diskussion jetzt nicht weiterführen lassen, und wir kommen zu Herrn Lücking mit einem neuen Thema.

FRAGE LÜCKING: Helfer von Hilfsorganisationen berichten von Tötungen durch die Taliban in Afghanistan und davon, dass es immer schwieriger wird, die Menschen in den Verstecken über Bezahldienste zu unterstützen. Wie ist die Erkenntnislage des Auswärtigen Amtes? Sie haben ja breite Zahlen dazu gestreut, wie viel Hilfe nach Afghanistan geht. Erreicht diese Hilfe auch die Menschen in den Verstecken?

SASSE: Vielen Dank, Herr Lücking. – Vielleicht komme ich zuerst einmal zu den Tötungen. Es gab ja am Wochenende Berichte über die Tötung von vier Frauen in Masar-e Scharif. Dazu kann ich Ihnen sagen, dass wir diese Berichte zur Kenntnis genommen haben. Eigene Erkenntnisse zu diesen Überlieferungen liegen uns allerdings nicht vor. Das ist aber natürlich ganz unbestritten eine schreckliche Tat, die aufgeklärt werden muss.

Was unsere Hilfe angeht, haben Sie zu Recht darauf verwiesen, dass wir das an dieser Stelle schon einmal dargestellt haben. Das gibt mir Gelegenheit, auch noch einmal einzuordnen, dass wir die Gespräche mit den Taliban, die wir immer schon geführt haben und auch weiter führen werden, jetzt natürlich inhaltlich darauf ausrichten, dass solche humanitäre Hilfe, die wir weiterhin für die Menschen vor Ort in Afghanistan leisten, die Menschen auch tatsächlich erreicht und dass die Taliban es den Menschen in Afghanistan zudem ermöglichen, auszureisen, wenn sie es denn möchten. Das betrifft unter anderem die Frage, ob und auf welche Art die Menschen bessere oder andere Ausweispapiere benötigen und erhalten. Das betrifft auch ganz praktische Fragen der Ermöglichung der Weiterreise oder Ausreise, zum Beispiel in Nachbarländer.

Wie Sie wissen das haben wir auch schon mehrfach dargestellt sind wir weiterhin bemüht darum, die Ausreise von Personen, die wir als schutzbedürftig identifiziert haben, zu ermöglichen. Dazu zählt unter anderem der Landweg. Pakistan ist dabei ein sehr wichtiger Nachbarstaat, der eine sehr entscheidende Rolle spielt. Wir haben auf dem Landweg das kann ich an dieser Stelle auch noch einmal sagen, was die Zahlen angeht insgesamt 1400 afghanischen Staatsangehörigen ermöglicht, auszureisen. Sie wurden dann auch bei der Weiterreise nach Deutschland unterstützt, und zwar mittels fünf organisierter Weiterflüge. Auch was den Luftweg angeht das habe ich an dieser Stelle, glaube ich, auch vorletzte Woche schon einmal ausgeführt , bemühen wir uns weiterhin darum, Ausreisemöglichkeiten zu schaffen. Es gibt unter anderem Planungen für einen möglicherweise stattfindenden Charterflug, den Deutschland durchführt. Über die genauen Planungen kann ich Ihnen aber an dieser Stelle noch keine Auskunft geben. Wenn das der Fall sein wird, werde ich das gerne an dieser Stelle nachholen.

ZUSATZFRAGE LÜCKING: Zu den Bezahldiensten: Es gibt ja etablierte Wege, den Menschen in den Verstecken zu helfen, doch die Dienstleister beschränken die Möglichkeit, dieses Geld irgendwie nach Afghanistan zu bringen. Sehen Sie seitens der Bundesregierung eine Möglichkeit, darauf Einfluss zu nehmen, Gespräche aufzunehmen?

SASSE: Uns ist natürlich bewusst, dass die Menschen vor Ort alle Möglichkeiten nutzen wollen, die sich bieten, um möglichst schnell auszureisen und auch an Hilfe zu gelangen. Es ist aber so, dass sich die Bundesregierung ja an Recht und Gesetz halten muss und dass wir vor diesem Hintergrund beispielsweise den Kauf von Pässen oder anderen Hilfsangeboten, die da im Raum stehen, nicht unterstützen. Wir stehen aber, wie gesagt, auch in Gesprächen mit den Taliban darüber, Ausreisen beispielsweise ohne Pässe zu ermöglichen.

FRAGE TAIBI: Deutsche Zeitungen berichten, dass Botschafter Markus Potzel nächste Woche nach Afghanistan reisen wird, um über die Beziehungen zu den Taliban zu sprechen. Wird Deutschland seine Botschaft in Kabul eröffnen?

SASSE: Wir haben diese Medienberichterstattung am Wochenende zur Kenntnis genommen. Wie immer kommentieren wir Medienberichte an dieser Stelle nicht. Ich habe deutlich gemacht, dass wir weiterhin Gespräche mit den Taliban führen. Insofern hat sich da nichts verändert. Ich habe auch den Inhalt dieser Gespräche deutlich gemacht, und diese Gespräche führen wir selbstverständlich über unseren Botschafter Markus Potzel und auch über den Afghanistan-Beauftragten des Auswärtigen Amtes weiter.

ZUSATZFRAGE TAIBI: Welche Art und Form hat die Beziehung der deutschen Bundesregierung zu den Taliban?

SASSE: Ich weiß nicht genau, auf was sich die Frage bezieht. Wir führen, wie gesagt, Gespräche mit den Taliban, und unsere Beziehungen haben sich nicht verändert.

FRAGE TIMOFEEVA: Frau Sasse, zur Situation an der Grenze zwischen Weißrussland und Polen: Wie bewerten Sie das und die Haltung der weißrussischen Regierung in diesem ganzen Zusammenhang?

Planen Sie konkrete Maßnahmen? Vielleicht hilft die Bundesrepublik Polen beim Grenzschutz oder verhängt weitere Sanktionen gegen Minsk in diesem Zusammenhang?

SASSE: Frau Timofeeva, wir hatten uns an dieser Stelle schon vorletzte Woche, glaube ich, ausführlich zur Lage an der belarussisch-polnischen Grenze geäußert und auch sehr deutlich gemacht, dass uns diese Situation ausdrücklich weiter besorgt. Wir beobachten, dass das Lukaschenko-Regime weiterhin Migranten nach Belarus lockt und sie auf eine gefährliche Reise in Richtung EU schickt. Es gibt Hinweise darauf, dass das Minsker Regime die Menschen trotz der widrigen Verhältnisse und auch der winterlichen Temperaturen immer wieder zur Grenze schickt, zum Teil mit Zwang.

Ich hatte in einer der letzten Pressekonferenzen deutlich gemacht, dass wir mit Blick auf Belarus auch insgesamt weiter an einer gemeinsamen EU-Reaktion arbeiten und hier gemeinsam als EU reagieren, um mit einem Bündel von Maßnahmen auf dieses perfide und menschenverachtende Verhalten von Herrn Lukaschenko zu antworten. Die verschiedenen Maßnahmen, die wir jetzt gemeinsam mit den EU-Partnern vorantreiben, haben wir hier in den vergangenen Tagen und Wochen bereits dargestellt. Es geht unter anderem um die Erweiterung von EU-Sanktionen und um Gespräche mit den Herkunfts- und Transitstaaten. Es gibt beispielsweise auch um Aufklärung über die Gefahren der Belarus-Route in sozialen Medien.

Selbstverständlich geht es auch damit komme ich auf Ihre Frage zurück um die Unterstützung der betroffenen EU-Mitgliedstaaten, unter anderem beim Außengrenzschutz. Wir befinden uns darüber in engem Austausch. Unter anderem hat Außenminister Maas gerade vergangenen Montag mit der zuständigen EU-Innenkommissarin Johansson telefoniert. Wir hatten die Inhalte auch über unseren Twitter-Kanal verbreitet.

STS SEIBERT: Ich will noch einmal, wenn ich darf, ganz kurz daran erinnern, dass sich ja auch der vergangene Europäische Rat Ende Oktober schon mit dieser Frage auseinandergesetzt hat, die seitdem noch mehr an Dringlichkeit gewonnen hat, und ganz klar gesagt hat: Das ist ein laufender hybrider Angriff des belarussischen Regimes gegen einen Mitgliedstaat der Europäischen Union. Das belarussische Regime agiert als Schlepper. Es instrumentalisiert in einer politisch wie menschlich verwerflichen Weise Flüchtlinge und Migranten, und Europa wird sich in diesem laufenden hybriden Angriff gemeinsam entgegenstellen.

FRAGE JOLKVER: An das Innenministerium: Ist Ihnen bekannt, dass sich heute eine Menschenmenge in vierstelliger Zahl in Richtung der polnischen Grenze bewegt? Die haben sich wohl aus verschiedenen Gruppen zusammengetan und marschieren jetzt in diesen Minuten Richtung polnischer Grenze. Welche Unterstützung könnte die Bundesrepublik jetzt den polnischen Kollegen an dieser Grenze geben? Wie reagieren Sie, wenn es zu einem massiven Durchbruch der polnischen Grenze kommt?

ALTER: Zunächst einmal sind uns die Berichte über diese Personengruppe bekannt. Es gibt ja auch Videos und Bilder, die in den sozialen Netzwerken umhergesendet werden. Das kennen wir. Aber das ist natürlich nicht die einzige Informationsquelle, der wir uns behördlicherseits bedienen. Wir stehen in engem Austausch mit den polnischen Behörden. Die Bundespolizei hat Kontakte auf Arbeitsebene. Es gibt dort eine permanente Abstimmung.

In der vergangenen Woche hat ein Besuch stattgefunden. Die Bundespolizei war in Polen zu Arbeitsgesprächen. Wir können nur sagen, dass die polnischen Behörden mit enormem Aufwand versuchen, den Schutz der Außengrenze zu gewährleisten. „Schutz der Außengrenze“ bedeutet, dass Grenzübertritte so erfolgen, dass man diejenigen, die nach Polen einreisen, auch kontrollieren kann und dann entscheiden kann, ob Einreisevoraussetzungen erfüllt sind oder nicht. Das erfolgt eben in unterschiedlicher Form, je nachdem, ob man sich an einer zugelassenen Grenzübergangsstelle oder in dem Raum zwischen Grenzübergangsstellen befindet.

Die polnischen Behörden wissen, dass wir Unterstützung leisten, wenn sie benötigt wird. Das hat auch der Bundesinnenminister gegenüber seinem Amtskollegen schon vor zwei Wochen schriftlich angeboten. Falls das notwendig werden sollte, denke ich, werden die polnischen Behörden auf uns zukommen. Das ist bislang nicht geschehen.

ZUSATZFRAGE JOLKVER: Ist dabei auch an einen Waffengebrauch gedacht? Wie stehen Sie zu der Option, Waffen zu gebrauchen, um die Flüchtlinge an der Überquerung der Grenze zu hindern?

ALTER: Es gibt in unserem deutschen Recht Vorschriften das ist das Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwangs , in denen genau definiert ist, unter welchen Umständen Schusswaffen eingesetzt werden. Das sind ganz, ganz strenge Regelungen, bei denen es in der Regel darum geht, Gefahren für Leib und Leben abzuwehren. Diese Frage, die Sie stellen, stellt sich uns derzeit nicht.

FRAGE: Fürchtet die Bundesregierung, dass die Leute, die im Moment an der Grenze zwischen Belarus und Polen sind, in Richtung Deutschland weiterlaufen?

Kümmert sich die aktuelle Regierung noch um die neue Migrationswelle, oder muss die EU auf die neue Bundesregierung warten?

ALTER: Vielleicht kann ich daran anschließen. Die Behörden in der Bundesrepublik Deutschland, die für den Grenzschutz zuständig sind, beobachten die Situation sehr genau. Wir wissen aus der Vergangenheit, dass das Geschehen an den Außengrenzen der Europäischen Union immer auch Wechselwirkungen mit den nationalen Grenzen im Inneren der EU haben kann. Insofern stehen wir mit hoher Aufmerksamkeit in Kontakt mit den polnischen Behörden.

Ja, die geschäftsführende Bundesregierung kümmert sich um die Belange, die keinen Aufschub dulden. Sie setzt aber keine neuen politischen Impulse.

FRAGE IGLESIAS SAN MARTIN: Wie steht die deutsche Regierung zum in Anführungszeichen neu gewählten Präsidenten in Nicaragua?

SASSE: Ich würde für das Auswärtige Amt antworten und zum einen darauf verweisen, dass heute eine Erklärung der EU zu den Wahlen in Nicaragua im Namen aller EU-Mitgliedstaaten veröffentlicht werden wird.

Zum anderen kann ich für die Bundesregierung und für das Auswärtige Amt sagen, dass der Wahlprozess in Nicaragua aus unserer Sicht nicht die Mindestvoraussetzungen einer freien und fairen Wahl erfüllt hat. Insbesondere befinden sich mehrere Oppositionsführer in Haft und andere im Exil. Sie hatten daher keine Möglichkeit, an der Wahl teilzunehmen. Wir rufen die Regierung von Nicaragua dazu auf, zum demokratischen Prozess zurückzukehren und die politischen Gefangenen unverzüglich freizulassen.

KAUTZ (zur COVID-19-Pandemie): Diese Zahl, die Sie genannt haben, Herr Reitschuster, können wir so nicht nachvollziehen. Vermutlich ist das die Zahl von ausländischen Patienten, die seit Beginn der Pandemie behandelt wurden. Insofern stimmt die Relation auch nicht.

Im Übrigen möchte ich darauf verweisen, dass die Bundesländer diese ausländischen Patienten aufnehmen und natürlich Bundesländer diese Patienten aufnehmen, die das auch leisten können. In Schleswig-Holstein werden Sie also ausländischen Patienten finden, aber in Sachsen nicht.

FRAGE JUNG: Ich habe eine Frage an Frau Sasse und das Auswärtige Amt zum Thema Mali. Es geht um ECOWAS. Die Wirtschaftsgemeinschaft westafrikanischer Staaten hat Sanktionen gegen die dortigen Militärherrscher, mit denen die Bundesregierung ja zusammenarbeitet, verhängt. Wie bewerten Sie diese Maßnahmen? Es geht darum, dass die innerhalb von 18 Monaten zugesagten Wahlen jetzt doch nicht stattfinden werden.

SASSE: Die Antwort auf diese Frage müsste ich nachreichen, Herr Jung.

Unsere Position zu Mali das kann ich vielleicht ergänzen hatten wir ja schon mehrfach dargestellt, auch, was die Bemühungen von ECOWAS, in dem Konflikt zu vermitteln, angeht. An dieser grundsätzlichen Position zu Mali hat sich nichts geändert. Allerdings würde ich, was Ihre konkrete Fragen nach Sanktionen der ECOWAS angeht, die Antwort gerne nachreichen.

FRAGE JESSEN: Frau Sasse, zu Namibia: Ist aus Sicht der Bundesregierung die Gruppe der Nama ein indigenes Volk?

SASSE: Herr Jessen, damit nehmen Sie ja Bezug auf verschiedene Fragen, die Sie in der letzten Woche, wenn ich das richtig verstanden habe, schon mit Herrn Burger diskutiert haben. Wir hatten bezüglich einer Ihrer Fragen, die noch offen waren, etwas nachgeliefert. Das betrifft die Frage nach der Deklaration indigener Völker. Ich weiß nicht, ob Sie jetzt über diese Nachlieferung hinaus, die wir bereits übermittelt haben, noch etwas wissen möchten. Ich kann im Moment über diese Nachlieferung hinaus nichts zu Ihrer Frage beitragen.

ZUSATZ JESSEN: Ich will das gern erläutern: In der Nachlieferung war in der Tat die Frage, ob es sich bei den Nama um ein indigenes Volk handelt oder nicht, nicht beantwortet worden; die Frage wurde sozusagen nicht behandelt. Deswegen würde ich das gerne wissen, weil sich aus dieser Antwort dann neue Fakten ergeben, zum Beispiel was weitere Rechte der indigenen Völker und deren Wahrnehmung betrifft. Für die Einschätzung des Sachverhaltes wäre also die Einschätzung der Bundesregierung, worum es sich bei den Nama eigentlich handelt, von zentraler Bedeutung, und diese Einschätzung ist bisher noch nicht geliefert worden. Da bitte ich um Nachlieferung.

SASSE: Dann möchte ich das vielleicht doch noch einmal für alle grundsätzlich einordnen.

Die Frage von Herrn Jessen bezieht sich darauf, ob die Bundesregierung sich bei den Verhandlungen oder bei den Gesprächen, die wir mit der namibischen Regierung in der Vergangenheit geführt haben, an die Deklaration der Vereinten Nationen über indigene Völker gebunden fühlt. Herr Burger hatte sich dazu ausführlich geäußert, und ich möchte an dieser Stelle für alle auch erwähnen, dass wir Herrn Jessen auf seine Frage geantwortet hatten. Das ist jetzt ein etwas längerer Text, den ich aber ausdrücklich vorlesen möchte:

„Die Bundesregierung ist aktiv an Verhandlungen im Rahmen der Vereinten Nationen beteiligt, um die Rechte und die Teilhabe von Indigenen weiter zu stärken und selbstverständlich bestrebt, diese Rechte umzusetzen.

Die Bundesregierung hat sich von Beginn der deutsch-namibischen Verhandlungen an mit der namibischen Regierung darauf verständigt und darauf geachtet, dass Vertreter der Nama und Herero an allen Phasen des Dialogs beteiligt sind.

Ursprung der Verhandlungen aus namibischer Sicht ist der Auftrag der namibischen Nationalversammlung vom 26.10.2006, der ausdrücklich auch die Beteiligung der Nachkommen der Opfer des Völkermordes vorsah.

Auf namibischer Seite wurde daher ein „Technisches Komitee“ eingerichtet, das dem namibischen Verhandlungsführer Dr. Ngavirue beratend zur Seite stand. Fünf Vertreter der Nachfahren der Opfer wurden in die Verhandlungsdelegation aufgenommen. Sie haben an sämtlichen Verhandlungsrunden teilgenommen und die Position der betroffenen Gemeinschaften aktiv eingebracht.

Beratend stand dem Delegationsführer auch der „Rat der Ovaherero, OvaMbanderu und Nama für den Dialog über den Völkermord von 1904-1908“ (ONCD) zur Seite. Darin sind über 26 traditionelle Autoritäten und Königshäuser zusammengeschlossen, darunter die traditionale Autorität der Vaalgras und Okakarara, die Königshäuser Zeraeua und Maharero und zahlreiche andere. Das Technische Komitee stand auch Vertretern weiterer betroffener Gemeinschaften offen.

Daraus ergibt sich jedenfalls kein offensichtlicher Widerspruch zur Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker aus dem Jahr 2007.“

Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich hier die Namen von Volksstämmen nicht richtig ausgesprochen habe. Das ist keine Absicht.

Um an dieser Stelle auf Ihre Frage zurückzukommen, Herr Jessen, ob die Volksgruppen, um die es hier geht, von der Erklärung der Vereinten Nationen erfasst sind denn darum geht es letztlich : Sie wollen, wenn ich Sie richtig verstehe, darauf hinaus, ob wir diese Erklärung in unseren Gesprächen berücksichtigt haben. Ich glaube, das wird aus dem, was ich jetzt vorgetragen habe, sehr deutlich. Wir haben uns nach Kräften und in Zusammenarbeit mit der namibischen Regierung bemüht, die Opfergruppen bzw. betroffenen Volksgruppen, um die es geht, in den Prozess einzubinden, und haben das so getan, wie die namibische Regierung und die Opfergruppen selbst es entschieden haben.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Danke für das Verlesen der ausführlichen Antwort, aber darin wird eben auch deutlich, dass die Frage tatsächlich nicht beantwortet ist; denn nach der Regel der Vereinten Nationen sind es die indigenen Völker selbst, die bestimmen müssten, wer sie vertritt. Was Sie vorgelesen haben danke noch einmal dafür , zeigt einen Prozess, bei dem nicht die Bevölkerungsgruppen selbst bestimmt haben, wer sie vertritt, sondern es wurden Mitglieder dieser Gruppen vom Parlament benannt. Stimmen Sie mir zu, dass es ein Unterschied ist, ob eine Volksgruppe selbst benennt, wer sie vertreten soll, oder ob vom Parlament Mitglieder dieser Volksgruppe benannt werden?

SASSE: Herr Jessen, noch einmal: Wir sehen keinen offensichtlichen Widerspruch zur Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker, und ich habe sehr deutlich gemacht, dass wir in allen Phasen der Verhandlungen zwischen Deutschland und Namibia mit der namibischen Regierung in Dialog standen und auch darauf geachtet haben, dass Vertreter der Nama und Herero an allen Phasen des Dialogs beteiligt waren.

Ich darf auch noch einmal darauf verweisen, dass der Verhandlungsführer, Dr. Ngavirue, der inzwischen ja leider verstorben ist, selbst aus einer dieser Volksgruppen stammte.

FRAGE JOLKVER: Frau Sasse, es gibt Berichte über Truppenbewegungen auf der russischen Seite der russisch-ukrainischen Grenze. Wie schätzen Sie die Situation ein? Sind Sie beunruhigt, oder was passiert da Ihrer Kenntnis nach?

SASSE: Herr Jolkver, ich kann Ihnen sagen, dass wir die Lage selbstverständlich sehr, sehr aufmerksam beobachten und uns dazu auch sehr eng mit anderen Partnern austauschen. Zu einzelnen Inhalten vertraulicher Gespräche mit diesen Partnern, auch was mögliche russische Truppenbewegungen angeht, kann ich Ihnen allerdings keine Auskunft geben. Wie gesagt, wir beobachten die Lage sehr, sehr aufmerksam, und dazu gehören auch die aktuellen Truppenbewegungen.

ZUSATZFRAGE JOLKVER: Aber beunruhigt sind Sie nicht?

SASSE: Doch, selbstverständlich. Ganz grundsätzlich ist schon die Zunahme der Verletzungen des Waffenstillstandes im Donbass selber beunruhigend, ebenso wie die Behinderungen der Arbeit der Beobachtungsmission der OSZE, der SMM. Die Bundesregierung setzt sich daher dafür ein, die Spannungen in der Region zu reduzieren, und dazu gehört auch, dass wir darauf drängen, die Transparenz zu erhöhen, was Truppenbewegungen im Grenzgebiet angeht.

FRAGE TIMOFEEVA: Frau Sasse, auch zu diesem Thema bzw. zum Normandie-Format: Der Sprecher des ukrainischen Präsidenten hat gesagt, das Normandie-Format sei aus und ein Gipfeltreffen sowie ein Ministertreffen könnten nicht stattfinden. Früher hat das Auswärtige Amt gesagt, dass Sie zusammen mit Frankreich Verhandlungen zum Thema Ministertreffen geführt haben. Wo steht man in diesen Verhandlungen?

SASSE: Ich möchte noch einmal darauf verweisen, dass das Ergebnis eines Gesprächs von Bundeskanzlerin Merkel und dem französischen Staatspräsidenten Macron mit dem russischen Staatspräsidenten Putin im Oktober der klare Auftrag war, ein Treffen im Normandie-Format der Außenminister zeitnah durchzuführen, um dringend benötigte Fortschritte bei der Konfliktlösung zwischen Russland und der Ukraine zu erzielen. In den vergangenen Wochen sind wir mehrfach darauf eingegangen, und in der vergangenen Woche hatte mein Kollege Herr Burger auch über ein Schreiben der russischen Seite berichtet.

Ich kann dazu im Moment nur sagen, dass wir weiterhin sehr intensiv daran arbeiten, dass ein solches Treffen im Normandie-Format der Außenminister aller vier Staaten stattfindet. Aber aus dem Format ergibt sich auch: Für ein Quartett braucht es vier Spieler, die mitspielen. Frankreich, Deutschland und die Ukraine stehen für ein Treffen bereit. Wir hoffen, dass die Russen ebenfalls dazu bereit sind.

ZUSATZFRAGE TIMOFEEVA: Ein Datum gibt es also nicht?

SASSE: Ich habe Ihnen dazu heute nichts mitzuteilen.

FRAGE JOLKVER: Frau Sasse, Sie hatten gesagt, Sie würden mit Ihren Partnern über die Situation an der Grenze beraten. Den Inhalt wollen Sie nicht widergeben, aber können Sie sagen, was für Partner das sind?

SASSE: Da die OSZE, wie Sie wissen, eine entscheidende Rolle in der Region spielt, sprechen wir selbstverständlich mit der OSZE über die Lage. Wir sprechen mit Partnern wie den USA, selbstverständlich mit den Franzosen und auch mit den beteiligten Konfliktparteien, also der Ukraine und Russland.

VORS. WELTY: Alexander Ratz von Reuters hat eine Frage an das Verkehrsministerium:

Minister Scheuer hat dem Flughafen BER eine Frist bis Mittwoch für einen weiteren Bericht zur Lage des Flughafens gesetzt. Warum hält der Minister das für erforderlich?

HERZOG: Vielen Dank für die Frage. Es ist richtig, das Bundesverkehrsministerium hatte bis zum 5. November einen ausführlichen schriftlichen Bericht zum ersten Jahr des Betriebs des BER angefordert. Darin sollte unter anderem klar aufgelistet werden, wie der aktuelle Stand am Airport mit Blick auf bestehende Mängel und Probleme ist, und es sollten insbesondere auch Lösungsvorschläge aufgenommen werden, wie und bis wann diese Mängel behoben werden. Das leistet der jetzt vorliegende Bericht in dieser Form nicht. Insofern hat das Bundesverkehrsministerium nun bis Mittwoch weitere, detailliertere Informationen nachgefordert.

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